Urteil vom Finanzgericht Münster - 15 K 1473/14 U
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die Veräußerung einer Anlieferungs-Referenzmenge für Milch (Milchquote) im Streitjahr 2009 als umsatzsteuerbarer und ‑pflichtiger, der Regelbesteuerung unterliegender Umsatz zu erfassen ist.
3Der Kläger betrieb ursprünglich Milchviehwirtschaft, eine Fotovoltaikanlage und vermietete Ferienwohnungen. Die Umsätze aus der Milchviehhaltung unterwarf er der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Die Umsätze mit der Fotovoltaikanlage und den Ferienwohnungen versteuerte der Kläger mit dem Regelsteuersatz.
4Zum 1.4.2006 gründete der Kläger zusammen mit dem Landwirt C E aus S , der ebenfalls Milchvieh hielt, die X GbR (GbR). Gegenstand der GbR war die gemeinsame Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebs mit den Schwerpunkten Milchviehhaltung, Jungviehaufzucht, Bullenmast und Ackerbau. Der Kläger übernahm als Arbeitsbereich die Jungviehaufzucht, sein Mitgesellschafter, C E , die Milchviehhaltung. Die beiden Gesellschafter überließen der Gesellschaft - neben bestimmten anderen Wirtschaftsgütern und der eigenen Arbeitskraft - unentgeltlich ihre Milchquoten. Die Milchquoten wurden ertragsteuerlich in den Sonderbilanzen der Gesellschafter bei der GbR ausgewiesen. Die GbR unterwarf ihre Umsätze der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG. Ihre eigenen landwirtschaftlichen Betriebe führten die beiden Gesellschafter jeweils in reduzierter Form fort. Der Kläger betrieb nach eigenen Angaben, wie dem Protokoll des Erörterungstermins vom 14.1.2016 zu entnehmen ist, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, in den Jahren 2006 bis 2009 neben der GbR Ackerbau und Jungviehhaltung. In dieser Zeit hielt er nach eigenen Angaben - neben der GbR - aber kein Milchvieh und veräußerte auch keine Milch.
5Zum 30.6.2009 wurde die GbR durch Vereinbarung ihrer Gesellschafter aufgelöst. Im Rahmen der Gesellschaftsauflösung veräußerte der Kläger mit Wirkung zum 1.7.2009 seine ihm zustehende Milchquote an seinen ehemaligen Mitgesellschafter gegen eine Zahlung von - zwischen den Beteiligten unstrittig - 134.359,02 €. Im Anschluss an die Gesellschaftsauflösung führten die beiden Gesellschafter ihre als Gesellschafter ausgeübten Arbeitsbereiche jeweils selbständig fort.
6Im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung für 2009 erklärte der Kläger die Veräußerung der Milchquote nicht. Der Erklärung stimmte der Beklagte am 20.12.2011 zu und setzte die Umsatzsteuer für 2009 antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.
7Im November 2012 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung N beim Kläger eine Außenprüfung durch. Ausweislich Tz. 2.2.1 des Berichts über die Außenprüfung vom 19.2.2013, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, traf der Prüfer im Wesentlichen die folgenden Feststellungen: Die Veräußerung einer Milchquote als immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens sei als sonstige Leistung i. S. des § 3 Abs. 9 UStG zu qualifizieren. Die Veräußerung unterliege der Regelbesteuerung, da die Milchquote vor der Veräußerung einem anderen Unternehmer, nämlich der GbR, zur Nutzung überlassen worden sei. Eine unternehmerische Nutzung im landwirtschaftlichen Betrieb i. S. des § 24 UStG habe daher ab dem Zeitpunkt der Überlassung nicht mehr vorgelegen. Die Umsatzsteuer für 2009 sei daher ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 112.906,74 € um 21.452,28 € zu erhöhen.
8Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Prüfers an und setzte die Umsatzsteuer für 2009 durch Bescheid vom 20.3.2013 um 21.748,41 € höher fest. Hiervon entfielen 21.452,28 € auf die in diesem Verfahren strittige Veräußerung der Milchquote. Der darüber hinausgehende Ansatz beruht auf zwischen den Beteiligten nicht strittigen Umsätzen mit dem Betrieb einer Ferienwohnung. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.4.2014 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte er aus, dass der Verkauf der Milchquote zutreffend der Umsatzsteuer unterworfen worden sei. Die Milchquote habe nur bis zur Gründung der GbR zum normalen Ausrüstungsbestand des landwirtschaftlichen Milchviehbetriebs des Klägers i. S. des § 24 UStG gehört. Mit der unentgeltlichen Überlassung der Milchquote an die GbR habe diese nicht mehr der eigenen Produktion des Klägers gedient und somit nicht mehr seiner originären landwirtschaftlichen Tätigkeit. Der Verkauf der Milchquote könne auch nicht als Hilfsumsatz qualifiziert werden, da diese im Zeitpunkt ihrer Veräußerung vom Kläger nicht mehr zur Ausführung von nach Durchschnittssätzen zu besteuernden Umsätzen verwendet worden sei.
9Dagegen hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass der Verkauf der Milchquote nicht umsatzsteuerbar sei, weil die Milchquote nie zu seinem unternehmerischen Vermögen gehört habe. Er habe mit der Milchquote von Anfang an keine steuerbaren Umsätze ausgeführt. Die Milchquote sei nämlich ein persönliches, dem einzelnen landwirtschaftlichen Unternehmer durch Verwaltungsakt zugeteiltes Recht. Ihm, dem Kläger, habe diesbezüglich auch kein Vorsteuerabzug zugestanden. Die Milchquote habe nicht seiner Milcherzeugertätigkeit gedient, sondern nur der Agrarförderung durch die EU. Selbst wenn die Milchquote zum Unternehmensvermögen gehört hätte, sei die Milchquote durch die unentgeltliche Überlassung an die GbR aus dem Unternehmensvermögen entnommen worden, wie auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 21.5.2014 V R 20/13 (Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFHE - 246, 226, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2014, 1029) bestätigt habe. Selbst wenn eine Zugehörigkeit der Milchquote zum Unternehmen anzunehmen wäre, würde - so der Vortrag des Klägers - die Veräußerung der Milchquote unter die Pauschalregelung des § 24 UStG fallen und nicht unter die Regelbesteuerung, da es sich dann um ein Hilfsgeschäft im Rahmen der landwirtschaftlichen Tätigkeit handele.
10Der Kläger beantragt,
11den Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom 20.3.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.4.2014 zu ändern und die Umsatzsteuer um 21.452,28 € herabzusetzen,
12hilfsweise, die Revision zuzulassen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er verweist im Rahmen seiner Gegenäußerung im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
16Die Beteiligten haben ausweislich des Protokolls des Erörterungstermins vom 14.1.2016 übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
17Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
18Entscheidungsgründe
19I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
20II. Die Klage ist unbegründet.
21Der Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom 20.3.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 10.4.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Veräußerung der Milchquote durch den Kläger zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen. Insbesondere gehörte die Milchquote seit ihrer Zuteilung zum Unternehmensvermögen des Klägers (1. a)) und die Unternehmenszugehörigkeit wurde auch nicht durch Entnahme in einem dem Streitjahr vorangehenden Besteuerungszeitraum beendet (1. b)). Die Veräußerung der Milchquote unterliegt dem Regelsteuersatz (2.).
221. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in der im Streitraum geltenden Fassung unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Der Kläger ist - zwischen den Beteiligten unstrittig - im Streitjahr 2009 durch den Betrieb einer Fotovoltaikanlage, der Vermietung von Ferienwohnungen und im Bereich der Landwirtschaft durch Ackerbau und Jungviehhaltung gemäß § 2 UStG unternehmerisch tätig geworden.
23Bei der Veräußerung der Milchquote handelt es sich um eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG). Die Milchquote bezeichnet eine öffentlich-rechtliche Befugnis, die ihren Inhaber berechtigt, in Höhe der zugeteilten Quote Milch abgabenfrei bei einem Milchverarbeiter anzuliefern. Dieses Recht stellt einen verbrauchbaren Vorteil i. S. des Umsatzsteuerrechts dar und ist handelbar (vgl. BFH-Beschluss vom 5.4.2011 XI S 28/10, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2011, 1746). Die sonstige Leistung wurde gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG im Inland ausgeführt, nämlich an dem Ort, an dem der die Leistung empfangende Unternehmer sein Unternehmen betreibt, also S . Die Leistung wurde gegen Entgelt erbracht.
24a) Bei der Veräußerung der Milchquote handelt es sich auch um einen Umsatz „im Rahmen des Unternehmens“ des Klägers, da die Milchquote zum Zeitpunkt der Veräußerung zum Unternehmen des Klägers gehörte und nicht seinem Privatvermögen zuzuordnen war. Im Jahr 1984 wurde auf der Grundlage europäischer Verordnungen (Verordnung 857/84/EWG des Rates vom 31.3.1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung 804/68/EWG im Sektor Milch und Milcherzeugnisse) und der Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV -) vom 25.5.1984 (Bundesgesetzblatt - BGBl. I 1984, 720) die Milchquote eingeführt, um die Milchproduktion in den Mitgliedstaaten zu beschränken. Grundlage für die Zuteilung der Milchquote war die Milchanlieferungsmenge des Milchwirtschaftsjahres 1983 (vgl. § 4 Abs. 2 MGV). Die Zuteilung der Milchquote war damit nicht beliebig, sondern unmittelbar an die Produktion und die Veräußerung von Milch im Jahr 1983 geknüpft und hing daher unmittelbar mit der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers zusammen. Die Milchquote war auch in der Folgezeit zwingend notwendig, um der unternehmerischen Tätigkeit „Veräußerung von Milch“ wirtschaftlich sinnvoll nachgehen zu können. Der Senat ist daher der Auffassung, dass die Milchquote seit ihrer Zuteilung der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers diente und daher dem Unternehmensvermögen zugeordnet war. Auch rechtfertigt der Vortrag des Klägers, dass er hinsichtlich des Erwerbs der Milchquote keinen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen habe, keine andere Beurteilung. Die Umsatzsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfordert keinen vorherigen Vorsteuerabzug betreffend veräußerter Gegenstände.
25b) Die Unternehmenszugehörigkeit der Milchquote wurde auch nicht durch Entnahme in einem dem Streitjahr vorangehenden Besteuerungszeitraum beendet.
26aa) Die Überlassung der Milchquote an die GbR ab dem Jahr 2006 führte nicht zur Beendigung ihrer Unternehmenszugehörigkeit.
27Eine Entnahme von Gegenständen oder Rechten ist eine tatsächliche, vom Willen des Unternehmers gesteuerte, nicht auf eine Gegenleistung abzielende Wertabgabe des Unternehmens zu unternehmensfremden Zwecken (st. Rechtsprechung vgl. BFH-Urteile vom 3.11.1983 V R 4-5/73, BFHE 140, 115, BStBl. II 1984, 169, vom 26.4.1995 XI R 5/94, BFHE 178, 474, BStBl. II 1996, 248 und vom 18.1.2012 XI R 13/10, BFH/NV 2012, 1012). Der Begriff der Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG bzw. § 3 Abs. 9a UStG ist deckungsgleich mit dem Begriff der Entnahme in Art. 16 bzw. Art. 26 der Richtlinie 2006/112 EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
28Der Kläger hat weder ausdrücklich eine Entnahme der Milchquote erklärt, noch diese konkludent seinem Unternehmensvermögen entnommen. Die Milchquote wurde an die GbR gegen Beteiligung am Gewinn und Verlust der GbR überlassen. Die Überlassung an die GbR begründet einen nichtsteuerbaren Umsatz (echter Gesellschafterbeitrag). Zwar führt diese Art der Nutzungsüberlassung nicht zu laufenden umsatzsteuerbaren und ‑pflichtigen Entgelten, wie z. B. bei einer Verpachtung der Milchquote. Die unentgeltliche Überlassung ist jedoch als fortgesetzte (unternehmerische) Leistung des Klägers zu betrachten. Die Nichtsteuerbarkeit der Überlassung der Milchquote ist allein der besonderen umsatzsteuerlichen Behandlung gesellschaftsrechtlicher Beitragsverhältnisse geschuldet, wurzelt aber nicht darin, dass die Leistungserbringung durch den Kläger (Nutzungsüberlassung) nun als unternehmensfremd zu betrachten wäre, wie es für eine Entnahme erforderlich ist. Durch die unentgeltliche Überlassung wurde die Milchquote auch nicht endgültig dem Unternehmensvermögen des Klägers entzogen, sondern gehörte weiterhin zum Unternehmen des Klägers und stand im Fall der Beendigung der Gesellschaft wieder vollumfänglich zur Verfügung.
29Nach der Rechtsprechung des BFH steht außerdem die ertragsteuerliche Behandlung der Milchquote als Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der GbR dieser Beurteilung nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des BFH schließt die Nutzungsüberlassung eines Gegenstands an eine GbR, deren Mitunternehmer der Kläger ist, die fortdauernde Zuordnung dieses Gegenstands zum Unternehmen i. S. des § 2 UStG nicht aus (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 18.1.2012 XI R 13/10, BFH/NV 2012, 1012 Rn. 28 ff.).
30bb) Es kann auch keine Entnahme unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Entscheidung des BFH vom 21.5.2014 V R 20/13 (BFHE 246, 226, BStBl. II 2014, 1029) angenommen werden, da sich jener Fall wesentlich vom Streitfall unterscheidet: In dem vom BFH entschiedenen Rechtsstreit hatte der Kläger seine wirtschaftliche Ingenieurstätigkeit durch Einbringung seines nahezu gesamten Unternehmens in eine Gesellschaft, an der er beteiligt war, beendet. Seine Tätigkeit beschränkte sich nach der Einbringung darauf, die zurückbehaltenen Gegenstände unentgeltlich der Gesellschaft zu überlassen. Da diese Tätigkeit mangels Entgelts keine eigenständige unternehmerische Tätigkeit war, führte die Zurückbehaltung dieser Gegenstände zu einer Entnahme im Zeitpunkt der Einbringung.
31Im Streitfall hat der Kläger aber seinen landwirtschaftlichen Betrieb und seine übrige unternehmerische Betätigung neben der GbR weiterhin fortgeführt. Eine Loslösung aus diesem unternehmerischen Bereich erfolgte durch die unentgeltliche Überlassung an die GbR nicht. Auch der Beklagte nimmt keine Entnahme an, wenn er meint, dass „die Milchquote den Bezug zum normalen Ausrüstungsbestand i. S. des § 24 UStG verloren hat“. Damit weist er nur auf die unterschiedliche Zuordnung innerhalb des Unternehmens des Klägers hin (landwirtschaftlicher Bereich und regelversteuernder Bereich).
322. Auf die - zwischen den Beteiligten unstrittige - Bemessungsgrundlage ist der Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG und nicht der Durchschnittssatz für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG anzuwenden.
33a) Die Durchschnittssatzbesteuerung setzt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der im Streitjahr 2009 geltenden Fassung „im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführte Umsätze“ voraus. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gilt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG u.a. die Landwirtschaft.
34§ 24 UStG ist richtlinienkonform auszulegen. Bei richtlinienkonformer Auslegung werden nur die Lieferung der in Art. 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) genannten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und die landwirtschaftliche Dienstleistungen i. S. des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG erfasst (vgl. BFH-Urteil vom 30.3.2011 XI R 19/10, BFHE 233, 353, BStBl. II 2011, 772, Rn. 17 m. w. N.). An die Stelle von Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG sind am 1.1.2007 die im Streitjahr 2009 geltenden und im Wesentlichen inhaltsgleichen Art. 295 ff. der MwStSystRL getreten.
35„Landwirtschaftliche Erzeugnisse" sind nach Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL die Gegenstände, die im Rahmen der in Anhang VII MwStSystRL aufgeführten Tätigkeiten von den land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben der einzelnen Mitgliedstaaten erzeugt werden. "Landwirtschaftliche Dienstleistungen" sind nach Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL die Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte oder der normalen Ausrüstung seines land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betriebs erbracht werden und die normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitragen, und zwar insbesondere die in Anhang VIII MwStSystRL aufgeführten Dienstleistungen.
36Ausgehend von diesen Definitionen stellt die Veräußerung der Milchquote durch den Kläger weder eine Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse noch eine landwirtschaftliche Dienstleistung dar. Das Recht, Milch abgabenfrei bei einem Milchverarbeiter anzuliefern, wird weder in Anhang VII der MwStSystRL als landwirtschaftliches Erzeugnis noch dessen Veräußerung als landwirtschaftliche Dienstleistung in Anhang VIII der MwStSystRL genannt.
37b) Auch der Vortrag des Klägers, es handele sich bei der Veräußerung der Milchquote um einen Hilfsumsatz im Rahmen von § 24 UStG greift nicht durch.
38aa) Soweit nach der früheren Rechtsprechung des BFH und der Praxis der Verwaltung auch Hilfsumsätze unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG fallen konnten (vgl. BFH-Urteile vom 20.10.1994 V R 24/92, BFH/NV 1995, 928 und vom 10.11.1994 V R 87/93, BFHE 176, 477, BStBl. II 1995, 218; Abschn. 265 Abs. 3 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005/2008 und nachfolgend Abschn. 24.3 Abs. 9 Satz 3 des Umsatzsteueranwendungserlasses - UStAE -), ist daran nach neuerer Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, nicht mehr festzuhalten (BFH-Urteil vom 25.11. 2004 V R 8/01, BFHE 208, 73, BStBl. II 2005, 896 und vom 30.3.2011 XI R 19/10, BFHE 233, 353, BStBl. II 2011, 772). Denn nach der Rechtsprechung des EuGH, der diese Rechtsprechungsänderung ausgelöst hat, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber, um eine einheitliche Anwendung der die Landwirte betreffenden Regelungen in der gesamten Gemeinschaft sicherzustellen, mit einer Definition der Begriffe "landwirtschaftlicher Erzeuger", "landwirtschaftliche Erzeugnisse" und "landwirtschaftliche Dienstleistungen" Sorge getragen (vgl. EuGH-Urteil vom 15.7.2004 C-321/02, Harbs, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2004, 935).
39bb) Selbst wenn Hilfsumsätze noch von § 24 UStG erfasst würden, käme die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nicht in Betracht, denn die Veräußerung der Milchquote stellt im Streitfall keinen Hilfsumsatz der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers dar. Zum Zeitpunkt der Veräußerung der Milchquote hat der Kläger selbst keine Milchviehwirtschaft mehr betrieben. Er war neben der GbR als regelversteuernder Unternehmer in den Bereichen Fotovoltaik und Vermietung von Ferienwohnungen tätig und im Bereich der Landwirtschaft nur noch hinsichtlich des Ackerbaus und der Jungviehhaltung. Mit der Einbringung seiner Milchkühe in die GbR und der unentgeltlichen Überlassung der Milchquote an dieselbe hatte der Kläger innerhalb seines Unternehmens den landwirtschaftlichen Bereich „Milchviehwirtschaft“ beendet, ohne dass - wie unter II. 1. b) ausgeführt - die Milchquote aus dem gesamten Unternehmen entnommen wurde. Durch die Beendigung des Unternehmensteils Milchviehwirtschaft in 2006 kann die Veräußerung der Milchquote in 2009 nicht mehr als Hilfsumsatz des landwirtschaftlichen Unternehmensbereichs „Milchviehwirtschaft“ angesehen werden.
40III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
41Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO vorliegen.
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Referenzen
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