Urteil vom Finanzgericht Münster - 9 K 897/22 K
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der Bescheid über den Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) ergangen und der VdN aufzuheben ist.
3Mit Körperschaftsteuerbescheid vom 02.12.2021 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Körperschaftsteuer 2019 in Höhe von … €. Dabei schätzte er wegen Nichtabgabe der Körperschaftsteuererklärung die Besteuerungsgrundlagen und ging von einem steuerlichen Jahresüberschuss in Höhe von … € aus. Zudem setzte der Beklagte einen Verspätungszuschlag in Höhe von 300 € fest (12*Mindestbetrag von 25 €). Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
4Gegen den Bescheid über den Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019 legte die Klägerin am 05.01.2022 Einspruch ein. Dabei wies die Klägerin darauf hin, dass sich der Einspruch auch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags richte. Zur Begründung trug die Klägerin vor, dass sie im Jahr 2019 keine Umsätze und Erträge erzielt habe. Die Steuererklärung werde kurzfristig nachgereicht.
5Mit Einspruchsentscheidung vom 09.03.2022 wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin wegen Gewerbesteuermessbetrag 2019, gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2019, Körperschaftsteuer 2019, Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019, gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 und 28 KStG zum 31.12.2019 und gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2019 als unbegründet zurück. Zugleich führte die Einspruchsentscheidung aus:
6„Die Bescheide ergehen weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung.
7Der Körperschaftsteuerbescheid 2019 ergeht weiterhin vorläufig gem. § 165 der Abgabenordnung hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Punkte.“
8Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Der Bescheid über den Verspätungszuschlag dürfe nicht unter dem VdN ergehen. Die selbständige Anfechtung der Nebenbestimmung sei daher zulässig. Die Einspruchsentscheidung unterscheide nicht im Hinblick auf die dort zusammengefassten Bescheide, sondern tenoriere, dass diese unter dem VdN stünden. Dies lasse zumindest den Schluss zu, dass im Rahmen der Einspruchsentscheidung auch der Verspätungszuschlag unter VdN gesetzt werden sollte. Der Beklagte habe die Folgen des „Tenorierungsproblems“ zu tragen.
9Die Klägerin beantragt,
10den Bescheid über den Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019 vom 06.01.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.03.2022 dahingehend zu ändern, dass der VdN aufgehoben wird;
11hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Besteuerungsgrundlagen seien wegen Nichtabgabe der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen geschätzt worden. Die Schätzung sei (wie üblich) unter dem VdN erfolgt. Im Rahmen dieser Steuerbescheide sei der Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer zu Recht in Höhe von 300 € festgesetzt worden. Dieser Verbund sei üblich und entspreche § 152 Abs. 11 AO. Mit diesem Verbund sei aber die Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht unter VdN gestellt worden. Auch durch die Formulierung „die Bescheide ergehen weiterhin unter dem VdN“ in der Einspruchsentscheidung sei kein Vorbehalt der Nachprüfung für den Verspätungszuschlag aufgenommen worden. Dies sei gem. § 164 Abs. 1 AO auch nicht möglich. Mit der Bezeichnung werde vielmehr deutlich, dass bisherige VdN bestehen blieben. Sollte irrtümlich von einem Vorbehalt der Nachprüfung für die Festsetzung des Verspätungszuschlags ausgegangen werden, so fehle es nach § 350 AO an der erforderlichen Beschwer. Ein irrtümlich angenommener VdN sei als unselbständige Nebenbestimmung nicht separat angreifbar. Gründe für eine Änderung des Verspätungszuschlags seien weder vorgetragen worden noch erkennbar.
15Mit Beschluss vom 25.05.2022 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
16In der Sache hat am 22.08.2022 eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18I. Die Klage ist unzulässig.
191. Es fehlt bereits an der für ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin erforderlichen Beschwer.
20Der Einzelrichter ist der Auffassung, dass der Bescheid über den Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung schon nicht unter dem VdN ergangen ist.
21Die Regelungen zum VdN gem. § 164 Abs. 1, 2 AO gelten nur für Steuern (§ 3 Abs. 1 AO), nicht aber für steuerliche Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs.4 AO, zu denen auch der Verspätungszuschlag gehört (§ 3 Abs. 4 Nr. 2 AO).
22Bei der Verbindung der Festsetzung eines Verspätungszuschlags mit einer Steuerfestsetzung unter VdN erstreckt sich der Vorbehalt nicht auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags (BFH, Urt. vom 14.06.2000 - X R 56/98, BStBl II 2001, 60, siehe hier insbesondere die Rdn. 25 der Urteilsgründe; Schober, in: Gosch, AO, § 152 Rdn. 133).
232. Selbst wenn man - entgegen der unter Ziff. 1 dargelegten Ansicht des Einzelrichters - davon ausginge, dass sich der VdN auch auf den Verspätungszuschlag erstreckte, wäre die Klage unzulässig.
24Zwar ist ein Vorbehaltsbescheid auch dann anfechtbar, wenn sich der Steuerpflichtige nur durch den Vorbehalt beschwert fühlt (BFH-Urteil vom 11.04.2018 – X R 39/16, BFH/NV 2018, 1075, Rdn. 21). Eine auf die isolierte Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gerichtete Anfechtungsklage ist jedoch unzulässig, weil der Vorbehalt der Nachprüfung eine unselbständige Nebenbestimmung darstellt, die nur zusammen mit der Steuerfestsetzung angegriffen werden kann (BFH-Urteil vom 30.10.1980 – IV R 168-170/79, BStBl. II 1981, 150; BFH-Urteil vom 11.04.2018 – X R 39/16, BFH/NV 2018, 1075, Rdn. 21; Oellerich, in: Gosch, AO, § 152 Rdn. 143). Bei einer unselbständigen Nebenbestimmung kann mit der Anfechtungsklage nur die Aufhebung des Verwaltungsaktes samt Nebenbestimmung, nicht aber der Fortbestand ohne Nebenbestimmung erreicht werden (Klein/Rüsken, AO, § 164 Rdn. 55 m.w.N.). Will der Steuerpflichtige die gerichtliche Aufhebung des VdN erreichen, müsste er daher auf Aufhebung der Steuerfestsetzung insgesamt und auf Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines im Betrag identischen, aber vorbehaltlosen Bescheides klagen (Klein/Rüsken, AO, § 164 Rdn. 55).
25Im Streitfall hat die Klägerin eine unzulässige Anfechtungsklage gegen den VdN als unselbständige Nebenbestimmung erhoben. Sie hat ausdrücklich dargelegt, dass sie den VdN als Nebenbestimmung anfechten will.
263. Der Einzelrichter weist ergänzend darauf hin, dass es nach seiner Auffassung auch an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Klage fehlt und die Klage auch aus diesem Grunde unzulässig ist. Ein anderes Interesse als die Erstattung der Kosten für die Rechtsverfolgung ist – insbesondere vor dem Hintergrund der Geltung des § 152 Abs. 12 AO – nicht erkennbar (vgl. auch FG Münster, Beschluss vom 30.05.2021 – 15 V 408/22, EFG 2022, 1211 mit Anm. Kessens).
27II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
28III. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Entscheidung folgt den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht im Übrigen auf den Umständen und Feststellungen des Einzelfalles.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 15 V 408/22 1x (nicht zugeordnet)
- X R 56/98 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Bundesfinanzhof (10. Senat) - X R 39/16 2x
- § 27 und 28 KStG 1x (nicht zugeordnet)