Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 K 1252/08

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

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Streitig ist, ob die Voraussetzungen für ein freiwilliges soziales Jahr vorliegen.

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Die Klägerin hat u.a. die Tochter B, geboren am 15. April 1987. B hat die freie Walddorfschule besucht und am 15. Juni 2007 ihre schulische Ausbildung mit dem Abitur beendet. Anschließend hat sie sich entschieden, ein „freiwilliges soziales“ Jahr abzuleisten, was sich auf den Zeitraum von sieben Monaten (10. September 2007 bis 31. März 2008) verkürzte. Abgeleistet hat sie diese Zeit in einem christlichen Konferenzzentrum in England (A Christian Trust). Mit Bescheid vom 23. November 2007 wurde die Kindergeldfestsetzung ab August 2007 aufgehoben mit der Begründung, dass B die Schule beendet habe und sich nicht mehr in Ausbildung befinde. Aufgrund der Klägerin eingereichten Unterlagen über ein „freiwilliges soziales Jahr“ ab September 2007 könnte ein freiwilliges soziales Jahr nicht anerkannt werden, da der Träger seinen Hauptsitz nicht im Inland gehabt habe. Kindergeld wurde deshalb für den Zeitraum August bis Oktober 2007 in Höhe von 462,00 € zurückgefordert. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2008 als unbegründet zurückgewiesen.

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Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass die Tochter sich von September 2007 bis März 2007 zu einem Praktikumsaufenthalt in England, East Sussex aufgehalten habe. Im Rahmen ihres Praktikumsaufenthaltes sei die Tochter in verschiedene sog. „Volunteer-Programme“ eingebunden gewesen. Im Rahmen dieser Programme seien verschiedene Bereiche angesprochen worden, bspw. Küchendienste, Gemeinschaftsdienste und sonstige gruppenorientierte Arbeiten. Hinzu kämen christliche Übungsprogramme sowie insbesondere Sprachunterrichte. Ziel des Aufenthalts sei es gewesen, die in der Schule erlernten Englischaufenthalte zu festigen und zu verbessern. Die Tochter habe beabsichtigt, nach Ende des sozialen Jahres ein Studium zu beginnen, bei dem sie diese Englischkenntnisse bestens gebrauchen könne. Im Übrigen berufe man sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei genau derselben Sachlage seien mindestens zwei Praktikantinnen Kindergeld gewährt worden, wo eine Praktikantin in den Einzugsbereich der hier zuständigen Beklagten falle. Es handele sich zum einen um M. S. in L und S. K. in E.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Bescheid über die Aufhebung von Kindergeld vom 23. November 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2008 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung führt sie aus, dass ein freiwilliges soziales Jahr nur anerkannt werden könne, wenn die Voraussetzungen des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres –FSJG- erfüllt würden. So seien nach § 5 Abs. 2 FSJG als Träger des freiwilligen sozialen Dienstes im Ausland juristische Personen nur unter den dort näher aufgeführten Voraussetzungen zugelassen; über die Zulassung entscheide die zuständige Landesbehörde. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass das christliche Konferenzzentrum in England eine Zulassung nach § 5 FSJG erhalten habe. Ebenso müssten die Voraussetzungen des § 6 FSJG erfüllt sein, d.h. die vor Beginn geschlossene schriftliche Vereinbarung müsse u.a. die Erklärung enthalten, dass die Bestimmungen des FSJG eingehalten würden, die Angabe des Zulassungsbescheides des Trägers, die Geld- und Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung und Taschengeld sowie die Angabe der Urlaubstage.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nicht begründet.

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Die Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung ab August 2007 aufgehoben.

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Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz –EStG- werden kindergeldrechtlich u.a. Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG berücksichtigt. Hat das Kind – wie vorliegend B – bereits das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet, wird es nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG u.a. dann berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG) oder wenn es ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres oder einen Freiwilligendienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 zur Einführung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms „Jugend“ (ABl. EG Nr. L 117 S. 1) oder einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 14 b des Zivildienstgesetzes leistet (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 d EStG).

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Der von B abgeleistete Dienst erfüllt nicht die Voraussetzung eines freiwilligen sozialen Jahres oder eines Freiwilligendienstes (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 d EStG).

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Ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres –SozDiG- liegt nur vor, wenn der Träger des freiwilligen sozialen Jahres die Voraussetzung des § 5 Abs. 2 SozDiG erfüllt und von der zuständigen Landesbehörde zugelassen ist (BFH-Beschluss vom 29. November 2005 III B 53/05, BFH/NV 2006, 718). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass das christliche Konferenzzentrum in England eine derartige Zulassung erhalten hat.

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Die von B abgeleistete Tätigkeit erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer Berufsausbildung. Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrung handelt, die als Grundlagen für die Ausbildung des angestrebten Berufs geeignet sind. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder – mangels solcher Regelung – jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen muss, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind. Die Tätigkeit im Rahmen des christlichen Konferenzzentrums ist nicht als Berufsausbildung zu qualifizieren. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es der Aufnahme des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 d EStG in das Gesetz nicht bedurft hätte, wenn soziale oder ökologische Freiwilligendienste bereits als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG zu qualifizieren wären. Zum anderen dient der Freiwilligendienst der Erlangung sozialer Erfahrungen und ggfs. der Berufsorientierung, nicht dagegen der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf.

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Auch unter dem Gesichtspunkt des Erwerbs von Sprachfertigkeiten ist der Freiwilligendienst nicht als Berufsausbildung zu qualifizieren.

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Eine Ausbildung in diesem Sinne ist ohne Weiteres dann anzunehmen, wenn der Sprachaufenthalt der anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden wird, z.B. mit dem Besuch einer allgemein bildenden Schule oder eines Colleges oder einer ausländischen Universität. Darüber hinaus können Auslandssprachaufenthalte – z. B. im Rahmen eines Aupair-Verhältnisses - regelmäßig nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden.

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Im vorliegenden Fall war der Aufenthalt in dem christlichen Konferenzzentrum in England nicht mit anerkannten Formen der Berufsausbildung (Schule, Universität etc.) verbunden. Der Freiwilligendienst hatte keinen Ausbildungscharakter.

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Das Kindergeld kann auch nicht deshalb gewährt werden, weil möglicherweise andere Kindergeldberechtigte bei gleicher Konstellation wie bei B Kindergeld erhalten haben. Zum einen gibt es keine Gleichheit im Unrecht, denn in jedem einzelnen Fall sind die Voraussetzungen für das Vorliegen von Kindergeld selbständig zu prüfen. Zum anderen konnte die Beklagte auch nicht feststellen, dass für die von der Klägerin genannten Kinder Kindergeld bezahlt worden ist. Die Namen S und K sind nicht in dem Kindergeldprogramm enthalten. Auch das Kind S.K. war bei der Familienkasse K nicht festzustellen.

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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

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