Urteil vom Finanzgericht Münster - 2 K 3208/11 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
T a t b e s t a n d
2Zu entscheiden ist, ob ein Stipendium (vorrangig) nach § 3 Nr. 44 Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr 2009 geltenden Fassung (a.F.) steuerfrei ist.
3Die verheirateten Kläger werden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
4Der Kläger ist Doktorand an der C-Universität (CU) im Fachbereich Maschinenbauinformatik. Er erhielt im Streitjahr ein Stipendium i.H.v. monatlich 1.500 EUR. Die Zahlung erfolgte aufgrund einer Bewilligung durch den Kanzler der CU vom 20.11.2008. Die Bewilligung nahm Bezug auf die Stipendienvereinbarung vom 27.08.2007. Aus den darin zugesagten Mitteln sollten dem Kläger beginnend ab dem 01.12.2008 bis zum 30.11.2011 monatlich 1.500 EUR, insgesamt 54.000 EUR ausgezahlt werden. Die Zahlung stand unter dem Vorbehalt der Rückforderung oder Beendigung des Stipendiums insbesondere für den Fall, dass der Geldgeber die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stelle.
5Die in Bezug genommene Stipendienvereinbarung war geschlossen zwischen der CU und der Fa IG GmbH & Co KG (Förderer). Der Förderer entwickelt und produziert weltweit Schließ-, und Türgriffsysteme u.a. im Fahrzeugzugangs- und Fahrberechtigungsbereich (vgl. Ausdruck aus dem Internet in der Einkommensteuerakte).
6Aufgrund der Stipendienvereinbarung stellte der Förderer der CU im Rahmen des Projektes Wissensbasierte Methoden zur Realisierung schneller ...Prozessketten bei der Entwicklung von Schließsystemen für eine Laufzeit von 3 Jahren Mittel i.H.v. 2.400 EUR/Monat (28.000 EUR/Jahr) zur Verfügung (§ 1). Die CU stellte die Mittel der Projektleitung Herr Prof. Dr. X. (Professur für Maschinenbauinformatik) auf einem separaten Drittmittelkonto zur Durchführung einer Promotionsarbeit zum Thema ... Assistenzsystem für ... zur Verfügung. Die Promotionsarbeit sollte gemeinschaftlich von Herrn Dipl.-Ing. S.L. (Vertreter des Förderers) und Herrn Prof. Dr. X. betreut werden (§§ 2 und 3). Das Stipendium sollte basierend auf einer Ausschreibung der Förderung im Internet vergeben werden. Die Auswahl des/der Kandidaten/in sollte durch ein Komitee bestehend aus dem Vertreter des Förderers und dem Projektleiter erfolgen (§ 5). Bei Abbruch der Promotionsarbeit vor erfolgreicher Beendigung oder bei Nichtbestehen einer dreimonatigen Probezeit konnte der Förderer die Zahlungen bzw. die Förderung einstellen bzw. Überzahlungen zurückfordern (§§ 7, 8). Über das Bestehen der Probezeit sollte ein Komitee bestehend aus dem Projektleiter und dem Vertreter des Förderers entscheiden (§ 8). Der Förderer behielt sich seine Zustimmung über die Offenlegung betriebsinterner Informationen etc vor, soweit diese nicht für den Erfolg der Promotionsarbeit unbedingt notwendig waren (§ 6).
7Nach einer zusätzlichen Vertraulichkeitsvereinbarung vom 14.11.2008 zwischen der CU und dem Förderer, der der Kläger und Herr Prof. Dr. X. beigetreten sind, sollten alle aus und in Zusammenhang mit dem geförderten Projekt übergebenen, entwickelten und erstellten Unterlagen, Datenträger, Informationen sowie Arbeitsergebnisse und Teile hiervon Gegenstand der Geheimhaltung sein. Deren Auswertung und Verwertung sollte allein dem Förderer zustehen (a - c). Mit Beendigung des Vertrags bzw. Vertragszwecks war der Vertragspartner verpflichtet, alle Unterlagen, Datenträger, Informationen sowie Arbeitsergebnisse und Teile hiervon herauszugeben (d). Eine Zuwiderhandlung war mit einer Vertragsstrafe belegt (e).
8Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stipendien- und Vertraulichkeitsvereinbarungen verwiesen.
9Die Doktorandenstelle wurde im Internet mit dem Forschungsthema Wissensbasiertes Assistenzsystem .... ausgeschrieben und ausweislich der Bewilligung vom 20.08.2008 auf Vorschlag und in Absprache mit dem Projektleiter, Herrn Prof. Dr.-Ing. X., an den Kläger vergeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausschreibung und auf die Bewilligung verwiesen.
10Im Mai 2009 machte die CU dem Beklagten Mitteilung über die Bewilligung des Stipendiums i.H.v. insgesamt 54.000 EUR.
11Bei Abgabe ihrer Steuererklärung für das Streitjahr im März 2010 beantragten die Kläger den Ansatz der Zahlungen aus dem Stipendium i.H.v. 18.000 EUR als dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkommensersatzleistungen. Die im Zusammenhang mit dem Studium des Klägers angefallenen Aufwendungen machten sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend, da es sich um eine Fortbildung mit inhaltlichem Zusammenhang zum bestehenden Arbeitsverhältnis handele. Die CU bestätigte dem Kläger, das er im Rahmen seiner Promotion an 202 Arbeitstagen im Jahr 2009 an der CU für die Ausarbeitung seiner Doktorarbeit tätig bzw. anwesend gewesen sei.
12Der Beklagte erfasste die Zahlungen aus dem Stipendium abweichend von der Erklärung als wiederkehrende Bezüge i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG. Die geltend gemachten Aufwendungen i.H.v. 9.242 EUR berücksichtigte er als Werbungskosten und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 27.04.2010 auf 9.326 EUR fest.
13Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte vertrat in seiner Einspruchsentscheidung vom 08.08.2011 unter Hinweis auf eine entsprechende Auskunft des für die CU zuständigen Finanzamts X-Stadt vom 19.10.2009 die Auffassung, das Stipendium sei nicht steuerfrei, weil es nicht unmittelbar aus öffentlichen Mitteln gewährt worden sei. Die CU gewähre das Stipendium nicht aus eigenen Drittmitteln. Die Zahlung sei davon abhängig, dass der Förderer die entsprechenden Mittel zur Verfügung stelle.
14Hiergegen richtet sich die anhängige Klage, mit der die Kläger ihr Begehren unter Hinweis auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren weiter verfolgen. Nach Auskunft der Justitiarin der CU habe das Finanzamt X-Stadt alle Stipendien der CU bis zu einem Betrag von 1.500 EUR pro Monat für steuerfrei erklärt. Dies sei aus Gleichstellungsgründung auch im Fall des Klägers zu berücksichtigen. Das Stipendium sei nach Höhe und Dauer allein durch die CU bewilligt und festgesetzt worden. Sie erfülle als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Voraussetzungen nach § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG. Die von ihr verwalteten Gelder des Förderers seien haushaltsrechtlich echte Drittmittel der CU. Die Einschränkung hinsichtlich der Stipendienbewilligung sei nur notwendig, um einen etwaigen wirtschaftlichen Schaden im Sinne des Haushaltsrechts in Anlehnung an die Landeshaushaltsordnung NRW von der CU abzuhalten. Dies sei absolut gängige Praxis und keine Besonderheit im Zusammenhang mit gewährten Stipendien. Soweit die CU bei einseitiger Beendigung durch den Förderer dem Stipendiaten gegenüber keine Zahlungsverpflichtung habe, fehle zwar ein finanzielles Risiko für die CU. Dies hindere jedoch nicht die Annahme eigener Mittel der CU. Die universitäre Forschung sei entscheidend von Drittmitteln abhängig. Dies gelte auch für die CU. Zwischen dem Geldgeber und dem Stipendiaten bestehe keinerlei vertragliche Vereinbarung.
15Soweit der Beklagte darauf verweise, dass die Prüfung der Steuerfreiheit durch das für den Stipendiengeber zuständige Finanzamt vorzunehmen sei, hindere dies nicht die Prüfung in eigener Zuständigkeit. Denn eine Mitteilung des für den Stipendiengeber zuständigen Finanzamts sei kein Grundlagenbescheid.
16Soweit der Beklagte auf die Vereinbarungen in der Vertraulichkeitsvereinbarung verweise, habe der Kläger sich damit nicht zu einer für die Steuerfreiheit schädlichen Gegenleistung verpflichtet. Der Kläger selbst müsse mit der im Rahmen des Stipendiums zu leistenden Promotionstätigkeit nur belegen, dass er selbständig wissenschaftlich arbeiten könne. Dieser Nachweis werde im Regelfall durch Forschungstätigkeit im Rahmen wissenschaftlicher Freiheit erbracht. Dem widerspreche auch nicht die Nennung des Forschungsthemas Assistenzsystem für .... Der Kläger sei als Stipendiat und Doktorand „freier Erfinder“. In dieser Eigenschaft stünden ihm alle Rechte aus seinen Erfindungen zu. Sie könnten nicht ohne seine Zustimmung von der Universität in Anspruch genommen und folglich auch nicht auf den Förderer übertragen werden. Das Arbeitnehmererfindungsgesetz sei nicht einschlägig.
17Auf gerichtliche Anfrage hat die CU ihre Ordnung für die Graduiertenförderung vom 12.08.2002, geändert am 21.02.2007 vorgelegt. Nach Angabe des zuständigen Dezernenten richtet sich die Vergabe von Stipendien aus Mitteln des Landeszuschusses nach dieser Ordnung. Aktuell werde diese Ordnung auch auf die Stipendienförderungen aus Drittmitteln, bezogen auf das Verfahren (der Kläger) nicht der Höhe des Stipendiums nach, zu Grunde gelegt.
18Nach der Ordnung für die Graduiertenförderung kann ein Hochschulabsolvent ein Stipendium erhalten, wenn das wissenschaftliche Vorhaben einen wichtigen Beitrag zur Forschung erwarten lässt (§ 2 (1)). Das Vorliegen der Förderungsvoraussetzungen wird anhand von Gutachten geprüft, die von zwei Professoren/innen oder Privatdozenten/innen zu erstellen sind (§ 2 (4)). Die Höhe des Stipendiums beträgt 1.000 EUR (§ 4 (2)). Stipendiaten/innen können Zuschläge für Sachkosten und Reisekosten erhalten (§ 4 (5)). Die Dauer der Förderung beträgt in der Regel beim Grundstipendium zwei und beim Abschlussstipendium ein Jahr (§ 5 (1)). Stipendien werden zunächst für ein Jahr bewilligt (§ 5 (2)). Die Bewilligung endet spätestens mit Ablauf des Monats der mündlichen Doktorprüfung oder mit Ablauf des Monats, in dem der Stipendiat/in eine Tätigkeit von nicht geringem Umfang aufnimmt (§ 5 (4)). Nach § 7 ist ein Abschlussbericht zu fertigen. Über die Vergabe des Stipendiums entscheidet die Vergabekommission (§§ 8, 9). Die Voraussetzung für den Widerruf des Bewilligungsbescheides sind in § 11 geregelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ordnung für die Graduiertenförderung verwiesen.
19Die Kläger beantragen,
20der Bescheid über die Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2009 wird dahingehend geändert, dass die Zahlungen aus dem dem Kl. gewährten Stipendium der C- Universität steuerfrei nach § 3 Nr. 44 EStG gestellt werden.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend wird geltend gemacht, dass der Kläger sich im Rahmen des Projekts zu einer bestimmten wissenschaftlichen Gegenleistung verpflichtet habe. Dies ergebe sich aus der konkreten Festlegung auf das von dem Förderer unterstützte Projekt und aus der Vereinbarung der Herausgabe- und der alleinigen Verwertungsrechte (Vertraulichkeitsvereinbarung).
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Rechtsvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Steuerakten des Beklagten verwiesen.
25Der Senat hat am 16.05.2013 in der Sache mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Die zulässige Klage ist nicht begründet.
28Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig. Die Kläger werden hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat die Einnahmen des Klägers zu Recht als steuerpflichtig behandelt. Deren Steuerfreiheit ergibt sich weder aus § 3 Nr. 11 noch aus § 3 Nr. 44 EStG.
29Nach § 3 Nr. 44 EStG a.F. sind Stipendien steuerfrei, die unmittelbar aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Das Gleiche gilt für Stipendien, die zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, ... gegeben werden. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass
30a) die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden,
31b) der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist.
32Der Kläger hat die Zahlungen der CU für eine selbständig ausgeübte wissenschaftliche Tätigkeit erhalten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Aber auch wenn man die Zahlungen nicht als Gegenleistung für die Tätigkeit des Klägers ansähe, wären sie jedenfalls als sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 1 Satz 1, Satz 3 Buchstabe b EStG steuerbar (FG Hamburg Urteil vom 05.09.2012 6 K 39/12, EFG 2013, 104, Rev. eingelegt, Az. des BFH VIII R 43/12; FG Baden-Württemberg Urteil vom 12.12.2007 3 K 209/03, EFG 2008, 670; nachgehend BFH-Urteil vom 15.09.2010 X R 33/08, BStBl II 2011, 637).
33Unschädlich ist, dass der Beklagte die Einkünfte im Streitfall als Bezüge nach § 22 Nr. 3 EStG erfasst hat. Denn die Höhe der festgesetzten Steuer ändert sich nicht durch diese Qualifizierung der Einkünfte.
34Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit dieser Einkünfte liegen nicht vor.
35Der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 44 EStG a.F. ist nicht erfüllt.
36Bei der Beurteilung der Steuerfreiheit nach dieser Vorschrift ist das Gericht nicht an die in dem Schreiben des Finanzamt X-Stadt vom 19.10.2009 geäußerte Auffassung gebunden. Nach R 3.44 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2008 hat zwar das Finanzamt, das für die Veranlagung des Stipendiengebers zur Körperschaftsteuer zuständig ist oder zuständig wäre, wenn der Geber steuerpflichtig wäre, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Stipendien zu prüfen und auf Anforderung des für die Veranlagung des Stipendienempfängers zuständigen FA eine entsprechende Bescheinigung zu erteilen. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Verwaltungsvorschrift und nicht um eine gesetzliche Regelung, so dass die Bescheinigung kein Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO für die Einkommensteuerfestsetzung ist (FG Hamburg Urteil vom 05.09.2012 6 K 39/12 aaO m.w.N.).
37Dahinstehen kann deshalb, ob das Finanzamt X-Stadt – wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt – nach erneuter Prüfung zu einem abweichenden Ergebnis gekommen ist und nun die Steuerfreiheit für Stipendien der CU und auch konkret bezogen auf den Kläger anerkennt.
38Auch der Hinweis in der Bewilligung des Stipendiums vom 20.11.2008, wonach der Kläger verpflichtet sei, dem zuständigen Finanzamt eine Einkommensteuererklärung vorzulegen, besagt nichts über die Steuerpflicht oder Steuerfreiheit des Stipendiums.
39Nach Auffassung des erkennenden Senates sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 EStG a.F. im Streitfall nicht gegeben.
40Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind steuerfrei Stipendien, die u. a. von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, gewährt werden. Die CU erfüllt als eine vom Land Nordrhein-Westfalen errichtete Hochschule diese Voraussetzung (vgl. § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 Gesetz über die Hochschulen des Landes NRW vom 31.10.2006).
41Die Stipendien müssen unmittelbar gewährt werden. Nach § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG a.F. lässt sich diese Voraussetzung dem Wortlaut zwar nicht entnehmen. Für einen Verzicht auf das Unmittelbarkeitserfordernis in den Fällen des Satzes 2 sind allerdings keine sachlichen Gründe ersichtlich. Das Merkmal der Unmittelbarkeit der Zahlung ist erst durch das Steuervereinfachungsgesetz mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2011 entfallen (vgl. von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 3 Rz. B 44/56f m.w.N.).
42Im Streitfall wird das Stipendium nach Auffassung des Senates unmittelbar von der CU gewährt. Der Förderer stellt die in der Stipendienvereinbarung vom 27.08.2007 zugesagten Gelder zunächst der CU zur Verfügung. Diese vergibt die Mittel dann als eigene Drittmittel an den Kläger. Dass es sich um eigene Drittmittel der CU handelt, ergibt sich schon daraus, dass sie die zugesagten Mittel (28.000 EUR/Jahr) nur zum Teil (18.000 EUR/Jahr) als Stipendium an den Kläger weiterreicht.
43Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Stipendien einen für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen und nach den von dem Geber erlassenen Richtlinien vergeben werden (Satz 3 Buchstabe a der Vorschrift) und dass der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist (Satz 3 Buchstabe b).
44Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil das Stipendium nicht nach den von der CU erlassenen Richtlinien, hier der Ordnung für die Graduiertenförderung vom 12.08.2002, geändert am 21.02.2007 vergeben wurde.
45Dahinstehen kann deshalb, ob die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG vorliegen.
46Soweit der Beklagte meint, dass der Kläger im Streitfall zu einer bestimmten wissenschaftlichen Gegenleistung verpflichtet sein könnte, weil er nach den Vorgaben der Stipendien- und Vertraulichkeitsvereinbarung thematisch sehr stark eingeschränkt, eine vorgegebene und ergebnisorientierte Leistung erbringen und seine Arbeitsergebnisse – soweit nicht für den Erfolg der Promotionsarbeit unbedingt notwendig – allein an den Förderer herausgeben soll, erscheint dies zweifelhaft.
47So vertritt das FG Hamburg in seinem Urteil vom 05.09.2012 die Auffassung, dass eine die Steuerfreiheit ausschließende Gegenleistung i.S.d. § 3 Nr. 44 Satz 3 b EStG nicht vorliege, wenn das Stipendium zwar für die Forschung zu einem bestimmten Thema vergeben werde und eine wesentliche Änderung dieses Themas zustimmungspflichtig sei, der Stipendiat aber frei an dem Thema arbeiten könne und kein bestimmtes Ergebnis abzuliefern habe. Eine bestimmte wissenschaftliche Gegenleistung i. S. des § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG sei dagegen nur anzunehmen, wenn der Forschende verpflichtet sei, ein bestimmtes Ergebnis abzuliefern, beispielsweise ein patentreifes Produkt zu entwickeln oder eine bestimmte Studie zu erstellen, oder wenn er über die eigentliche Forschung hinausgehende Leistungen zu erbringen habe, die der Stipendiengeber ansonsten entgeltlich von einem Dritten beziehen müsste. Es genüge zwar jede Gegenleistung, selbst wenn sie nicht ausgewogen sei. Denn durch die Regelung solle sichergestellt werden, dass das Stipendium uneigennützig gewährt werde und keine offene oder verdeckte Vergütung für eine Arbeitsleistung darstelle (Bundestagsdrucksache. 4/2400, 62). Nicht ausreichend sei aber, wenn der Stipendiat z.B. nur eine bestimmte Anzahl seiner Forschungs- oder Doktorarbeiten zur Verfügung stellen müsse (vgl. FG Hamburg Urteil vom 05.09.2012 6 K 39/12, aaO; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 3 Rz. B 44/84ff jew. m.w.N.).
48Die Frage, ob eine bestimmte wissenschaftliche Gegenleistung i.S.d. § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG vorliegt, dürfte aber auch nach dem Zweck der Vorschrift zu beurteilen sein. Bezweckt wird mit der Steuerbefreiung die Förderung der Leistungsziele. Gefördert werden sollen in sachlicher Hinsicht die Forschung sowie wissenschaftliche und künstlerische Aus- und Fortbildung. Dabei begünstigt die Vorschrift des § 3 Nr. 44 EStG in personeller Hinsicht nicht nur den Stipendienempfänger, sondern auch den Stipendiengeber. Denn der Leistende kann den Leistungszweck bei Steuerfreiheit mit geringerem Mittelaufwand erreichen, der Leistungsempfänger kann ihn weitergehend verfolgen. Vorbehaltlich einer missbräuchlichen Anwendung der Vorschrift, dürfte eine bestimmte Gegenleistung nur dann anzunehmen sein, wenn bei wertender Betrachtung nicht förderungswürdige Leistungen begünstigt werden (vgl. von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 3 Rz. B 44/11, B 44/31f und B 44/73 - 76 m.w.N.).
49Im Streitfall könnte es hiernach an einer bestimmten Gegenleistung fehlen, weil der Leistungszweck trotz der Vorgaben des Förderers erfüllt wird. So erleichtert das Stipendium dem Kläger seine Promotion und damit seine Fortbildung auf dem Gebiet der Maschinenbauinformatik. Auch der CU dürfte daran gelegen gewesen sein, einen Doktoranden an dem Lehrstuhl für Maschinenbauinformatik einsetzen und ausbilden zu können. Dass die gewonnen Erkenntnisse und Arbeitsergebnisse gleichzeitig im Interesse des Förderers und Drittmittelgebers liegen, steht der Erreichung dieser Ziele wohl nicht entgegen. Vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung dürfte es daher wohl der das Stipendium vergebenden Hochschule obliegen zu entscheiden, welche Themen den Anforderungen an eine Promotionsarbeit entsprechen bzw. welche Bedingungen und Vorgaben deren Anerkennung entgegen stehen könnten. Der Senat geht davon aus, dass Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anwendung der Vorschrift des § 3 Nr. 44 EStG oder für die Begünstigung nicht förderungswürdiger Leistungen im Streitfall nicht vorliegen.
50Ob das gewährte Stipendium i.H.v. 1.500 EUR betragsmäßig die Grenzen des § 3 Nr. 44 Buchstabe a EStG übersteigt, kann ebenfalls dahinstehen. Der Senat neigt jedoch zu der Auffassung, dass die gewährten Leistungen im Streitfall nicht über das hinausgehen, was zur Erfüllung der Forschungsaufgabe oder zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Klägers erforderlich war. Insoweit wird auf die Ausführungen des FG Hamburg vom 05.09.2012 6 K 39/12, aaO, denen der erkennende Senat folgt, verwiesen. Danach wird ein Betrag von 2.000 EUR monatlich zur Bestreitung des Lebensbedarfs als erforderlich angesehen. Dieser Betrag wird hier nicht überschritten.
51Allerdings sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Buchstabe a EStG nicht erfüllt. Denn das Stipendium wurde nicht nach den Richtlinien der CU (hier: Ordnung für die Graduiertenförderung) an den Kläger vergeben.
52Richtlinien i.S.d. § 3 Nr. 44 Buchstabe a EStG sind vom Stipendiengeber festgelegte allgemeine Grundsätze. Wie sie zu gestalten sind, wird nicht bestimmt. Sie müssen jedoch vorliegen und angewandt werden, damit eine vom Einzelfall losgelöste einheitliche Vergabepraxis erreicht werden kann (Ross in Frotscher, EStG § 3 Nr. 44 Rz, 4; von Beckerath in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG § 3 Rz. B 44/77 jew. m.w.N.). Nach der Gesetzesbegründung soll die Bindung an die vom Geber erlassenen Richtlinien eine möglichst weitgehende Bindung der vergebenden Stelle im Interesse einer einheitlichen Handhabung bewirken (Bundestagsdrucksache 4/2400, 62).
53Dass das Stipendium im Streitfall der Höhe nach nicht den Vorgaben der von der CU erlassenen Ordnung für die Graduiertenförderung entspricht, hat sie mit ihrem Schreiben vom 15.05.2013 bereits mitgeteilt. So vergibt die CU aus eigenen Mitteln grundsätzlich nur Stipendien i.H.v. 1.000 EUR monatlich (§ 4 (2)). Mit 1.500 EUR pro Monat liegt das hier vergebene Stipendium deutlich über diesem Betrag. Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Mehrbetrag Sach- und Reisekosten i.S.v. § 4 (5) abgedeckt werden sollten, liegen nicht vor. Denn nach § 4 (5) der Ordnung für die Graduiertenförderung sollen diese Zuschläge 1.000 EUR für die gesamte Förderungsdauer nicht überschreiten.
54Im Streitfall lassen sich aber noch weitere Abweichungen feststellen.
55So fällt zunächst auf, dass die CU in der Bewilligung vom 20.11.2008 nur auf die Stipendienvereinbarung vom 27.08.2007 Bezug nimmt. Es fehlt jeglicher Hinweis auf die Anwendung oder Anwendbarkeit der Ordnung für die Graduiertenförderung vom 12.08.2002 i.d.F. vom 21.02.2007. Schon dies weist nach Auffassung des erkennenden Senats deutlich darauf hin, dass diese Vergaberichtlinien im Streitfall nicht zur Anwendung gekommen sind und auch nicht zur Anwendung kommen sollten.
56Zweifelhaft erscheint, ob das vorgegebene Thema Assistenzsystem für Türaussengriff- und Schließsysteme die Voraussetzungen nach § 2 (1) der Ordnung für die Graduiertenförderung erfüllt. Denn ob die erzielten Ergebnisse tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur Forschung erwarten lassen, wäre gegebenenfalls durch ein Gutachten festzu-stellen. Im Streitfall ist das Vorliegen der Förderungsvoraussetzungen nicht anhand von Gutachten geprüft wurde, die von zwei Professoren/innen oder Privatdozenten/innen er-stellt wurden, wie dies in § 2 (4)) der Ordnung für die Graduiertenförderung geregelt ist. Auch hat über die Vergabe des Stipendiums nicht die Vergabekommission nach §§ 8, 9 entschieden. Nach dem Wortlaut des Bewilligungsbescheides vom 20.11.2008 wurde das Stipendium im Streitfall (allein) „auf Vorschlag und in Absprache mit dem Projektleiter, Herrn Prof. Dr.-Ing. X. .... bewilligt“. Hinsichtlich der (von vornherein) zugesagten Dauer der Förderung (drei Jahre) weicht das dem Kläger bewilligte Stipendium ebenfalls von der Ordnung für die Graduiertenförderung ab. Hiernach beträgt die Dauer der Förderung in der Regel beim Grundstipendium zwei und beim Abschlussstipendium ein Jahr (§ 5 (1)). Stipendien werden zunächst für ein Jahr bewilligt (§ 5 (2)). Über das Ende der Förderung enthält die Bewilligung vom 20.08.2008 nur den Hinweis auf die Stipendienvereinbarung vom 27.08.2007. Demgegenüber ist in der Ordnung für die Graduiertenförderung geregelt, dass die Bewilligung spätestens mit Ablauf des Monats der mündlichen Doktorprüfung oder mit Ablauf des Monats, in dem der Stipendiat/in eine Tätigkeit von nicht geringem Umfang aufnimmt, endet (§ 5 (4)). Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Kläger im Streitfall den nach § 7 der Ordnung für Graduiertenförderung zu fertigenden Abschlussbericht vorlegen musste und dass der Widerruf der Bewilligung sich nach § 11 richten sollte.
57Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Buchstabe a EStG könnten erfüllt sein, weil die Ausschreibung der Stelle möglicherweise auf Ausschreibungsrichtlinien beruhe, kann dem nicht gefolgt werden. Denn Ausschreibungsrichtlinien regeln inhaltlich nicht die Modalitäten der Vergabe eines Stipendiums.
58Die Steuerfreiheit des Stipendiums ergibt sich auch nicht aus § 3 Nr. 11 EStG.
59Diese Vorschrift verlangt eine Herkunft des Stipendiums aus öffentlichen Mitteln. Demgegenüber lässt § 3 Nr. 44 EStG auch andere Stipendiengeber - wie hier die CU - zu. Außerdem begünstigt § 3 Nr. 44 EStG EStG Leistungen zur Förderung der Aus- und Fortbildung. Im Gegensatz dazu unterstützt § 3 Nr. 11 EStG (nur) Leistungen zur Förderung der Ausbildung. Die Promotion des Klägers ist aber Fortbildung (vgl. Schmidt/Loschelder EStG 32. Auf. 2013 § 12 Rz. 59, Schmidt/Krüger aaO § 19 Rz. 110 ABC „Doktortitel und Schmidt/Heinicke aaO § 10 Rz. 140 ABC „Promotion“).
60Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
61Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, in dem das Stipendium nicht nach den Richtlinien des Stipendiengebers vergeben wurde. Die in dem anhängigen Revisionsverfahren VIII R 43/12 möglicherweise zu entscheidenden Fragen, ob ein Stipendium in Höhe von 2.700 EUR den nach § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe a EStG erforderlichen Betrag übersteigt oder ob eine bestimmte Gegenleistung i.S.d. § 3 Nr. 44 Satz 3 Buchstabe b EStG vorliegt, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich.
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