Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 5 (11) Sa 826/96
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Mönchengladbach vom 07.06.1995 - 5 Ca 1234/96 - teilweise
abgeändert:
a) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.305,80 brutto
nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus DM 1.104,-- brutto erge-
benden Nettobetrag seit dem 30.08.1994 sowie 4 % Zinsen aus
dem sich aus DM 201,80 brutto ergebenden Nettobetrag seit
dem 17.05.1995 zu zahlen.
b) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3, der
Beklagte zu 1/3.
3. Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger betriebliches Altersruhegeld zu zahlen.
3Der Kläger war vom 02.06.1955 bis zum 30.06.1978 bei der Firma B. KG (im folgenden KG genannt) beschäftigt. Die KG, als deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte fungierte, befaßte sich im wesentlichen mit der Herstellung von Schrauben.
4Nachdem der Kläger im Jahre 1978 aus den Diensten der KG ausgeschieden war, erhielt er aufgrund einer Direktversorgungszusage eine Betriebsrente in Höhe von zuletzt monatlich DM 92,-- brutto.
5Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, der den Parteien im übrigen aus mehreren Parallelrechtsstreiten bekannt ist, wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 07.06.1995 (Blatt 182 ff. der Akten) verwiesen, von dessen erneuter Darstellung gemäß § 543 Abs. 1 und 2 ZPO abgesehen werden konnte.
6Nach der Einstellung der Ruhegeldzahlungen durch die B.-GmbH im September 1993 hat der Kläger mit einer am 30.08.1994 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach anhängig gemachten Klage die Zahlung monatlicher Ruhegelder in Höhe von
7DM 92,-- brutto geltend gemacht.
8Der Kläger hat beantragt,
9den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.104,-- DM brutto nebst
104 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
11den Beklagten zu verurteilen, an ihn 828,-- DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Der Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er hat zunächst dem Pensions-Sicherungs-Verein in Köln und dem Konkursverwalter der B.-GmbH den Streit verkündet.
15Im übrigen hat er eine Nachhaftung für Verpflichtungen der KG in Abrede gestellt und vor allem gemeint, daß er nicht passiv legitimiert sei.
16Mit Urteil vom 07.06.1995 hat die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach
17- 5 Ca 1234/94 - die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, daß der Beklagte zwar passiv legitimiert sei, weil die zwischen den Parteien streitigen Ruhegeldverpflichtungen nicht auf die B.-GmbH übergegangen wären. Indessen fänden § 26 Abs. 1 HGB und § 159 HGB a. F. entsprechende Anwendung, so daß von einer zeitlich unbegrenzten Enthaftung des Beklagten ausgegangen werden müsse.
18Der Kläger hat gegen das ihm 07.08.1995 zugestellte Urteil mit einem am 31.08.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 28.09.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
19Der Kläger bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 28.05.1996 - 3 AZR 131/95 - und meint, daß der Beklagte hiernach zur Ruhegeldzahlung verpflichtet sei. Von einer Enthaftung nach §§ 26, 159 HGB a. F. könne jedenfalls nicht ausgegangen werden.
20Der Kläger beantragt,
21unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 3.588,00 brutto nebst 4 % Zinsen ab jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen.
24Der Beklagte bezieht sich ebenfalls auf die oben genannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts; er vertritt allerdings die Auffassung, daß seine Haftung entsprechend § 159 HGB a. F. seit dem 07.10.1994 entfallen sei.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
27A.
28Die Berufung des Klägers ist zulässig.
29Die Berufung des Klägers ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO i. V. m. § 249 Abs. 1 ZPO).
30B.
31In der Sache selbst hatte das Rechtsmittel des Klägers nur teilweise Erfolg.
32Der Beklagte ist gemäß §§ 161 Abs. 2, 128 HGB verpflichtet, dem Kläger Ruhegeldzahlungen für die Zeit vom 01.09.1993 bis einschließlich 06.10.1994 in Höhe von insgesamt DM 1.305,80 brutto nebst Zinsen zu gewähren. Für die Zeit danach kommt ihm eine Enthaftung in entsprechender Anwendung des § 159 HGB a. F. zugute.
33I.
34In Übereinstimmung mit dem Rechtsauffassungen der Parteien geht auch die Berufungskammer zunächst davon aus, daß der Beklagte als Komplementär der KG grundsätzlich für Verbindlichkeiten der später gelöschten Kommanditgesellschaft einzutreten hat. Diese Haftung ist auch nicht aufgrund des Fusionsvertrags mit der B.-GmbH auf diese übergegangen.
35Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner mehrfach genannten Entscheidung vom 28.05.1996 in der zu beurteilenden Parallelsache darauf verwiesen, daß die Rentenansprüche bereits ausgeschiedener ehemaliger Arbeitnehmer der KG weder durch Schuldübernahme nach §§ 414, 415 HGB noch durch einen Rechtsübergang gemäß § 613 a BGB auf die B.-GmbH übergeleitet worden sind. Desgleichen hat das Bundesarbeitsgericht eine Haftungsübernahme nach § 25 HGB verneint. Den Erwägungen des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts schließt sich die erkennende Kammer ausdrücklich an, zumal die Parteien in der Berufungsinstanz über die damit verbundenen Rechtstragen nicht mehr gestritten haben.
36In der Rechtsmittelinstanz ist zwischen den Prozeßparteien allein noch fraglich, ob der Beklagte sich auf eine Haftungsbegrenzung nach § 159 HGB a. F. berufen kann und ob diese sich auch auf die Ansprüche solcher Arbeitnehmer bezieht, die, wie der Kläger, schon vor dem Gesellschafterwechsel ausgeschieden sind. Beide Fragen sind von der Berufungskammer im Ergebnis bejaht worden.
371. Sie ist dabei von der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgegangen, wonach § 159 HGB a. F. in der damals geltenden Form die Interessen ausgeschiedener persönlich haftender Gesellschafter nicht ausreichend berücksichtige (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 19.05.1983 - II ZR 50/82 - AP Nr. 6 zu § 128 HGB; BGH, Urteil vom 19.05.1983 II ZR 207/81 - AP Nr. 7 zu § 128 HGB).
38Dem ist das Bundesarbeitsgericht in nachfolgenden Entscheidungen nur eingeschränkt gefolgt. Es hat allerdings eines Enthaftung des vormals persönlich haftenden
39Gesellschafters nur für den Fall abgelehnt, daß er auch weiterhin auf die Kommanditgesellschaft einen beherrschenden Einfluß hatte (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 28.11.1989 - 3 AZR 818/87 - EzA § 128 HGB Nr. 5; BAG, Urteil vom 24.03.1987
40- 3 AZR 384/95 - EzA § 25 HGB Nr. 1). In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Beklagten ist davon auszugehen, daß hiernach grundsätzlich seine Enthaftung auch hinsichtlich der streitbefangenen Ansprüche des Klägers zu bejahen ist.
41a. Der Beklagte war zwar im Anschluß an die Fusion der KG mit der B.-GmbH im Jahre 1980 zunächst als Geschäftsführer der GmbH tätig geworden, jedoch bereits zum 31.10.1981 aus diesem Amt wieder ausgeschieden. Die KG, deren einziger und persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte zwischenzeitlich geworden war, hatte alsdann am 27.11.1981 sowie am 19.12.1986 ihre verbliebenen Geschäftsanteile anderweitig veräußert. Hieraus folgt, daß der Beklagte weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage war, auf die Geschicke der B.-GmbH entscheidenden Einfluß auszuüben und deren Geschäftspolitik zu bestimmen.
42Selbst wenn man darüber hinaus seine Stellung als Alleingesellschafter der KG berücksichtigt, führt dies nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Die Geschäftsanteile der KG waren bis zum Jahre 1986 sukzessive an andere Unternehmen verkauft worden und es war im Jahre 1989 die Löschung der KG im Handelsregister eingetragen worden.
43Dies macht deutlich, daß auch der im Jahre 1993 eingetretene Konkurs der B.-GmbH nicht mehr auf irgendwie geartete Tätigkeiten des Beklagten zurückgeführt werden können, die seiner Enthaftung in rechtserheblicher Weise entgegenstehen könnten.
44b. Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, daß - anders, als in dem bisher vom BGH und vom BAG entschiedenen Fällen - der Beklagte im Grunde nicht aus der KG ausgeschieden war, sondern nach der Übertragung des Kommanditanteils des Dr. C. auf ihn als Einzelkaufmann weiter agiert hat. Dem Kläger ist Recht zu ge-
45ben, daß diese Fallkonstellation vom Wortlaut des § 159 HGB a. F. nicht ausdrücklich gedeckt wird und es demgemäß zweifelhaft erscheint, ob die hier zu diskutierenden Rechtsgrundsätze zur Anwendung kommen können. Indessen ist auch dies von der erkennenden Kammer bejaht worden.
46Ausschlaggebend erscheint dabei vor allem, daß der Beklagte auch in seiner Eigenschaft als Alleingesellschafter der KG nur noch seine Geschäftsanteile an der KG und ein dazugehöriges Grundstück verwaltete, ohne gewerblich tätig zu werden. Hieraus folgt einerseits, daß er nicht als Kaufmann nach § 1 HGB angesehen werden konnte (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 12.07.1987 - 3 AZR 197/85 - AP Nr. 9 zu § 161 HGB). Andererseits gilt auch hier das, was nach herrschender Meinung und Rechtsprechung zu einer Nachhaftungsbegrenzung im Sinne des § 159 HGB a. F. führt: Der Beklagte hatte jedenfalls keine Möglichkeit, auf die Geschäfte der B.-GmbH entscheidungserheblichen Einfluß zu nehmen, so daß die zur Nachhaftungsbegrenzung entwickelten Grundsätze ohne weiteres auf die geschilderte Situation des Beklagten zu übertragen sind.
472. Schließlich meint das Berufungsgericht, daß § 159 HGB a. F. auch dann anzuwenden ist, wenn - wie vorliegend - der die betriebliche Altersversorgung in Anspruch nehmende ehemalige Arbeitnehmer einer KG bereits vor dem Gesellschafterwechsel ausgeschieden war.
48a. Das Bundesarbeitsgericht hat die dargestellte Rechtsfrage in seiner Entscheidung vom 28.06.1995 wie auch in den Entscheidungen vom 24.03.1987 und 28.11.1989 (jeweils a. a. O.) ausdrücklich offengelassen.
49b. In Übereinstimmung mit den Darlegungen des Arbeitsgerichts in seinem erstinstanzlichen Urteil ist indessen davon auszugehen, daß auch dieser Fall keinen
50Anlaß bietet, von den oben entwickelten Grundsätzen abzuweichen. Dies ergibt sich im wesentlichen aus der gegenseitigen Interessenlage und aus Sinn und Zweck der Haftungsbegrenzung gemäß § 159 HGB a. F.
51Allerdings ist dem Kläger einzuräumen, daß er bis zu seinem Ausscheiden aus den Diensten der KG in der Tat nur einen einzigen Vertragspartner hatte, der für seine Rentenansprüche einstehen mußte, nämlich die KG selbst und als persönlich Haftender der Beklagte. Ihnen gegenüber hatte der Kläger seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen und ihnen gegenüber hatte er durch seine Arbeitsleistung - jedenfalls teilweise - die Gegenleistung für die ihm zugesagte betriebliche Altersversorgung erfüllt. Er durfte darauf vertrauen, daß entweder die KG oder der persönlich haftende Gesellschafter für seine späteren Ruhegeldansprüche eintreten würden, die im Rahmen irgendwie gearteter Betriebsübergänge auch nicht gemäß § 613 a BGB auf einen Erwerber übergehen würden.
52Damit war und ist die gesetzgeberische Wertung eindeutig: Den bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern sollte im Normalfall die Haftungsgrundlage in Form entweder der KG oder des persönlich haftenden Gesellschafters erhalten bleiben. Hieraus wiederum folgt, daß der persönlich haftende Gesellschafter einer KG im Regelfall nicht davon ausgehen darf, von seinen Ruhegeldverpflichtungen später einmal entlastet zu werden.
53Andererseits muß aber, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, für den vorliegenden Streitfall beachtet werden, daß Anlaß und Auswirkungen des Fusionsvertrages aus dem Jahre 1980 zu einer anderen rechtlichen Beurteilung und zu einer anderen Gewichtung der beiderseitigen Interessenlage führen. Zu beachten ist vor allem, daß durch die Überleitung der KG auf die B.-GmbH nicht beabsichtigt war, den bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern eine neue, ungesicherte Haftungsgrundlage für ihre Rentenansprüche zu bescheren. Wie sich aus dem Fusionsvertrag er-
54gibt, erfolgte die Überleitung auf die B.-GmbH vor allem deshalb, um im Interesse der Kundschaft als auch zur Erhaltung von Arbeitsplätzen eine Stärkung und damit eine Verbesserung der Haftungsgrundlage herbeizuführen. Dem entsprach, daß die B.-GmbH in den Folgejahren absprachegemäß die Zahlung der bereits fälligen Betriebsrenten übernahm. Schließlich ist von Bedeutung, daß eine derartige Leistungsübernahme im Überleitungsvertrag Beachtung gefunden haben muß und damit sicherlich zu einer Berücksichtigung bei der Festlegung der finanziellen Konditionen geführt hat. Weiter ist darauf zu verweisen, daß aus den Gesamtzusammenhängen in keiner Weise erkennbar wird, daß hiernach eine Enthaftung des Beklagten beabsichtigt war, um die bestehenden Ruhegeldverpflichtungen auf den Streithelfer abzuwälzen. Nimmt man schließlich - damit in Zusammenhang stehend - hinzu, daß zum späteren Konkurs der B.-GmbH weder eine zeitliche noch eine sachliche Verbindung bestand und daß dieser Konkurs durch den Beklagten wegen seiner fehlenden Einflußnahme nicht mitbeeinflußt werden konnte, so belegen diese Überlegungen, daß das Interesse des Beklagten an einer Enthaftung auch gegenüber den Arbeitnehmern überwiegt, die - wie der Kläger - bereits vor dem Gesellschafterwechsel ausgeschieden waren.
553. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 28.06.1995 hält auch die erkennende Kammer daran fest, daß die 5-Jahres-Frist erst mit der Eintragung der Löschung der KG am 07.10.1989 zu laufen begonnen hat.
564. Dementsprechend war der Beklagte zur Erfüllung der klägerischen Ruhegeldansprüche bis zum 07.10.1994 zu verurteilen. Im übrigen waren die Klage und die Berufung zurückzuweisen.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die Zinsen ergeht nach §§ 284, 288 BGB.
58Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Revision zugelassen.
59RECHTSMITTELBELEHRUNG:
60Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
61REVISION
62eingelegt werden.
63Die Revision muß
64innerhalb einer Notfrist von einem Monat
65nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
66Bundesarbeitsgericht,
67Graf-Bernadotte-Platz 5,
6834119 Kassel,
69eingelegt werden.
70Die Revision ist gleichzeitig oder
71innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
72schriftlich zu begründen.
73Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
74(Göttling) (Grosse) (Schuh)
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