Urteil vom Finanzgericht Münster - 8 K 2656/13 GrE
Tenor
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 24.04.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 22.07.2013 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der Erwerbsvorgang in dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid hinreichend bestimmt bezeichnet ist, sowie darüber, ob § 16 Abs. 2 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Anwendung findet.
3Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der von ihr errichteten Y1. GmbH. Am 12.12.2005 wurden verschiedene notariell beurkundete Vereinbarungen geschlossen (UR-Nr. 0001 bis 0004/2005 des Notars T. G.). In dem Vertrag UR-Nr. 0001/2005 vereinbarten die Y1. GmbH als Käuferin und die Y2. GmbH als Verkäuferin, dass die Y1. GmbH den Geschäftsbereich „…“ mit den dazugehörigen Wirtschaftsgütern von der Y2. GmbH übernehmen sollte. In Art. 3 des Vertrags heißt es unter 3.2 (Grundstückskauf): Mit wirtschaftlicher Wirkung zum Stichtag für den wirtschaftlichen Übergang verkaufe die Verkäuferin hiermit das in Anlage 3.2 näher bezeichnete Grundstück. Die Käuferin nehme das Verkaufsangebot hiermit an. In der Anlage 3.2 wird auf die Anlage 15.3 (a) Bezug genommen. Hierbei handelt es sich um den Entwurf des unter der UR-Nr. 0004/2005 abgeschlossenen „Grundstückskaufvertrags mit Auflassung“ (der ebenfalls am 12.12.2005 beurkundet wurde).
4Unter der UR-Nr. 0002/2005 schlossen die Klägerin und die Y2. GmbH einen Geschäftsanteils-Kaufvertrag, durch welchen die Y2. GmbH von der Klägerin einen Anteil am Stammkapital der Y1. GmbH von 24,9 % kaufte. In der Urkunde UR-Nr. 0003/2005 vereinbarten die Klägerin und die Y2. GmbH u.a., dass die Klägerin jederzeit das Recht habe, den Verkauf des Geschäftsanteils an sie, die Klägerin, zu verlangen („Call Option“). Unter 11.10 und 11.11 der Vereinbarung wurden hierzu nähere Regelungen getroffen (Geschäftsanteilsverkauf zum Optionsstichtag und Abtretung des Geschäftsanteils zum Optionscolsingtag).
5Auf die Verträge UR-Nr. 0001 bis 0004/2005 nebst Anlagen wird im Übrigen Bezug genommen.
6Am 02.01.2007 machte die Klägerin von der Call Option Gebrauch und erwarb den Anteil am Stammkapital der Y1. GmbH von 24,9 % von der Y2. GmbH zurück. Auf die Urkunde UR-Nr. 1/2007 des Notars T. wird verwiesen.
7Nachdem das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. im Jahr 2012 eine sich auf die Grunderwerbsteuer beziehende Betriebsprüfung bei der Klägerin durchgeführt hatte, gelangte die Prüferin zu dem Schluss, dass dadurch, dass die Klägerin von ihrem Optionsrecht Gebrauch gemacht habe, der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden sei. Konkret heißt es in dem Betriebsprüfungsbericht vom 12.02.2013, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, die „Ausübung dieser Option am 02.01.2007 begründet im Zusammenhang mit dem im Vertrag vom 12.12.2005, UR-Nr. 0003/2005 des Notars T., G., eingeräumten Optionsrecht ein Rechtsgeschäft nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wonach 100 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft“ Y1. GmbH unmittelbar in der Hand der Klägerin vereinigt würden. Weiter wird dort ausgeführt, die von der Klägerin während der Betriebsprüfung vertretene Auffassung, dass § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG analog anzuwenden sei, sei unzutreffend. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG setze voraus, dass der Rückerwerb sich auf Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft beziehe. Die Y1. GmbH sei jedoch im Zeitpunkt der Anteilsübertragung durch Abschluss des Vertrags „UR-Nr. 0003/2005“ (richtig: UR-Nr. 0002/2005) noch nicht „grundbesitzend“ gewesen. Der Grundstückskaufvertrag (Ur.-Nr. 0004/2005) sei - wenn man unterstelle, dass die Verträge in der Reihenfolge abgeschlossen worden seien, die sich aus den Urkundenrollen-Nummern ergebe - nach dem die Anteilsübertragung betreffenden Vertrag abgeschlossen worden. Aus dem Unternehmenskaufvertrag UR-Nr. 0001/2005 ergebe sich kein hinreichend konkreter Anspruch auf Übertragung der Grundstücke. Es handele sich um einen Vorvertrag. Unabhängig hiervon seien die Grundstücke der Klägerin aufgrund der am 12.12.2005 abgeschlossenen Verträge nie zu mindestens 95 % zuzurechnen gewesen. Denn die Y2. GmbH habe 24,9 % der Anteile am Stammkapital der Y1. GmbH erworben und sei daher zu 24,9 % an den Grundstücken mittelbar berechtigt geblieben. Dem Rückerwerb der Anteile durch die Klägerin sei kein Veräußerungsvorgang vorausgegangen der eine (mittelbare) Änderung der Grundstückszurechnung von der Klägerin auf die Y2. GmbH bewirkt hätte. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Klägerin im Jahr 2005 keine Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft übertragen habe.
8Der Beklagte erließ am 24.04.2013 einen Grunderwerbsteuerbescheid über … EUR und legte dabei den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 02.01.2007, ebenfalls vom 24.04.2013, zugrunde. Auf Seite 2 des Grunderwerbsteuerbescheids ist unter „Sachverhalt“ als „Rechtsvorgang“ ein „Übertragungsvertrag“ vom „12.12.2005“ aufgeführt. Unter „UR-Nr./Geschäftszeichen“ ist die Bezeichnung „0003/05“ wiedergegeben. Unter „Besteuerungsgrundlagen“ ist Folgendes ausgeführt: „Wert des Grundstücks i.S.d. § 138 Abs. 2 oder 3 BewG lt. Feststellungsbescheid des Finanzamts A. vom 24.04.2013: … EUR“. In den Erläuterungen zur Steuerfestsetzung heißt es, der Festsetzung lägen die Feststellungen der Betriebsprüfung zu Grunde. Auf den Grunderwerbsteuerbescheid und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts wird im Übrigen Bezug genommen.
9Ein Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Beklagte wies ihn mit Einspruchsentscheidung vom 22.07.2013, auf die verwiesen wird, zurück.
10Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie hält an ihrer Ansicht fest, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erfüllt seien. Bereits mit Abschluss des Vertrags UR-Nr. 0001/2005 sei ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden. Die Y1. GmbH habe aufgrund dieses Vertrags einen durchsetzbaren Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an den betreffenden Grundstücken gehabt. Zum Zeitpunkt der Übertragung der 24,9 % der Anteile am Stammkapital der Y1. GmbH an die Y2. GmbH seien die Grundstücke grunderwerbsteuerlich der Y1. GmbH (und damit mittelbar ihr, der Klägerin) zugeordnet gewesen. Es liege ein Rückerwerb vor. Dass die Übertragung der Anteile nicht der Grunderwerbsteuer unterlegen habe, führe nicht dazu, dass § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nicht anwendbar sei.
11Die Klägerin beantragt,
12den Grunderwerbsteuerbescheid vom 24.04.2013 sowie die Einspruchsentscheidung vom 22.07.2013 aufzuheben,
13hilfsweise, die Revision zuzulassen sowie
14die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen,
17hilfsweise, die Revision zuzulassen.
18Er hält an seiner bisher vertretenen Ansicht fest. Nachdem das Gericht mit der Ladung darauf hingewiesen hat, dass der Erwerbsvorgang, den der Beklagte erfassen wollte, in dem angefochtenen Bescheid möglicherweise nicht zutreffend bezeichnet ist, trägt er ergänzend vor: Der Grunderwerbsteuerbescheid sei im Verhältnis zu dem am gleichen Tag erlassenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts ein Folgebescheid. Dieses Verhältnis komme in dem Grunderwerbsteuerbescheid zum Ausdruck; er nehme auf den Feststellungsbescheid Bezug. Der Feststellungsbescheid enthalte die Erläuterung, dass die Feststellung „im Hinblick auf die Anteilsvereinigung bei der Y1. GmbH, F.-Str. 05, ..... R.“ erfolge; der Feststellung lägen die Ergebnisse der „durchgeführten Außenprüfung zugrunde (siehe Prüfungsbericht vom 12.02.2013)“. Die Klägerin habe auch den Feststellungsbescheid angefochten. Das Einspruchsverfahren sei mit Zustimmung der Klägerin bis zum Abschluss des Klageverfahrens „ausgesetzt“. Darüber hinaus werde in dem Betriebsprüfungsbericht, der der Klägerin bekannt sei, der Lebenssachverhalt hinsichtlich der „Ausübung der Call Option im Hinblick auf den Grundbesitz lt. Kaufvertrag vom 12.12.2005, UR-Nr. 0004/2005“ geradezu minutiös erläutert. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass die Finanzverwaltung davon ausgegangen sei, dass das Optionsrecht durch den Vertrag vom 12.12.2005 begründet worden und die Call Option am 02.01.2007 ausgeübt worden sei. Dieser Termin werde von dem Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. als Besteuerungszeitpunkt benannt. Insoweit habe auch er, der Beklagte, sich festgelegt. Zudem sei das Gesamtvertragswerk maßgeblich. Zwar werde der Besteuerungszeitpunkt durch die Ausübung der Call Option (als auslösendes Ereignis) bestimmt. Für den zu besteuernde Lebenssachverhalt sei jedoch auch der das Optionsrecht begründende Vertrag von Bedeutung. So nehme die „Optionsausübung“ ausdrücklich Bezug auf den Vertrag vom 12.12.2005. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) würde es widersprechen, wenn man bei Prüfung der Bestimmtheit des Grunderwerbsteuerbescheids nur auf die Bezugnahme auf den Vertrag vom 12.12.2005 abstellen würde (der im Übrigen für die Bestimmung des Besteuerungsgegenstands von grundlegender Bedeutung sei). Bei bedingten und genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften sei es im Übrigen üblich, auf den Tag der Einigung abzustellen. Die Klägerin habe dem Grunderwerbsteuerbescheid durch den in ihm enthaltenen Verweis auf den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts, der ihr am selben Tag bekanntgegeben worden sei, entnehmen können, auf welchen Besteuerungszeitpunkt er, der Beklagte, abstelle, da in dem Feststellungsbescheid auf den Betriebsprüfungsbericht Bezug genommen werde. Die Klägerin habe dies tatsächlich auch so verstanden und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht anders verstehen können. Ergänzend verweise er, der Beklagte, auf die Urteile des BFH vom 07.06.1978 II R 97/77 und vom 13.09.1995 II R 80/92 sowie das Urteil des FG Münster vom 15.12.2015, 2 K 2388/13 L. Festzuhalten sei, dass das Erfordernis inhaltlicher Bestimmtheit erfüllt sei; für die Klägerin sei ohne weiteres erkennbar gewesen, welcher Sachverhalt habe besteuert werden sollen und tatsächlich besteuert worden sei und auf welchen Zeitpunkt die Besteuerung erfolgt sei.
19Der Senat hat die Sache am 16.06.2016 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Senat muss nicht entscheiden, ob der Bescheid, wie die Klägerin meint, rechtswidrig ist, weil die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vorliegen und die Steuer - dem Antrag der Klägerin entsprechend - nicht hätte festgesetzt werden dürfen. Denn der Bescheid ist (unabhängig davon, ob die Klägerin einen „gegenläufigen Anspruch auf Beseitigung der Steuerfestsetzung“ hat) bereits deshalb rechtswidrig, weil er inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist und daher gegen § 119 Abgabenordnung (AO) verstößt. Der Beklagte hat in dem Bescheid einen Rechtsvorgang benannt, der nicht der Besteuerung unterliegt und den er nicht besteuern wollte.
22Gemäß § 119 Abs. 1 AO muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Nach der Rechtsprechung des BFH soll das Erfordernis inhaltlicher Bestimmtheit u.a. sicherstellen, dass für den Betroffenen erkennbar ist, welcher Sachverhalt besteuert wird und sich so z.B. das Entstehen der Steuerschuld und die Verjährung ohne weiteres feststellen lassen (BFH Beschluss vom 05. 11.1992 II R 19/92, BFH/NV 1993, 623). Bei Grunderwerbsteuerbescheiden ist die Angabe des zu besteuernden Erwerbsvorgangs unerlässlich. Die Behörde muss angeben, welcher Sachverhalt besteuert werden soll. Ob der betreffende Erwerbsvorgang hinreichend bestimmt bezeichnet ist, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch zu ermitteln. Entscheidend ist der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH Urteil vom 22.08.2007 II R 44/05, BStBl. II 2009, 754; BFH Urteil vom 17.12.2014 II R 2/13, BStBl. II 2015, 557). Der der Besteuerung unterworfene Rechtsvorgang ist nicht hinreichend bestimmt bezeichnet, wenn die Finanzbehörde einen anderen als den im Steuerbescheid benannten Erwerbsvorgang besteuern wollte. Reicht der vom Grunderwerbsteuerbescheid erfasste Lebenssachverhalt nicht aus, um den Tatbestand, an den das Grunderwerbsteuergesetz die Steuerpflicht knüpft, zu erfüllen, ist der Bescheid rechtswidrig, ohne dass die Behörde - etwa im Einspruchsverfahren - den im Bescheid bezeichneten unzutreffenden Erwerbsvorgang durch einen anderen (den zutreffenden) ersetzen könnte. Dies gilt insbesondere für Erwerbsvorgänge, bei denen eine Bewertung des Grundstücks gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG vorzunehmen ist, denn die Bewertung hat auf den zutreffenden Zeitpunkt zu erfolgen. Dieser muss im Wege der Auslegung unmissverständlich dem Grunderwerbsteuerbescheid zu entnehmen sein (BFH Urteil vom 12.02.2014 II R 46/12, BStBl. II 2014, 536).
23Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist vorliegend - was zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist - die einseitige Erklärung der Klägerin, die diese am 02.01.2007 vor dem Notar T. zur UR-Nr. 1/2007 abgab und durch die sie die Call Option ausübte. Mit Abgabe dieser Erklärung erlangte sie einen Anspruch auf Anteilsübertragung, der dazu führte, dass sie nicht mehr nur zu 75,1 %, sondern zu 100 % an der grundbesitzenden Y1. GmbH beteiligt war.
24Der Beklagte beabsichtigte ursprünglich, diesen Vorgang zu erfassen. Jedenfalls ist in der an die für die Feststellung der Grundbesitzwerte zuständigen Stelle gerichteten Anfrage der Grunderwerbsteuerstelle der 02.01.2007 als Besteuerungszeitpunkt angegeben. Die Feststellung des Grundbesitzwerts erfolgte dementsprechend auf den 02.01.2007.
25Allerdings ist in dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid selbst ein anderer Lebenssachverhalt aufgeführt. Unter „Sachverhalt“ enthält die Zeile „Rechtsvorgang“ den Eintrag „Übertragungsvertrag“. Als „Datum“ ist der „12.12.2005“ aufgeführt. Unter „UR-Nr./Geschäftszeichen“ heißt es „0003/05“. Hieraus folgt, dass es sich bei dem von dem Bescheid erfassten „Sachverhalt“ nicht um den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang handelt, den der Beklagte - ursprünglich - besteuern wollte. Wie ausgeführt ist die Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG durch die Ausübung der Call Option am 02.01.2007 (UR-Nr. 1/2007) erfolgt. Mit Abgabe dieser Erklärung wurde der Erwerbsvorgang verwirklicht. Durch die Vereinbarung vom 12.12.2005 (UR-Nr. 0003/2005) wurde das Optionsrecht lediglich begründet und - durch den Verkauf und die Abtretung des Geschäftsanteils zum Optionsstichtag bzw. Optionsclosingtag (vgl. 11.10 und 11.11 der Vereinbarung) - näher ausgestaltet. Ein grunderwerbsteuerlich relevanter Vorgang liegt hierin nicht. Insoweit unterscheidet sich der Fall von aufschiebend bedingten oder genehmigungsbedürftigen Erwerbsvorgängen. Bei diesen entsteht die Steuer zwar erst mit Eintritt der Bedingung oder der Genehmigung (§ 14 GrEStG). Der Erwerbstatbestand ist regelmäßig jedoch bereits bei Abschluss des Rechtsgeschäfts verwirklicht. Der Senat muss nicht entscheiden, ob hier – wofür einiges spricht – die Bezeichnung des den Erwerbsvorgang verwirklichenden Lebenssachverhalts genügt. Denn ein solcher Fall liegt nicht vor.
26Angesichts der eindeutigen Bezeichnung des besteuerten Sachverhalts (Übertragungsvertrag vom 12.12.2005, UR-Nr. 0003/05) ist eine - diesem Wortlaut widersprechende - Auslegung dahingehend, dass durch den Bescheid die Ausübung der Call Option (Erklärung vom 02.01.2007, UR-Nr. 1/2007) besteuert wird, nicht möglich. Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die Nennung des Feststellungsbescheids vom 24.04.2013 (unter „Besteuerungsgrundlagen“) und der erläuternde Hinweis, der Festsetzung lägen die Feststellungen der Betriebsprüfung zugrunde, nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar trifft es zu, dass der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 02.01.2007 für Zwecke der Grunderwerbsteuer ebenfalls vom 24.04.2013 datiert und deshalb zeitglich mit dem Grunderwerbsteuerbescheid bekanntgegeben worden sein dürfte; zudem enthält dieser Bescheid immerhin den Hinweis, dass die Feststellung im Hinblick auf eine Anteilsvereinigung erfolgt. Der Beklagte weist auch zutreffend darauf hin, dass Feststellungsbescheid und Grunderwerbsteuerbescheid zueinander im Verhältnis Grundlagenbescheid und Folgebescheid stehen. Allerdings wird die Entscheidung über den für die Besteuerung maßgeblichen Zeitpunkt nach der dargestellten Rechtsprechung des BFH im Grunderwerbsteuerbescheid getroffen. Dieser muss sich (insbesondere, wenn - wie hier - eine Grundstücksbewertung zu erfolgen hat) im Wege der Auslegung unmissverständlich dem Grunderwerbsteuerbescheid entnehmen lassen. Hieraus folgt, dass die Regelung über den Erwerbsvorgang, insbesondere den maßgeblichen Zeitpunkt, der Grunderwerbsteuerbescheid trifft und in dem Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts - entsprechend dieser Vorgabe – (nur) bindend über die Bemessungsgrundlage entschieden wird. Die Bezeichnung des Erwerbsvorgangs („Übertragungsvertrag“ „UR-Nr. 0003/05“) und des maßgeblichen Zeitpunkts („12.12.2005“) widersprechen dem im Feststellungsbescheid angegebenen Zeitpunkt („02.01.2007“). Wegen dieses eindeutigen Widerspruchs ist eine Auslegung dahingehend, dass der Grunderwerbsteuerbescheid „unmissverständlich“ die Ausübung der Call Option am 02.01.2007 als maßgeblichen Vorgang und Zeitpunkt ausweist, nicht möglich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man die „Erläuterungen zur Steuerfestsetzung“ mit in den Blick nimmt, wo es heißt, der Festsetzung lägen „die Feststellungen der Betriebsprüfung zugrunde“. Zwar ist dem Bericht des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E. vom 12.02.2013 zu entnehmen, dass - nach seinem Dafürhalten - der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG durch das Ausüben der Call Option am 02.01.2007 verwirklicht wurde. Allerdings wird auch der Vertrag, durch den die Call Option begründet wurde und der bereits den Verkauf und die Abtretung der Anteile zum Optionsstichtag und Optionsclosingtag enthält, erwähnt. Dort heißt es, die Ausübung dieser Option am 02.01.2007 begründe im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 12.12.2005, UR-Nr. 0003/2005 des Notars T., G., eingeräumten Optionsrecht ein Rechtsgeschäft nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wonach 100 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar in der Hand der Klägerin vereinigt würden. Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch unter Berücksichtigung des erläuternden Hinweises darauf, dass der Festsetzung die Feststellungen der Betriebsprüfung zugrunde liegen, nicht mit der erforderlichen Sicherheit, auf welchen Vorgang der Beklagte bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids abstellen wollte, zumal er den Vertrag mit der UR-Nr. 0003/05 vom 12.12.2005 als „Übertragungsvertrag“ bezeichnet, was auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG hinweist. Tatsächlich waren der Verkauf und die Abtretung des Geschäftsanteils von 24,9 %, die in der unter der UR-Nr. 0003/2005 getroffenen Gesellschaftervereinbarung (unter 11.10 und 11.11) vorgenommen wurden, grunderwerbsteuerlich nicht relevant. Von Bedeutung war vielmehr allein die unter der UR-Nr. 1/2007 abgegebene (einseitige) Erklärung der Klägerin. Dass der Beklagte die Feststellungen der Betriebsprüfung im Zeitpunkt des Erlasses des Grunderwerbsteuerbescheids dahin verstanden hat, lässt sich dem Bescheid - bei objektiver Betrachtung - nicht entnehmen.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.