Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (4. Senat) - 4 K 1182/13
Tenor
I. Der Haftungsbescheid vom 18. Dezember 2007 für das Jahr 2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 4. November 2009 werden dahin geändert, dass als geldwerter Vorteil entsprechend der tatsächlichen Verständigung vom 12. August 2014 ein Betrag von 210.712 € der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
(Durch BFH-Beschluss VI R 69/14 vom 24.9.2015 wurde der unter I. genannte Betrag gemäß § 107 FGO berichtigt.)
Tatbestand
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Strittig ist im zweiten Rechtsgang erstmals die Anwendung der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG.
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Die Klägerin schloss mit der X Verkehrsverbund GmbH und der Y Verkehrsgesellschaft mbH eine -sich ohne Kündigung jeweils um ein weiteres Jahr verlängernde- Vereinbarung über die Ausgabe von ...-Job-Tickets (Vertrag vom 16. bzw. 23. September 2002, Blatt 4 ff der Lohnsteuerakte), um allen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern der Klägerin den Erwerb von ...-Job-Tickets zu ermöglichen. Bei den Jobtickets handelt es sich um ermäßigte, auf den Namen der Mitarbeiter ausgestellte, nicht übertragbare Jahreskarten für das Verbundnetz des Verkehrsverbunds bzw. der Verkehrsgesellschaft.
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Für 5.547 Mitarbeiter mit Wohnort in bestimmten Postleitzahlbezirken, die mit den Tarifgebieten des Verkehrsverbunds und der Verkehrsgesellschaft übereinstimmen, entrichtete die Klägerin im Jahr 2005 monatlich einen Grundbetrag -in Höhe von durchschnittlich 6,135 € je Mitarbeiter- an die beiden Verkehrsbetriebe. Durch Zahlung des Grundbetrags erhielt jeder Mitarbeiter der Klägerin das Recht, ein sog. Jobticket als ermäßigte Jahreskarte zu erwerben. Hierfür war von dem Mitarbeiter ein monatlicher Eigenanteil durch zwingend vorgeschriebenen Lastschrifteinzug an den Verkehrsverbund bzw. die Verkehrsgesellschaft zu entrichten. Ausgabe und Zahlung der Jobtickets wurden über das DB-Abo-Center abgewickelt. Nach Erteilung einer Einzugsermächtigung durch die Mitarbeiter, die ein Jobticket bezogen, wurde der Eigenanteil für das Jobticket vom Girokonto des Mitarbeiters monatlich abgebucht.
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Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Lohnsteuer-Außenprüfer fest, dass die Klägerin im Jahr 2005 Grundbeträge in Höhe von insgesamt 408.370 € -5 547 Mitarbeiter x 6,135 € x 12 Monate = 408.370 €- an den Verkehrsverbund bzw. die Verkehrsgesellschaft entrichtet, aber nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen hatte. Der Lohnsteuer-Außenprüfer beurteilte diesen Betrag als steuerbaren geldwerten Vorteil, der im Streitfall 73,62 € (12 x 6,135 €) je Arbeitnehmer betrage und nicht monatlich, sondern sofort und in vollem Umfang zugeflossen sei. Die monatliche 44-€-Freigrenze für Sachbezüge sei deshalb überschritten. Denn bei den von den einzelnen Arbeitnehmern erworbenen Jobtickets handele es sich ausnahmslos um Jahreskarten. Der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung solcher Karten fließe nach der Rechtsprechung des BFH insgesamt im Zeitpunkt der Überlassung zu. Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers erfolge aus Vereinfachungsgründen, weil gleiche Berechnungsfehler bei einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern gemacht worden seien. Eine nachträgliche Pauschalierung der Besteuerungsgrundlagen nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mit 15% könne rückwirkend nicht vorgenommen werden. Es ergebe sich für die Nachforderung ein Bruttosteuersatz in Anlehnung an § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG von 30,10% für das Jahr 2005.
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Der Beklagte folgte der Auffassung des Lohnsteuer-Außenprüfers und erließ entsprechend den Prüfungsfeststellungen den Haftungsbescheid vom 18. Dezember 2007. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 4. November 2002 zurückgewiesen wurde. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Gericht mit Urteil vom 30. August 2011 – 3 K 2579/09 abgewiesen. Da über die Höhe des gesamten geldwerten Vorteils gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zwischen den Beteiligten kein Streit bestand -wie das Gericht in den Entscheidungsgründen darlegte- wies das Gericht die Klage ab, weil der Zufluss des geldwerten Vorteils daher mit Aushändigung der Jahreskarte an die Arbeitnehmer erfolgt sei und damit die 44-€-Freigrenze gem. § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG, H 31 (1-4) der Lohnsteuerrichtlinien der Streitjahre keine Anwendung finde.
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Mit Urteil vom 14. November 2012 – VI R 56/11 hob der BFH auf die Revision der Klägerin das Urteil des Gerichts auf und verwies die Sache an das Gericht zurück, da das Gericht zur Frage der Bewertung des Vorteils aus der Ausübung des Bezugsrechts keine Feststellungen getroffen habe.
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Auf Anregung des Gerichts mit Verfügung vom 8. Mai 2014 schlossen die Beteiligten eine tatsächliche Verständigung über die Höhe des der Besteuerung unterliegenden geldwerten Vorteils im Streitjahr (tatsächliche Verständigung vom 12. August 2014, Blatt 278, 279 der Prozessakte). Danach betrug der geldwerte Vorteil im Jahr 2005 für die Job-Tickets der Verkehrsgesellschaft 127.223,60 € und für die Job-Tickets des Verkehrsverbunds 83.488,56 €. Der Beklagte hat dazu für die Besteuerung vorgeschlagen, den im Haftungsbescheid vom 18. Dezember 2007 angewendeten Bruttosteuersatz in Höhe von 30,10% weiterhin anzuwenden. Dieser Bruttosteuersatz stand bisher nicht im Streit. Mit Schriftsatz vom 29. August 2013 begehrt die Klägerin nun im zweiten Rechtsgang erstmals die Anwendung der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG.
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Die Klägerin trägt vor, sie sei bisher auf die Frage des bei Besteuerung des geldwerten Vorteils anzuwendenden Steuersatzes nicht eingegangen, da sie davon ausgegangen sei, der geldwerte Vorteil werde von der 44-€-Freigrenze erfasst. Da eine Pauschalierung unter Anwendung der variablen Steuersätze nach § 40 Abs. 1 EStG noch bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung möglich sei, könne für die Ausübung des Wahlrechts zur Pauschalierung nach festen Steuersätzen gem. § 40 Abs. 2 EStG nichts anderes gelten, da diese Vorschrift als Spezialnorm zu § 40 Abs. 1 EStG zu verstehen sei. Dass es im Unterschied zur Regelung des § 40 Abs. 1 EStG für eine Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG keines Antrages bedürfe, könne die Möglichkeit der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht beschränken. Die Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 EStG erfolge nicht durch das Abzugsverfahren, sondern durch Übernahme der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber. Demzufolge könne die Regelung des § 41c Abs. 3 EStG einer Pauschalierung auch nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung nicht im Wege stehen. Den Regelungen zu den Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung sei im Hinblick auf die Pauschalierung lediglich der Charakter einer Ordnungsvorschrift beizumessen. Bei den Aufzeichnungen im Lohnkonto handle es sich demnach nicht um eine materielle Voraussetzung der Pauschalierung. Daher stehe der Anwendung der Pauschalierung nicht im Wege, dass sie im Streitjahr nicht alle erforderlichen Aufzeichnungen angefertigt habe, weil sie von einer anderen Beurteilung des Sachverhalts ausgegangen sei. Hinsichtlich der Höhe einer möglichen Pauschalierung sei bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu berücksichtigen, dass über den Ansatz der Entfernungspauschale hinaus im Rahmen des Werbungskostenabzugs die Geltendmachung der tatsächlichen Aufwendungen in Frage komme. Dadurch sei die Pauschalierung bei der vergünstigten Überlassung von Job-Tickets in vollem Umfang möglich, da im Regelfall selbst der volle Preis einer vergleichbaren Fahrkarte als Werbungskosten abzugsfähig gewesen sei. Insofern wirke sich die in § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG enthaltene Beschränkung der Pauschalierungsmöglichkeit nicht aus. Mit der Pauschalierung käme eine Haftung für Lohnsteuer nach § 42d EStG nicht mehr in Frage; hier entstehe vielmehr eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers. Der Haftungsbescheid sei dementsprechend aufzuheben oder zu ändern und die pauschale Steuer durch Pauschalierungsbescheid festzusetzen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Haftungsbescheid vom 18. Dezember 2007 für das Jahr 2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 4. November 2009 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise,
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die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte trägt vor, nach der Rechtsprechung des BFH sei eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nur bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig. Da sich im Streitfall bei einer Pauschalierung eine direkte Auswirkung der Steuerfestsetzung auf die betroffenen Arbeitnehmer ergebe, komme eine Pauschalierung nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr in Frage. Denn nach Abschluss des Lohnkontos am Ende des Kalenderjahres habe der Arbeitgeber nach § 41c Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 EStG die pauschal besteuerten Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in der Lohnsteuerbescheinigung zu erfassen. Für das Streitjahr könne die Klägerin die Lohnsteuerbescheinigungen ihrer Arbeitnehmer nicht mehr zulässigerweise ändern, denn mit der Lohnsteuerbescheinigung sei die tatsächliche lohnsteuerliche Behandlung des jeweils zurückliegenden Kalenderjahres auch hinsichtlich der steuerfrei gewährten Zuschüsse zu den Job-Tickets dokumentiert. Es bestehe zwar keine Bindungswirkung der Lohnsteuerbescheinigung für die Einkommensteuerveranlagung eines Arbeitnehmers, speziell zur beantragten Pauschalierung ergebe sich aber eine besondere Verknüpfung zum Werbungskostenabzug bei den Arbeitnehmern der Klägerin. Da die nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG pauschal besteuerten Bezüge den Werbungskostenabzug beim Arbeitnehmer minderten, sei die Eintragung in der Lohnsteuerbescheinigung gem. § 41c Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 EStG vorgeschrieben. Für das Streitjahr stehe der anzunehmende Ablauf der Festsetzungsfrist der Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer der Klägerin einer nachträglichen Pauschalierung entgegen. Dafür, dass eine Pauschalierung nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr möglich sei, spreche auch das BMF-Schreiben vom 31. August 2009 (BStBl. I 2009, 891), nach dem wegen der Rückwirkung der Gesetzesänderung mit dem Gesetz zur Fortführung der Gesetzlage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20. April 2009 -ausnahmsweise- die nachträgliche Pauschalierung genehmigt worden sei. Somit gehe auch das BMF davon aus, dass eine Pauschalierung nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung im Regelfall nicht mehr möglich sei.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise begründet.
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Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 – VI R 47/08, BFH/NV 2010, 1094).
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Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit, dass die den Arbeitnehmern der Klägerin eingeräumte Möglichkeit, eine verbilligte Jahreskarte der Verkehrsbetriebe, die den öffentlichen Nahverkehr im Umland der Klägerin betreiben, zu erwerben, einen geldwerten Vorteil darstellt. Auch ist der Streit zwischen den Beteiligten entschieden, ob den Arbeitsnehmern der geldwerte Vorteil einmalig für das gesamte Jahr oder monatlich aufgeteilt, wobei dann die 44-Euro-Freigrenze gem. § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG, H 31 (1-4) der Lohnsteuerrichtlinien der Streitjahre Anwendung findet, zufließt. Der BFH hat in dem Urteil vom 14. November 2012 - VI R 56/11 auf die Revision der Klägerin die Rechtsauffassung des Gerichts hierzu in dem Urteil vom 30. August 2011 - 3 K 2579/09 bestätigt. Auch über die Höhe des gesamten geldwerten Vorteils gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Nachdem der BFH in dem Urteil vom 14. November 2012 - VI R 56/11 den Rechtstreit wegen der Frage der Bewertung des Vorteils aus der Ausübung des Bezugsrechts an das Gericht zurückverwiesen hat, haben die Beteiligten über die Höhe des der Besteuerung unterliegenden geldwerten Vorteils im Streitjahr eine tatsächliche Verständigung abgeschlossen. In dem Umfang, in dem sich der geldwerte Vorteil, auf dessen Höhe sich die Beteiligten tatsächlich verständigt haben, von dem vom Beklagten im angefochtenen Haftungsbescheid zu Grunde gelegten geldwerten Vorteil unterscheidet, ist die Klage begründet.
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Strittig ist zwischen den Beteiligten die Frage der Möglichkeit der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG, was die Klägerin erstmals im zweiten Rechtsgang mit Schriftsatz vom 29. August 2013 begehrt hat. Eine solche nachträgliche Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG kommt im Streitfall im zweiten Rechtsgang nicht in Betracht.
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Zwar hat der BFH bereits entschieden, dass der Antrag auf Pauschalierung nach § 41 Abs. 1 EStG (Hinweis Dokumentar: gemeint wohl § 40 Abs. 1) noch in der mündlichen Verhandlung gestellt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 25.5.1984 - VI R 223/80, BStBl. II 1984, 569 und vom 16. März 1990 – VI R 88/86, BFH/NV 1990, 639), wobei auch hier gilt, dass der Arbeitgeber nach Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr auf die Pauschalierung überwechseln kann, wenn er im Regelbesteuerungsverfahren abgerechnet hat (vgl. Trzaskalik in K/S/M, EStG, Rn. B27 zu § 40). Zwischen der Pauschalierung nach § 41 Abs. 1 EStG und der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG bestehen aber erhebliche Unterschiede.
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Im Unterschied zu der Pauschalierung nach § 41 Abs. 1 EStG (Hinweis Dokumentar: gemeint wohl § 40 Abs. 1 EStG) ist die Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG nicht von einem Antrag abhängig (vgl. Trzaskalik in K/S/M, EStG, Rn. C1 zu § 40). Die Pauschalierung wird durch den entsprechenden Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber vorgenommen. Nach § 41c Abs. 3 Satz 1 EStG ist eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nach Ablauf des Kalenderjahres nur bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig. Zudem ist bei der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG die Vorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG zu beachten, wonach die nach Satz 2 pauschal besteuerten Bezüge die nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4 und Absatz 2 abziehbaren Werbungskosten mindern. Deswegen bestimmt auch § 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 EStG, dass pauschal versteuerte Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zwingend auf der Lohnsteuerbescheinigung betragsmäßig aufzuzeichnen sind (vgl. Seifert in Korn, EStG, Rn. 34, 35 zu § 40). Nach der Rechtsprechung des BFH kann der Lohnsteuerabzug nach Abschluss des Lohnkontos des Arbeitnehmers -spätestens am 28. Februar des Folgejahres- aber nicht mehr geändert werden (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2010 – III R 50/09, BFH/NV 2011, 786). Die zeitliche Begrenzung der Möglichkeit, eine Lohnsteuerbescheinigung zu ändern, folgt aus der Funktion dieser Bescheinigung. Die Lohnsteuerbescheinigung ist eine Urkunde, die dem leichteren Nachweis steuerlicher Verhältnisse bei der Einkommensteuerveranlagung dient (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2007 – VI R 57/04, BStBl. II 2008, 434). Daher kann eine Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG durch den entsprechenden Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber nach Ausschreibung oder Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr erfolgen.
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Im Streitfall wird dieses Ergebnis auch dadurch bestätigt, dass wegen Zeitablaufs die Einkommensteuerveranlagungen der Arbeitnehmer der Klägerin regelmäßig bestandskräftig sind. Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG mindern die nach Satz 2 pauschal besteuerten Bezüge die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nummer 4 und Absatz 2 abziehbaren Werbungskosten. Wegen der Bestandskraft der Einkommensteuerveranlagungen der Arbeitnehmer der Klägerin ist eine entsprechende Korrektur aber diesbezüglich nicht mehr möglich. Da etwaige Fehler beim Lohnsteuerabzug im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bei den Arbeitnehmern der Klägerin nicht mehr berichtigt werden können, ist eine nachträgliche Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG nicht im Sinne der gesetzlichen Regelung.
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Unzutreffend ist auch die Auffassung der Klägerin, dass § 40 Abs. 2 EStG lex specialis zu § 40 Abs. 1 EStG sei. Zwar wird diese Auffassung vertreten. Die gesetzliche Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 EStG bestimmt aber, dass die Pauschalierung „abweichend von Abs. 1" erfolgen kann. Dies spricht vielmehr für ein Wahlrecht des Arbeitgebers (vgl. Seifert in Korn, EStG, Rn. 28 zu § 40). Dieses Wahlrecht kann der Arbeitgeber hinsichtlich der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung ausüben. Danach bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit der Pauschalierung nach § 40 Abs. 1 EStG auf entsprechenden Antrag.
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Dieser Auffassung ist auch die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 31. August 2009 (IV C 5 - S 2351/09/10002, BStBl. I 2009, 891), auf das sich der Beklagte beruft. Danach kann der Arbeitgeber in Hinblick auf das Gesetz zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20. April 2009 (BGBl. I 2009, 774; BStBl. I 2009, 536) für nach dem 31. Dezember 2006 beginnende Lohnzahlungszeiträume die Fahrtkostenzuschüsse auch dann pauschal besteuern, wenn die Lohnsteuerbescheinigung -§ 41b EStG- für das Jahr 2007 und 2008 -ggf. auch 2009- bereits übermittelt oder erteilt worden ist. Diese Regelung ist offensichtlich nach dem Verständnis des BMF eine Ausnahmeregelung für die Jahre 2007 und 2008 -ggf. auch 2009- zu dem Grundsatz, dass nach Ausschreibung oder Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung eine Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG nicht mehr erfolgen kann. In allen anderen Veranlagungszeiträumen kommt eine nachträgliche Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 EStG daher auch nach zutreffender Auffassung des BMF nicht in Betracht.
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Der Beklagte hat daher zu Recht in dem angefochtenen Haftungsbescheid vom 18. Dezember 2007 einen Bruttosteuersatz in Höhe von 30,10% angewendet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO in Hinblick darauf zugelassen, dass -soweit ersichtlich- zu der streitgegenständlichen Frage keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.
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Referenzen
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