Urteil vom Finanzgericht Münster - 4 Ko 2422/12
Tenor
Die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung an Prozesskostenhilfe für das Verfahren 4 K 908/11 Kg vom 05.07.2012 wird auf EUR 440,78 herabgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
1
Gründe:
2I.
3Streitig ist, ob dem Prozessbevollmächtigten eines Klägers nach einer Verfahrensbeendigung durch übereinstimmende Hauptsacheerledigungserklärungen im Rahmen der Festsetzung der Vergütung von Prozesskostenhilfe die Erstattung einer Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) i.V.m. lfd. Nr. 3202 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG zusteht.
4Der Kläger des inzwischen abgeschlossenen Verfahrens 4 K 908/11 Kg führte beim Finanzgericht Münster gegen die Familienkasse K-Stadt ein Klageverfahren betreffend Kindergeld. Prozessbevollmächtigter war der Erinnerungsgegner.
5Der erkennende 4. Senat des Finanzgerichts Münster gewährte dem Kläger unter Beiordnung des Erinnerungsgegners mit Beschluss vom 23.02.2012 teilweise Prozesskostenhilfe und legte hierbei die verfahrens- und materiell-rechtlichen Erwägungen seiner Entscheidung ausführlich dar.
6Im Hinblick auf die Ausführlichkeit der Beschlussgründe fragte der Berichterstatter bei den Beteiligten mit Schreiben vom 26.03.2012 an, ob auf Grundlage des Beschlusses über die (teilweise) Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits 4 K 908/11 Kg in Betracht komme.
7Der Erinnerungsgegner stimmte mit Schreiben vom 10.05.2012 für den Kläger einer einvernehmlichen Streitbeilegung auf vorgenannter Basis zu, fragte aber zugleich nach der Kostenquote. Der Berichterstatter erklärte dem Erinnerungsgegner in einem Telefonat vom 14.05.2012, dass im Falle der übereinstimmenden Hauptsacheerledigungserklärung eine Kostenverteilung nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen erfolgen würde (vgl. Telefonvermerk vom 14.05.2012, Bl. 86 der Prozessakte 4 K 908/11 Kg). Aufgrund eines weiteren Telefonats des Berichterstatters mit der Prozessbevollmächtigten der beklagten Familienkasse am 13.06.2012 verpflichtete sich diese, dem Klagebegehren nach Maßgabe des Beschlusses über die (teilweise) Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzuhelfen (vgl. Telefonvermerk vom 13.06.2012, Bl. 91 der Prozessakte 4 K 908/11 Kg). Die übereinstimmenden Hauptsacheerledigungserklärungen erfolgten am 15. und 26.06.2012.
8Der nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) insoweit zuständige Berichterstatter legte mit Beschluss vom 28.06.2012 die Kosten des Verfahrens für die Zeit bis zum 21.07.2011 zu 70 v.H. dem Kläger und der beklagten Familienkasse zu 30 v.H. sowie für die Zeit ab dem 22.07.2011 zu 85 v.H. dem Kläger und zu 15 v.H. der Familienkasse auf. Über die Kostenverteilung besteht kein Streit.
9Mit Schreiben vom 02.07.2012 stellte der Erinnerungsgegner einen Antrag auf Kostenausgleich und beanspruchte hierbei neben der Erstattung einer Verfahrensgebühr (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. lfd. Nr. 3200 VV RVG) auch die einer Terminsgebühr (lfd. Nr. 3202 VV RVG). Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des 4. Senats des Finanzgerichts Münster folgte dem Antrag und setzte dem Erinnerungsgegner gegenüber am 05.07.2012 die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung an Prozesskostenhilfe in Höhe von EUR 590,72 fest (§ 55 RVG).
10Das Land Nordrhein-Westfalen hat - vertreten durch die Bezirksrevisorin des Finanzgerichts Münster - am 18.07.2012 nach § 56 Abs. 1 RVG Erinnerung gegen die Festsetzung vom 05.07.2012 eingelegt. Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Berücksichtigung einer Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer und trägt hierzu im Wesentlichen Folgendes vor:
11Zwar könne ausnahmsweise auch durch das Führen von Telefonaten des Gerichts mit den Beteiligten eine Terminsgebühr nach lfd. Nr. 3202 VV RVG entstehen. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass mit den Beteiligten sachverhaltsklärende oder rechtliche Probleme erörtert würden. Im Verfahren 4 K 908/11 Kg sei allerdings nur noch die Kostenquote telefonisch besprochen worden.
12Der Erinnerungsführer beantragt (sinngemäß),
13die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung an Prozesskostenhilfe für das Verfahren 4 K 908/11 Kg vom 05.07.2012 auf EUR 440,78 herabzusetzen.
14Der Erinnerungsgegner beantragt,
15die Erinnerung zurückzuweisen.
16In den Telefonaten mit dem Berichterstatter des Verfahrens 4 K 908/11 Kg sei es nicht nur um die Abstimmung der Kostenquote gegangen. Vielmehr sei auch die Art und Weise der Beendigung des Verfahrens beratschlagt worden. Es sei auch über rechtliche Probleme gesprochen worden. Dies rechtfertige die Erstattung einer Terminsgebühr.
17Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung unter Hinweis auf den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 05.04.2011 (13 Ko 13326/10, juris) nicht abgeholfen.
18II.
19Über die nach § 56 Abs. 1 RVG statthafte Erinnerung des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksrevisorin des Finanzgerichts Münster (Staatskasse), entscheidet der Einzelrichter des 4. Senats des Finanzgerichts Münster (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG). Die Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung von Prozesskostenhilfe vom 05.07.2012 ist begründet. Dem Erinnerungsgegner steht die Erstattung einer Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. lfd. Nr. 3202 VV RVG nicht zu.
201. Nach Maßgabe von Teil 3 der Vorbemerkung zu 3 Abs. 3 VV RVG, die als allgemeine Vorschrift auch im finanzgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, entsteht eine Terminsgebühr nach lfd. Nr. 3202 VV RVG
21a. für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin,
22b. für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlichen Sachverständigen anberaumten Termins
23c. oder für die Mitwirkung an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung, und zwar auch ohne Beteiligung des Gerichts.
24Darüber hinaus bestimmt die Anmerkung zur lfd. Nr. 3202 in Abs. 2 VV RVG speziell für das finanzgerichtliche Verfahren, dass eine Terminsgebühr auch dann entsteht, wenn das Gericht nach §§ 79a Abs. 2, 90a FGO durch Gerichtsbescheid oder nach § 94a FGO nach billigem Ermessen ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet. Gleiches gilt bei einer einvernehmlichen schriftlichen Entscheidung des Gerichts nach § 90 Abs. 2 FGO (Anmerkung zur lfd. Nr. 3202 in Abs. 1 VV RVG i.V.m. Anmerkung zur lfd. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG).
252. Gerichtlich anberaumte Termine i.S. der oben genannten Ziff. 1.a. und 1.b. fanden im Verfahren 4 K 908/11 Kg nicht statt. Ebenso ist der Tatbestand des „Mitwirkens an einer erledigungsfördernden Besprechung“ i.S. der oben genannten Ziff. 1.c. nicht gegeben.
26a. Der im Zuge der Einführung des RVG im Jahr 2004 erweiterte Anwendungsbereich der Terminsgebühr auf außergerichtliche Besprechungen zielt darauf ab, einen Rechtsanwalt dann - zusätzlich - zu entlohnen, wenn er es durch außergerichtliche Einigungsbemühungen versucht, eine Beendigung des Verfahrens zu erreichen, um damit einen (weiteren) gerichtlichen Termin überflüssig zu machen. Es soll die Bemühung um die Erledigung der Sache honoriert werden, durch die sowohl den Beteiligten als auch dem Gericht - allein im Gebühreninteresse - unnötige Erörterungen in einem Gerichtstermin erspart bleiben (BT-Drs. 15/1971, Seite 209; BGH-Beschluss vom 21.10.2009 IV ZB 27/09, NJW 2010, 381). Die Notwendigkeit einer „Besprechung“ setzt zum einen voraus, dass mündlich oder aber telefonisch miteinander gesprochen wurde; ein persönlicher Termin ist dagegen nicht erforderlich (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV Vorb. 3 Rdnr. 117). Zum anderen ist für die Beanspruchung der Terminsgebühr nach oben genannter Ziff. 1.c. notwendig, dass eben die Verfahrensbeteiligten bzw. deren Bevollmächtigte selbst miteinander in einen Kommunikationsaustausch treten. Vor diesem Hintergrund stellt die einseitige (telefonische) Besprechung des Bevollmächtigten eines Beteiligten mit dem Gericht regelmäßig keine Besprechung i.S. des Termins-Gebührentatbestands dar (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.12.2009 L 19 B 281/09 AS, juris). Dies gilt selbst dann, wenn die andere Seite anschließend über das Gespräch (Telefonat) mündlich bzw. fernmündlich in Kenntnis gesetzt wird (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 7. Aufl., § 139 Rdnr. 65; a.A. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV Vorb. 3 Rdnr. 132). Insofern fehlt es an dem „Miteinander“ der Kommunikation zwischen den Beteiligten.
27b. Im Verfahren 4 K 908/11 Kg fehlte es an einer solchen - gemeinsamen - verfahrenserledigenden Besprechung. Der Erledigungsvorschlag des Berichterstatters vom 26.03.2012 basierte auf den ausführlichen Gründen des Beschlusses des 4. Senats des Finanzgerichts Münster über die teilweise Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 23.02.2012. Dieser Vorschlag wurde von den Bevollmächtigten der Beteiligten ohne Änderungsbegehren und - wie gerichtsbekannt ist - ohne weitere tatsächliche oder rechtliche Erörterung angenommen. Für die vorliegende Streitfrage ist es nicht erheblich, dass der Berichterstatter des Verfahrens 4 K 908/11 Kg mit den Bevollmächtigten Telefonate führte. Grund hierfür war zum einen nur, dass der Erinnerungsgegner mit Schreiben vom 10.05.2012 für den Fall der einvernehmlichen Streitbeilegung die beabsichtigte Kostenquote erfragte und zum anderen, dass die beklagte Familienkasse zunächst auf die gerichtliche Anfrage vom 26.03.2012 nicht reagierte. Grundsätzlich hätten - wie auch vom Berichterstatter angedacht - die Erklärungen, ob der Rechtsstreit auf Basis der Beschlussgründe vom 23.02.2012 einvernehmlich beendet würde, ausschließlich im schriftlichen Wege erfolgen können. Allein der Umstand, dass das Gericht aus Gründen der effizienten Prozessökonomie unterstützend zum Schreiben vom 26.03.2012 mit den Bevollmächtigten der Beteiligten telefonierte, qualifiziert deren streitbeilegende Erklärungen nicht als Ergebnis einer „gemeinsamen Besprechung“. Die einvernehmliche Streitbeilegung beruhte auch nicht auf der Initiative der Bevollmächtigten der Beteiligten, sondern ausschließlich auf der des Gerichts. Die mit der Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der Terminsgebühr zu honorierende Entlastung des Gerichts trat vorliegend somit gerade nicht ein.
28Soweit zum Teil in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, dass auch wechselseitig zwischen dem Gericht/Berichterstatter und den Beteiligten geführte Telefonate die Terminsgebühr nach lfd. Nr. 3202 VV RVG auslösen können (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.04.2011 13 Ko 13326/10, EFG 2011, 1551), folgt das erkennende Gericht dem jedenfalls dann nicht, wenn - wie vorliegend - das Gericht/der Berichterstatter selbst einen Erledigungsvorschlag ausgearbeitet hat und dieser ohne weiteres Zutun und ohne weitere tatsächliche/rechtliche Erörterungen von den Beteiligten in unabhängig voneinander geführten Telefonaten angenommen wird. Insoweit ist die Situation gebührenrechtlich nicht anders zu behandeln, als wenn im schriftlichen Verfahren ein bereits ausgearbeiteter gerichtlicher Erledigungsvorschlag übereinstimmend angenommen wird.
293. Im Übrigen besteht über Grund und Höhe der nach § 55 RVG festzusetzenden Vergütung kein Streit.
304. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Aufwendungen der Beteiligten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
315. Die Unanfechtbarkeit des Beschlusses ergibt sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.