Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (3. Senat) - 3 K 1078/17


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger berufen sich auf § 177 AO (Berichtigung von materiellen Fehlern) und begehren eine Herabsetzung der Einkommensteuer 2012.

2

Die Prozessbevollmächtigte der Kläger hat am 19. Januar 2017 Klage erhoben mit dem Antrag (wörtlich),

        

die Einkommensteuer 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.12.2016 dahingehend gemäß § 177 AO anderweitig festzusetzen, dass die Änderungen vor dem 17.11.2016 vorgetragenen Änderungen zugunsten der Steuerpflichtigen in Höhe der Änderungen, der Änderungen zu Ungunsten des Steuerpflichtigen Berücksichtigung finden“.

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Für die „weitere Begründung“ wurde Fristverlängerung bis 15. Februar 2017 erbeten.

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Der als Anlage der Klageschrift beigefügten Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 16. Dezember 2016 ist zu entnehmen, dass sich die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 14. Oktober 2016 richtet, der während des Klageverfahrens der Kläger wegen Einkommensteuer 2012 (Aktenzeichen 3 K 1013/16) ergangen ist. Die vorgenannte Klage wurde mit Urteil vom 25. Oktober 2016 als unzulässig abgewiesen. Dem Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, ist Folgendes zu entnehmen:

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Die Prozessbevollmächtigte der Kläger hatte am 5. Januar 2016 (u.a.) gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 18. September 2015 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 2. Dezember 2015 Klage erhoben. Das Gericht hatte ihr gem. § 65 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO eine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens bis 29. März 2016 gesetzt. Mit Telefax vom 29. März 2016 (= Tag des Fristablauf) hatte sie diverse (zum Teil unleserliche) Anlagen eingereicht, deren Original (erst) am 11. April 2016 bei Gericht eingegangen ist. Der Beklagte hatte die Unterlagen zur Stellungnahme erhalten und in seinem Schriftsatz vom 21. April 2016 gerügt, dass bzw. in welchen Punkten die Angaben der Kläger aufklärungsbedürftig seien (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Verluste aus Gewerbebetrieb usw.) und dass für 2012 immer noch keine vollständige Einkommensteuererklärung vorgelegt worden sei. Der vorgenannte Schriftsatz des Beklagten wurde der Prozess-bevollmächtigten der Kläger mit gerichtlichem Schreiben vom 2. Mai 2016 zur Stellungnahme bis 3. Juni 2016 übersandt. Eine Äußerung erfolgte nicht.

6

Während des Klageverfahrens hatte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2012 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (Auswertung des Grundlagenbescheides des Finanzamtes M. vom 12. Oktober 2016 über die gesondert festgestellten Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit) mit Bescheid vom 14. Oktober 2016 geändert.

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In der mündlichen Verhandlung (am 25. Oktober 2016) hatte die Prozessbevollmächtigte der Kläger sodann eine Einkommensteuererklärung für 2012 vorgelegt und (u.a.) geltend gemacht, dass mit dem neuen Steuerbescheid für 2012 andere Änderungsmöglichkeiten dahin stehen könnten, in jedem Fall sei die beantragte Änderung gemäß § 175 AO vorzunehmen. Sie beantragte die Herabsetzung der Einkommensteuer 2012 auf 28.148 €.

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Mit Urteil vom 25. Oktober 2016 wurde die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Kläger die Ihnen nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Bezeichnung des Klagebegehrens gesetzte Ausschlussfrist versäumt hätten. Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger am 16. Januar 2017 Beschwerde eingelegt. Über diese Beschwerde ist noch nicht entschieden.

9

Bereits vor Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde legten die Kläger gegen den Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2016 Einspruch ein (am 17. November 2016), der vom Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2016 zurückgewiesen wurde. Der Einspruch – so die Begründung – sei zwar zulässig, weil die Klage mit dem Aktenzeichen 3 K 1013/16 als unzulässig abgewiesen worden sei. Der Einspruch sei jedoch nicht begründet. Die Kläger hätten mit dem Einspruch neben einer beantragten Verrechnungsstundung lediglich “eine anderweitige Festsetzung der Einkommensteuer 2012 beantragt“ und sich auch auf den Hinweis (des Beklagten), dass der Einspruch keinen Erfolg habe, nicht weiter geäußert. Nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage seien die Besteuerungsgrundlagen zutreffend ermittelt und die Steuer richtig festgesetzt worden. Die Kläger hätten keine ausreichende Begründung für ihren Rechtsbehelf abgegeben.

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Am 19. Januar 2017 hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger die vorliegende Klage (3 K 1078/17) erhoben und den oben (wörtlich) zitierten Klageantrag gestellt, den sie auch in der (ihrem Telefax vom 25. April 2017 beigefügten) Klagebegründung mit Datum vom 17. Februar 2017 wiederholt hat (Blatt 34 der Gerichtsakte).

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Mit der gerichtlichen Eingangsbestätigung (Schriftsatz vom 24. Januar 2017) wurden die Kläger darauf hingewiesen, dass die Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO) unzulässig sei. Zu diesem Zeitpunkt war dem Gericht noch nicht bekannt, dass die Kläger am 16. Januar 2017 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 25. Oktober 2016 (3 K 1013/16) Beschwerde eingelegt hatten.

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Die Kläger erwiderten (Blatt 34 – 36 der Gerichtsakte), das Gericht habe in dem Verfahren 3 K 1013/16 wegen der angeblich versäumten Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens keine materiell-rechtliche Prüfung der Änderungsanträge vorgenommen, obwohl die Steuererklärung 2012 übermittelt und weitergehende Konkretisierungen - spätestens am 25. Oktober 2016 - erfolgt seien. Diese Prüfung sei nunmehr vorzunehmen, weil die Verspätung - wenn überhaupt - nur hinsichtlich des „bestandskräftigen Teils“ greife, nämlich in Bezug auf den ursprünglichen Antrag, die Einkommensteuer unter 24.004 € festzusetzen. Die Einkommensteuer 2012 sei nunmehr auf 34.384 € festgesetzt worden, sodass die ursprünglich beantragten Änderungen in Höhe von 4.658 € zu berücksichtigen seien. Da die ausgeführten Änderungsmöglichkeiten der Abgabenordnung und vor allem deren Nichtanwendung in Rheinland-Pfalz grundsätzliche Bedeutung hätten, sei die Revision zuzulassen.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Terminsladung (Blatt 21 und 23 der Gerichtsakte), das Telefax der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 25. April 2017 nebst Anlagen (Blatt 27-96 der Gerichtsakte) und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. April 2017 (Blatt 101 f. der Gerichtsakte) verwiesen. Des Weiteren wird auf den Beschluss des Gerichts vom 26. April 2017 verwiesen (Blatt 26, 97-100 der Gerichtsakte) mit dem der im vorgenannten Telefax gestellte Antrag der Prozessbevollmächtigten der Kläger abgelehnt wurde, die Richterin am Finanzgericht ….   wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Entscheidungsgründe

15

Über die Klage konnte trotz Abwesenheit der Kläger bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2017 verhandelt und entschieden werden, weil sie in der Terminsladung (Blatt 21 der Gerichtsakte) auf die Folge ihres Ausbleibens hingewiesen wurde. Mit Telefax vom 25. April 2017 hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger zwar den Antrag gestellt, den Verhandlungstermin wegen ihres Befangenheitsantrages vom selben Tag aufzuheben bzw. zu verlegen. Da ihr Befangenheitsantrag mit Beschluss des Gerichts vom 26. April 2017 allerdings abgelehnt wurde, hat auch ihr Terminsverlegungsantrag keinen Erfolg.

16

Die Klage ist wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig.

17

Der Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist die Herabsetzung der Einkommensteuer 2012. Diesen Streitgegenstand haben die Kläger bereits mit ihrer am  5. Januar 2016 unter dem Aktenzeichen 3 K 1013/16 erhobenen Klage beim FG rechtshängig gemacht (§ 66 FGO). Über diese Klage ist zwar inzwischen mit Urteil vom 25. Oktober 2016 entschieden worden. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, weil die Kläger am 16. Januar 2017 gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt haben, über die noch nicht entschieden ist.

18

Die Erhebung einer weiteren denselben Streitgegenstand betreffenden Klage ist daher nach § 155 FGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes unzulässig (BFH-Urteil vom 27. Juni 2006 VII R 43/05, BFH/NV 2007, 396). Die anderweitige Rechtshängigkeit stellt im Finanzprozess eine negative Sachentscheidungsvoraussetzung dar, die zwingend zur Abweisung der Klage als unzulässig führen muss (ebenda, m.w.N.).

19

Der Beklagte ist zwar der Auffassung, die Klage sei zulässig, weil sie sich nur gegen den Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2016 richte, der entgegen § 68 FGO nicht Gegenstand des Klageverfahrens 3 K 1013/16 geworden sei, weil er erst nach Ablauf der Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens erlassen und die Klage nur als unzulässig abgewiesen worden sei.

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Diesen Ausführungen liegt allerdings die – nach Auffassung des Senats unzutreffende - Annahme zu Grunde, dass ein Änderungsbescheid nur dann nach § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens werde, wenn die Klage zulässig sei. Diese Rechtsauffassung wird zwar z.B. auch von Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 68 FGO Rdz. 18, vertreten, allerdings mit Verweis auf diverse BFH-Entscheidungen (BFH BStBl. 87, 303, 304; 91, 462; BFH/NV 91, 75, 77; 93, 552; 07, 1506, 1507), die alle noch zu § 68 FGO a.F. (in der bis zur Neufassung des § 68 FGO durch Art. 1 Nr. 6 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze - 2.FGOÄndG - vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757) ergangen sind, wonach der Kläger wählen konnte, ob er den Änderungsbescheid durch entsprechenden Antrag zum Gegenstand des Klageverfahrens machen wollte oder nicht. Zu § 68 FGO n.F., wonach der Änderungsbescheid kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens wird, haben – soweit ersichtlich – bislang nur das FG Münster (Urteil vom 19. Juni 2002 5 K 8288/99, EFG 02, 1243), das FG Berlin (Urteil vom 16. September 2002, EFG 2003, 53) und das FG Nürnberg (Urteil vom 28.03.2007 III 267/2006, juris) entschieden, dass ein Änderungsbescheid nur bei ursprünglich zulässiger Klage Gegenstand des Klageverfahrens werde. Diese Auffassung ist allerdings nicht unumstritten. So verweist Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO (a.a.O.) auf die nach seiner Auffassung berechtigten Einwände von Jesse (DStZ 05, 139 ff.), dass eine unzulässige Klage auch in eine zulässige Klage „hineinwachsen“ bzw. die Frage der Zulässigkeit unklar sein könne, und folgert daraus, dass „in diesen Fällen im Klageverfahren die Zulässigkeit der sich nun gegen den veränderten VA richtenden Klage - wie auch sonst - zu prüfen“ sei. § 68 FGO dürfe allerdings nicht dazu dienen, die Unzulässigkeit von Klagen zu beheben. Deshalb müssten die Sachentscheidungs-voraussetzungen auch nach Auswechslung des Verfahrensgegenstands noch erfüllt sein („doppelte Zulässigkeitsprüfung“).

21

Der BFH hat sich zu der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Änderungsbescheid nach § 68 FGO n.F. auch bei einer unzulässigen Klage Gegenstand des Klageverfahrens wird, noch nicht – jedenfalls nicht zweifelsfrei – geäußert. Soweit ersichtlich gibt es nur einen Beschluss vom 13. März 2003 (VII B 153/02, BFH/NV 2003, 1065), in dem der BFH zwar einerseits darauf hinweist, dass der während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ergangene Änderungsbescheid nach § 68 FGO n.F. kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens geworden sei, andererseits jedoch feststellt, dass „die Änderung des Verfahrensgegenstandes“ auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde „nur wirksam“ werde, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde selbst zulässig sei.

22

Welche Rückschlüsse aus dieser Einschränkung („wird nur wirksam, wenn…“) für das erstinstanzliche Verfahren beim Finanzgericht gezogen werden können/sollen, ist fraglich. Die Aussage des BFH zu der Wirkung des § 68 FGO scheint allerdings eindeutig zu sein, und zwar, dass ein während des Verfahrens ergehender Änderungsbescheid kraft Gesetzes (= immer) Gegenstand des Verfahrens wird (also auch bei einer unzulässigen Klage).

23

Für dieses Verständnis sprechen auch folgende Überlegungen:

24

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann ein Steuerpflichtiger nicht das Einspruchsverfahren und das Klageverfahren nebeneinander betreiben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 08. Oktober 1985 VIII R 78/82, BFHE 145, 106; BStBl II 1986, 302 m.w.N.). Dementsprechend hat der BFH zu § 68 FGO a.F. wiederholt entschieden, dass über einen Einspruch nicht mehr sachlich entschieden werden kann, wenn der ihm zugrunde liegende Bescheid durch Antrag nach § 68 FGO in ein anderes Verfahren gelangt ist. In Fortentwicklung dieser Grundsätze hat der BFH sodann entschieden (ebenda, m.w.N.), dass ein nach Einspruchseinlegung gegen den Änderungsbescheid gestellter Antrag nach § 68 FGO a.F. die konkludente Rücknahme des Einspruchs beinhaltet. Nur dieses Ergebnis – so der BFH - werde dem verfahrensökonomischen Zweck des § 68 FGO a.F. gerecht, eine gerichtliche Überprüfung des Änderungsbescheides ohne Durchführung eines Vorverfahrens zu ermöglichen.
Seit bzw. mit der Neufassung des § 68 FGO (Änderungsbescheid wird kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens) soll erst Recht verhindert bzw. vermieden werden, dass ein Änderungsbescheid (zulässiger) Gegenstand verschiedener Verfahren ist. Genau dies könnte allerdings geschehen, wenn man annimmt, ein Änderungsbescheid werde nur bei zulässiger Klage Gegenstand des Verfahrens. Dies veranschaulicht der hier vorliegende Fall:
Es ist nicht auszuschließen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger Erfolg hat, z.B. wenn der BFH der Auffassung sein sollte, dass die Klage – entgegen der Auffassung des Gerichts – zulässig war. In diesem Fall würde der BFH das Urteil in dem Verfahren 3 K 1013/16 aufheben und die Sache zur Entscheidung in der Sache an das FG zurückverweisen. Ohne Frage wäre dann (rückblickend) der Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2016 nach § 68 FGO zum Gegenstand der (doch) zulässigen Klage geworden. Würde man nun die Auffassung vertreten, dass ein Änderungsbescheid bei unzulässiger Klage nicht Gegenstand des Verfahrens werden kann, stünde im vorliegenden Fall erst nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens fest, ob der Änderungsbescheid Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist oder nicht. Dies kann offensichtlich nicht rechtens sein. Es kann nicht vom ungewissen Ausgang eines etwaigen künftigen Rechtsmittelverfahrens abhängen, ob ein Änderungsbescheid nach § 68 FGO Gegenstand eines Klageverfahrens wird oder nicht bzw. ob ein Steuerpflichtiger gegen einen während des Klageverfahrens ergehenden Änderungsbescheid Einspruch einlegen muss oder nicht. Dies gebietet bereits der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes.

25

Vor diesem Hintergrund ist das Gericht der Auffassung, dass ein während des Klageverfahrens ergehender Änderungsbescheid nach § 68 FGO (kraft Gesetzes) auch bei unzulässiger Klage Gegenstand des Verfahrens wird. Die Befürchtung, dadurch könne die Unzulässigkeit der Klage behoben werden (Seer, a.a.O.), ist unbegründet. Denn durch Erlass eines Änderungsbescheides wird eine zuvor erhobene unzulässige Klage nicht rückwirkend zulässig. Der Änderungsbescheid führt lediglich zu einem weiteren bzw. neu hinzukommenden Streitgegenstand und führt allenfalls ex nunc und nur bezogen auf den Änderungsbescheid zur Zulässigkeit der Klage.

26

Diese Auffassung dürfte auch den Interessen aller am Verfahren Beteiligten (einschließlich Gericht) am besten gerecht werden:

27

Ist der Mangel der Zulässigkeit der Klage behebbar, besteht ohnehin kein Grund für eine Abweichung von § 68 FGO. Ist der Mangel unheilbar und/oder besteht Streit über die Zulässigkeit der Klage, kann der Kläger bzw. Steuerpflichtige seine ihm gegen den Änderungsbescheid zustehenden Rechtschutzmöglichkeiten in Form entsprechender Klageanträge wahrnehmen. So hätten die Kläger in dem Verfahren 3 K 1013/16 ihren Hauptantrag, die Einkommensteuer 2012 auf 28.140 € herabzusetzen, um einen Hilfsantrag ergänzen können, dem zu entnehmen gewesen wäre, dass und in welchem konkret bezifferten Umfang sie (hilfsweise) die Berücksichtigung von materiellen Fehlern nach § 177 AO beantragen. Das Gericht hätte sodann die Klage mit ihrem Hauptantrag als unzulässig abgewiesen und über den Hilfsantrag entschieden. Durch die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wäre auch die Entscheidung des Gerichts über den Hilfsantrag nicht in Rechtskraft erwachsen. Damit wären divergierende Entscheidungen - wie sie entstehen könnten, wenn das Gericht die vorliegende Klage für zulässig erachten würde - von vorneherein zu vermeiden gewesen.

28

Es besteht auch kein – jedenfalls kein anzuerkennendes - Interesse daran, dass ein bei unzulässiger Klage ergehender Änderungsbescheid nicht Gegenstand des Klageverfahrens, sondern Gegenstand eines (erneuten) Einspruchsverfahrens werden soll. Sowohl das Finanzamt als auch der Steuerpflichtige wie auch das Gericht dürften regelmäßig kein Interesse an der dadurch verursachten Verzögerung bzw. Trennung der Verfahren haben. Sollte die Sache in Bezug auf den Hilfsantrag noch nicht entscheidungsreif und noch umfangreiche Ermittlungen erforderlich sein, könnte das Gericht nach § 100 Abs. 3 FGO verfahren (Aufhebung des Änderungsbescheides ohne in der Sache selbst zu entscheiden). Selbst in diesem Fall käme es nicht zu zwei Verfahren (Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH einerseits und Verfahren beim Finanzamt andererseits), denn mit der Nichtzulassungsbeschwerde würde auch die Entscheidung des Gerichts über den Hilfsantrag (Aufhebung des Änderungsbescheides nach § 100 Abs. 3 FGO) nicht in Rechtskraft erwachsen.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

30

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) zuzulassen, weil die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Änderungsbescheid nach § 68 FGO n.F. auch bei einer unzulässigen Klage Gegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens wird, vom BFH noch nicht entschieden wurde und das erkennende Gericht von Entscheidungen anderer Finanzgerichte abweicht.

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