Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 11 (7) Sa 415/97
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 04.02.1997 - 6 Ca 3364/96 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger war seit dem 01.01.1971 bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund schrift-
3lichen Arbeitsvertrages vom 31.10.1988, auf dessen Wortlaut ausdrücklich Bezug genommen wird, war der Kläger seit dem 01.10.1988 als Bereichsleiter des Abteilungsbereichs Beteiligungen tätig. Aufgrund Ziffer 1 Abs. 2 dieses Vertrages, der auch einen anderweitigen Einsatz des Klägers innerhalb des Konzerns ermöglichte, wurde er ab Oktober 1992 als Geschäftsführer der Firma H. GmbH eingesetzt. Im Februar 1995 erfolgte seine Abberufung von dieser Position. Bis Ende 1995 zahlte die Firma H. GmbH noch die Bezüge des Klägers. Nach seiner Abberufung als Geschäftsführer dieser Firma wollte der Kläger wissen, wo er nachfolgend innerhalb des Konzerns der Beklagten eingesetzt werde. Die Gespräche zwischen den Parteien über seine Weiterbeschäftigung führten zu keinem Ergebnis. Schließlich kam man überein, sich einvernehmlich zu trennen. Im Aufhebungsvertrag vom 20./21.12.1995 heißt u.a.:
4Der Anstellungsvertrag zwischen Herrn I. und K. vom 31.10.1988 endet auf Veranlassung von K. einvernehmlich zum 31.12.1995.
5K. zahlt an Herrn I. für den Verlust des sozialen Be- sitzstandes eine Abfindung in Höhe von DM 500.000,00 brutto, welche gem. den einschlägigen Bestimmungen zu versteuern ist. Die Ab- findung wird zum 15.01.1996 fällig und ausgezahlt.
6Herrn I. stehen K. unverfallbare Versorgungsansprüche gemäß der Leistungsordnung A des Essener Verbandes zu. Herr I. ist beim Essener Verband in der Gruppe O 1 der Leistungsordnung A mit dem Höchstendbetrag gemeldet. Bei der In- anspruchnahme von Leistungen gemäß der Leistungsordnung A des Essener Verbandes wird Herr I. so gestellt, als sei er am 31.12.1995 25 Dienstjahre beim Essener Verband gemeldet gewesen.
7....
8Die H. GmbH, K. und Herr I. sind sich darin einig, daß mit Erfüllung der vorstehenden Vereinbarung keine An- sprüche aus Vertragsverhältnissen - ausgenommen unverfallbare Ver- sorgungsansprüche - mehr bestehen mit Ausnahme der Verpflichtung von Herrn I., Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse von Unter- nehmen des K.-H.-Konzerns auch zukünftig geheimzuhalten.
9Herr I. erklärt hiermit ferner, daß ihm mit der Erfüllung der vorstehenden Vereinbarung keine Ansprüche aus Anstellungs- und Dienstverhältnissen gegen Unternehmen des K.-H.-Konzerns mehr zustehen.
10Mit seiner beim Arbeitsgericht Essen eingereichten und der Beklagten am 10.09.1996 zugestellten Klage macht der Kläger u.a. für die Monate Januar bis September 1996 ein Übergangsgeld der Leistungsordnung A des Essener Verbandes für Anmeldungen bis zum 31.12.1988 i.d.F. vom 01.01.1992 (künftig: LO EV A ) geltend. Dieses Übergangsgeld beziffert er mit DM 2.384,85 monatlich, was der Hälfte des ihm laut Bescheid des Essener Verbandes vom 31.05.1996 unter C. Ziffer 5 c) als mögliche monatliche Versorgung für das Lebensalter 65 genannten Betrags von DM 4.769,70 monatlich entspricht. Zusätzlich möchte der Kläger mit seiner Klage festgestellt
11wissen, daß er beim Tode oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Gewährung der vollen in Betracht kommenden Leistungen auf der Grundlage von 25 Dienstjahren hat.
12Für das Begehren des Klägers ist § 6 LO EV A einschlägig. Dort heißt es unter der Überschrift Übergangsregelung bei Kündigung durch das Mitglied :
13(1) Kündigt das Mitglied einem Angestellten, der mit Ablauf der Kündi- gungsfrist das 50. Lebensjahr vollendet hat, vom Tage der Anmel- dung an mindestens 10 Jahre ununterbrochen bei demselben Mit- glied tatsächlich verbracht und keinen Grund zu einer fristlosen Ent- lassung gesetzt hat, und dem für den Verlust des Arbeitsplatzes Leistungen von anderer Stelle nicht gewährt werden, wird
14a) beim Ausscheiden die Hälfte des Ruhegeldes gewährt, das der An- gestellte beziehen würde, wenn er mit Ablauf der Kündigungsfrist in den Ruhestand versetzt worden wäre, und zwar so lange er jeweils keine zumutbare Tätigkeit ausübt oder ausüben kann (Übergangs- geld),
15b) beim Tode oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres die volle je- weils in Betracht kommende Leistung auf der Grundlage der mit Ab- lauf der Kündigungsfrist zu berücksichtigenden Dienstjahre gewährt; sofern der Angestellte Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres in voller Höhe in Anspruch nimmt, erfolgt auf seinen Wunsch eine vorzeitige Zahlung der Leistung unter Anwendung der Kürzungsbestimmung des § 3 Abs. 7.
16Diese Leistungen vermindern sich gegebenenfalls um die Leistungen aus Ansprüchen nach Teil II.
17(2) Eine zumutbare Tätigkeit liegt vor, wenn das Jahreseinkommen aus beruflicher Tätigkeit das 12fache des jeweiligen vollen Betrages der Gruppe übersteigt, zu der der Angestellte angemeldet war.
18Der Kläger hat geltend gemacht:
19Auf § 6 LO EV A könne er sich gemäß Ziffer 7 Abs. 1 seines Arbeitsvertrages, dem Abschnitt II der Versorgungszusagen (Anlage 1 zum Dienstvertrag zwischen der Firma H. GmbH und ihm vom 07./09.06.1993) sowie auf Ziffer 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages vom 20./21.12.1995 berufen.
20Soweit § 6 Abs. 1 LO EV A für die Zahlung des Übergangsgeldes eine Kündigung seitens des Arbeitgebers voraussetze, müsse der Abschluß eines Aufhebungsvertrages auf Veranlassung des Arbeitgebers der Kündigung gleichgesetzt werden. Durch den Hinweis auf die Leistungsordnung A in Ziffer 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrages sei klargestellt, daß ihm eben auch das Übergangsgeld habe zustellen sollen.
21Der Kläger hat beantragt,
221. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 21.463,65 nebst 4 % Zin- sen seit dem 12.06.1996 zu zahlen;
232. die Beklagte zu verurteilen, an ihn an jedem ersten eines Monats DM 2.384,85 nebst 4 % Zinsen seit diesem Tage beginnend mit dem 01.10.1996 zu zahlen;
243. festzustellen, daß er gemäß § 6 Abs. 1 b) der Leistungsordnung A des Essener Verbandes vom 01.01.1992 beim Tode oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Ge- währung der vollen in Betracht kommenden Leistungen auf der Grundlage von 25 Dienstjahren hat.
25Die Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Die Beklagte hat die Ansicht vertreten:
28Dem Anspruch des Klägers stehe u.a. die Ausgleichsklausel unter Ziffer 5 des Aufhebungsvertrages entgegen. Übergangsgeld zähle nicht zu den Versorgungsan-
29sprüchen, die von Ausgleichsklauseln ausdrücklich ausgenommen worden seien. Der Kläger könne bei seinem Tode oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres keine ungekürzte Rente für sich in Anspruch nehmen. Dies würde nämlich dazu führen, daß ihm nicht nur - wie in der Aufhebungsvereinbarung geregelt - 25 anrechenbare Dienstjahre fiktiv zugerechnet würden, sondern auch, daß eine Quotierung nach Maßgabe des § 2 BetrAVG bzw. des § 11 LO EV A nicht stattfinden würde.
30Dieses Ansinnen stünde dem in der Aufhebungsvereinbarung benutzten Begriff der unverfallbaren Versorgungsansprüche entgegen, der unmißverständlich auf
31§ 2 BetrAVG bzw. § 11 LO EV A reflektiere. Im übrigen scheitere der Anspruch aus den gleichen Gründen wie der auf das Übergangsgeld.
32Mit seinem am 04.02.1997 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Essen die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
33Der Anspruch auf Zahlung eines Übergangsgeldes scheitere jedenfalls an der in Ziffer 5 der Aufhebungsvereinbarung vom 20./21.12.1995 enthaltenen Ausgleichsklausel. Das Übergangsgeld sei nämlich nicht als unverfallbarer Versorgungsanspruch einzuordnen und damit auch nicht von der Ausgleichsklausel ausgenommen. Denn wie die Regelung in Ziffer 2 Abs. 3 der Aufhebungsvereinbarung, in der ebenfalls der Begriff unverfallbare Versorgungsansprüche verwandt worden sei, zeige, seien mit den Versorgungsansprüchen nur die Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung gemäß der LO EV A gemeint gewesen.
34Der Feststellungsantrag sei deshalb unbegründet, weil er mit der unter Ziffer 2 der Aufhebungsvereinbarung getroffenen Regelung nicht in Einklang zu bringen sei. Außerdem würde die Leistungsordnung A selbst in § 11 eine ratierliche Kürzung der Ansprüche auf Altersruhegeld vorsehen.
35Gegen das ihm am 10.03.1997 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Essen hat der Kläger mit einem beim Landesarbeitsgericht am 07.04.1997 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 29.04.1997 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
36Der Kläger, der nunmehr auch das Übergangsgeld für Oktober 1996 verlangt, macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend:
37Nach dem Sinn und Zweck der Regelung, dem Arbeitnehmer von einem bestimmten Dienst- und Lebensalter an für den Fall einer von ihm nicht zu vertretenden Beendigung des Dienstverhältnisses eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit zu bieten, sei die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 LO EV A auch dann anwendbar, wenn es zu einer einvernehmlichen Beendigung des Anstellungsverhältnisses komme. Vorliegend habe die Beklagte ihn zum Abschluß des Aufhebungsvertrages veranlaßt, da sie, obwohl er mehrfach um die Zuweisung einer Tätigkeit gebeten habe, keine Einsatzmöglichkeit mehr für ihn gehabt habe. Im Hinblick darauf, daß mit dem Übergangsgeld nach § 6 Abs. 1 Ziffer 1 lit. a) LO EV A ein Versorgungszweck erreicht werden solle, handele es sich bei ihm um eine Versorgungsleistung, die in Ziffer 2 der Aufhebungsvereinbarung vom 21.12.1995 ausdrücklich vereinbart und von der Ausgleichsklausel in Ziffer 5 ausgenommen worden sei. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei auch sein auf § 6 Abs. 1 lit. b) LO EV A gestützter Feststellungsbegehren begründet. Er erfülle die Voraussetzungen des ersten Teils des § 6 Abs. 1 LO EV A und habe deshalb den in § 6 Abs. 1 lit. b) LO EV A normierten ungekürzten Anspruch auf Versorgungsleistungen im Rentenalter.
38Der Kläger beantragt,
39unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Essen vom 04.02.1997 - 6 Ca 3364/96 -
401. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 23.848,50 nebst 4 % Zin- sen aus dem sich aus DM 21.463,65 ergebenden Nettobetrag seit dem 12.06.1996 sowie 4 % Zinsen aus dem sich aus DM 2.384,85 ergebenden Nettobetrag seit dem 01.10.1996 zu zahlen;
412. festzustellen, daß er gem. § 6 Abs. 1 b) der Leistungsordnung A des Essener Verbandes vom 01.01.1992 beim Tode oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Gewährung der vollen in Betracht kommenden Leistung auf der Grundlage von 25 Dienstjahren hat.
42Die Beklagte beantragt,
43die Berufung zurückzuweisen.
44Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist nochmals darauf hin, daß die Berufung jedenfalls deshalb erfolglos sei, weil sowohl für den Leistungs- als auch für den vom Kläger noch geltend gemachten Feststellungsantrag Voraussetzung nach § 6 Abs. 1 LO EV A eine arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei. Hieran fehle es aber gerade im Streitfall.
45Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
46E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
47A.
48Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 518 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG,
49§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) begründet worden.
50B.
51Die Berufung ist jedoch unbegründet. Denn das Arbeitsgericht hat zu Recht das
52Klagebegehren des Klägers, soweit es in die Berufungsinstanz gelangt ist, abgewiesen.
53I.
54Die Leistungsklage ist unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob sich der Kläger
55überhaupt arbeitsvertraglich auf die Übergangsregelung des § 6 LO EV A
56berufen kann und ob, wie es die Vorinstanz mit durchaus vertretbarer Begründung angenommen hat, ein etwaiger Anspruch des Klägers aufgrund der in Ziffer 5 der Aufhebungsvereinbarung enthaltenen Ausgleichsklausel erloschen ist. Jedenfalls fehlt die grundlegende Voraussetzung für das vom Kläger geforderte Übergangsgeld, nämlich die von § 6 Abs. 1 erster Teil LO EV A geforderte arbeitgeberseitige Kündigung.
571. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit ihrem Zugang an den Gekündigten das Arbeitsverhältnis entweder mit sofortiger Wirkung für die Zukunft (außerordentliche Kündigung) oder nach Ablauf der gesetzlichen bzw. tarif-/einzelvertraglichen Kündigungsfrist (ordentliche Kündigung) beendet (vgl. Kasseler HB/Isenhardt, 1997, Abschn. 1.3 Rz. 1; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., 1995 Rz. 1). Dagegen wird das Arbeitsverhältnis bei einem Aufhebungsvertrag durch übereinstimmende Willenser-
58klärung der Parteien zu dem von ihnen vereinbarten Zeitpunkt beendet (vgl. BAG v. 24.11.1988 - 6 AZR 243/87 - EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 45; BAG 30.01.1997
59- 6 AZR 847/95 - EzA § 4 TVG Abfindung Nr. 2). Im Streitfall ist das Arbeitsverhältnis durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien, nämlich durch die Aufhebungsvereinbarung vom 20./21.12.1995 zum 31.12.1995, beendet worden.
602. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers gebieten jedenfalls dann nicht Sinn und Zweck der in § 6 Abs. 1 LO EV A getroffenen Regelung die Ausweitung
61auf einen Aufhebungsvertrag, wenn dieser zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes mit der Zahlung einer Abfindung an den Arbeitnehmer verbunden ist.
62a) Nach § 6 Abs. 1 lit. a) LO EV A wird das Übergangsgeld für den Verlust eines Arbeitsplatzes nach Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlt. Die Zahlung wird nicht durch ein biologisches Ereignis wie das Erreichen der Altersgrenze oder die Invali- dität ausgelöst, sondern durch den Verlust des Arbeitsplatzes. Die Leistung wird nach § 6 Abs. 1 lit. a) LO EV A nur so lange gewährt, wie der Arbeitnehmer keine andere zumutbare Tätigkeit ausübt oder ausüben kann. Die Leistung wird somit nur übergangsweise , nämlich bis zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses, gezahlt (BAG v. 26.04.1988 - 3 AZR 411/86 - § 7 BetrAVG Nr. 25; vgl. auch BAG v. 10.08.1993 - 3 AZR 69/93 - EzA § 1 BetrAVG Nr. 66). Anlaß und Grund des in § 6 Abs. 1 lit. a) LO EV A geregelten Übergangsgeldes ist somit neben der arbeitgeberseitigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Vollendung des
6365. Lebensjahres die darauf beruhende Arbeitslosigkeit (BAG v. 26.04.1988
64- 3 AZR 411/86 - a.a.O.).
65b) Wie nicht zuletzt die Begrenzung der Zahlung des Übergangsgeldes auf die Zeit der Arbeitslosigkeit zeigt, soll das Übergangsgeld die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen finanziellen Nachteile ausgleichen und damit dem Arbeitnehmer eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit bieten (vgl. BGH v. 23.10.1975 - II ZR 90/73 - DB 1975, 2313, 2315). Demselben Zweck dient, zumindest teilweise, eine wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist an den Arbeitnehmer gezahlte Abfindung seitens des Arbeitgebers.
66aa) Eine Abfindung, die nach Maßgabe der §§ 9, 10 KSchG durch Gerichtsurteil
67zuerkannt wird, ist ein vermögensrechtliches Aquivalent für den Verlust des Arbeits-
68platzes und hat somit Entschädigungsfunktion ( BAG v. 25.06.1987 - 2 AZR 504/86 -
69EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 23; BAG v. 20.02.1997 - 6 AZR 760/95 - NZA 1997, 834, 836). Im Falle einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses verliert sie zwar diesen Charakter nicht, stellt aber gleichzeitig auch eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einwilligung des Arbeitnehmers in die Auflösung des Arbeitsverhältnisses dar, durch die von vornherein eine gerichtliche Auseinandersetzung über eine u.U. ansonsten ausgesprochene Arbeitgeberkündigung vermieden wird (vgl. BAG v. 25.06.1987 - 2 AZR 504/86 - a.a.O.). Da bei der Bemessung der Höhe der Abfindung nach § 10 KSchG u.a. die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die damit verbundene zu erwartende Dauer der Arbeitslosigkeit bzw. die Aussicht auf eine neue Stelle eine Rolle spielen (vgl. BAG v. 10.12.1996 - 1 AZR 290/96 - EzA § 111 BetrAVG 1972 Nr. 34) dient eine nach § 9, 10 KSchG durch Gerichtsurteil zuerkannte Abfindung, wie das Übergangsgeld nach § 1 Abs. 1 lit. a) LO EV A , auch dazu, die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen wirtschaftlichen Nachteile abzumildern. Nichts anders gilt für eine im Rahmen eines Aufhebungsvertrages vereinbarte Abfindung.
70bb) Der Umstand, daß die Abfindung auch die mit der Arbeitslosigkeit verbundenen finanziellen Nachteile ausgleichen soll, hat der Gesetzgeber durch die am 01.04.1997 in Kraft getretene Regelung des § 115 a AFG, die am 01.01.1998 durch
71§ 140 SGB III abgelöst wird, verdeutlicht. Danach wird der überwiegende Teil einer aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß derartige Abfindungen im wesentlichen einen Ausgleich für den Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes und die sich daraus (möglicherweise) ergebende Arbeitslosigkeit beinhalten und es dem Arbeitnehmer deshalb zuzumuten ist, einen Teil dieser Entlassungsentschädigung für seinen Lebensunterhalt zu verbrauchen und insoweit nicht die Bundesanstalt für Arbeit zu belasten (vgl. BT-Druck 13/4941 S. 238). Verfolgt aber das nach § 6 Abs. 1 lit. a) LO EV A an eine arbeitgeberseitige Kündigung geknüpfte Übergangsgeld denselben Zweck wie eine in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung, ist überhaupt kein Grund dafür ersichtlich, die Regelung in § 6 Abs. 1 lit. a) LO EV A auf einen Aufhebungsvertrag mit Abfindungszahlung zu übertragen.
72c) Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis folgt nicht aus der von ihm zitierten Rechtsprechung.
73aa) Das gilt zunächst für das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.10.1975
74- II ZR 90/73 - DB 1975, 2313 ff.). In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof die in der damals zu beurteilenden Leistungsordnung des Bochumer Verbandes enthaltene, auf eine Kündigung beschränkte Regelung eines Übergangsgeldanspruchs auf den Fall übertragen, daß ein befristeter Anstellungsvertrag endete, weil eine automatische Vertragsverlängerung aufgrund aktienrechtlicher Vorschriften ausschied (vgl. BGH v. 23.10.1975 - II ZR 90/73 - DB 1975, 2313, 2315). Diese Fallgestaltung kann schon deshalb nicht mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Aufhebungsvertrages verglichen werden, weil der Arbeitnehmer auch bei ihr, wie bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung, aber anders als beim Aufhebungsvertrag, keinerlei Einfluß auf die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses hat.
75bb) Auch die vom Kläger gezogene Parallele zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zahlung einer Sozialplanabfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag verfängt nicht. Bei ihr geht es um die Frage, ob es mit § 75 BetrVG vereinbar ist, wenn die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Ansprüchen auf eine Abfindung in einem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 S. 2 BetrAVG unterscheiden zwischen Arbeitnehmern, denen infolge der Betriebsänderung gemäß § 111 BetrAVG gekündigt worden ist und solchen, die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet haben. Diese Frage wird vom Bundesarbeitsgericht bejaht, es sei denn, daß die Eigenkündigung oder der Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber veranlaßt worden ist (vgl. nur BAG v. 19.07.1995 - 10 AZR 885/94 - EzA § 112 BetrAVG 1972 Nr. 82).
76Auf diese Rechtsprechung kann sich aber der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil er auf die Abfindungszahlung in einem Aufhebungsvertrag anders als in einem Sozialplan, der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen wird, Einfluß hat, also nicht, wie bei einem Sozialplan durch § 75 BetrVG noch besonders geschützt werden muß.
77II.
78Der auf § 6 Abs. 1 lit. b) LO EV A gestützte Feststellungsantrag des Klägers ist
79ebenfalls unbegründet. Dies folgt schon daraus, daß die Anspruchsvoraussetzungen für das Übergangsgeld nach § 6 Abs. 1 lit. a) LO EV A und das ungekürzte Ruhegeld nach § 6 Abs. 1 lit. b) LO EV A identisch sind, wie der für beide Regelungen
80geltende erste Teil des § 6 Abs. 1 LO EV A zeigt. Am Fehlen einer arbeitgeberseitigen Kündigung scheitert deshalb auch der mit dem Feststellungsantrag verfolgte Anspruch des Klägers auf ungekürztes Ruhegeld im Todesfalle bzw. nach Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 6 Abs. 1 lit. b) LO EV A .
81C.
82Die Kosten der Berufung waren gemäß § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6
83S. 1 ArbGG dem Kläger aufzuerlegen.
84Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
85RECHTSMITTELBELEHRUNG
86Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger
87REVISION
88eingelegt werden.
89Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
90Die Revision muß
91innerhalb einer Notfrist von einem Monat
92nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
93Bundesarbeitsgericht,
94Graf-Bernadotte-Platz 5,
9534119 Kassel,
96eingelegt werden.
97Die Revision ist gleichzeitig oder
98innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
99schriftlich zu begründen.
100Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
101Dr. Vossen Klingebiel Dresen
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