Urteil vom Niedersächsisches Finanzgericht (13. Senat) - 13 K 225/14

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau hat.

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Der Kläger (geb. ... ... 1948) war seit dem ... ... 1973 mit Frau A (geb. ... ... 1948) verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor, die heute ... Jahre und ... Jahre alt sind.

3

Die Ehefrau des Klägers erkrankte 2002 an Demenz. Sie wurde zunächst von dem Kläger zuhause gepflegt. Als sich die Krankheit verschlimmerte, wurde die Ehefrau im ... 2008 in das Pflegeheim O verlegt. Der Umzug erfolgt auf Anraten der Diakonie, weil es dem Kläger trotz Unterstützung durch die gemeinsamen Töchter und durch die Schwiegermutter nicht mehr möglich war, eine angemessene Pflege zu leisten.

4

Die Pflegeeinrichtung O ist eine Facheinrichtung für dementiell erkrankte Menschen. Die Unterbringung erfolgte in O, weil es in dem gesamten Landkreis keine entsprechende Pflegeeinrichtung gab. Vom damaligen Wohnort des Klägers war die Pflegeeinrichtung ca. 35 km entfernt.

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Die Ehefrau des Klägers erhielt während ihres Aufenthalts in der Pflegeeinrichtung Leistungen nach der Pflegestufe III. Sie war zu 100 % schwerbehindert. Sie war nicht mehr in der Lage, ihre Umwelt wahrzunehmen und konnte keine Gespräche mehr führen oder verfolgen.

6

Der Kläger besuchte seine Ehefrau jeden Samstag für einige Stunden und beteiligte sich während der Besuche aktiv an der Pflege, z.B. durch das Anreichen von Mahlzeiten. Nach dem Essen schob er seine Frau im Rollstuhl spazieren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Bescheinigung der Pflegeeinrichtung vom ... ... 2015, auf die Niederschrift der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2015 sowie auf die Niederschrift der Zeugenaussage der Tochter in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2015 verwiesen.

7

Der Kläger kam für die Kosten des Pflegeheims (20.200 € bis 22.500 € im Jahr) und zusätzlich entstandenen Krankheitskosten der Ehefrau (400 € bis 500 € im Jahr) auf.

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Das Amtsgericht D setzte nach der Verlegung der Ehefrau in das Pflegeheim zunächst einen Ergänzungsbetreuer ein. Am ... ... 2011 wurde diese Entscheidung wieder aufgehoben. Seitdem verwaltete der Kläger die vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Ehefrau allein. Auch für ihre gesundheitliche und medizinische Betreuung war er verantwortlich.

9

Seit dem Jahr 2008 (so der Vortrag im Einspruchsverfahren) oder seit dem Jahr 2009 (so der Vortrag im Klageverfahren) hat der Kläger eine neue Lebensgefährtin, Frau B (geb. ... ... 1951). Im ... 2010 zog Frau B in die Wohnung des Klägers in E ein.

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Ende 2010 begannen der Kläger und Frau B im Wege des hälftigen Miteigentums ein neues Wohnhaus zu bauen (in E). Der Kläger und Frau B zogen im ... 2011 in das Haus ein. Auf der Website des Bauunternehmens ist ein Artikel über das Haus eingestellt, wonach der Kläger das Haus für einen neuen Lebensabschnitt geplant und errichtet habe. Das alte Haus hätte aufwendig renoviert und für das Alter umgebaut werden müssen. Das neue Haus sei fast barrierefrei errichtet worden. Es solle als Altersruhesitz für zwei Personen dienen.

11

Nach den Ermittlungen des Finanzamts führten der Kläger und Frau B seit 2011 ein Bankkonto in Form eines Gemeinschaftskontos, von dem sie die Kosten der allgemeinen Lebensführung bestritten. Beide überwiesen auf dieses Konto regelmäßig per Dauerauftrag Beträge über jeweils 700 € mit dem Verwendungszweck „Essen, Schlafen, Leben“ bzw. „fürs Leben“.

12

Am ... ... 2014 verstarb die Ehefrau des Klägers.

13

Der Kläger beantragte in seinen Einkommensteuererklärungen 2011 bis 2013 die Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau, ohne offen zu legen, dass er inzwischen mit Frau B zusammen lebte. Er machte in den Steuererklärungen als außergewöhnliche Belastungen die Pflegeheimkosten und Krankheitskosten der Ehefrau geltend. Außerdem beantragte er in jedem Jahr den Abzug von 60 Fahrten in das Pflegeheim.

14

Die Einkommensteuerveranlagungen wurden antragsgemäß im Wege der Zusammenveranlagung durchgeführt.

15

Gegen die Einkommensteuerzusammenveranlagung 2013 legte der Kläger mit der Begründung Einspruch ein, dass die Pflegekosten nicht um eine Haushaltsersparnis in Höhe von 8.004 € zu kürzen seien, weil es jederzeit möglich sei, dass die Ehefrau in den Haushalt zurückkehre.

16

Im Rahmen der Einspruchsbearbeitung wurde dem Finanzamt bekannt, dass der Kläger mit Frau B zusammen lebte. Darauf angesprochen behauptete der Kläger zunächst, dass es sich bei Frau B um die Haushälterin des Klägers handele.

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Der Beklagte führte nach weiteren Ermittlungen aus, dass der Kläger spätestens seit dem Einzug von Frau B in die Wohnung des Klägers eine neue Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit Frau B führen würde. Spätestens ab diesem Zeitpunkt würde der Kläger von seiner Ehefrau dauernd getrennt leben. Nach dem Urteil des FG Köln vom 16. Juni 2011 (10 K 4736/07, EFG 2011, 1786) würde eine neue Lebensgemeinschaft unter Berücksichtigung der Wertungen des § 26 EStG, der im Hinblick auf das Gebot in Art. 6 GG, die Einehe fördern würde, eine fortbestehende Lebensgemeinschaft mit der im Pflegeheim lebenden Ehefrau ausschließen. Da der Kläger den verwirklichten Lebenssachverhalt nicht offengelegt habe, könnten die Zusammenveranlagungen 2011 bis 2013 aufgehoben werden.

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Am ... ... 2014 wurden die Zusammenveranlagungen 2011 bis 2013 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgehoben. Mit Einkommensteuerbescheiden 2011 bis 2013 vom ... ... 2014 führte das beklagte Finanzamt Einzelveranlagungen durch.

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Der Einspruch war erfolglos. Mit Einspruchsbescheiden vom ... ... 2014 wurden die Einsprüche zurückgewiesen. Der Beklagte führte aus, dass keine Zusammenveranlagung möglich sei. Allein der Umstand, dass die Ehefrau in einem Pflegeheim untergebracht gewesen sei, spreche zwar noch nicht gegen die Zusammenveranlagung. Von entscheidender Bedeutung sei aber die neu aufgenommene Beziehung des Klägers zu Frau B. Der Kläger und Frau B würden seit Juli 2010 zusammen wohnen. Im Mai 2011 seien sie in ein gemeinsam errichtetes Haus gezogen. Sie hätten im Jahr 2011 Handwerkerleistungen für den Garten von einem gemeinsamen Konto gezahlt. Die neue Lebensgemeinschaft schließe eine fortbestehende Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau nach den Grundsätzen in dem bereits zitierten Urteil des FG Köln aus. Vor diesem Hintergrund brauche für den Veranlagungszeitraum 2013 die Frage der Haushaltsersparnis bei den Pflegekosten nicht entschieden zu werden, weil die Aufwendungen bei einer Einzelveranlagung in vollem Umfang berücksichtigt werden könnten.

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Mit am ... ... 2014 eingegangener Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er führt aus, dass die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung vorliegen würden. Unter den gegebenen Umständen lebe er nicht dauernd getrennt von seiner Ehefrau. Die Trennung beruhe auf der Erkrankung der Ehefrau. Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe fort. Er habe sich von seiner Ehefrau nicht distanziert oder abgewandt. Die Ehe werde nur krankheitsbedingt anders gelebt. Er sei seit Jahrzehnten mit seiner Ehefrau verheiratet. Er habe sie aufopferungsvoll gepflegt, als sie noch zuhause habe leben können. Erst als dies krankheitsbedingt nicht mehr möglich gewesen sei, sei sie in eine Spezialklinik verlegt worden. Er habe seine Ehefrau häufig und regelmäßig besucht. Die Ehe sei aufrechterhalten worden, soweit dies mit einem in einem Pflegeheim lebenden Menschen möglich sei. Daran ändere auch die Beziehung zu Frau B nichts. Als der Kläger im Jahr 2008 die Beziehung zu Frau B eingegangen sei, sei der Kläger 60 Jahre alt und Frau B 57 Jahre alt gewesen. Beide hätten Kinder aus früheren Beziehungen gehabt. Für den Kläger sei von Anfang an klar gewesen, dass er seine Ehefrau nicht aufgeben werde. Frau B sei von Anfang an klar gewesen, dass in der Beziehung auch die Ehefrau eine wesentliche Rolle spielen werde. Aus diesem Grund habe Frau B den Kläger bei seinen Besuchen in O auch mehrfach begleitet. Auch für die Kinder des Klägers sei die neue Beziehung angesichts seiner Haltung zu seiner Ehefrau kein Problem gewesen. Der Kläger habe nie erwogen, sich von seiner Ehefrau zu trennen. Der entscheidende Unterschied zu dem Fall des FG Köln sei, dass der Steuerpflichtige in dem damaligen Fall mit seiner neuen Lebensgefährtin ein gemeinsames Kind gehabt habe. Ein gemeinsames Kind sei ein besonderer Umstand, der die alte Beziehung an den Rand drücke. Das sei hier anders. Die Ehefrau sei immer noch Bestandteil im Leben des Klägers. Dies zeige sich auch daran, dass der Kläger für die gesamten Aufwendungen in dem Pflegeheim wirtschaftlich aufgekommen sei.

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Der Kläger beantragt,

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die Bescheide für 2011, 2012 und 2013 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom ... ... 2014 sowie die Aufhebung der Bescheide für 2011, 2012 und 2013 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom ... ... 2014 in Form des jeweiligen Einspruchsbescheids vom ... ... 2014 aufzuheben.

23

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

25

Der Beklagte verweist auf die Einspruchsbescheide. Das zwischen dem Kläger und Frau B eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe, sei von dem Kläger mittlerweise wiederholt eingeräumt worden und sei unstreitig. Nach dem grundgesetzlichen Gebot der Einehe aus Art. 6 GG und den geltenden Wertvorstellungen der Gesellschaft sei es ausgeschlossen, dass eine Person gleichzeitig zwei Partnerschaften in der Form der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft unterhalten könne. Deshalb sei es unerheblich, in welchem Maße sich der Kläger im Rahmen seiner Unterhaltsverpflichtung bzw. seiner Verpflichtung als Vormund um seine Ehefrau gekümmert habe. Durch die Aufnahme der neuen Lebensgemeinschaft habe sich der Kläger von seiner Ehefrau dauernd getrennt. Die aktiv gelebte Beziehung des Klägers zu Frau B habe die zivilrechtlich bestehende, aktiv aber nicht mehr gelebte Ehe abgelöst.

26

Soweit der Kläger das Urteil des FG Köln erneut als nicht einschlägig ansehe, weil in dem damaligen Fall aus der neuen Verbindung ein Kind hervorgegangen sei, verkenne er, dass das Kind für die Würdigung nicht entscheidend sei. Ein Kind sei für das Bestehen einer neuen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht Voraussetzung sondern nur ein Indiz. In dem damaligen Fall habe der Kläger behauptet, dass es keine neue Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gegeben habe. Im vorliegenden Fall sei dies unstreitig.

27

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Tochter des Klägers. Hinsichtlich der Beweisfrage und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 23. Juni 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

28

Die Klage ist begründet.

I.

29

Das Gericht hat die Erben der Ehefrau nicht gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beigeladen.

30

Zwar war die zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau des Klägers auch Adressatin der Aufhebungsbescheide vom ... ... 2014, weil die Zusammenveranlagungen der Einkommensteuer 2011 bis 2013 rückgängig gemacht wurden. Nach § 60 Abs. 3 FGO sind Dritte zu einem Verfahren aber nur dann notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Der Bundesfinanzhof (-BFH-) verneint bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten im Regelfall die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung, weil der Zusammenveranlagungsbescheid kein einheitlicher Verwaltungsakt sondern eine Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Verwaltungsakte ist (vgl. nur BFH-Urteil vom 12. August 1977 VI R 61/75, BStBl II 1977, 870; BFH-Urteil vom 25. November 1988 III R 264/83, BFH/NV 1989, 690; BFH-Beschluss vom 20. Mai 1992 III B 110/91, BStBl II 1992, 916). Das gilt auch für den Fall, dass der Kläger die Zusammenveranlagung statt einer getrennten Veranlagung oder einer Einzelveranlagung begehrt (BFH-Beschluss vom 7. Februar 2005 III B 101/04, BFH/NV 2005, 1083; Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Januar 2014 - 1 K 385/11, EFG 2014, 1106; bestätigt durch BFH-Urteil vom 1. Oktober 2014 I R 18/13, BFH/NV 2015, 387). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall: Der Kläger begehrt die Kassation der Aufhebungsbescheide für die Zusammenveranlagungen und damit die Wiederherstellung der ursprünglichen Zusammenveranlagungen. Eine Beiladung der Erben des Ehegatten ist bei dieser Fallkonstellation - unabhängig von der Frage, ob die Ehefrau ausschließlich von dem Kläger beerbt worden ist - nicht erforderlich.

II.

31

Die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (-EStG-) sind gegeben.

32

1. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (in den für die Streitjahre geltenden Fassungen) besteht ein Wahlrecht zwischen den Veranlagungsarten, wenn die Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß §§ 1 Abs. 1, 2 oder 1a EStG sind, sie nicht dauernd getrennt leben und bei ihnen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraums vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind. Bis zum Veranlagungszeitraum 2012 bestand ein Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG a.F.), Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) und besonderer Veranlagung (§ 26c EStG a.F.). Ab dem Veranlagungszeitraum 2013 besteht nur noch eine Wahlmöglichkeit zwischen Einzelveranlagung (§ 26a EStG n.F.) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) (zum Anwendungsbereich vgl. § 52 Abs. 68 EStG in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011, BGBl I 2011, 2131).

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2. Sind die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (alter und neuer Fassung) gegeben, werden die Ehegatten zusammen veranlagt, wenn sie in der Einkommensteuererklärung die Zusammenveranlagung wählen (§ 26 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG alter und neuer Fassung). Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, wird nach § 26 Abs. 3 EStG a.F. unterstellt, dass die Zusammenveranlagung gewählt wurde (Streitjahre 2011 und 2012) bzw. wird nach § 26 Abs. 3 EStG n.F. eine Zusammenveranlagung durchgeführt (Streitjahr 2013).

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3. Der Kläger war in den Streitjahren mit seiner verstorbenen Ehefrau verheiratet. Beide waren unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 1 EStG. Das Veranlagungswahlrecht für Ehegatten ist deshalb eröffnet, wenn der Kläger und seine Ehefrau gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG (alter und neuer Fassung) nicht dauernd getrennt gelebt haben. Nach Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls, der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung und der Zeugenaussage der Tochter in der mündlichen Verhandlung ist der Senat der Auffassung, dass die Ehegatten nicht dauernd getrennt gelebt haben und dass deshalb das Veranlagungswahlrecht eröffnet ist.

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a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein dauerndes Getrenntleben dann gegeben, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben worden ist. Lebensgemeinschaft in diesem Sinne bedeutet die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, während unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens zu verstehen ist (BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 100/83, BFH/NV 1987, 431 m.w.N.). Der Beurteilung, ob Ehegatten getrennt leben, sind in erster Linie die äußerlich erkennbaren Umstände zugrunde zu legen, wobei einer auf Dauer herbeigeführten räumlichen Trennung bei der Abwägung der für und gegen die Annahme eines dauernden Getrenntlebens sprechenden Merkmale regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommt (BFH-Urteil vom 15. Juni 1973 VI R 150/69, BStBl II 1973, 640; BFH-Urteil vom 13. Dezember 1984 VI R 190/82, BStBl II 1986, 486; BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 100/83, BFH/NV 1987, 431; BFH-Urteil vom 18. Juli 1996 III R 90/95, BFH/NV 1997, 139; BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2001 III B 129/01, BFH/NV 2002, 483; BFH-Beschluss vom 17. August 2012 III B 38/12, BFH/NV 2012, 1988).

36

Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht im Allgemeinen fort, wenn sich die Ehegatten nur vorübergehend räumlich trennen, z.B. aufgrund eines beruflich bedingten Auslandsaufenthalts eines Ehegatten. Sie kann sogar fortbestehen, wenn äußere Umstände die Ehegatten zwingen, für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt zu leben, sofern die Ehegatten die erkennbare Absicht haben, die eheliche Gemeinschaft in dem noch möglichen Rahmen aufrecht zu erhalten und nach dem Wegfall des Hindernisses die volle Lebensgemeinschaft wieder herzustellen. Diese Situation ergibt sich z.B. wenn ein Ehegatte für lange Zeit in einem Krankenhaus oder Pflegeheim lebt oder eine mehrjährige oder sogar lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt. In diesen Fällen kann der Wille zur Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Besuchen, Geschenken und finanzielle Unterstützungen, in Gesprächen und Briefverkehr oder in der Absprache der Erziehung der gemeinsamen Kinder seinen Ausdruck finden (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1966 VI 42/65, BStBl III 1967, 84; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. August 1971 VI R 206/68, BStBl II 1972, 173; BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 100/83, BFH/NV 1987, 431).

37

Leben Ehegatten zwar für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt und halten sie die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft dadurch aufrecht, dass sie die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und gemeinsam über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden, so kann dies - ggf. zusammen mit anderen Umständen - dazu führen, dass ein nicht dauerndes Getrenntleben anzunehmen ist (BFH-Urteil vom 27. August 1971 VI R 206/68, BStBl II 1972, 173; BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 100/83, BFH/NV 1987, 431; BFH-Urteil vom 18. Juli 1996 III R 90/95, BFH/NV 1997, 139). Eine eheliche Lebensgemeinschaft erfordert wenigstens das Fortbestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft als Rest einer weitergehenden Lebensgemeinschaft, die aber weiterhin angestrebt werden muss (BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2001 III B 129/01, BFH/NV 2002, 483; BFH-Beschluss vom 17. August 2012 III B 38/12, BFH/NV 2012, 1988; BFH-Beschluss vom 24. Januar 2013 III B 113/11, BFH/NV 2013, 726).

38

Es muss im Wege eine Gesamtabwägung geprüft werden, ob eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer umfassenden persönlichen, geistigen und räumlichen Gemeinschaft der Eheleute besteht oder zumindest noch angestrebt wird (BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2001 III B 129/01, BFH/NV 2002, 483; BFH-Urteil vom 28. April 2010 III R 71/07, BFH/NV 2010, 2042). Neben den in erster Linie maßgeblichen äußeren erkennbaren Umständen kann deshalb auch die innere Einstellung zur ehelichen Lebensgemeinschaft eine Rolle spielen (BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2001 III B 129/01, BFH/NV 2002, 483). Ein bloßer innerer Trennungsvorbehalt oder die bloße Bekundung einer Trennungsabsicht reicht aber für sich genommen nicht aus, wenn äußere Umstände für ein Getrenntleben nicht feststellbar sind (BFH-Urteil vom 28. April 2010 III R 71/07, BFH/NV 2010, 2042; BFH-Beschluss vom 17. August 2012 III B 38/12, BFH/NV 2012, 1988). Dagegen sprechen äußere Umstände, wie z.B. eine auf Dauer angelegte räumliche Trennung oder ein langjähriges Zusammenleben eines Ehegatten mit einer anderen Person gegen eine noch fortbestehende Lebensgemeinschaft (BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 100/83, BFH/NV 1987, 431).

39

b) Der Senat ist nach Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls der Auffassung, dass in den Streitjahren 2011 bis 2013 kein dauerndes Getrenntleben vorlag, weil die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht aufgehoben worden ist.

40

aa) Zwar lebten der Kläger und seine Ehefrau seit ... 2008 getrennt voneinander, weil die Ehefrau in einem Pflegeheim für dementiell Erkrankte untergebracht war. Diese räumliche Trennung beruhte aber auf zwingenden äußeren Umständen, weil dem Kläger und den anderen Angehörigen (die Töchter und die Schwiegermutter) die häusliche Pflege der Ehefrau nicht mehr möglich war. Dies ergibt sich aus dem Ratschlag der Diakonie, die Ehefrau wegen der Schwere der Erkrankung in einem Pflegeheim unterzubringen, aus den Angaben des Klägers über den körperlichen Zustand seiner Ehefrau in diesem Zeitraum und aus den Erklärungen der Tochter in der Zeugenvernehmung. Die Ehefrau des Klägers war im Zeitpunkt des Umzugs in das Pflegeheim durchgängig pflegebedürftig, konnte kaum noch einen Angehörigen erkennen und war nicht mehr in der Lage, ein Gespräch zu führen oder zu verfolgen. Die räumliche Trennung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau beruhte somit auf der schwerwiegenden Erkrankung der Ehefrau und nicht auf der Aufnahme einer neuen Beziehung durch den Kläger. Der Kläger ist mit seiner Lebensgefährtin im Jahr 2008 (so der Vortrag im Vorverfahren) oder im Jahr 2009 (so der Vortrag im Klageverfahren) zusammen gekommen. Die Tochter des Klägers hat ausgesagt, dass der Kläger seine neue Lebensgefährtin erst nach der Geburt ihrer Tochter im ... 2008 kennengelernt habe. Der Senat schließt daraus, dass der Kläger die neue Beziehung Ende 2008 oder Anfang 2009 eingegangen ist und dass die neue Beziehung in keinem Zusammenhang mit der räumlichen Trennung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau stand.

41

bb) Der Kläger hat die eheliche Lebensgemeinschaft in dem noch möglichen Rahmen aufrechterhalten. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung konnte die Ehefrau alsbald nach der Verlegung in das Pflegeheim keinen Angehörigen mehr erkennen. Sie nahm an Gesprächen nicht mehr teil und reagierte auch ansonsten nicht mehr auf Besuch. Diese Angaben sind von der Tochter in der Zeugeneinvernahme bestätigt worden. Der Senat hat keinen Anlass, an den Angaben der Zeugin zu zweifeln. Sie decken sich auch mit der Bescheinigung des Pflegeheims, in der von einer fortschreitenden dementiellen Erkrankung die Rede ist.

42

Vor diesem Hintergrund hat der Kläger die eheliche Lebensgemeinschaft aufrechterhalten, soweit dies unter diesen besonderen Umständen möglich war. Dies ergibt sich aus der Bescheinigung der Pflegeeinrichtung vom ... ... 2015, in der bestätigt wird, dass der Kläger seine Ehefrau jeden Samstag für ein paar Stunden besuchte, ihr jedes Mal ... schenkte, sie zum Mittagessen begleitete, bzw. nach der Verschlimmerung der Erkrankung ihr das Essen anreichte und sie nach dem Mittagessen im Rollstuhl spazieren fuhr. Die Pflegeeinrichtung bestätigte ausdrücklich, dass sich der Kläger mit liebevoller Zuwendung und großer Geduld um seine Ehefrau gekümmert hat. Dies wurde von der Tochter der Ehegatten in der Zeugeneinvernahme bestätigt. Sie gab an, dass sich ihr Vater „wahnsinnig toll“ um seine Ehefrau gekümmert habe. Nach den Angaben der Tochter zeigte sich der liebevolle Umgang des Klägers mit seiner Ehefrau in vielen kleinen Gesten. Er habe z.B. der Ehefrau immer ihre Lieblingsmusik angeschaltet. Er habe auf die Spazierfahrten mit dem Rollstuhl bestanden, obwohl der Rollstuhl auf den Wegen außerhalb des Pflegeheims nur schwer zu bewegen gewesen sei. Außerdem habe er für die Zeiten, in denen er im Urlaub war, immer dafür gesorgt, dass Angehörige seine Ehefrau wöchentlich besucht hätten. Der Kläger habe häufig, beinahe täglich, in dem Pflegeheim angerufen, um sich nach dem Gesundheitszustand seiner Ehefrau zu erkundigen. Er habe die sich ergebenden Entwicklungen an die anderen Familienangehörigen weitergegeben. Nicht zuletzt habe der Kläger seiner Ehefrau bei jedem Besuch ... mitgebracht.

43

Nach Auffassung des Senats zeigen diese Feststellungen, dass der Kläger die persönliche und geistige Gemeinschaft mit seiner Ehefrau in den Streitjahren aufrechterhalten hat, soweit dies unter den gegebenen Umständen möglich war. Er hat die Fürsorge für seine Ehefrau erbracht, die er angesichts der schwierigen Gesamtumstände leisten konnte. Dagegen ist nicht zu erkennen, dass sich der Kläger infolge der Aufnahme der neuen Beziehung in irgendeiner Form von seiner Ehefrau abgewandt oder distanziert hat. Die neue Lebensgemeinschaft hatte keinen negativen Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau. Der Senat ist davon überzeugt, dass sich der Kläger gegenüber seiner Ehefrau nicht anders (im Sinne von liebevoller) verhalten hätte, wenn er keine neue Lebensgemeinschaft eingegangen wäre.

44

cc) Zwar kann in den Streitjahren bei dem Kläger nicht mehr von einer fortbestandenen Absicht ausgegangen werden, dass nach dem Wegfall der zwingenden äußeren Hindernisse die volle Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau wieder hergestellt werden würde (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 5. Oktober 1966 VI 42/65, BStBl III 1967, 84). Dies ergibt sich aus dem Hausbau mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Einzug in das Haus. Das Haus war als Altersruhesitz für den Kläger und seine Lebensgefährtin konzipiert. Die Ehefrau spielte bei diesen Planungen keine Rolle mehr.

45

Angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls ist die fehlende Absicht, zukünftig die vollständige Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der Ehefrau wiederherstellen zu wollen, aber unbeachtlich. Nach den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung hatte sich der Krankheitsverlauf bei der Ehefrau derartig verschlimmert, dass an eine Wiederaufnahme in der Wohnung des Klägers bzw. in dem Haus des Klägers und seiner Lebensgefährtin nicht zu denken war. Es ist auch allgemein bekannt, dass bei dementiellen Erkrankungen nicht mit einer substanziellen und nachhaltigen Genesung gerechnet werden kann. Für den Kläger bestand in den Streitjahren keine Hoffnung mehr, dass seine Ehefrau das Pflegeheim jemals wieder würde verlassen können. Deshalb kann dem Kläger nicht vorgehalten werden, dass er seine Lebensplanung nicht an eine nur theoretische Möglichkeit der Genesung der Ehefrau (im Sinne einer Wunderheilung) ausgerichtet hat.

46

dd) Auch die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft bestand - soweit es unter den gegebenen Umständen möglich war - in den Streitjahren fort. Zwar kann nicht mehr von einer gemeinsamen Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen gesprochen werden, weil die Ehefrau krankheitsbedingt nicht mehr handlungsfähig war. Der Kläger war aber der Betreuer der Ehefrau. Er regelte ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Außerdem zahlte der Kläger die Pflegeheimkosten der Ehefrau und beglich die krankheitsbedingten Zusatzkosten. Im Rahmen der krankheitsbedingten Besonderheiten bestand deshalb zwischen den Ehegatten eine eheliche Wirtschaftsgemeinschaft.

47

ee) Der Beklagte ist der Auffassung, dass trotz dieser Feststellungen keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr vorliege, weil der Kläger mit seiner neuen Partnerin spätestens mit deren Einzug in die Wohnung des Klägers eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen sei, die die eheliche Lebensgemeinschaft überlagere. Dieser Ansicht liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine neue Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft eine fortbestehende Lebensgemeinschaft mit einem in einem Pflegeheim lebenden Ehegatten ausschließe (so auch Urteil des FG Köln vom 16. Juni 2011 - 10 K 4736/07, EFG 2011, 1786). Begründet wird diese Auffassung damit, dass § 26 EStG im Hinblick auf Art. 6 Grundgesetz (-GG-) die Einehe fördern wolle und dass eine bestehende Ehe nicht mehr förderungswürdig sei, wenn sich ein - wenn auch nicht freiwilliges - räumliches Getrenntleben durch das Eingehen einer neuen Lebensgemeinschaft verfestige.

48

Der Senat hält diese Auffassung für nicht zutreffend. Für die Frage, ob Ehegatten gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG dauernd getrennt leben, kommt es allein auf das Verhältnis zwischen den Ehegatten an (BFH-Beschluss vom 26. November 1997 IX B 47/97, BFH/NV 1998, 585). Ergeben die tatsächlichen Feststellungen, dass die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten noch besteht, kann eine zweite Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen einem Ehegatten und einer dritten Person die fortbestehende eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht überlagern. Lebt der Steuerpflichtige in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, ist dies nur im Zusammenhang mit der Frage von Bedeutung, ob die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten trotzdem weiterbesteht (BFH-Beschluss vom 26. November 1997 IX B 47/97, BFH/NV 1998, 585). Nach den tatsächlichen Feststellungen ist das im vorliegenden Fall gegeben.

49

aaa) Etwas Gegenteiliges kann auch nicht aus Art. 6 GG abgeleitet werden. Das GG stellt zwar Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Es ist Aufgabe des Staates, alles zu unterlassen, was die Ehe beschädigt oder sonst beeinträchtigt. Der Staat soll die Ehe auch durch geeignete Maßnahmen fördern. Der besondere Schutz, unter den Art. 6 Abs. 1 GG die Ehe stellt, rechtfertigt sogar Besserstellungen der Ehe im Verhältnis zu ungebundenen Partnerbeziehungen (Beschluss des BVerfG vom 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 ff.). Der aus Art. 6 GG resultierende Schutz der Ehe gebietet aber nicht, die steuerliche Zusammenveranlagung zu versagen, wenn ein Ehegatte neben einer ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft eine nichteheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft führt. Eine solche Rechtsfolge würde dem Schutzauftrag des Art. 6 GG sogar zuwiderlaufen. Denn von der Zusammenveranlagung profitiert nicht die nichteheliche Lebensgemeinschaft bestehend aus dem Kläger und seiner Lebensgefährtin, sondern die Ehe bestehend aus dem Kläger und seiner Ehefrau. Weshalb Art. 6 GG gebieten sollte, die Ehe nicht mehr zu fördern, wenn ein Ehegatte zusätzlich in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, erschließt sich dem Senat nicht.

50

bbb) Auch aus dem Gebot der Einehe (§ 1306 BGB) kann nicht hergeleitet werden, dass eine Zusammenveranlagung zu versagen ist, wenn der Steuerpflichtige neben der ehelichen Lebensgemeinschaft eine nichteheliche Lebensgemeinschaft pflegt. Das Gebot der Einehe ist von dieser Gestaltung der privaten Lebensführung nicht betroffen, weil der Steuerpflichtige nicht mehrere sondern nur eine Ehe führt. Außerdem ist für den Senat nicht nachvollziehbar, weshalb sich aus dem Gebot der Einehe die Versagung der steuerlichen Zusammenveranlagung ergeben soll, obwohl der Splittingtarif doch die bestehende Ehe und nicht die nichteheliche Lebensgemeinschaft fördert.

51

ff) Der Senat hält vielmehr die Frage für entscheidend, ob die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG immer nur dann bejaht werden kann, wenn keiner der beiden Ehegatten mit einer dritten Person in einer nichtehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft lebt (so wohl FG Köln vom 16. Juni 2011 - 10 K 4736/07, EFG 2011, 1786). Eine derartige Exklusivität vermag der Senat dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Dementsprechend hat der BFH in seinem Beschluss vom 26. November 1997 (IX B 47/97, BFH/NV 1998, 585) sogar für den Fall, dass der Ehegatte in einem weiteren Haushalt eine Lebensgefährtin mit einem gemeinsamen Kind aufgenommen hatte, eine Zusammenveranlagung für möglich angesehen, wenn diese (geheim gehaltene) Beziehung keinen negativen Einfluss auf die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Ehegatten hatte. Das Gesetz stellt mit dem Tatbestandsmerkmal des „nicht dauernd Getrenntlebens“ nicht auf vorhandene Beziehungen eines Ehegatten zu anderen Personen sondern auf die räumliche, persönliche und geistige Beziehung zu dem anderen Ehegatten ab. Da diese im vorliegenden Fall - trotz einer weiteren Lebensgemeinschaft des Klägers mit einer dritten Person - im Rahmen der noch verbliebenen Möglichkeiten aufrecht erhalten wurde, spricht nach Auffassung des Senats nichts dagegen, den Tatbestand des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG als gegeben anzusehen. Insoweit liegt ein ganz anderer Lebenssachverhalt vor, als in dem Fall des FG München vom 26. April 2010 (10 K 1989/10, juris), in dem der Ehegatte, der zwischenzeitlich mit einem neuen Lebensgefährten zusammen lebte, den anderen Ehegatten im Pflegeheim nicht mehr besuchte und sich auch ansonsten nicht mehr um ihn kümmerte. Ein solches auf Distanz und Abwendung ausgerichtetes Verhalten ist im hiesigen Fall gerade nicht festzustellen. Deshalb hat der Kläger zur Überzeugung des Senats nicht von seiner Ehefrau dauernd getrennt gelebt.

52

4. Der Kläger und seine Ehefrau haben in allen drei Streitjahren in den Einkommensteuererklärungen das Veranlagungswahlrecht dahingehend ausgeübt, dass eine Zusammenveranlagung durchgeführt werden sollte. Das Wahlrecht ist auch später nicht anderweitig ausgeübt worden. Deshalb sind die Einzelveranlagungen des Klägers für die Jahre 2011 bis 2013 und die Aufhebungsbescheide für die Zusammenveranlagungen der Jahre 2011 bis 2013 aufzuheben.

III.

53

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

54

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Es bedarf der Klärung, ob eine eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG auch dann bejaht werden kann, wenn einer der beiden Ehegatten mit einer dritten Person in einer nichtehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft lebt.

 


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