Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 3 Sa 274/96
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Arbeitsgerichts Essen vom 16.11.1995 - 3 Ca 2776/95 -
wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten um die Gewährung von Vergütung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NW (AWbG).Der Kläger ist bei der Beklagten als Programmierer beschäftigt. Seit dem 02.09.1991 besuchte er an den Gewerblichen Schulen der Stadt E. die Schule für Elektrotechnik mit dem Ziel des Abschlusses als "Staatlich geprüfter Elektrotechniker". Die schriftlichen Prüfungen fanden am 18., 19., 22., 23. und 24.05.1995, die mündliche Prüfung am 28.06.1995 statt. Hierfür machte der Kläger nach Voranfrage über den Betriebsrat Ende 1994 im März 1995 persönlich den Arbeitnehmerweiterbildungsurlaub geltend. Mit Schreiben vom 03.05.1995 lehnte die Beklagte eine Lohnzahlung für diesen Zeitraum ab. Dem Kläger wurde unbezahlter Urlaub gewährt.
3Mit der am 01.08.1995 bei dem Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage hat der Kläger Vergütung für sechs Tage mit insgesamt 1.092,10 DM brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, Prüfung und vorangegangene Lehrveranstaltung selbst seien unter Weiterbildungsgesichtspunkten als Einheit zu betrachten. Der Schulbesuch zur Erlangung des Abschlusses als "Staatlich geprüfter Elektrotechniker" diene fraglos der beruflichen Weiterbildung und sei nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz als förderungswürdig anzusehen. Hierbei könne die Anerkennung der Prüfungstage nicht von der tatsächlichen Dauer der vorangegangenen Weiterbildungsveranstaltung abhängig gemacht werden.
4Unter teilweiser Klagerücknahme bezüglich der für den 28.06.1995 geltend gemachten Vergütung hat der Kläger beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 910,08 DM brutto
6zu zahlen.
7Die Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, zum einen handele es sich bei einer Prüfung nicht um Weiterbildung im Sinne des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes, sondern lediglich um eine Wissensabfrage. Zum anderen handele es sich bei der Bildungsmaßnahme bereits im Hinblick auf ihre Dauer um eine solche, welche zeitlich nicht vom Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz erfaßt werde mit der Folge, daß alsdann auch die Prüfung selbst nicht förderungswürdig sein könne.
10Durch Urteil vom 16.11.1995 hat das Arbeitsgericht Essen die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Den Streitwert hat das Gericht auf 910,08 DM festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, Prüfung und Lehrveranstaltung müßten als einheitliche Bildungsmaßnahme mit der Folge betrachtet werden, daß die Veranstaltung von ihrer Dauer her nicht mehr dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz zuzuordnen sei.
11Gegen das ihm am 05.02.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 01.03.1996 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, dem Gericht am 20.03.1996 vorliegenden Schriftsatz begründet. Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens hält der Kläger an der Auffassung fest, die Dauer der vorangegangenen Weiterbildungsmaßnahme könne der Förderungswürdigkeit der Prüfungstage als solcher nicht entgegenstehen.
12Der Kläger beantragt,
13unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Essen
14vom 16.11.1995 - 3 Ca 2776/95 - an den Kläger 910,08 DM
15brutto zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht zudem geltend, die streitgegenständliche Bildungsmaßnahme habe keinen Bezug zum Beruf des Klägers als Programmierer.
19Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen werde auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen (§§ 523, 313 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG).
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21I.
22Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 16.11.1995 - 3 Ca 2776/95 - ist zulässig.Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 518 Abs. 1 u. 2 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und begründet worden (§§ 519 Abs. 2 u. 3 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG).
23II.
24In der Sache selbst konnte die Berufung des Klägers hingegen keinen Erfolg haben. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 910,08 DM brutto für fünf Prüfungstage im Mai 1995 gegen die Beklagte nicht zu, §§ 1, 3 Abs. 1, 7 AWbG. Die Berufungskammer folgt den Gründen des angefochtenen Urteils. Der Berufung ist es nicht gelungen, das erstinstanzlich gefundene Ergebnis zu erschüttern. In Ergänzung zu den Ausführungen der Vorinstanz und auf die Angriffe der Berufung ist folgendes festzustellen:
25Entgegen der Auffassung der Berufung handelt es sich bei den schriftlichen Prüfungstagen (18., 19., 22. bis 24.05.1995) nicht um eine die Vergütungspflicht aus § 7 AWbG auslösende berufliche Weiterbildung i.S. der § 1, 3 Abs. 1 AWbG.Grundsätzlich dient die Arbeitnehmerweiterbildung des § 1 Abs. 2 AWbG der beruflichen und politischen Weiterbildung sowie deren Verbindung. In Ermangelung einer Begriffsbestimmung, was als berufliche oder politische Weiterbildung zu gelten hat, liegt es an den Fachgerichten, bei thematisch umstrittenen Bildungsveranstaltungen zu erkennen, ob diese inhaltlich den gesetzten Zielvorgaben beruflicher bzw. politischer Weiterbildung entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 15.12.1987, NZA 88, 355 zu C II 2 d.G.). Mit dem Bundesverfassungsgericht ist ferner davon auszugehen, daß Arbeitnehmerweiterbildung im Unterschied zur Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes nicht primär beruflich orientiert ist. Überbetrieblich ausgerichtete Arbeitnehmerweiterbildung strebt die Verklammerung von beruflicher und politischer Weiterbildung an und dient primär der Persönlichkeitsentwicklung des Arbeitnehmers, hingegen weniger dem Erlernen konkret berufsbezogener Fertigkeiten und Kenntnisse (BVerfG, Beschluß vom 15.12.1987, ebenda).
26Vor diesem Hintergrund war zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Besuch der Schule für Elektrotechnik um eine mehrjährige Bildungsmaßnahme handelt, für die § 7 AWbG bereits vom zeitlichen Umfang her eine Freistellungs- und Vergütungspflicht gerade nicht bestimmt. Wenn gem. § 3 Abs. 1 AWbG ein "Anspruch auf Arbeitnehmerweiterbildung von fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr" besteht und gem. § 7 "für die Zeit der Arbeitnehmerweiterbildung" das Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist, so schließt dies nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut einen Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch für solche Schulungsmaßnahmen aus, welche sich außerhalb dieses Zeitrahmens bewegen. Dem Arbeitnehmer wird in § 7 AWbG gerade nicht freigestellt, sich etwa aus einer mehrjährigen Veranstaltung ein beliebiges einwöchiges Zeitsegment als Arbeitnehmerweiterbildungsurlaub mit entsprechender Vergütungspflicht herauszugreifen. Nichts anderes kann alsdann auch für die zeitlich unmittelbar nachfolgende Abschlußprüfung gelten.
27Soweit der Kläger mit der Berufung rügt, die Vorinstanz habe für die Nichtannahme einer Förderungswürdigkeit keine Begründung geliefert, kann dem nicht beigetreten werden. Unbeschadet von Zweckmäßigkeitserwägungen hat der Kläger umgekehrt weder darzulegen vermocht, aus welchem Grunde entgegen dem Gesetzeswortlaut auch eine mehrjährige Fortbildung "an sich" dem AWbG unterfällt und einen einwöchigen Vergütungsanspruch auszulösen vermag, noch, inwieweit gerade die Abschlußprüfung als förderungswürdiges "Zeitsegment" anzuerkennen und zu vergüten sein soll. Sieht man mit der Vorinstanz Weiterbildungsmaßnahme und sich unmittelbar anschließende Prüfung zutreffend als Einheit an (so auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.12.1992 - 18 Sa 1071/92 -), so kann die Prüfungszeit auch nicht einer gesonderten rechtlichen Beurteilung i.S. des § 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 AWbG unterzogen werden, sondern ist integierter Bestandteil der Bildungsmaßnahme in ihrer Gesamtheit und teilt damit ihr rechtliches Schicksal vor dem Hintergrund des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes. Anhaltspunkte für eine demgegenüber getrennt zu bejahende Förderungswürdigkeit der Prüfungstage als solche sind dem Gesetz nicht zu entnehmen, so daß unerörtert bleiben konnte, inwieweit überhaupt eine auf Wissensabfrage gerichtete Prüfungsmaßnahme als solche sich als "Weiterbildungsmaßnahme" darzustellen vermag, insbesondere die Überprüfung vorhandener Fähigkeiten und Kenntnisse deren Vermittlung i.S. des § 1 AWbG gleichgestellt werden kann.Schied ein Vergütungsanspruch des Klägers bereits in Anbetracht des zeitlichen Rahmens der Gesamtveranstaltung aus, so war für eine weitere inhaltliche Auseinandersetzung mit dem fast vierjährigen Besuch der Schule für Elektrotechnik unter dem Gesichtspunkt der beruflichen Weiterbildung i.S. des § 1 AWbG gegenüber beruflicher Fortbildung i.S. von § 46 Abs. 1 BBiG kein Raum.
28III.
29Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 16.11.1995 war demgemäß als unbegründet zurückzuweisen.
30Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels fallen gem. § 97 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 64 Abs. 6 ArbGG dem Kläger zur Last.
31IV.
32Gegen diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist für beide Parteien kein Rechtsmittel gegeben.Für die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, da dem vorliegenden Rechtsstreit weder eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden kann (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) noch die Voraussetzungen für eine Divergenzrevision ersichtlich sind (§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG).
33V.
34Rechtsmittelbelehrung:
35Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann von dem Kläger durch Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht angefochten werden.Hinsichtlich der Einzelheiten der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG hingewiesen.
36gez.: Dr. Westhoffgez.: Padberggez.: Gerhards
37( Dr. Westhoff )( Padberg )( Gerhards )
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