Beschluss vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 3 TaBV 8/77
Tenor
I.) Das Verfahren wird eingestellt, soweit es den Beteiligten F M betrifft, nachdem die Beteiligten übereinstimmend
die Erledigung des Verfahrens erklärt haben.
II.) Die Beschwerde der Beteiligten A F gegen den am 27.1.1977 verkündeten Beschluß des Arbeitsgerichts Köln - 11 BV 63/76 -
wird zurückgewiesen •
1
G r ü n d e
2Gegenstand des vorliegenden Beschlußverfahrens ist der An-trag der Mehrheit des Antragstellers auf Ausschluß der An-tragsgegner aus dem Betriebsrat.
3Der antragstellende Betriebsrat besteht aus 35 Mitgliedern.
4Bei der Betriebsratswahl 1975 wurden gewählt:
5aus einer freien Liste der außerhalb
6der IG Metall kandidierenden Arbeiter 7
7Angestelltenvertreter der DAG 4
8Arbeiter aus der „Roten Liste“ 2
9Die übrigen Betriebsratsmitglieder wurden aus einer vonIG Metall-Mitgliedern gebildeten Liste gewählt.
10Die Antragsgegner sind die beiden aus der „Roten Liste“gewählten Betriebsratsmitglieder.
11Der Antragsteller hat seinen Ausschlußantrag wie folgtbegründet:
12Seit Beginn der Amtsperiode des seit 1975 amtierenden Be-triebsrates habe es sich gezeigt, daß die Antragsgegner
13- 3 -
14zu einer sachlichen Arbeit im Betriebsrat nicht bereit ge-
15wesen seien. Sie hätten es vorgezogen, die Mehrheit der Mitglieder des Betriebsrates zu verunglimpfen und ohne sachlichen Hintergrund gegen sie zu polemisieren. Dabei hättensie auch vor Verleumdungen einzelner Betriebsratsmitglieder nicht zurückgeschreckt. Sie hätten es immer wieder versucht, eindeutig parteipolitisch (kommunistisch) motivierte Angriffe gegen Mitglieder des Betriebsrates/gegen die Mehrheit des Betriebsrates sowie gegen die Geschäftsleitung der beteiligten Firma zu unternehmen. Das sei vor allem auch gegenüber der Belegschaft oder Teilen der Belegschaft
16geschehen. Ihre Haltung sei insbesondere in zwei Redebeiträgen im November 1975 zu Tage getreten, aus denen sich ergebe, daß die Antragsgegner an einer sachbezogenen Zusammenarbeit innerhalb des Betriebsrates kein Interesse
17hätten. Durch ihr agitatorisches Verhalten werde eine ordnungsgemäße Arbeit des Betriebsrates behindert. Das unbedingt erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Wählern
18und Gewählten werde vergiftet, vor allem, da die von den Antragsgegnern vorgebrachten Behauptungen und Unterstellungen über die Betriebsratsmehrheit völlig haltlos und aus der Luft gegriffen seien. Bei diesem Verhalten sehe sich
19der Betriebsrat in seiner überwiegenden Mehrheit nicht mehr in der Lage, seine ihm nach dem BetrVG obliegenden gesetzlichen Pflichten unter Beteiligung der Antragsgegner ordnungsgemäß zu erfüllen.
20Der von ihm mit Mehrheit gefaßte Ausschlußantrag sei
21deswegen begründet, weil die Antragsgegner in gröblicher Weise ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG verletzt haben. Dabei handele
22es sich ganz offensichtlich um ein rechtswidriges Verhalten. Die Äußerungen der Antragsgegner über andere Betriebsratsmitglieder enthielten gehässige Diffamierungen, die
23nicht zu überbieten seien. Sie seien darüber hinaus - wie
24im übrigen ständig während der bisherigen Dauer der Amtsperiode - eine extrem politische Propaganda. Die auf der Betriebsversammlung im November gefallenen Äußerungen hätten zudem den Betriebsfrieden erheblich gestört. Aus den Ausführungen der Antragsgegner lasse sich mit nicht zu überbietender Deutlichkeit entnehmen, daß sie die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung grundsätzlich ablehnten und ihre
25Arbeit hierin nur in dem Sinne verstehen, die Arbeit der Betriebsverfassungsorgane zu behindern. Das werde insbesondere in ihrer Aufforderung an die Arbeitnehmerschaft deutlich, sich unter Umgehung der betriebsverfassungsrechtlichen
26Institutionen zu organisieren. Eine konstruktive Zusammen-
27arbeit mit der Betriebsratsmehrheit lehnten die Antragsgegner grundsätzlich ab. Aus all diesen Gründen sei der Ausschlußantrag vollauf gerechtfertigt.
28Der Antragsteller hat beantragt,
29die Betriebsratsmitglieder M und
30F aus dem Betriebsrat auszuschließen.
31Die Antragsgegner haben die
32Zurückweisung des Antrages erbeten.
33Sie haben bestritten, daß eine den Ausschluß nach § 23 BetrVG tragende grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten durch sie vorliege. Soweit der Antragsteller ihnen vorwerfe, sie verunglimpften die überwiegende Mehrheit der Betriebsratsmitglieder und polemisierten ohne sachlichen Hintergrund, handele es sich um unsubstantiierte, verallgemeinernde Wertungen, die eines Beweises nicht zugänglich seien. Wenn den Antragsgegnern ihre Beiträge auf Betriebsversammlungen im November 1975 zum Vorwurf gemacht würden, so seien diese Redebeiträge auf diesen Betriebsversammlungen
34sowohl durch den Betriebsratsvorsitzenden B als auch
35durch den 2. Bevollmächtigten der IG Metall, L , aus-
36gelöst worden. Diese hätten versucht, in massiver Weise gegen die Antragsgegner auf diesen Betriebsversammlungen
37Stimmung zu machen. So habe B
38ihnen vorgeworfen, sie
39wollten mit Gewalt die freiheitlich-demokratische Grund-
40ordnung gegen den Willen der Arbeiter stürzen. L habe
41auf die Antragsgegner,bezogene Äußerungen gemacht und sinngemäß ausgeführt, die „Chaoten“ hätten nach F jetzt K zum Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht und wollten dort ihr politisches Süppchen kochen. Es sei eine Masche dieser Leute, junge, attraktive Frauen aufs Podium zu schicken und sie für ihre Ziele zu benutzen.
42Mit diesen teils verdeckten, teils offenen Angriffen auf die Antragsgegner hätten B und L gegen die Antragsgegner Stimmung zu machen versucht. Aus ihren Aus-
43führungen sei sichtbar geworden, daß sowohl B als
44auch L in bezug auf die Antragsgegner in keiner Weise
45politische Enthaltsamkeit an den Tag legten, sondern ganz offen einen Konfrontationskurs suchten. Daß dieses Vorgehen der beiden nicht vom Wunsch getragen gewesen sei, eine Zusammenarbeit mit ihnen im Betriebsrat zu fördern, liege auf der Hand. Im übrigen werde aber von ihnen bestritten, daß sie die Arbeit des Betriebsrates behindern oder negieren wollten. Der Vortrag des Antragstellers reiche in keiner Weise aus, eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten durch sie im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG anzunehmen.
46Nach Anhörung der Beteiligten hat das Arbeitsgericht am 27.1.1977 folgenden Beschluß verkündet:
47Die Betriebsräte F und M und A F werden aus dem Betriebsrat der Firma K ausgeschlossen. Verfahrenswert: 8.000,-- DM.
48Wegen des Inhaltes dieses Beschlusses wird auf Blatt 105- 108 der Akten verwiesen.
49Gegen den am 7.3.1977 zugestellten Beschluß haben die Antrag gegner durch ihren Anwalt am 21.3.1977 Beschwerde eingelegt:
50die gleichzeitig begründet wurde.
51Die Antragsgegner rügen, daß das Arbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff in § 23 Abs. 1 BetrVG verkannt habe, wonach ein Betriebsratsmitglied nur wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden könne.
52Das Arbeitsgericht habe diesen unbestimmten Rechtsbegriff wie folgt auszufüllen versucht:
53Hartnäckige Verfolgung weitgesteckter politischer (kommunistischer) und damit sachfremder Ziele, für die jedoch der Betriebsrat nicht berufen sei. Dieser sei vielmehr gehalten, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber sachgerechte realisierbare Lösungen zu finden.
54Diffamierung des (politischen) Gegners, insbesondere redlich handelnder Betriebsratsmitglieder.
55Mit dieser Argumentation sei aber eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften, wie sie § 23 Abs. 1 BetrVG für den Ausschlußantrag vorsehen, nicht zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht habe es erkennbar unterlassen, die gesetzlicher Vorschriften darzulegen, gegen die die Antragsgegner verstoßen hätten. Ein Ausschluß der Antragsgegner aus dem Betriebsrat könne überhaupt nur in Frage kommen, wenn sie sich einer Verletzung ihrer Amtspflichten schuldig gemacht hätten. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 BetrVG habe sich bewußt damit auf die Kontrolle solcher Tätigkeiten be-
56"'"'
57schränkt, die ein Mitglied des Betriebsrates gerade in dieser spezifischen Eigenschaft ausübe. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß ein einmal gewähltes Betriebsratsmitglied auch außerhalb seiner eigentlichen Betriebsratstätigkeit einem betriebsverfassungsrechtlichen Kodex unterworfen sei, der seine Rechte im Verhältnis zu den übrigen Arbeitnehmern einschränke. Auch ein auf einer Betriebsversammlung sprechendes Betriebsratsmitglied habe das Grundrecht der freien Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 GG, das jedem Arbeitnehmer zustände. Äußerungen der Antragsteller auf einer Betriebsversammlung könnten daher überhaupt nicht einen Ausschlußantrag rechtfertigen. Im übrigen werde nach wie vor bestritten und könne auch durch die Anhörung des
58Betriebsratsvorsitzenden B als „Zeugen“ nicht be-
59wiesen werden, daß die Antragsgegner Gegner im Betriebsrat als „Arbeiterverräter, Kapitalistenknechte und korrupt“
60bezeichnet hätten. B sei nämlich zu Unrecht als Zeu-
61ge vernommen worden, er hätte allenfalls als Partei vernommen werden können. Aber auch dann müsse seine Aussage als
62Parteiaussage gewürdigt werden. Im übrigen sei ein Ausschlußantrag ein untaugliches Mittel, sich einer nicht genehmen Minderheit im Betriebsrat zu entledigen.
63Die Antragsgegner beantragen
64unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses den Ausschlußantrag zurückzuweisen.
65Der Antragsteller beantragt
66Zurückweisung der Beschwerde
67Er bleibt dabei, daß die Angriffe der Antragsgegner eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht rechtfertigen könnten. Zutreffend habe das Arbeitsgericht das Verhalten der Antragsgegner als einen groben Verstoß gegen ihre gesetzlichen Pflichten nach § 23 Abs. 1 BetrVG angesehen.
68Hinsichtlich der Anhörung der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.6.1977 BI. 157 d.A. verwiesen.
69Wegen des weiteren Vortrages der Beteilgten wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseis gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
70II.
71Die statthafte ( § 87 Abs. 1 ArbGG ), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ( § 89 ArbGG ) konnte keinen Erfolg haben.
721. Soweit sich der Ausschlußantrag gegen den Antragsgegner
73F M richtet, war das Verfahren einzustellen.
74Der Antragsgegner F M ist mit Zustimmung des An-
75tragstellers am 13.3.1976 von der beteiligten Arbeitgebe-
76rin fristlos entlassen worden. M hat gegen diese frist-
77lose Kündigung vom 13.3.1976 Klage erhoben, ist damit aber abgewiesen worden. Das Berufungsurteil im Verfahren M ./. K ist in der Sache 19 (13) Sa 464/76 am 13.4.1977 verkündet worden. Da der Streitwert in diesem Rechtsstreit die Revisionsgrenze des § 72 ArbGG nicht erreichte, das Landesarbeitsgericht die Revision im Urteil nicht zugelassen hat, ist dieser Kündigungsstreit -vorbehaltlich einer Divergenzrevision nach § 72 Abs. 1 S. 2 ArbGG- abgeschlossen. Es steht damit fest, daß das Arbeitsverhältnis des Antragsgegners M zur Firma K mit Zugang der fristlosen Kündigung am 13.3.1976 sein Ende fand. Dann endete damit auch das Betriebsratsamt des Antragsgegners M
78( § 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ), so daß das hier noch anhängige Ausschlußverfahren damit seine Erledigung gefunden hat. Das Verfahren gegen den Antragsgegner M war daher einzustellen.
792. Dagegen war die Beschwerde der Antragsgegnerin A
80F gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts nach dem Ergebnis der Anhörung der Beteiligten vor dem Beschwerdegericht als unbegründet zurückzuweisen. Der Ausschluß der
81Antragsgegnerin F aus dem Betriebsrat ist durch den
82angefochtenen Beschluß des Arbeitsgerichts zu Recht erfolgt.
83a) Die Antragsgegnerin hat in ihrer Anhörung vor dem
84Beschwerdegericht die Vorwürfe gegen die Arbeitsgerichtsbarkeit wiederholt, wie sie auch in der Juli- Ausgabe des
85„Schwungrades“ (BI. 41.d.A.) vorgetragen werden. Sie gehen dahin, daß die Arbeitsgerichte „Klassengerichte“ seien und in ihrer Besetzung nur den „Interessen der Kapitalistenklasse“ dienten.
86Es kann und darf nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts sein, sich mit dieser Auffassung der Antragsgegnerin auseinanderzusetzen. Ihre Darstellungen und ihre Behauptungen müssen jedoch im Interesse einer geordneten Rechtsprechung in einem demokratischen Staatswesen zurückgewiesen werden. Sie entbehren jeder Grundlage. Davon könnte sich die Antragsgegnerin, wenn sie nur wollte, objektiv durch eine Durchsicht der Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen überzeugen.
87b) Die Antragsgegnerin irrt, wenn sie annimmt, sie werde wegen ihrer politischen Überzeugung aus dem Betriebsrat ausgeschlossen. Das Beschwerdegericht stimmt ausdrücklich der auch vom Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Beschluß 8 Ta-BV 21/75 vom 13.11.1975 vertretenen Meinung zu, daß
88" politische Gegnerschaft keinen Ausschließungsgrund im Sinne des § 23 BetrVG darstelle " (BI. 24 des genannten Beschlusses -Bl.155 R.d.A.). Das Gericht geht über diese Feststellung hinaus: Weltanschauliche Auffassungen allein, sie mögen ihren Grund haben, wo auch immer, rechtfertigen
89in keinem Fall einen Ausschluß aus einem Betriebsrat.
90Wenn sie allerdings Ursache dafür sind, daß wichtige Pflichten aus dem frei gewählten und übernommenen Betriebsratsamt in rechtswidriger Weise verletzt werden, so müßen
91diese Pflichtverletzungen unter dem Gesichtspunkt des § 23 BetrVG geprüft werden.
92Die Antragsgegnerin hat demnach einen Anspruch darauf, daß ihre Tätigkeit als Betriebsratsmitglied und die Durchführung ihrer Betriebsratspflichten ausschließlich an den Maßstäben des § 23 BetrVG gemessen wird. Sie wird nicht anders behandelt, als jedes andere Betriebsratsmitglied, um dessen Ausschluß es geht.
93Das Ausschlußverfahren nach § 23 BetrVG ist ein untaugliches Mittel zur „Disziplinierung“ politisch Unerwünschter Betriebsratsmitglieder. Die Antragstellerin irrt daher auch wenn sie annimmt, ein Gericht würde sich dazu hergeben, die Interessen der Mehrheit eines Betriebsrates dadurch zu besorgen, daß es unbotmäßige oder unerwünschte Betriebsratsmitglieder durch Ausschluß entfernt.
94Diese Vorbemerkungen erscheinen deswegen unerläßlich, weil die Antragsgegnerin bei ihrer ausführlichen Anhörung Thesen dieser Art besonders herausstellte.
95c) Der Ausschlußantrag der Betriebsratsmehrheit mußte in
96Übereinstimmung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts des-wegen Erfolg haben, weil die Antragsgegnerin durch ihr erwiesenes Verhalten ihre Pflichten als Betriebsratsmitglied grob verletzt hat.
97Für diese Entscheidung ist es unerheblich, daß es dem Betriebsrat in seiner Mehrheit nicht zuzumuten wäre, mit der Antragsgegnerin zusammenzuarbeiten ( BAG AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG 1952). Alle Betriebsratsmitglieder haben das gleiche, durch die Betriebsratswahl legitimierte Mandat.
98Aber: Die Betriebsratsmitglieder haben mit der Wahl in dieses Amt auch die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen das Betriebsverfassungsgesetz zuweist. Sie dürfen in keinen Fall Grundpflichten des Betriebsverfassungsgesetzes, auch wenn sie nicht ausdrücklich als gesetzliche Pflichten aufgezählt sind, verletzen. Sie müssen sich auch gefallen lassen, daß ihre Amtsausübung an ihrem Verhalten im Rahmen des Betriebsratskollegiums gemessen wird; denn sie üben ihr Amt innerhalb dieses Kollegiums aus. Daraus folgt eine besondere Pflicht zur Rücksichtnahme und der Achtung der anderen Betriebsratsmitglieder. Das gilt -worauf Dietz-Richardi, BetrVG 5. Auflage, § 23 RN. 5 ebenso wie Galperin-Löwisch, BetrVG, 5. Auflage Band I § 23 RN. 9 mit Nachdruck hinweisen- vor allem in den Beziehungen der Betriebsratsmitglieder untereinander, die vom Grundsatz der Fairneß getragen sein müssen.
99Der Antragsgegnerin ist mehrfach eine Verletzung gesetz-licher Pflichten im Sinne des § 23 BetrVG vorzuwerfen.
100aa) Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Rede vor der Betriebsversammlung vom 25.11.1976 in eindeutiger Weise er-
101kennen lassen, daß sie sich als Betriebsratsmitglied an die Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes nicht zu halten gedenkt. Den Inhalt ihrer Rede hat sie ernsthaft nicht in Abrede gestellt, sie hat bei ihrer Anhörung vor dem Beschwerdegericht diesen Inhalt ihrer Ausführungen in den entscheidenden Punkten ausdrücklich bekräftigt.
102Sie hat in ihrer Rede als Betriebsratsmitglied erklärt:
103„Eine Einrichtung unsere Interessen zu vertreten,
104die stellen sie (= die Betriebsräte) nur dem Namen nach dar. In Wirklichkeit haben sich die Kapitalisten eine Einrichtung geschaffen, um unsere Kämpfe abzuwürgen und in für sie ungefährliche Bahnen zu lenken."
105"Wenn im Betrieb irgend etwas los ist, die Kollegen sich zusammenschließen für bestimmte Forderungen, dann soll der Betriebsrat hingehen und sagen, es ist gut Kollegen, ihr könnt ruhig wieder an eure Arbeit gehen, wir regeln das für euch. Und dann regeln sie mit den Kapitalisten wie man am besten wieder Ruhe unter die Kollegen bringt. Daß sie ja nicht selber für ihre Interessen kämpfen. Darum verbreiten sie doch schon vorher immer dieselbe Masche, du kriegst sie doch nicht alle unter einen Hut, es hat keinen
106Zweck. Das ist genau der Punkt, warum die Rote
107Liste so bekämpft wird. Nicht weil sie Angst vor
108uns zwei Mann haben, das wäre ja lächerlich, aber weil wir unsere Betriebsratsarbeit genau entgegengesetzt anfassen, weil wir klar erklärt haben, Kollegen wir können nichts stellvertretend für euch machenindem wir vielleicht anders verhandeln oder so was , unsere Interessen durchzusetzen, dafür gibt es nur einen Weg und der ist, wenn ihr die Sache selber in die Hand nehmt. Wenn ihr euch zusammenschließt und selber die richtigen Maßnahmen überlegt. Was wir als Rote Betriebsräte dabei machen können, ist, euch darin unterstützen. Das ist auch ihre Angst, daß
109600 Kollegen mit der Wahl unserer Liste erklärt haben daß sie selber kämpfen wollen. Das bedeutet auch die Trennungslinie im Betriebsrat. Was meint ihr, warum den Kapitalisten die Betriebsräte von der IG Metall so viel wert sind, daß sie alle möglichen Vergünstigungen bekommen. Das Beispiel der ehemaligen Betriebsräte F und W aus K sagt doch alles. Man sollte nicht meinen, daß die nun wieder wirklich arbeiten und sich die Finger dreckig zu machen brauchen, nein, sie sind jetzt Betriebsratsangestellte geworden. Sie haben sich halt gut bewährt, sie stehen auf Abruf für den Fall, daß sie einen Grund finden uns rauszuschmeißen.“
110„Wie sieht es damit aus, daß wir die Arbeit des Betriebsrates behindern. Ich glaube schon, daß wir
111ihre Arbeit behindern. Ich kann mir gut vorstellen, daß es dort vorher anders zugegangen ist. Da brauchte man sich nicht auch noch im Betriebsrat zu verstekken, irgend etwas zu erfinden warum so ein Beschluß wohl noch im Interesse der Arbeiter sein soll. Da brauchte man auch nicht so viele Sachen rauszuhalten aus dem Betriebsrat, damit die Roten Betriebsräte
112es gar nicht erst erfahren, oder es wohlmöglich noch in Flugblättern steht, wovor sie eine höllische Angst haben. Da brauchten sie auch nicht so oft in die Betriebe zu gehen, damit es nicht mehr heißt, sie würden nur in den Büros auf ihren Sesseln hocken. Also ich finde das ist gar nicht so schlecht, wenn die in ihrer Arbeit, die Kollegen hinters Licht zu führen, behindert werden.“
113„Nun zu unseren Fehlern in der Arbeit. Ein Fehler war, daß wir selber nicht klar genug gesehen haben, daß dieser Bund von Kapital, Betriebsrat und Gewerkschafts apparat nur ein Ziel hat, uns möglich schnell wieder raus zu haben aus dem Betriebsrat, und natürlich auch aus dem Betrieb.“
114"Ich meine, daß das die Hauptsache ist, die wir noch viel mehr lernen müssen, uns wirklich auf euch zu stützen und zusammenzuschließen. Uns gegenseitig zu helfen in den Kämpfen die vor uns stehen. Denn die Angriffe der Kapitalisten, des Staates auf unsere Lebenslage die werden immer größer. Da können wir auf den Gewerkschaftsapparat und diese Herren vom Betriebsrat ganz bestimmt nicht zaählen. Im Gegenteil, die werden alles daran setzen unseren Fehler Kampf zu verhindern."
115Die Antragsgegnerin hat mit diesem Redebeitrag auf der Betriebsversammlung vor der Belegschaft behauptet, der Betriebsrat sei eine von „Kapitalisten geschaffene Einrichtung, die geschaffen sei, um unsere Kämpfe abzuwürgen."
116Damit stellt die Antragsgegnerin den Sinn und die Aufgabevon Betriebsräten und damit ihre eigene Aufgabe als Mitglied
117eines Betriebsrates überhaupt in Frage. Betriebsräte und ihre Mitglieder werden frei gewählt von der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes, gewählt in freier, geheimer und
118unmittelbarer Wahl ( § 14 Abs. 1 BetrVG). Sie werden nicht
119von "Kapitalisten“ bestellt, sie sind keine von "Kapitalisten“ geschaffene Einrichtung. Die Antragsgegnerin selbst
120ist nur aufgrund dieser freien, geheimen und unmittelbaren
121Wahl Mitglied des Betriebsrates geworden. Von ihr muß daher
122zuerst verlangt werden, daß sie dieses Amt, dem sie sich
123aus freien Stücken gestellt hat, nicht als eine von Kapitalisten geschaffene Einrichtung bezeichnet, sondern als
124eine demokratische Repräsentation der Arbeitnehmer des Betriebes.
125Sie kann daher auf einer Betriebsversammlung nicht Behauptungen in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsmitglied aufstellen, die objektiv nicht haltbar sind. Von einem Betriebsratsmitglied ist aber gerade zu erwarten, daß er die rechtlichen Grundlagen seiner Berufung in dieses Amt nicht
126in einer Form in Zweifel zieht, die seine Tätigkeit in diesem Amt überhaupt ohne tragfähige Grundlage erscheinen
127lassen.
128Darüber hinaus ist die Betriebsversammlung in ihrer vom Gesetzgeber gewollten Form kein Forum, auf dem einzelne Betriebsräte ihre kontroversen Auffassungen über die gesetzliche Regelung der Betriebsverfassung im grundsätzlichen, aber auch ihre unverkennbare und hartnäckige Gegnerschaft zur Mehrheit der Betriebsratsmitglieder im einzelnen in dieser abwertenden, beleidigenden Art vortragen können. Die Betriebsversammlung ist nach dem Willen
129des Gesetzgebers zum Zwecke der Repräsentation und vor allem der Information der Arbeitnehmerschaft durch den Betriebsrat gewollt. Dabei ist der Gegenstand der Informationen an die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung durch § 45 BetrVG abgesteckt. Der Aufgabenkreis einer Betriebsversammlung deckt sich mit dem Aufgabenbereich des Betriebsrates. Das bedeutet, daß Angelegenheiten, deren Behandlung die Zuständigkeit des Betriebsrates überschreiten würde, auch auf einer Betriebsversammlung nicht erörtert werden können (BAG AP Nr. 1 zu § 44 BetrVG 1952).
130Ein Betriebsratsmitglied, das auf einer Betriebsversammlung zur Belegschaft spricht, hat sich zuerst an diese Richtlinien, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, zu halten. Es kann nicht, auch nicht unter Berufung auf seine Meinungsfreiheit, die gesetzlichen Grundlagen der Betriebsverfassung angreifen. Das aber hat die Antragsgegnerin mit ihren Äußerungen getan.
131Darüber hinaus bedeutet es einen groben Verstoß gegen die der Antragsgegnerin obliegende Pflicht zur Zusammenarbeit innerhalb des Betriebsrates, wenn sie auf der Betriebsversammlung als Betriebsratsmitglied die anwesenden Arbeitnehmer auffordert, sie „sollten die Sache selbst in die Hand nehmen. Was wir als Rote Betriebsräte dabei machen können ist, euch zu unterstützen." Das, was die Antragsgegnerin als Betriebsrätin fordert, ist gerade die Auflehnung gegen die gesetzte Ordnung der Betriebsverfassung. Sie will eine "Trennungslinie" zwischen der Arbeitnehmerschaft des Betriebes und dem gewählten Betriebsrat ziehen.
132Diese von der Antragsgegnerin auf einer Betriebsversammlung vorgetragenen Auffassungen und ihre Aufforderungen an die Arbeitnehmerschaft, sich vom gewählten Betriebsrat abzuwenden, stellen eine grobe Verletzung ihrer gesetzlichen Pflicht als Betriebsratsmitglied dar. Sie allein würden ihren Ausschluß aus dem Betriebsrat rechtfertigen.
133Die Antragsgegnerin kann sich vor allem nicht darauf berufen, sie habe als „einfache“ Arbeitnehmerin des Betriebes zur versammelten Arbeitnehmerschaft gesprochen. Sie hat ausdrücklich und mehrfach hervorgehoben, daß das ihre Meinung als „Rote Betriebsrätin“ sei. Sie hat schon ihren Redebeitrag damit begonnen, daß sie auf der" Roten Liste" in den Betriebsrat gewählt worden sei und sie den Bericht
134Fortsetzen wolle, den ihr Kollegen F M (M von
135der „Roten Liste“) wegen Wortentzuges nicht zu Ende führen konnte.
136Daneben enthält der Redebeitrag aber auch eine Reihe grober Beleidigungen und ungerechtfertigter Angriffe gegen andere
137Betriebsratsmitglieder. Die Antragsgegnerin wirft ihren Betriebsratskollegen vor, sie ließen sich von den Kapitalisten durch " alle möglichen Vergünstigungen " bestechen, um die Arbeiterinteressen zu verraten. Ehemalige Betriebsräte brauchten daher auch nicht wieder zu arbeiten und sich die Finger dreckig zu machen, sie seien Betriebsratsangestellte geworden. Sie machten den Betriebsratskollegen den Vorwurf, sie hielten bewußt Angelegenheiten aus den Beratungen des Betriebsrates heraus, damit die „Roten Betriensräte " es gar nicht erfahren. Der Betriebsrat in seiner Mehrheit sei darauf aus, die Arbeitnehmerschaft " hinters Licht zu führen". Darüber hinaus habe der „Bund von Kapital, Betriebsrat und Gewerkschaftsapparat nur ein Ziel, uns (= Rote Betriebsräte) möglichst schnell wieder raus aus dem Betriebsrat und natürlich auch aus dem Betrieb“ zu haben.
138Ein unbefangener Dritter, wie ein einfacher Arbeitnehmer, der solche Ausführungen der Antragsgegnerin hört, muß den Eindruck gewinnen, der Betriebsrat der Firma K bestehe bis auf sie und den anderen " Roten Betriebsrat“ nur aus durch und durch von „Kapitalisten," also von der Firmenleitung bestochenen Mitgliedern, deren einziges Ziel es sei: die von ihm vertretene Arbeitnehmerschaft an die Kapitalisten zu „verkaufen". Dazu sei ihm offenbar jedes Mittel recht.
139Diese Angriffe gegen die anderen Betriebsratsmitglieder
140sind unhaltbar. Das weiß die Antragsgegnerin. Sie gebraucht demnach in verallgemeinender, böswilliger Form
141diese beleidigenden Äußerungen gegen ihre Kollegen im Betriebsrat. Die Mehrheit des Betriebsrates sieht darin mit Recht eine grobe Verletzung des auch für die Antragsgegnerin geltenden Gebotes der Fairneß. Es kann der Antragsgegnerin zugestanden werden, Mißstände innerhalb des Betriebsratskollegiums konkret zu rügen. Daran ist kein Anstoß zu nehmen. Sie kann aber in keinem Fall in dieser abwertenden Weise, ohne irgend-einen Unterschied in der Person zu machen die Arbeit des Betriebsrates insgesamt herabzuwürdigen.
142Ihr Redebeitrag auf der Betriebsversammlung vom November 1975 ist daher als eine grobe Verletzung ihrer gesetzlichen Pflichten nach § 23 BetrVG anzusehen, der den Ausschlußantrag rechtfertigt.
143bb)Im übrigen hat die Anhörung des Betriebsratsvorsitzenden B in der Sitzung vom 27.1.1977 nur das bestätigt, was die Antragsgegnerin schon in ihrem Redebeitrag auf der Betriebsversammlung hervorhob: „Ich glaube schon, daß wir ihre Arbeit behindern."
144B hat bei seiner Anhörung erklärt, die Antragsgegnerin und ihr Kollege F M lehnten eine vernünftige und konstruktive Mitarbeit mit der Mehrheit des Betriebsrates ab. Sie brächten keine sachlichen Vorschläge für die
145Arbeit im Betriebsrat. Ihnen gehe es in erster Linie darum, ihre abweichenden politischen Auffassungen darzulegen. B betonte, ihre Äußerungen über die übrigen Betriebsratsmitglieder, diese seien Arbeiterverräter, Kapitalistenknechte, korrupt und steckten mit der Geschäftsleitung unter einer Decke, machten eine Zusammenarbeit mit ihnen unmöglich.
146Der Betriebsratsvorsitzende hat damit nur das wiedergegeben, was die Antragsgegnerin schon in ihrem Redebeitrag auf der Betriebsversammlung hervorhob: Ihr geht es bei ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht in erster Linie um die Wahrnehmung der ihr nach dem Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Aufgaben. Ihr geht es um die Durchsetzung von Zielen, die mit dem Betriebsverfassungsgesetz nicht in Einklang stehen.
147Im Verhältnis zum Betriebsratskollegium, das in seiner Gesamtheit die Arbeitnehmerschaft des Betriebes repräsentiert, stellt diese Verletzung der Pflichten auch auf sachliche Zusammenarbeit innerhalb des Betriebsratskollegiums durch die Antragsgegnerin eine schuldhafte, rechtswidrige und auch grobe Verletzung ihrer gesetzlichen Pflichten als Betriebsratsmitglied dar.
148Aufgrund dieses Gesamtverhaltens der Antragsgegnerin bei der Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit ist nach alledem von groben Verstößen gegen ihre gesetzlichen Pflichten
149im Sinne des § 23 BetrVG auszugehen. Ihr Ausschluß aus dem Betriebsrat ist daher gerechtfertigt.
150Ihre Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluß war daher zurückzuweisen.
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