Urteil vom Finanzgericht Münster - 8 K 1945/19 GrE
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten darüber, ob die Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft auf die Klägerin, eine niederländische Verwaltungsstiftung, der Grunderwerbsteuer unterliegt.
2Die A-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in A-Stadt ist Eigentümerin eines Grundstücks in A-Stadt. An der A-GmbH ist seit 2006 allein die A-N.V. („N.V.“; im Folgenden: A-N.V.), eine Körperschaft belgischen Rechts mit Sitz in Belgien, beteiligt. Unmittelbarer alleiniger Gesellschafter dieser Gesellschaft war zunächst der niederländische Staatsbürger Person A.
3Am 14.10.2009 wurde mit notariellem Vertrag (Urkunde xxx des Notars B, B-Stadt, Niederlande) eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts in der Rechtsform einer Besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid („B.V.“) mit Sitz in den Niederlanden, die […] Holding B.V. (im Folgenden: Holding B.V.), gegründet. Gründer waren Verwaltungsgesellschaften (jeweils in der Rechtsform einer B.V.), deren Anteile jeweils von einem Enkelkind von Person A gehalten wurden. Das Stammkapital (maatschappelijk kapitaal) betrug 90.000 EUR (Artikel 1). Zum alleinigen Geschäftsführer der Holding B.V. wurde Person A ernannt (Schlusserklärungen unter A. 1.). Es wurden 180 Anteile im Nennwert von je 100 EUR ausgegeben, jeweils 36 Anteile pro Gesellschafter (Schlusserklärungen unter A. 3.).
4Am Gründungstag wurde von der Gesellschafterversammlung die Ausgabe von 442.900 weiteren Gesellschaftsanteilen mit einem Nennwert von je 100 EUR beschlossen. Diese Anteile mit den Nummern 181 bis 443.080 übernahm Person A gegen Einbringung von Anteilen an einer (für den Streitfall nicht weiter relevanten) Gesellschaft. Er hielt Anteile im Wert von 44.290.000 EUR; die Enkelkinder hielten Anteile im Wert von insgesamt 18.000 EUR (Urkunde xxx des Notars B, B-Stadt, Niederlande).
5Am gleichen Tag gründete Person A die Klägerin, eine Stiftung nach niederländischem Recht, die ihren Sitz ebenfalls in den Niederlanden hat. Gesellschaftszweck der Klägerin ist die Herausgabe und das Verwalten der Anteile an der Holding B.V. und die Herausgabe von Zertifikaten zu diesen Anteilen. Alleiniger Vorstand der Klägerin ist Person A (Urkunde xxx des Notars B, B-Stadt, Niederlande).
6Person A brachte seine Anteile an der Holding B.V. in die Stiftung ein, die im Gegenzug Zertifikate ausgab (Urkunde xxx des Notars B, B-Stadt, Niederlande). Die an Person A ausgegebenen Zertifikate schenkte er zu gleichen Teilen den Verwaltungsgesellschaften der Enkelkinder (Urkunde xxx des Notars B, B-Stadt, Niederlande).
7Am 24.12.2009 wurde von der Gesellschafterversammlung der Holding B.V. die Ausgabe von 298.064 weiteren Gesellschaftsanteilen im Nennwert von je 100 EUR beschlossen. Am gleichen Tag übernahm Person A diese Anteile mit den Nummern 443.081 bis 741.144 und brachte als Gegenleistung unter anderem seine Anteile an der A-N.V. ein (Urkunde xxx des Notars B, B-Stadt, Niederlande).
8Ebenfalls am gleichen Tag brachte er seine am gleichen Tag erworbenen Anteile an der Holding B.V. gegen die Ausgaben von Zertifikaten in die Klägerin ein (Urkunde xxx des Notars B, B-Stadt, Niederlande). Diese Zertifikate schenkte Person A am 24.12.2009 den Verwaltungsgesellschaften seiner Enkel (Urkunde xxx des Notars B, B-Stadt, Niederlande).
9Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge und die zur Gerichtsakte gereichten Übersetzungen Bezug genommen.
10Eine Anzeige der Vorgänge beim Beklagten erfolgte nicht.
11Anlässlich einer Außenprüfung bei der A-GmbH teilte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung A-Stadt den Sachverhalt dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A-Stadt („Steufa“) mit. Die Steufa traf im undatierten, mit Eingangsstempel der Klägervertreter vom 06.09.2016 versehenen Bericht folgende Feststellungen:
12Die Übertragung der Anteile der Person A an der Holding B.V. auf die Klägerin habe den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfüllt; Stichtag sei der 24.12.2009. Steuerschuldner seien sowohl die Klägerin als auch Person A. Diese hätten den Vorgang nach § 19 Abs. 1 GrEStG anzeigen müssen, was nicht passiert sei.
13Der Beklagte erließ am 06.10.2016 (unter dem Vorbehalt der Nachprüfung) einen Grunderwerbsteuerbescheid. Als Sachverhalt wurden „Anteilsübertragung A durch Person A“ und das Datum „24.12.2009“ angegeben. Unter Erläuterungen wurde ausgeführt, dass die Bemessungsgrundlage auf das Siebenfache des Einheitswerts geschätzt worden sei und der Bescheid nach Erlass eines Grundbesitzwertbescheids geändert werde.
14Den eingelegten Einspruch begründete die Klägerin wie folgt:
15- Das niederländische Steuerrecht behandle sie, die Klägerin, als transparent. Person A habe als ihr, der Klägerin, Vorstand volle Verfügungsmacht über die Anteile an der Holding B.V.. Sie, die Klägerin, vermittle keine mitgliedschaftlichen Rechte gesellschaftsrechtlicher Natur. Es sei zu keinem Rechtsträgerwechsel gekommen. Die Inhaber der Zertifikate erhielten wie atypisch stille Gesellschafter keine Verfügungsbefugnis auf eigene Rechnung (Verweis auf BFH, Urteil vom 11.12.2974, II R 170/73, BStBl. II 1975, 363). Person A und nicht sie, die Klägerin, sei (weiterhin) an der Holding B.V. beteiligt.
16- Unabhängig davon sei kein grunderwerbsteuerlicher Tatbestand erfüllt. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG sei nicht einschlägig, weil nur 41,21 % der Anteile auf sie, die Klägerin, übertragen worden seien. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei nicht erfüllt, weil sie, die Klägerin, bereits nach dem 14.10.2009 99,99 % der Anteile innegehabt habe. Es handele sich insgesamt nur um eine Verstärkung einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung. Im Gegensatz zum Fall der Anteilsübertragung, bei der ein fingierter Grundstückserwerb vom Veräußerer der Anteile angenommen werde, stelle die Anteilsvereinigung einen fingierten Erwerb des Grundstücks durch den Anteilsvereiniger unmittelbar von der grundbesitzenden Gesellschaft dar (Verweis auf BFH, Urteil vom 26.07.1995, II R 68/92, BStBl II 1995, 736; BFH, Beschluss vom 15.12.2006, II B 26/06, BFH/NV 2007, 500). Dann hätte sie, die Klägerin, ein Grundstück fiktiv von sich selbst erworben, da 99,99 % der Anteil bereits in ihrem Eigentum gestanden hätten. Damit fehle es an einer Änderung der Zuordnung eines Grundstücks. Der Vorgang sei daher nach dem Zweck des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht steuerbar. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung zur Verkürzung der Beteiligungskette. Diese sei nicht steuerbar, weil sie eine bereits bestehende Anteilsvereinigung nur verstärke. In teleologischer Hinsicht solle nur die erstmalige Anteilsvereinigung von § 1 Abs. 3 GrEStG erfasst werden (Verweis auf Behrens, in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rn. 471). Es sei widersprüchlich, wenn im Rahmen der Kapitalerhöhung sowohl die Sacheinlage als auch die spätere Übernahme der Anteile besteuert würden. Die Zeichnung der Kapitalerhöhung durch Person A habe nur den Zweck gehabt, die Ausgabe entsprechender Zertifikate zu ermöglichen.
17- Im Übrigen sei der Vorgang steuerbefreit. Die Übertragung der Anteile der Person A an der Holding B.V. sei gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 Alt. 2 GrEStG steuerfrei. § 3 Nr. 2 GrEStG sei auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG anwendbar. Es handle sich auch um eine Schenkung im Sinne des § 7 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG), nämlich um eine nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. Dass Person A im Gegenzug Zertifikate erhalten habe, sei unerheblich. Die Zertifikate seien nicht mit Gesellschaftsanteilen gleichzusetzen, weil sie keine Gesellschafterstellung vermittelten, insbesondere keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung, die allein dem Stiftungsvorstand obliege. Da die Stiftung – nach niederländischem und deutschem Recht – ein rechtsfähiges Gebilde sei, das mit einem Stiftungsvermögen ausgestattet und unabhängig von Mitgliedern, Gesellschaftern oder Anteilseignern existiere, sei sogar die Zustiftung an eine Familienstiftung, deren einzig Begünstigter der Zuwendende sei, als freigebige Zuwendung anzusehen (Verweis auf BFH, Urteil vom 09.12.2009, II R 22/08, BStBl. II 2010, 363). Die Würdigung des Vorgangs als Schenkung ergebe sich auch aus der Betrachtung der nachfolgenden Schenkung an die Enkelkinder. Der Gesamtplan der Person A sei auch eine Unternehmensnachfolge im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und mithin als Schenkung anzusehen. Wirtschaftlich stünde es der Umsetzung dieses Gesamtplans gleich, wenn Person A jeweils ein Fünftel seines Vermögens auf seine Kinder übertragen hätte. Auch dies wäre nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei gewesen. Dies gelte umso mehr, als sie, die Klägerin, nach niederländischem Steuerrecht transparent sei.
18Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Klägerin vom 25.06.2018 verwiesen.
19Der Beklagte führte dazu im Einspruchsverfahren aus:
20- Die Klägerin habe am 24.12.2019 erstmalig Anteile an einer grundbesitzhaltenden Gesellschaft erworben, nämlich an der Holding B.V., die ihrerseits an diesem Tag Anteile an der grundbesitzenden A-N.V. erworben habe.
21- Kapitalgesellschaften könnten nicht im Rahmen der §§ 5, 6 GrEStG als transparent angesehen werden (Verweis auf BFH, Urteil vom 29.02.2012, II R 57/09, BStBl II 2012, 917).
22- Am 22.05.2019 erging wegen eines geänderten Bescheids über die Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 24.12.2009 ein Änderungsbescheid; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
23Mit Einspruchsentscheidung vom 23.05.2019, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus:
24- Die Übertragung der Anteile an der Holding B.V. erfülle den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3, 4 GrEStG, weil sich in der Hand der Klägerin alle Anteile vereinigten. Zwar sei die Klägerin bereits am 14.10.2009 zu 100 % an der Holding B.V. beteiligt gewesen. Sie habe aber an der Kapitalerhöhung nicht teilgenommen, sodass sie ihre Beteiligung von über 95 % wieder verloren habe. Erst mit Übertragung der Anteile durch Person A habe sie ihre beherrschende Stellung wiedererlangt.
25- Es komme allein darauf an, wem das rechtliche Eigentum zustehe; das wirtschaftliche Eigentum sei unerheblich.
26- Unerheblich sei auch, dass die Gesellschaften im Ausland ansässig seien, da ihnen ein inländisches Grundstück zuzurechnen sei. Der Steuerbarkeit einer Anteilsvereinigung stehe es auch nicht entgegen, dass der Rechtsvorgang zwischen verbundenen Gesellschaften stattfinde. Auch sei es unerheblich, ob innerhalb eines Konzerns mehrere Anteilsübertragungsvorgänge unmittelbar aufeinander folgten.
27Mit der dagegen gerichteten Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter und wiederholt ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
28Aufgrund eines geänderten Bescheids über die Feststellung des Grundbesitzwerts hat der Beklagte am 13.11.2019 einen weiteren Änderungsbescheid erlassen.
29Die Klägerin beantragt,
30die Grunderwerbsteuerbescheide vom 06.10.2016 und vom 22.05.2019 sowie die Einspruchsentscheidung vom 23.05.2019 und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 13.11.2019 aufzuheben sowie
31hilfsweise, die Revision zuzulassen.
32Der Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen sowie
34hilfsweise, die Revision zuzulassen.
35Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsbegründung.
36Die Sache ist am 10.03.2022 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
37Der Bescheid vom 13.11.2019 ist nach § 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden. Das Klagebegehren ist zulässigerweise auf die Aufhebung aller Bescheide gerichtet, weil nur so dem klägerischen Rechtsschutzbegehren Rechnung getragen werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 17.09.1992, V R 17/86; BFH/NV 1993, 279; Paetsch in Gosch, AO/FGO § 68 FGO Rn. 42).
38Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
39Zwar unterliegt die Übertragung der Anteile nicht, wie der Beklagte meint, nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Im Rahmen des Zertifizierungsvertrags vom 24.12.2009 wurden nur gut 40 % der Anteile an der Holding B.V. von Person A auf die Klägerin übertragen und damit die Schwelle von 95 % der Anteile nicht erreicht.
40Der Vorgang unterliegt aber nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder jedenfalls Nr. 2 GrEStG (in der – auf den Streitfall anwendbaren – Fassung vom 20.12.2001) der Grunderwerbsteuer. Danach unterliegt, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt, die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, gehört, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden. Es kann offenbleiben, ob (nach niederländischem Gesellschaftsrecht) der Vertrag über die Zertifizierung einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung der Anteile vermittelt hat (wie es nach deutschem, dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip folgendem Zivilrecht der Fall wäre) oder ob die Anteile ohne vorhergehenden schuldrechtlichen Anspruch übergegangen sind. Denn im ersten Fall verwirklicht der Vertrag über die Zertifizierung vom 24.12.2009 den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG und im zweiten Fall den des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG.
41Eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der Holding B.V. nicht um eine Personengesellschaft handelt.
42Zum Vermögen der Holding B.V. gehört ein inländisches Grundstück. Ein Grundstück gehört nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht nur dann i. S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft, wenn es im Eigentum der Gesellschaft steht. Maßgeblich ist vielmehr eine grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung in dem Sinne, dass eine Gesellschaft die Sachherrschaft an einem Grundstück auch dann ausübt, wenn sie dieses aufgrund eines unter § 1 GrEStG fallenden Vorgangs erworben hat. Ausreichend ist deshalb eine (mindestens 95-prozentige) Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft, die auch über eine oder mehrere Zwischengesellschaften vermittelt sein kann (BFH, Urteil vom 25.08.2010, II R 65/08, BStBl. II 2011, 225 m.w.N.). Nach dieser Maßgabe gehört der Holding B.V. aufgrund der mittelbaren hundertprozentigen Beteiligung an der A-GmbH das in deren Eigentum stehende inländische Grundstück. Diese mittelbare Beteiligung hatte die Holding B.V. mit dem Vertrag mit den Endziffern xxx am 24.12.2018 und somit vor der Einbringung der Anteile an der Holding B.V. in die Klägerin (Vertrag vom 24.12.2009 mit den Endziffern xxx) erworben.
43Durch die Einbringung der Anteile an der Holding B.V. in die Klägerin gegen eine „Zertifizierung“ dieser Anteile wurden über 95 % an der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt. Die Beteiligungsanteile ergeben sich aus folgender Tabelle („Enkel“ für: Verwaltungsgesellschaften der Enkelkinder der Person A):
44Es kann dahinstehen, ob die Klägerin nach niederländischem Steuerrecht transparent behandelt wird. Entscheidend ist, dass die Klägerin zivilrechtliche Eigentümerin der Anteile geworden ist. Die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums ist mit dem Vertrag über die Zertifizierung vom 24.12.2009 erfolgt. Unerheblich ist auch, dass Person A Inhaber von Zertifikaten geworden ist. Ob auch der Erwerb von Zertifikaten der Grunderwerbsteuer unterliegen kann, ist für den Streitfall nicht von Bedeutung. Dies schlösse eine Besteuerung der Klägerin nicht aus, da (wie im Fall der Erwerbstreuhand) ein Rechtsvorgang durchaus zwei grunderwerbsteuerliche Tatbestände auslösen kann.
46Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es ebenfalls unerheblich, dass die Klägerin bereits vom 14.10.2009 bis zum 24.12.2009 zivilrechtliche Eigentümerin von über 95 % der Anteile an der Holding B.V. war. Soweit es in der Literatur heißt, nur die „erstmalige“ Anteilsvereinigung sei steuerbar (Behrens in Behrens/Wachter, § 1 GrEStG Rn. 471), ist damit nur gemeint, dass weitere Anteilserwerbe, nachdem die Grenze von 95 % überschritten wurde, nicht steuerbar sind. So unterliegt etwa beim Erwerb von 95 % der Anteile im ersten und weiteren 5 % im zweiten Schritt nur der erste Schritt der Grunderwerbsteuer. Hingegen unterliegt bei einem Absinken der Beteiligung unter 95 % die spätere Überschreitung der 95-%-Schwelle wieder der Grunderwerbsteuer; die vormalige höhere Beteiligung „immunisiert“ nicht gegen eine spätere Grunderwerbsteuer. Insoweit gilt – vorbehaltlich einer etwaigen Anwendung des § 16 GrEStG – nichts anderes als beim Hin- und Herverkauf eines Grundstücks. Im Streitfall kommt hinzu, dass zum Vermögen der Holding B.V. zunächst (bis zum 24.12.2009) kein Grundstück gehörte.
47Der Vorgang ist auch nicht als Schenkung nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei. Eine Schenkung ist jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –). Dies setzt die Unentgeltlichkeit der Zuwendung voraus, die Zuwendung darf nicht synallagmatisch, konditional oder kausal mit einer gleichwertigen Gegenleistung verknüpft sein (BFH, Urteil vom 09.12.2009, II R 22/08, BStBl II 2010, 363). Die Zuwendung der Anteile war nicht unentgeltlich; Person A als Zuwendender hat vielmehr für die Übertragung der Anteile Zertifikate erhalten. Im Vertrag über die Zertifizierung vom 24.12.2009 heißt es ausdrücklich, dass die Übertragung des Eigentums an den Anteilen „gegen Ausgabe von Zertifikaten (tegen toekenning van certificaten)“ erfolge und dem Zweck diene, „diese Anteile von der Stiftung zugunsten der Zertifikatsinhaber verwalten zu lassen (teneinde deze aandelen door de stichting ten behoeve van de certificaathouders te doen beheren en administreren)“. Darin kommt zugleich zum Ausdruck, dass der wirtschaftliche Wert der Zertifikate dem der Anteile entspricht.
48Schließlich ist entgegen der Auffassung der Klägerin § 5 Abs. 2 GrEStG nicht anwendbar. Die Klägerin ist keine Gesamthandsgemeinschaft nach deutschem Recht. Die Vorschrift ist auch nicht entsprechend anzuwenden. § 5 Abs. 2 GrEStG ist zwar auch auf ausländische Gesellschaften anzuwenden, sofern deren Struktur den inländischen Gesamthandsgemeinschaften entspricht (allgemeine Ansicht, vgl. Viskorf in ders., § 5 GrEStG Rn. 8; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 5 GrEStG Rn. 15_2; Pahlke, § 5 GrEStG Rn. 5; Pahlke in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang 12 Rn. 127, 299; Wachter in Behrens/ders., § 19 GrEStG Rn. 149). Dazu ist die Gesamtstruktur der ausländischen Gesellschaft mit den wesentlichen Strukturmerkmalen der inländischen Gesamthandsgemeinschaften zu vergleichen, sog. Rechtstypenvergleich (Pahlke, § 5 GrEStG Rn. 5; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 5 GrEStG Rn. 15_2). Dabei ist zunächst auf die generell-abstrakten Strukturmerkmale und das daraus abzuleitende gesetzliche Leitbild nach der ausländischen Rechtsordnung abzustellen. Wenn die strukturellen Regelungen der ausländischen Rechtsordnung allerdings dispositiv sind, ist die individuell-konkrete Ausgestaltung im Einzelfall entscheidend (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.06.2018, 9 K 11080/17, EFG 2019, 793). Nach einem Rechtstypenvergleich entspricht die Struktur der Klägerin weder nach den abstrakt-generellen Regelungen zur stichting noch nach ihrer konkret-individuellen Ausgestaltung einer deutschen Gesamthandsgemeinschaft.
49Grundsätzlich entspricht die Struktur einer niederländischen stichting der einer deutschen Stiftung (Engers/Stevens in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBA Niederlande 2012, Art. 3 Rn. 16; Berg/Schnabelrauch in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang I Rn. 105). Nach Art. 285 des 2. Buchs des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Niederlande ist eine Stiftung eine durch eine Rechtshandlung gegründete Rechtsperson, die keine Mitglieder hat und zum Zweck hat, mithilfe eines dazu bestimmten Vermögens ein in der Satzung festgelegtes Ziel zu verwirklichen („Een stichting is een door een rechtshandeling in het leven geroepen rechtspersoon, welke geen leden kent en beoogt met behulp van een daartoe bestemd vermogen een in de statuten vermeld doel te verwezenlijken“). Schon aufgrund des Fehlens von Mitgliedern/Gesellschaftern kann die Struktur einer niederländischen Stiftung nicht derjenigen von Gesamthandsgemeinschaften nach deutschem Recht entsprechen. Die Gesamthandsgemeinschaft ist vor allem durch die gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens geprägt. Nach § 718 Abs. 1 BGB werden die Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen). Nach § 719 Abs. 1 BGB kann ein Gesellschafter nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen; er ist nicht berechtigt, Teilung zu verlangen. Nach § 719 Abs. 2 BGB kann ein Schuldner nicht gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftsvermögen gehört, eine ihm gegen einen einzelnen Gesellschafter zustehende Forderung aufrechnen. Diese gesamthänderische Bindung von Vermögen setzt einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen mindestens zwei Gesellschaftern voraus (BFH, Urteil vom 29.05.1974, II 53/64, BStBl II 1974, 697; vgl. § 705 BGB, § 109 Handelsgesetzbuch). Eine Einmann-Personengesellschaft gibt es im deutschen Recht nicht (BFH, Beschluss vom 08.01.2019, II B 62/18, BFH/NV 2019, 293). Nichts Anderes gilt, wenn man die konkret-individuelle Struktur der Klägerin als Verwaltungsstiftung in den Blick nimmt. Die Klägerin wurde durch die notarielle Urkunde vom 14.10.2009 (xxx) durch Person A allein errichtet; ihr liegt kein Gesellschaftsvertrag zugrunde. Auch die Ausgabe der Zertifikate und deren Schenkung an die Verwaltungsgesellschaften der Enkel der Person A ändern daran nichts; die Zertifikate vermitteln keine Beteiligung an der Klägerin, sondern nur (Gewinnbezugs‑)Rechte an der Holding B.V.
50Auf den Vergleich weiterer Strukturmerkmale (etwa Selbstorganschaft, Einstimmigkeitsprinzip, Treuepflicht) kommt es daher nicht an. Dass die Klägerin nach niederländischem Steuerrecht transparent behandelt wird, spielt für den Rechtstypenvergleich keine Rolle, weil dieser auf die zivilrechtlichen Strukturmerkmale abstellt.
51Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
52Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
53xxx xxx xxx
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- II B 26/06 1x (nicht zugeordnet)
- II R 57/09 1x (nicht zugeordnet)
- II B 62/18 1x (nicht zugeordnet)
- II R 68/92 1x (nicht zugeordnet)
- V R 17/86 1x (nicht zugeordnet)
- II R 170/73 1x (nicht zugeordnet)
- II R 65/08 1x (nicht zugeordnet)
- 9 K 11080/17 1x (nicht zugeordnet)
- II R 22/08 2x (nicht zugeordnet)