Beschluss vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 18 TaBV 101/96
Tenor
Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats
wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf
vom 14.11.1996 - 9 BV 85/96 - abgeändert:
Es wird festgestellt, daß der Spruch der Einigungs-
stelle vom 19.06.1996 zur Einführung und zum
Betrieb von Telefonvermittlungsanlagen des Typs
HICOM unwirksam ist.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2Arbeitgeberin und Antragsgegnerin des Verfahrens ist eine Bank mit 47 einzelnen Betrieben im gesamten Bundesgebiet, in denen jeweils ein Betriebsrat gewählt worden ist. Von den 47 Betriebsräten haben 35 den antragstellenden Gesamtbetriebsrat beauftragt, mit der Arbeitgeberin über eine Betriebsvereinbarung zur Einführung und zum Betrieb von Telefonvermittlungsanlagen des Typs HICOM zu verhandeln. Im Rahmen des sich anschließenden Einigungsstellenverfahrens legten in der Sitzung vom 19.06.1996 sowohl der Gesamtbetriebsrat als auch der Arbeitgeber einen eigenständigen Entwurf vor. Zunächst wurde der Entwurf des Gesamtbetriebsrates zur Abstimmung gestellt, worauf drei Stimmen für die Annahme dieses Entwurfes abgegeben wurden. Eine Gegenabstimmung erfolgte nicht. Alsdann wurde der Entwurf der Arbeitgeberin zur Abstimmung gestellt mit dem Ergebnis, daß hierfür ebenfalls drei Stimmen abgegeben wurden.
3Nachdem eine weitere Beratung nicht gewünscht wurde, wurde der Entwurf der Arbeitgeberseite nochmals zur Abstimmung gestellt und erhielt vier Zustimmungen.
4Entscheidender Streitpunkt im Rahmen der Verhandlungen war insbesondere die Regelung über Dienstgespräche in § 7. Dieser lautet wie folgt:
5§ 7
6Dienstgespräche
7 8(1) Dienstgespräche sind alle eingehenden und ausgehenden Ge-
9spräche, die ein/e Beschäftigte/r in Erfüllung des ihm/ihr obliegenden Aufgaben nach seinem/ihrem Arbeitsvertrag führt. Die Kosten der Dienstgespräche trägt die Bank.
10(2) Für alle ausgehenden Dienstgespräche werden die folgenden
11Einzeldaten erfaßt und zur weiteren Verarbeitung gespeichert:
12- die Nummer der anrufenden Nebenstelle mit zugehöriger
13Kostenstelle,
14- die angerufene Nummer (Vorwahl, Ortsnetzkennzahl und
15Rufnummer),
16- das Datum des geführten Telefonats (Monat, Tag, Uhrzeit),
17- die Dauer der geführten Telefonats in Zeiteinheiten,
18- die Anzahl der entstandenen Gebühreneinheiten und
19- die für das Telefonat entstandenen Kosten.
20(3) Die nach Abs. 2 gespeicherten Telefondaten dürften von der
21Bank zu betrieblichen und wirtschaftlichen Zwecken, insbesondere zur betrieblichen Telefonkostenoptimierung in sich dem Wettbewerb öffnenden Telekommunikationsmarkt verarbeitet werden. Dabei werden die Daten nicht mehr nebenstellenbezogen, sondern auf Amtsleitungen anonymisiert gespeichert und weiterverarbeitet. Für die Speicherung und die Verarbeitung der anonymisierten Telefondaten gibt es weder eine inhaltliche noch eine zeitliche Grenze. Eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG wird mittels dieser Datenspeicherung und -verarbeitung nicht vorgenommen.
22(4) Die nach Abs. 2 gespeicherten Telefondaten dürfen von der
23Bank außerdem zur Kostenkontrolle und zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der Beschäftigten gespeichert und verarbeitet werden. Zu diesem Zweck werden von den gespeicherten Telefondaten Ausdrucke erstellt, die bezogen auf jede Nebenstelle eine monatliche Aufaddierung der entstandenen Gebühren sowie der Gebühreneinheiten und die Anzahl der geführten Telefonate enthalten. Diese monatlichen Ausdrucke werden jeweils den kostenverantwortlichen Vorgesetzten als vertrauliche Mitteilungen übermittelt. Sofern ein/e berechtigte/r Empfänger/in dieser Ausdrucke eine monatliche Auswertung beanstandet, erhält er/sie einen Ausdruck mit sämtlichen nach Abs. 2 gespeicherten Telefondaten als streng vertrauliche Mitteilung. Dieser Ausdruck ist nach der für den/die kostenverantwortliche/n Vorgesetzte/n befriedigenden Klärung des beanstandeten Sachverhaltes endgültig zu vernichten.
24(5) Wird ein Ausdruck mit sämtlichen nach Abs. 2 gespeicherten
25Telefondaten zur Kosten-, Leistungs- oder Verhaltenskontrolle,
26so hat der/die Vorgesetzte ein Mitglied des örtlichen Betriebsrates hinzuzuziehen, und er/sie kann eine/n Beschäftigte/n der Personalabteilung beteiligen.
27(6) Die nach Abs. 2 gespeicherten Telefondaten sind nach Ablauf
28einer mit der Speicherung beginnenden Frist von 3 Monaten endgültig zu löschen.Spätestens einen Monat nach Ablauf der vorgenannten Frist sind alle von den nach Abs. 2 gespeicherten Telefondaten angefertigten Ausdrucke zu verzichten. Die Speicherung und Verarbeitung der anonymisierten Telefondaten nach Abs. 3 bleibt hiervon unberührt.
29Nach § 1 des Spruchs der Eingungsstelle gelten die darin enthaltenen Regelungen für alle Beschäftigten der Bank, soweit diese Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG sind. Sie gilt für alle Filialen, Betriebe und organisatorische Einheiten im Rahmen der Zuständigkeit des GBR.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Spruchs der Einigungsstelle vom 19.06.1996 wird auf die zu den Akten gereichte Kopien (Bl. 37 bis 57 d. A.) Bezug genommen.
31Der begründete Spruch der Einigungsstelle ist beim Gesamtbetriebsrat am 25.06.1996 eingegangen.
32Mit seinem am 05.07.1996 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Antrag hat der Gesamtbetriebsrat diesen Spruch angefochten.
33Zunächst hat der Gesamtbetriebsrat die Auffassung vertreten, bereits die erste durchgeführte Abstimmung habe - mangels Gegenstimme der Arbeitgeberseite - zu einer Annahme des Vorschlages des Gesamtbetriebsrates geführt. Die weiteren Abstimmungen und damit auch der Spruch seien daher rechtsfehlerhaft.
34In der Sache ist der Gesamtbetriebsrat der Meinung gewesen, der Spruch sei nicht unter angemessener Berücksichtigung der Belange der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen getroffen worden.
35Nach dem durch Art. 2 Abs. 2 GG vorgegebenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien lediglich solche Eingriffe und nur solche Überwachungsmöglichkeiten des einzelnen Arbeitnehmers zulässig, die vom Sinn und Zweck des Arbeitsverhältnisses her als erforderlich einzuordnen seien. Die allgemeinen Möglichkeiten einer Überwachung, ohne daß hierfür ein konkreter Anlaß bestehe, entsprächen nicht mehr dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Durch die Verlagerung der Arbeiten vom Schalterverkehr zur Telekommunikation sei das Telefon ein immer wichtiger werdendes Hilfsmittel. Durch den Spruch unterliege der Kundendienstberater de facto ganztägig einer Kontrolle.
36Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt
37festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 09.06.1996 zur Einführung und zum Betrieb von Telefonvermittlungsanlagen des Typs HICOM unwirksam ist.
38Die Arbeitgeberin hat beantragt,
39den Antrag zurückzuweisen.
40Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Spruch der Einigungsstelle berücksichtige die Interessen der Arbeitnehmer in angemessener Weise, weil er lediglich eine abgestufte Kontrollmöglichkeit vorsehe. Bei jährlichen Telefonkosten von ca. 2,5 Millionen DM müsse insbesondere in bezug auf die Erfassung von Dienstgesprächen das allenfalls am Rande berührte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers zurücktreten. Die vom Gesamtbetriebsrat angestrebte Beschränkung der Kontrolle auf anlaßbezogene Überprüfungen und dies auch nur für die Zukunft sei nicht geeignet, den Sinn und Zweck einer Überprüfung des korrekten Einsatzes der Telefonanlage sicherzustellen.
41Durch Beschluß vom 14.11.1996 hat die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf (9 BV 85/96) den Antrag zurückgewiesen.
42In den Gründen ist das Arbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, daß ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gegeben sei, für dessen Ausübung der antragstellende Gesamtbetriebsrat zuständig sei. Es müsse eine gleichmäßige Behandlung aller Unternehmensangehörigen erreicht werden.
43In der Sitzung vom 19.06.1996 sei entgegen der Auffassung des Gesamtbetriebsrates nicht bereits sein Vorschlag angenommen worden. In der Stimmabgabe für den Arbeitgebervorschlag durch die Vertreter der Arbeitgeberin liege konkludent die Ablehnung des Vorschlages des Gesamtbetriebsrates.
44Ein Ermessensfehler läge nicht vor. § 7 des Spruches berücksichtige die Interessen der Arbeitnehmer in ausreichendem Maße, weil er u. a. die Hinzuziehung eines Betriebsratsmitgliedes bei Vornahme der Kontrolle verlangt und die Löschung der Daten nach drei Monaten anordnet. Auch das in § 13 Abs. 2 des Spruchs enthaltene Verbot einer automatischen Verknüpfung von nebenstellenbezogenen Daten aus der Telefonanlage mit Daten aus anderen Dateien zum Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle diene dem Schutz der Arbeitnehmer.
45Auch § 8 des Spruchs sei nicht rechtswidrig. Grundsätzlich sei der Arbeitgeber befugt zu kontrollieren, ob dienstlich veranlaßte Privatgespräche geführt bzw. ob sie zu Recht geführt werden. Sie erfolgten nämlich regelmäßig während der Arbeitszeit und wurden auch vom Arbeitgeber bezahlt. Wollte der Arbeitnehmer eine Kontrolle verhindern, könne er ein reines Privatgespräch führen. Ferner werde die gewählte Nummer um die letzten drei Stellen gekürzt und dem Mitarbeiter der Ausdruck der Gespräche an Telefondaten vorher mitgeteilt.
46§ 9, der die Erfassung von Privatgesprächen regelt, sei ebenfalls wirksam, weil die dort vorgesehene Speicherung der angerufenen Nummern nur dem Mitarbeiter zugänglich gemacht wird, damit dieser die Richtigkeit der ihm übermittelten Rechnung überprüfen kann.
47Die Arbeitgeberin dürfe lediglich die aufgelaufenen Zeiteinheiten verarbeiten, wenn ein begründeter Anlaß zur Kontrolle bestehe.
48Gegen den ihm am 09.12.1996 zugestellten Beschluß hat der Gesamtbetriebsrat mit einem am 31.12.1996 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 29.01.1997 vorliegenden Schriftsatz begründet.
49Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens wendet sich der Gesamtbetriebsrat gegen den angefochtenen Beschluß. Er wiederholt, daß gegen den Spruch der Einigungsstelle sowohl formelle als auch materielle Bedenken bestünden.
50Auf entsprechende Gelegenheit durch die erkennende Kammer hat der Gesamtbetriebsrat im zweiten Rechtszug die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle habe außerhalb ihrer Zuständigkeit gehandelt.
51Der Gesamtbetriebsrat beantragt,
52den Beschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.11.1996,
53Az.: 9 BV 85/96 abzuändern und festzustellen, daß der Spruch
54der Einigungsstelle vom 19.06.1996 zur Einführung und zum
55Betrieb von Telefonvermittlungsanlagen des Typs HICOM unwirk-
56sam ist.
57Die Arbeitgeberin beantragt,
58die Beschwerde zurückzuweisen.
59Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens hält die Arbeitgeberin den angefochtenen Spruch für rechtswirksam.
60Der Gesamtbetriebsrat sei für die Verhandlungen originär zuständig gewesen.
61Ebenso wie bei einem System der elektronischen Datenverarbeitung spreche die technische Notwendigkeit der einheitlichen Ausgestaltung auch einer Telefonanlage regelmäßig für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates. Die Installation der in Rede stehenden Telefonanlagen solle sicherstellen, daß sämtliche Daten über bankinterne Telefonströme sowie das Telefonaufkommen vorliegen. Nur über ein arbeitgeberweit eingeführtes vernetztes einheitliches Telefonsystem könne sichergestellt werden, daß die anonymisierten Daten bankweit aufbereitet und verarbeitet werden könnten. Diese beabsichtigte zentrale Netzsteuerung und Kostenüberwachung sei zwingend nur dann möglich, wenn in sämtlichen Einheiten einheitliche Telefonanlagen installiert seien, deren Konfiguration einheitlich ausgerichtet sei.
62Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
63II.
64Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrates gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.11.1996 - 9 BV 85/96 - ist zulässig.
65Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 87 Abs. 2 S. 1, 89 Abs. 2 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und rechtzeitig begründet worden (§§ 87 Abs. 2 S. 1, 89 Abs. 2 S. 2 ArbGG).
66Richtigerweise hat der Gesamtbetriebsrat auch gemäß § 2 a Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 ArbGG das Beschlußverfahren als Verfahrensart gewählt, da es sich bei der Anfechtung eines Spruchs der Einigungsstelle um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz handelt.
67Zutreffend hat der Gesamtbetriebsrat seinen Antrag auf die begehrte Feststellung gerichtet und nicht etwa auf die Aufhebung des Einigungsstellenspruchs. Denn die gerichtliche Entscheidung hat nur feststellende und keine rechtsgestaltende Wirkung (vgl. nur Bundesarbeitsgericht, Beschluß v. 27.10.1992 - 1 ABR 4/92, AP Nr. 29 zu § 95 BetrVG 1972 = EzA § 95 BetrVG 1972 Nr. 26 = DB 1993 S. 885 = NZA 1993 S. 607).
68Der Zulässigkeit des Antrages steht auch nicht entgegen, daß der antragstellende Gesamtbetriebsrat im Laufe des Verfahrens selbst von seiner eigenen Unzuständigkeit bezüglich des ergangenen Spruchs ausgeht. Der Gesamtbetriebsrat stützt sein Begehren auf einen Ermessensfehlgebrauch durch die Einigungsstelle und nicht auf seine Unzuständigkeit. Diese Argumentation bindet allerdings das Gericht nicht. Gemäß § 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG erforscht das Gericht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Eine Bindung an die von einem Beteiligten in das Verfahren eingebrachten rechtlichen Erwägungen existiert nicht. Vielmehr ist das Gericht nicht daran gehindert, seine Entscheidung auf rechtliche Erwägungen zu stützen, die von den Beteiligten nicht als maßgeblich angesehen werden. Weder im Urteils- noch insbesondere im Beschlußverfahren gehören die Rechtsansichten einer Partei zum Streitgegenstand.
69Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrates ist begründet. Unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ist auf den Antrag des Gesamtbetriebsrates die Rechtsunwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle vom 19.06.1996 festzustellen.
70 71Der Spruch der Einigungsstelle vom 19.06.1996 unterliegt insoweit einer umfassenden Rechtskontrolle, als es z. B. um die fehlende Zuständigkeit der Einigungsstelle geht (vgl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 76 Rdnrn. 71 u. 75 m. w. N.).
72Der Spruch der Einigungsstelle vom 19.06.1996 ist in dem vorgenannten Sinne rechtswidrig, da die Einigungsstelle, die den Spruch gefällt hat, nicht zuständig war.
73Die Einigungsstelle wurde gebildet zur Beilegung eines Streites zwischen dem antragstellenden Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeberin in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit. In diesem Streitfall war jedoch der Gesamtbetriebsrat nicht zuständig.
74Grundsätzlich findet die Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen vor Ort im Betrieb statt. Das Betriebsverfassungsgesetz knüpft - wie bereits der Name aussagt - an den Betriebsbegriff an; im Betrieb werden Betriebsräte gewählt, die Betriebsvereinbarungen abschließen. Für die Wahrnehmung der dem Betriebsrat kraft Gesetzes eingeräumten Beteiligungsrechte ist daher originär der - örtliche - Betriebsrat zuständig.
75Von diesem Grundsatz enthält § 50 zwei Ausnahmen. Gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 ist der Gesamtbetriebsrat zuständig für die Behandlung von Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Zum anderen kann auch nach § 50 Abs. 2 jeder einzelne Betriebsrat mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder den Gesamtbetriebsrat beauftragen, eine Angelegenheit für ihn zu behandeln.
76Eine derartige Beauftragung haben vorliegend nur 35 von insgesamt 47 gewählten Betriebsräten vorgenommen. Der Gesamtbetriebsrat kann daher seine Kompetenz nicht aus § 50 Abs. 2 S. 1 BetrVG ableiten.
77Etwas anderes könnte möglicherweise dann gelten, wenn die durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene Gesamtbetriebsvereinbarung lediglich in denjenigen Betrieben zur Geltung kommen sollte, deren Betriebsrat den Gesamtbetriebsrat beauftragt hat.
78Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach ihrem § 1 Abs. 1 soll die Gesamtbetriebsvereinbarung für alle Beschäftigten der Bank gelten, soweit es sich um Arbeitnehmer/innen im Sinne des § 5 BetrVG handelt.
79Sie soll ferner räumlich für alle Filialen, Betriebe und organisatorische Einheiten im Rahmen der Zuständigkeit des GBR gelten.
80Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin liegt in dem Zusatz im Rahmen der Zuständigkeit des GBR keine Einschränkung in dem Sinne, daß nur solche Betriebe davon erfaßt sein sollen, deren Betriebsrat den Gesamtbetriebsrat mit der Führung der Verhandlungen beauftragt hat. Der Passus im Rahmen der Zuständigkeit des GBR bezieht sich nicht auf die Zuständigkeit des GBR in dem konkreten Verfahren, das zu gerade dieser Betriebsvereinbarung geführt hat; vielmehr wird aus dem Zusammenhang klar, daß die allgemeine Zuständigkeit des GBR gemeint ist, daß mithin die Gesamtbetriebsvereinbarung im gesamten Unternehmen der Arbeitgeberin gelten soll. Nur diese Auslegung wird zum einen dem sprachlichen Zusammenhang gerecht. Zum anderen streitet entscheidend hierfür, daß nach § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG jede Betriebsvereinbarung normativ und zwingend gilt. Hieraus folgt, daß für die Normadressaten eindeutig ersichtlich sein muß, ob und ggf. welchen Normen sie unterworfen sind. Vorliegend ergibt sich weder aus der Gesamtbetriebsvereinbarung selbst noch aus anderen Umständen, welche Betriebsräte den Gesamtbetriebsrat beauftragt haben, so daß für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den einzelnen Betrieben in keiner Weise klar wäre, ob diese Gesamtbetriebsvereinbarung für und gegen sie überhaupt zur Anwendung gelangt.
81Diese Auslegung wird auch durch die historische Entwicklung gestützt. Weder in dem vorangegangenen Gerichtsverfahren über die Einrichtung der Einigungsstelle noch in dem gesamten Einigungsstellenverfahren bishin zu dem Spruch vom 19.06.1996 wurde die Kompetenz des Gesamtbetriebsrates zur Verhandlungsführung diskutiert. Es bestand daher gar keine Veranlassung, den Aspekt der nur eingeschränkten Verhandlungskompetenz in irgendeiner Weise aufzugreifen und zum Gegenstand der Gesamtbetriebsvereinbarung zu machen.
82Der antragstellende Gesamtbetriebsrat ist auch nicht originär zuständig für die streitbefangene Materie.
83Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Gesamtbetriebsrat für eine Angelegenheit zuständig, wenn der örtliche Betriebsrat objektiv oder subjektiv außerstande ist, das Mitbestimmungsrecht auszuüben, das heißt, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder jedenfalls betriebsübergreifende Regelung besteht. Die bloße Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Regelung reicht aber nicht aus. Auch das Verlangen des Arbeitgebers kann eine einheitliche Regelung nur dann notwendig machen, wenn der Arbeitgeber allein unter dieser Voraussetzung zu der regelungsbedürftigen Maßnahme bereit ist und insoweit mitbestimmungsfrei entscheiden kann. Dagegen kann der Arbeitgeber nicht schon dadurch die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründen, daß er bei seiner mitbestimmungspflichtigen Entscheidung eine betriebsübergreifende Regelung verlangt. Ebensowenig können Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat gemeinsam die Zuständigkeit der einzelnen Betriebsräte abbedingen, denn die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung ist zwingend (BAG, zuletzt Beschluß v. 30.08.1995 - 1 ABR 4/95, EzA § 87 BetrVG 1972 Kontrolleinrichtung Nr. 21 unter B I 2 b) m. w. N. aus der Senatsrechtsprechung).
84Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall dazu, es bei der Originärzuständigkeit der örtlichen Betriebsräte zu belassen. Diese können im Rechtssinne bei der Einführung und Ausgestaltung der Telefonanlage ihr Mitbestimmungsrecht selbst wahrnehmen.
85Die von der Arbeitgeberin herangezogene Rechtsprechung, die sich auf Datenverarbeitungssysteme bezieht, ist weder einschlägig noch mit der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbar.
86Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, daß nur über ein arbeitgeberweit eingeführtes vernetztes einheitliches Telefonsystem sichergestellt werden könne, daß die anonymisierten Daten der bankinternen Telefonkosten bankweit aufbereitet und verarbeitet werden können, vermag die erkennende Kammer dem nicht zu folgen. Die Ermittlung der Telefonkosten pro Betrieb setzt keineswegs ein vernetztes einheitliches Telefonsystem voraus. Wie auch der Spruch der Einigungsstelle zeigt, erfolgt die weitere Verarbeitung der erfaßten Telefondaten nicht automatisch, sondern aufgrund von entsprechenden Ausdrucken.
87Die mögliche bankinterne Telekommunikation entweder über eigene geschlossene Netze oder über die Nutzung eines bzw. mehrerer konkurrierender Netzbetreiber setzt keineswegs voraus, daß identische Telefonanlagen in den einzelnen Betrieben installiert sind. Soweit in diesem Zusammenhang die Arbeitgeberin geltend macht, dies sei nur möglich, wenn in sämtlichen Einheiten einheitliche Telefonanlagen installiert seien, deren Konfiguration einheitlich ausgerichtet sei, so ist dieses Argument zum einen technisch nicht nachvollziehbar. Zum anderen streitet entscheidend hiergegen, daß nach dem Spruch der Einigungsstelle gerade keine einheitliche Konfiguration der Telefonanlage in den jeweiligen Betrieben existiert. Nach § 2 Abs. 2 des Spruchs werden für jede örtliche Telefonanlage in Filialen, Betrieben oder sonstigen organisatorischen Einheiten der Bank ein individueller Konfigurationsplan und eine individuelle Auflistung der tatsächlichen Leistungsmerkmale erstellt. Diese Leistungsmerkmale der örtlichen Anlage sollen dem GBR und dem örtlichen Betriebsrat lediglich mitgeteilt werden. Die Konfiguration und die Leistungsmerkmale müssen sich lediglich im Rahmen der vorgegebenen Maximalkonfiguration (Anlage 1 zum Spruch) und der Auflistung der Leistungsmerkmale (Anlage 2 zum Spruch der Einigungsstelle vom 19.06.1996) halten. Auch § 3 Abs. 1 des Spruchs sieht grundsätzlich sogar die Möglichkeit einer Änderung des Maximalkonfigurationsplanes oder der Leistungsmerkmale vor.
88Bereits hieraus folgt zwingend, daß gerade nicht von einer einheitlichen Konfiguration und damit gerade nicht von einheitlichen Telefonanlagen gesprochen werden kann. Damit geht auch der Hinweis der Arbeitgeberin ins Leere, daß durch eine unterschiedliche Ausgestaltung der Systeme vor Ort unterschiedliche Verarbeitungsstandards erreicht würden, die die Aussagekraft der in der Hauptverwaltung gewonnenen Ergebnisse verbesserten und damit ihre Verwertbarkeit deutliche minderten bzw. unmöglich machten.
89Soweit die Arbeitgeberin ferner als Zweck einen EDV-mäßig verarbeitbaren kompatiblen Datenbestand in der Hauptverwaltung in Düsseldorf anspricht, ist dies für die erkennende Kammer nicht nachvollziehbar. Es fehlt an genaueren Angaben, welcher Datenbestand konkret in der Hauptverwaltung verarbeitet werden soll und insbesondere, inwiefern es an dessen Kompatibilität fehlen würde, wenn Aufgabenstellung, Zielsetzung und Einsatz der ausgewählten Telefonvermittlungsanlagen des Typs HICOM dem Mitbestimmungsrecht des jeweils örtlichen Betriebsrates unterfielen.
90Selbst wenn aus technischen Gründen erforderlich sein sollte, daß in sämtlichen Betrieben der Arbeitgeberin eine einheitliche Telefonanlage oder jedenfalls Telefonanlagen eines bestimmten Herstellers installiert werden müßten, würde sich hieraus noch nicht die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates für sämtliche Regelungen der Nutzung der Telefonanlage ergeben. Aus einem (unterstellten) originären Mitbestimmungsrecht bezüglich der Entscheidung, welche Telefonanlage konkret zum Einsatz kommen soll, folgt keineswegs das Mitbestimmungsrecht bezüglich des wie der konkreten Nutzung im täglichen Arbeitsablauf.
91Vorliegend kommt dies insbesondere dadurch sehr deutlich zum Ausdruck, daß in dem Spruch nicht einmal genau geregelt ist, in welcher Konfiguration jeweils die Telefonanlage zum Einsatz kommen soll. Gerade diesen, nach Ansicht der Arbeitgeberin maßgeblichen Punkt läßt der Spruch weitestgehend ungeregelt.
92Demgegenüber finden sich minutiöse Regelungen über die Nutzung der Anlage, was Dienstgespräche, dienstlich veranlaßte Privatgespräche und Privatgespräche (§§ 7 bis 9) angeht. Im Hinblick auf diese konkrete Ausgestaltung des Einigungsstellenspruchs kann nicht davon gesprochen werden, daß die Nutzungsregelungen lediglich einen zwangsläufigen Annex zu der Hauptfrage des ob der Einführung der HICOM-Anlagen darstellten.
93Dabei ist im Ausgangspunkt klar, daß nicht nur die Ausgestaltung der konkreten Konfiguration in dem jeweiligen Betrieb unterschiedlich sein wird (und ohne daß dem Betriebsrat hierbei ein Mitbestimmungsrecht zustehen soll), sondern auch, daß insbesondere die Nutzungsmöglichkeiten mit ihren Auswirkungen durchaus in den einzelnen Betrieben aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen und unterschiedlicher Gegebenheiten unterschiedlich geregelt werden können. Es ist keineswegs zwingend, daß die in den §§ 7 bis 9 enthaltenen Regelungen in allen Betrieben zur Anwendung gelangen müssen. Abweichungen sind zumindest denkbar, so daß es schon aus diesem Grund bei Originärzuständigkeit der örtlichen Betriebsräte verbleiben muß.
94III.
95Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Einzelbetriebsrat und Gesamtbetriebsrat.
96RECHTSMITTELBELEHRUNG
97Gegen diesen Beschluß kann von dem Beschwerdeführer
98RECHTSBESCHWERDE
99eingelegt werden.
100Für die weiteren Beteiligten ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
101Die Rechtsbeschwerde muß
102innerhalb einer Notfrist von einem Monat
103nach der Zustellung dieses Beschlusses schriftlich beim
104Bundesarbeitsgericht,
105Graf-Bernadotte-Platz 5,
10634119 Kassel,
107eingelegt werden.
108Die Rechtsbeschwerde ist gleichzeitig oder
109innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
110schriftlich zu begründen.
111Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
112(Dr. Bommermann) (Steuernagel) (Paschy)
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