Urteil vom Finanzgericht Münster - 4 K 69/14 G
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Streitig ist, ob der Betrieb einer Blindenführhundeschule einen Gewerbebetrieb i.S. von § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) darstellt.
3Die Klägerin betreibt seit dem Jahr 1996 eine Blindenführhundeschule in E. Sie bildet junge Hunde zu Blindenführhunden aus. Die Ausbildung dauert im Regelfall ein halbes Jahr. Jährlich bildet die Klägerin drei bis fünf Hunde aus. Üblicherweise ist es vom Ablauf so, dass sehbehinderte Menschen zunächst Kontakt zur Klägerin aufnehmen, um abzustimmen, welche Hunderasse den eigenen Charaktereigenschaften sowie den örtlichen Begebenheiten am ehesten entspricht. Sodann erwirbt die Klägerin – im eigenen Namen und auf eigene Rechnung – einen dementsprechenden Welpen, den sie selbst aufzieht oder in eine Patenfamilie gibt. Zu späterer Zeit beginnt die Ausbildung mit der Eingewöhnung des Hundes in das bestehende Rudel. Hieran schließt das Training im Führgeschirr an, gefolgt vom Gehorsams- und Hindernistraining (z.B. Boden- und Seitenhindernisse), das sich sowohl zeitlich als auch vom Schwierigkeitsgrad stetig intensiviert. Bereits während der Ausbildung kommt es zu ersten Kontakten zwischen dem auszubildenden Hund und dem zukünftigen Besitzer. Am Ende der Ausbildung steht die Übergabephase des Hundes an den Sehbehinderten, die bis zu einem Monat andauern kann und in der die Klägerin einführend und prozessbegleitend zur Seite steht. Die Übergabephase schließt mit einer Prüfung am Wohnort des Sehbehinderten ab. Diese Prüfung wird von einem – regelmäßig von den Krankenkassen bestellten – Gespannprüfer abgenommen. Nach der Ausbildung und Prüfung veräußert die Klägerin den Blindenführhund an die jeweilige Krankenkasse des sehbehinderten Menschen, die den Hund als medizinisches Hilfsmittel i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) anerkennt. Der wesentliche Teil des Veräußerungspreises entfällt auf die Ausbildung des Hundes; die Kosten hierfür berechnet die Klägerin auf Basis einer Mischkalkulation (6-monatige Ausbildung / 5 Arbeitstage je Woche / 2 Std. 40 Min. je Tag / 42,00 € je Stunde). Die Krankenkasse überträgt die Haltereigenschaft des Blindenführhunds sodann auf den sehbehinderten Menschen.
4Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Bilanzierung. Die Erlöse für das Streitjahr 2011 betrugen X € und setzten sich wie folgt zusammen:
5Erlöse Blindenführhunde (7 v.H. USt) |
X € |
Erlöse Tierfutterverkauf (7 v.H. USt) |
X € |
Erlöse Einarbeitung (7 v.H. USt) |
X € |
Erlöse Nachbetreuung (19 v.H. USt) |
X € |
Erlöse Grundausstattung (19 v.H. USt) |
X € |
Sonstige Erlöse (19 v.H. USt) |
X € |
Erlösschmälerungen (7 v.H. USt) |
X € |
Umsatzerlöse (§ 25a UStG) |
X € |
Die Klägerin erklärte den Gewinn des Jahres 2011 – wie auch in den Vorjahren – als einen solchen aus Gewerbebetrieb. Auf Grundlage der eingereichten Gewerbesteuererklärung setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2011 auf X € fest (Bescheid vom 17.5.2013).
7Die Klägerin erhob gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid – ebenso wie gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 – Einspruch und begehrte dessen Aufhebung. Zur Begründung führte sie an: Sie erziele Einkünfte aus selbstständiger, nicht gewerbesteuerpflichtiger Arbeit. Sie bilde höchstpersönlich Hunde aus, die später als Führhunde für sehbehinderte Menschen eingesetzt würden. Ebenso lerne sie sehbehinderte Menschen an, mit den vorher ausgebildeten Hunden umzugehen. Die Arbeitsleistung werde höchstpersönlich erbracht. Sie sei als Ausbilderin für Führhunde bei der Krankenkasse anerkannt. Die Ausbildung an den Hunden sei eine geistige Leistung, die sie – die Klägerin – eigenverantwortlich ausübe. Sie erhalte den Auftrag, einen Hund so zu erziehen, dass er sich zu einem Blindenführhund eigne.
8Der Beklagte wies den Einspruch zurück und führte aus, die Klägerin erziele Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die der Gewerbesteuer unterlägen. Es handele sich weder um eine unterrichtende noch um eine erzieherische Tätigkeit i.S. von § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Eine unterrichtende Tätigkeit scheide aus, da insoweit die Vermittlung von Wissen an Schüler, nicht aber der Unterricht an Tieren erfasst werde. Eine erzieherische Tätigkeit setze eine planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen voraus; die Erziehung von Tieren fiele hierunter nicht. Es sei nicht erheblich, dass die Krankenkasse die Leistungen der Klägerin übernähme. Nur soweit die Tätigkeit der Klägerin sich auf die Ausbildung der künftigen Blindenhundebesitzer beziehe, wäre grundsätzlich eine andere steuerliche Beurteilung möglich. Dies setze allerdings voraus, dass die Tätigkeitsanteile klar trennbar seien. Hieran fehle es im Streitfall. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 5.12.2013 Bezug genommen.
9Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:
10Eine Gewerbesteuerpflicht entfalle, da sie – die Klägerin – unterrichtend und erzieherisch i.S. von § 18 EStG tätig sei. Sie erziehe zunächst Hunde dergestalt, dass sie zum Blindenführhund taugten; sodann unterrichte sie die sehbehinderten Menschen, in richtiger Weise mit dem Blindenführhund umzugehen. Es sei nicht maßgeblich, dass Objekt der Erziehung Tiere seien. Entscheidend seien vielmehr der erzieherische Charakter der ausgeführten Handlungen an sich und der Umstand, dass die persönliche Arbeitsleistung im Vordergrund stehe.
11Zwar müsse – so die weitere rechtliche Auffassung der Klägerin – die körperliche, geistige und charakterliche Formung im Sinne einer erzieherischen Tätigkeit gegenüber insofern grundsätzlich tauglichen Objekten erfolgen, um als „unterrichtend“ eingestuft zu werden. Eine solche grundsätzliche Tauglichkeit sei aber in Bezug auf Tiere gegeben, da insofern eine Vergleichbarkeit zur Erziehung junger Menschen vorliege. Wenn nämlich Voraussetzung jeder erzieherischen Tätigkeit eine Persönlichkeitsformung im Ganzen sei, so sei dies speziell auch für Blindenführhunde zutreffend, denn es sei ja gerade erforderlich, die Persönlichkeit der Hunde derart zu formen, dass sie als Blindenführhunde einsetzbar seien.
12Sie, die Klägerin, vermittle auch Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen sowie Einstellungen und erfülle somit die Voraussetzungen an eine unterrichtende Tätigkeit. Dass sie bei der Blindenführhundeausbildung nicht mit menschlichen, sondern mit „tierischen Schülern“ zusammenarbeite, sei nicht erheblich. Sowohl aus ihrer Perspektive als auch aus derjenigen der Hunde, die den unterrichtenden Instruktionen folgten, mache es keinen Unterschied, welchen Lebewesen gegenüber der Unterricht ausgeübt werde.
13In jedem Fall sei die Tätigkeit einheitlich zu betrachten; das Element der selbstständigen Arbeit sei hierbei prägend. Denn neben der Ausbildung der Hunde unterrichte sie, die Klägerin, auch die sehbehinderten Menschen. Vertraglich binde sie sich ausschließlich gegenüber ihren „menschlichen Kunden“. Nur ihnen gegenüber beteilige sie sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Der unterrichtenden bzw. erzieherischen Tätigkeit an den Hunden komme bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung nur eine untergeordnete bzw. unterstützende Funktion zu. Sie erschöpfe sich in einer Vorbereitungshandlung.
14Die Klägerin beantragt,
15den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für das Jahr 2011 vom 17.5.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.12.2013 aufzuheben.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung.
19Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die den Streitfall betreffenden Verwaltungsvorgänge.
20Der Senat hat in dieser Sache am 12.9.2014 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tag wird verwiesen.
21Entscheidungsgründe
22Die Klage ist unbegründet.
23Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für das Streitjahr 2011 ist dem Grunde nach – allein dies ist streitig – rechtmäßig. Die Klägerin ist nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
24Der Betrieb der Blindenführhundeschule durch die Klägerin ist gewerbesteuerpflichtig.
251. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Die Klägerin führt einen Gewerbebetrieb, da sie selbständig, nachhaltig, mit der Absicht der Gewinnerzielung und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr eine Betätigung ausübt, die weder als land- und forstwirtschaftliche noch als freiberufliche oder als eine andere selbständige Tätigkeit anzusehen ist (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, der insoweit auch für die Definition des Begriffs des Gewerbebetriebs in § 2 Abs. 1 GewStG gilt).
26a. Die Ausübung einer selbständigen – nicht gewerbesteuerpflichtigen – Tätigkeit i.S. von § 18 EStG unterscheidet sich vom gewerblichen Betrieb in der Regel dadurch, dass der Einsatz von Kapital gegenüber der geistigen Arbeit und der eigenen Arbeitskraft des Unternehmers in den Hintergrund tritt (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 31.5.2001 IV R 49/00, BStBl II 2001, 828). Charakteristisch und erforderlich ist die persönliche Arbeitsleistung des Berufsträgers (vgl. BFH-Beschluss vom 20.8.2012 III B 246/11, BFH/NV 2012, 1959). Da aber einerseits ein Überwiegen geistiger Arbeit gegenüber dem Kapitaleinsatz auch in Gewerbebetrieben vorkommt und andererseits großer technischer Aufwand mit erheblichem Kapitaleinsatz auch bei freien Berufen angetroffen werden kann, kann die selbständige Arbeit i.S. von § 18 EStG begrifflich auch nicht eindeutig durch das Merkmal der persönlichen Arbeitsleistung von der gewerblichen Tätigkeit abgegrenzt werden. Als zusätzliches Abgrenzungsmerkmal ist daher erforderlich, dass die in Frage stehende Tätigkeit in § 18 EStG ausdrücklich aufgeführt ist oder – sofern in § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG keine abschließenden Aufzählungen enthalten sind – den gesetzlich genannten Tätigkeiten zumindest ähnlich ist (vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 33. Aufl., § 18 Rdnr. 6).
27b. Im Streitfall liegen keine der in § 18 Abs. 1 EStG genannten Abgrenzungsmerkmale zu Gunsten einer selbständigen Tätigkeit vor. Die Klägerin ist weder unterrichtend noch erzieherisch – allein diese beiden die Freiberuflichkeit begründenden Merkmale kommen vorliegend in Betracht – tätig.
28aa. Unterricht i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form. Auf den Gegenstand des Unterrichts kommt es hierbei nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 11.6.1997 XI R 2/95, BStBl II 1997, 687; Wacker in Schmidt, EStG, 33. Aufl., § 18 Rdnr. 83 m.w.N.; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 18 Rdnr. 49).
29(1.) Soweit die Klägerin Hunden Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, durch die diese in den Stand gesetzt werden, als Blindenführhunde eingesetzt zu werden, liegt keine unterrichtende Tätigkeit im vorgenannten Sinne vor. Zwar bildet die Klägerin die Hunde für ihren späteren Einsatz aus und wirkt daher im sprachgebräuchlichen Sinne unterrichtend auf sie ein. Der Senat hält es im Sinne einer einschränkenden Auslegung des Tatbestands der freiberuflichen Tätigkeit allerdings für geboten, Unterricht gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auf solche Tätigkeiten zu beschränken, in denen die Wissens- und Kenntnisvermittlung gegenüber „menschlichen Schülern“ erfolgt, so dass grundsätzlich Unterricht an Tieren nicht zu freiberuflichen Einkünften führt (vgl. ebenso Wacker in Schmidt, EStG, 33. Aufl., § 18 Rdnr. 83 m.w.N.). Hierbei wird keinesfalls verkannt, dass die – vom persönlichen Arbeitseinsatz getragene – Tätigkeit der Klägerin in erheblichem Maße sozialdienlich ist, sehbehinderten Menschen zu Gute kommt, die ausgebildeten Blindenführhunde als medizinische Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V anerkennt sind und der Verkauf der Hunde umsatzsteuerlich insoweit als privilegiert angesehen wird, als der ermäßigte Steuersatz von 7% zur Anwendung kommt (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 lfd. Nr. 1 Buchst. k) des Umsatzsteuergesetzes). Allerdings handelt es sich nach Ansicht des Senats bei der „unterrichtenden Tätigkeit“ i.S. von § 18 EStG um einen Typusbegriff, der es insbesondere aus Gründen der sicheren Abgrenzung erlaubt, allein den Unterricht gegenüber Menschen als (gewerbe-steuerlich) privilegiert anzusehen.
30(2.) Der Annahme einer unterrichtenden Tätigkeit i.S. von § 18 EStG steht ferner entgegen, dass die Klägerin – im Gegensatz zu einem Lehrer – nicht explizit für die Erteilung von „Unterricht“ entgolten wird. Gegenüber ihren Vertragspartnern, den jeweiligen Krankenkassen, steht sie nicht in einem dienstvertraglichen Verhältnis. Vielmehr veräußert sie zuvor selbst als Welpen erworbene Hunde, die sie durch persönlichen Arbeitseinsatz (Training) zu Blindenführhunden umqualifiziert und somit – bei technischer Betrachtung – veredelt hat. Der Leistungsaustausch zur Krankenkasse beruht somit auf einem Kauf- bzw. Werkvertrag; dies erklärt auch die Gewährleistungsregelungen in § 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (vgl. hierzu Homepage der Klägerin: www.fuehrhundeschule-haag.de). Es ist nicht erheblich, dass der überwiegende Teil des Veräußerungserlöses auf die zeitintensive Trainings- und Ausbildungsarbeit zurückzuführen ist und die hierauf entfallenden Kosten – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – gegenüber der Krankenkasse auch offenzulegen sind. Vielmehr handelt es sich insoweit lediglich um eine Rechnungsposition, die zudem nicht das tatsächlich absolvierte (individuelle) Training abbildet, sondern auf einer Mischkalkulation basiert.
31(3.) Der Senat hat auch deutliche Zweifel, dass die Tätigkeit der Klägerin ab dem Zeitpunkt der Übergabephase unterrichtend i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG wird. Zwar vermittelt die Klägerin insofern gegenüber Menschen, nämlich den Sehbehinderten, Kenntnisse, Wissen und Fertigkeiten im Hinblick auf den Umgang mit den bereits ausgebildeten Blindenführhunden. Allerdings dürfte die Übergabephase im Wesentlichen auf die individuellen Bedürfnisse des sehbehinderten Menschen und dessen Umgebung zugeschnitten sein, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Klägerin während dieser Zeit regelmäßig – und zum Teil durchgängig – am Wohnort des Erwerbers verweilt. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für naheliegend, dass sich die Tätigkeit der Klägerin nicht in der schulmäßigen Vermittlung eines allgemeingültigen Wissens- und Kenntnisprogramms erschöpft, sondern sie die individuelle Zusammenführung von Mensch und Tier anleitet und begleitet. Dies stünde einer unterrichtenden Tätigkeit in der Übergabephase entgegen (vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 33. Aufl., § 18 Rdnr. 83). Dies bedarf vorliegend allerdings keiner abschließenden Entscheidung, denn selbst wenn die Klägerin in der Übergabephase unterrichtend i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG tätig würde, führte dies im Ergebnis nicht dazu, dass die Tätigkeit ganz oder teilweise als freiberuflich einzustufen ist. Übt ein Einzelfreiberufler eine gemischte Tätigkeit aus, sind die gewerblichen und die freiberuflichen Einkünfte ungeachtet sachlicher und wirtschaftlicher Bezugspunkte grundsätzlich getrennt zu ermitteln, jedenfalls sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 25.7.2000 XI B 41/00, BFH/NV 2001, 204). Besteht zwischen den Tätigkeiten dagegen ein sehr enger sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang, kann eine einheitliche Beurteilung, d.h. die Annahme eines die gesamte Tätigkeit umfassenden Betriebs, geboten sein (Wacker in Schmidt, EStG, 33. Aufl., § 18 Rdnr. 17). Dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeiten derart miteinander verbunden sind, dass sie sich gegenseitig unauflösbar bedingen. Die Einkunftsart richtet sich dann danach, welcher Bestandteil – entweder der gewerbliche oder freiberufliche – das „Gepräge“ gibt (vgl. Wacker in Schmidt, EStG, 33. Aufl., § 18 Rdnr. 50 m.w.N.).
32Im Streitfall liegt nach der Verkehrsauffassung ein einheitlicher – und gewerblicher – Betrieb einer Blindenführhundeschule vor. Zwar könnten die in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert ausgewiesenen Erlöse für den Verkauf der Führhunde sowie von Grundausstattung einerseits und die Erlöse aus der Einarbeitungszeit („Übergabephase“) und Nachbetreuung andererseits auf eine Trennbarkeit der Tätigkeiten hindeuten. Allerdings sind die vorgenannten Tätigkeiten der Klägerin untrennbar miteinander verwoben; eine Aufsplittung wäre künstlich und nach der Verkehrsanschauung nicht möglich. Der Betrieb einer Blindenführhundeschule umfasst mehrere Tätigkeitsphasen, beginnend vom Erwerb und der Ausbildung des Hundes, über die prozessbegleitende Zusammenführung von Mensch und Tier bis hin zur Gespannprüfung und Übergabe an den sehbehinderten Menschen. Dass die verschiedenen Phasen eng miteinander verzahnt sind, zeigt sich auch daran, dass bereits während der Zeit der (isolierten) Ausbildung des Hundes zum Führhund erste Kontakte zum angedachten späteren Hundehalter hergestellt werden.
33Prägendes Element der Tätigkeit der Klägerin ist zur Überzeugung des Senats die Ausbildung des Hundes und eben nicht die sich hieran anschließende – vermeintlich – unterrichtende Tätigkeit des sehbehinderten Menschen. Denn erst die Ausbildung des Hundes zur Eignung als Blindenführhund gibt der Klägerin die Grundlage, diesen an den sehbehinderten Menschen zu übergeben. Hinzu kommt, dass die (isolierte) Ausbildung des Hundes deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als die vom Element des „Unterrichts“ geprägte Zeit der Übergabephase. Schließlich gilt insofern auch zu berücksichtigen, dass die Erlöse aus dem Verkauf der Blindenführhunde – hierin sind insbesondere die Kosten der Ausbildung enthalten – sowohl im Streitjahr als auch in den vorangegangenen Jahren deutlich höher ausfielen als die Erlöse aus der Einarbeitungs- und Nachbetreuungszeit.
34bb. Die Klägerin war auch nicht erzieherisch i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG tätig. „Erziehung“ ist die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung von Kindern zu tüchtigen und mündigen Menschen. Dabei wird unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden, selbständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Erforderlich ist die Formung der gesamten Persönlichkeit, nicht nur die Schulung in Teilbereichen zwischenmenschlicher Beziehungen (BFH-Urteile vom 21.11.1974 II R 107/68, BStBl II 1975, 389; vom 11.6.1997 XI R 2/95, BStBl II 1997, 687). Eine Vorbildung und eine staatlich vorgeschriebene Prüfung sind für die erzieherische Tätigkeit nicht vorausgesetzt (BFH-Urteil vom 25.4.1974 VIII R 166/73, BStBl II 1974, 642). Zwar mag die Klägerin durch ihre Trainingstätigkeit im weiteren Sinne erzieherisch – prägend – auf die Hunde einwirken. Allerdings ist vorauszusetzen, dass Erziehung i.S. von § 18 EStG gegenüber Menschen (insbesondere Kindern) ausgeübt wird. Hinzu kommt auch insoweit, dass die Klägerin letztlich nicht für eine erzieherische Tätigkeit gegenüber den Hunden entgolten wird, sondern für die Veräußerung eines charakterlich qualifizierten („veredelten“) Blindenführhunds.
35cc. Die Klägerin übt – ertragsteuerlich betrachtet – auch keinen der unterrichtenden bzw. erzieherischen Tätigkeit „ähnlichen Beruf“ i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus. Denn die Ähnlichkeitsalternative bezieht sich lediglich auf die im Gesetz aufgezählten Katalogberufe, zu denen die unterrichtende sowie erzieherische Berufstätigkeit nicht gehört (vgl. Lambrecht in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 18 Rdnr. 82; Hutter in Blümich, EStG, § 18 Rdnr. 157; Brandt in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 18 Rdnr. 215).
362. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
373. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder über den entschiedenen Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Zwar fehlt es – sofern ersichtlich – bislang an einer Entscheidung des BFH, ob eine unterrichtende bzw. eine erzieherische Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zwingend eine Tätigkeit gegenüber Menschen voraussetzt oder ob derartige Tätigkeiten auch gegenüber Tieren mit der Zweckrichtung erbracht werden können, diese sozialdienlich gegenüber Menschen einzusetzen. Allerdings wird in diesen Fällen das qualifizierte/„veredelte“ Tier regelmäßig weiterveräußert, so dass der Schwerpunkt der Tätigkeit gewerblicher Natur ist.
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Referenzen
- 1974 VIII R 166/73 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 18 8x
- 1974 II R 107/68 1x (nicht zugeordnet)
- 1997 XI R 2/95 2x (nicht zugeordnet)
- 2001 IV R 49/00 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 III B 246/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2000 XI B 41/00 1x (nicht zugeordnet)