Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (1. Senat) - 1 K 123/10

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Körperschaftsteuer(KSt-)erhöhungsbetrages nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG im Falle einer gemeinnützigen Körperschaft.

2

Gegenstand der Klägerin ist die studentische und berufsbegleitende Ausbildung auf dem Gebiet ... . Sie ist als gemeinnützig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) anerkannt und unterhält auch keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Ihr Alleingesellschafter ist seit dem 1. Januar 2007 Herr X. Im Bescheid zum 31. Dezember 2006 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß den §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 3, 38 Abs. 1 KStG ist der Bestand des EK 02 der Klägerin in Höhe eines Betrages von 62.533 Euro festgestellt. Nach Angaben der Klägerin beruht dieser Bestand auf Gewinnen vorangegangener Jahre, die ausschließlich durch die gemeinnützige Betätigung der Gesellschaft generiert worden seien. Mit Bescheid vom 17. Februar 2009 setzte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – den KSt-Erhöhungsbetrag auf 3/100 von 62.533 Euro = 1.875 Euro fest. Hiergegen erhob die Klägerin am 17. März 2009 Einspruch: Ein Erhöhungsbetrag sei schon deshalb nicht festzusetzen, weil sie als anerkannt gemeinnützige Körperschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der KSt befreit sei und sie nicht den Anrechnungs- und Gliederungsvorschriften des KStG unterliege. Zu berücksichtigen sei zudem, dass ihr nach dem Inhalt ihrer Satzung eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter untersagt sei, so dass die Begrenzungsregelung des § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG eingreife. Nach dieser Vorschrift sei der KSt-Erhöhungsbetrag begrenzt auf den Erhöhungsbetrag, der sich im Falle einer Vollausschüttung ergeben würde. Da im Falle der Klägerin eine Gewinnausschüttung nicht in Betracht komme, bleibe auch kein Raum für die Festsetzung eines KSt-Erhöhungsbetrages. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14. April 2010 zurück: Die Regelungen über die Festsetzung des KSt-Erhöhungsbetrages gelten auch für gemeinnützige Körperschaften. Zum Ausgleich habe der Gesetzgeber ihnen in § 34 Abs. 16 Satz 1 Ziffer 1 b KStG ein antragsgebundenes, unwiderrufliches, bis 30. September 2008 befristetes Wahlrecht zur Besteuerung nach altem Recht eingeräumt. Dieses Wahlrecht sei von der Klägerin nicht ausgeübt worden.

3

Mit der am 18. Mai 2010 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

4

Die im KSt-Anrechnungsverfahren geschaffenen Gliederungsregelungen und die nach dem Systemwechsel eingeführten Übergangsvorschriften seien von vornherein nur dann anwendbar, wenn die steuerbefreite Körperschaft Ausschüttungen vornehmen könne, die bei den Empfängern Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellten. Ein solcher Sachverhalt sei hier nicht gegeben, weil die Klägerin keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalte und ihr eine Gewinnausschüttung satzungsgemäß untersagt sei. Eine Antragstellung gemäß § 34 Abs. 16 Ziffer 1 b KStG würde deshalb bereits dem Grunde nach ins Leere laufen. Dies komme auch durch die Begrenzungsregelung des § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG zum Ausdruck. Danach unterliege nur das zum 31. Dezember 2006 vorhandene Eigenkapital, was auch für eine Ausschüttung zur Verfügung stehe, der Nachversteuerung. Dies habe der Bundesfinanzhof im Urteil vom 12. Oktober 2011 I R 107/10, BStBl II 2012, 610 bestätigt. Unabhängig davon verletze die angefochtene Besteuerung den Gleichheitssatz. Bei gemeinnützigen Einrichtungen ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sei es widersinnig, eine gesonderte Feststellung durchzuführen, weil sämtliche Einkünfte solcher Körperschaften dem sogenannten EK 02 unterlägen. Dementsprechend gebe es keine einheitliche Verwaltungspraxis. Bei jeweils gleichem Sachverhalt sei von einigen Ämtern eine gesonderte Feststellung durchgeführt worden, von anderen Ämtern wiederum nicht. Die Praxis habe dies mangels steuerlicher Beschwer zunächst hingenommen. Erst durch die neugeschaffenen sogenannten Übergangsregelungen der §§ 38 Abs. 5 und 6 KStG habe sich herausgestellt, dass die ungleichmäßige Veranlagungspraxis zu einer gleichheitswidrigen Besteuerung führe.

5

Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die Festsetzung des KSt-Erhöhungsbetrages nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. April 2010 aufzuheben.

6

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Die Gründe der Einspruchsentscheidung seien nicht entkräftet.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2013 verwiesen.

9

Die steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren steuerlichen Rechten. Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 38 Abs. 5 Satz 1 KStG. Nach dieser Vorschrift beträgt der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag 3/100 des nach § 38 Abs. 4 Satz 1, § 38 Abs. 1 KStG  festgestellten Endbetrags. Der vorgenannte Endbetrag wurde vom FA durch Feststellungsbescheid vom 22. Oktober 2007 bestandskräftig auf einen Betrag von 62.533 Euro festgestellt. Es errechnet sich deshalb ein KSt-Erhöhungsbetrag in der vom FA festgesetzten Höhe (3% von 62.555 = 1.875 Euro).

12

Die Vorschriften über die Festsetzung des KSt-Erhöhungsbetrages sind auch auf die Klägerin anwendbar. Ihr Gemeinnützigkeitsstatus steht dem nicht entgegen.

13

Der spiegelbildlich zum Körperschaftsteuerminderungsbetrag nach § 37 Abs. 4 KStG i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4) eingeführte § 38 Abs. 5 KStG löst die in den Absätzen 1 bis 3 enthaltene Regelung ab. Danach führten Leistungen, für die das gemäß § 36 Abs. 7 KStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) festgestellte und fortgeschriebene EK 02 als verwendet galt, innerhalb des 15-, später 18-jährigen Übergangszeitraums zu einer Körperschaftsteuererhöhung um 3/7 des Betrags (§ 38 Abs. 2 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts – Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35). Dadurch sollte die für diese Leistungen nach altem Recht geltende Ausschüttungsbelastung von 30% erreicht werden.

14

Da dem Gesetzgeber die bisherige Regelung als zu aufwändig erschien, schuf er § 38 Abs. 5 Sätze 1 und 2, mittels derer die sonst während des Übergangszeitraums eingetretene Körperschaftsteuererhöhung in Fällen, in denen das EK 02 als verwendet galt, in pauschalierter Form abgegolten werden soll. Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag beträgt grundsätzlich 3/100 des letztmalig auf den 31. Dezember 2006 festgestellten Endbetrags (§ 38 Abs. 4 Satz 1 KStG). Der Gesetzgeber besteuert damit verwendungsunabhängig ein Zehntel des am 31. Dezember 2006 vorhandenen Endbetrags an EK 02 mit der zuletzt im Anrechnungsverfahren geltenden Ausschüttungsbelastung von 30%. Der verbleibende restliche Bestand an EK 02 entfällt und löst keine weitere Körperschaftsteuererhöhung aus (vgl. BFH, Urteil vom 12. Oktober 2011 I R 107/10, BStBl II 2012, 610).

15

Aus dem Gesetzeswortlaut ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass gemeinnützige Körperschaften von der Hinzurechnungsbesteuerung ausgenommen sind. Hiergegen spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 38 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 38 Abs. 3 KStG eine Sonderregelung lediglich für solche gemeinnützigen Körperschaften getroffen hat, deren Anteilseigner entweder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder von der KSt befreite Personen sind. Ein solcher Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Zu bedenken ist zudem, dass der Gesetzgeber gemeinnützigen Körperschaften in § 34 Abs. 16 KStG ein befristet ausübbares Wahlrecht zur Besteuerung nach altem Recht gewährt hat. Durch die Ausübung dieser Option hätte die Klägerin die angefochtene Pauschalbesteuerung vermeiden können. Die hiergegen von der Klägerin vorgebrachten rechtssystematischen Erwägungen stehen einer Pauschalbesteuerung auch dann nicht entgegen, wenn die Körperschaft – wie hier - keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Nach dem Inhalt der Gesetzesbegründung sollte das Besteuerungswahlrecht unabhängig davon gelten, ob die steuerbefreite Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (vgl. BT-Drucksache 16/7036, Seite 21). Das Wahlrecht wäre überflüssig, wenn gemeinnützige Körperschaften ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb von der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 38 Abs. 5 KStG generell ausgenommen wären.

16

Die Klägerseite kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Vorschriften über die Eigenkapitalgliederung mangels ausschüttungsfähigen Substrats für gemeinnützige Körperschaften ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb von vornherein nicht einschlägig seien, so dass auch die hieran anknüpfende Hinzurechnungsbesteuerung nach § 38 Abs. 5 KStG nicht eingreifen könne. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, inwieweit dieses rechtssystematische Argument im Ausgangspunkt zutreffend ist. Denn Grundlage der pauschalen Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 38 Abs. 5 KStG ist nicht eine Rechtspflicht zur Eigenkapitalgliederung, sondern allein die tatsächliche Feststellung des EK 02 auf den Stichtag 31. Dezember 2006. Nach 38 Abs. 1 Satz 2  i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 2 KStG ist der Bescheid über die Feststellung des Endbestandes des EK 02 zum vorgenannten Stichtag Grundlagenbescheid für die Festsetzung des KSt-Erhöhungsbetrages (vgl. hierzu auch Dötsch, KStG, § 38 Rn. 65 und Erle/Sauter, KStG, § 38 Rn. 83). Er ist deshalb gemäß § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) bindend für die an seine Feststellungen anknüpfende Besteuerung. Schon deshalb kann eine Befreiung gemeinnütziger Körperschaften von der Hinzurechnungsbesteuerung nicht pauschal auf das allgemeine Ausschüttungsverbot gemäß § 55 Abs. 1 AO gestützt werden. Unabhängig davon durfte der Gesetzgeber auch in Rechnung stellen, dass die auf dem Gemeinnützigkeitsstatus beruhende Steuerbefreiung nicht dauerhaft vorgegeben ist, sondern z.B. im Falle veränderter Geschäftsführung und/oder des Wegfalls einzelner steuerlicher Vorgaben auch zukünftig entfallen kann.

17

Die Hinzurechnungsbesteuerung ist auch nicht aus übergeordnetem Recht heraus zu beanstanden. Sie verletzt insbesondere nicht den Gleichheitssatz. Die hierzu von der Klägerseite vorgebrachten rechtspraktischen Erwägungen sind zwar durchaus nachvollziehbar. Umgekehrt ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass der Gesetzgeber gemeinnützigen Körperschaften durch das Optionsrecht gemäß § 34 Abs. 16 KStG die Möglichkeit einer vollständigen Steuerbefreiung eröffnet hat, welche diese zumindest hilfsweise hätte wahrnehmen können. Deshalb und weil pauschalierende Regelungen im Steuerrecht grundsätzlich anerkannt sind, geht der Senat davon aus, dass die verfassungsrechtlichen Grenzen der Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers auch mit Blick auf die hier beanstandete Regelung gewahrt sind.

18

Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

19

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen