Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 11 Sa 164/97
Tenor
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 04.12.1996 - 3 Ca 1796/96 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.
Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, das Gehalt des Klägers mit Wirkung vom Januar 1996 um monatlich 3 % zu erhöhen.
3Am 19.06.1985 schloß der Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Westfälischen Berggewerkschaftskasse (künftig: WBK) in Bochum mit Wirkung vom 01.08.1985 einen Anstellungsvertrag auf Probe sowie einen Ergänzungsvertrag. Ausweislich des mit der WBK am 04.05.1988 geschlossenen Anstellungsvertrages für hauptberufliche Lehrer an Ersatzschulen wurde der Kläger als hauptberuflicher Lehrer an der Bergberufsschule West auf Lebenszeit angestellt und in die Planstelle Nr. 21 des nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EFG aufgestellten Stellenplanes der vorgenannten Schule eingewiesen. Nach § 1 Abs. 3 dieses Vertrages war der Kläger ab dem 01.08.1988 berechtigt, die Berufsbezeichnung Studienrat i. E. zu führen. Außerdem heißt es in § 3 dieses Vertrages, der insoweit wörtlich dem § 3 des Anstellungsvertrages vom 19.06.1995 entspricht, u. a.:
4Die Dienstbezüge werden nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Bestimmungen errechnet, die für vergleichbare Landesbeamte gelten.
5Herr K. wird entsprechend der Besoldungsgruppe A 12 Bundesbesoldungsordnung in der jeweils geltenden Fassung eingestuft.
6Ebenfalls am 04.05.1988 schloß der Kläger mit Wirkung vom 01.08.1988 einen Ergänzungsvertrag zum Anstellungsvertrag als hauptberuflicher Lehrer, der u. a. folgende Regelung enthält:
7§ 1
8Unabhängig von der Einstufung in die Besoldungsgruppe nach § 3 des Anstellungsvertrages als hauptberuflicher Lehrer erhält Herr K. ein Bruttogehalt in Höhe von z. Z.
94.950,00 DM/Monat
10(in Worten viertausdendneunhundertfünfzig),
11das monatlich im voraus und bargeldlos gezahlt wird.
12§ 2
13Mit diesen Bezügen ist die gesamte Tätigkeit für die WBK, einschließlich der höheren Anforderungen, die der Schulträger an die Lehrer stellt, abgegolten.
14Über die Gehälter der Lehrer im Ersatzschuldienst bestand bei der WBK eine Betriebsvereinbarung vom 29.01.1982, die mit Wirkung vom 01.01.1986 durch die Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986 abgelöst wurde. Dort ist unter Ziffer 4 auszugsweise bestimmt:
154.1
16Allgemeine Gehaltsüberprüfungen
17Die Gehälter der Lehrer werden - wie die der AT-Angestellten der WBK - in der Regel jährlich daraufhin überprüft, ob eine allgemeine Gehaltsanpassung unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung und der wirtschaftlichen Lage der Mitgliedswerke vorzunehmen ist. Sollte WBK beabsichtigen, in einem Jahr von einer allgemeinen Anpassung der Gehälter abzusehen, sind die Gründe hierfür vor einer abschließenden Entscheidung dem Gesamtbetriebsrat zu erläutern.
184.2
19Individuelle Gehaltsüberprüfung
20...
21In einer Mitteilung der Geschäftsführung der WBK an den Gesamtbetriebsrat vom 24.04.1986 heißt es unter Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986:
221.
23Die Geschäftsführung hat nicht die Absicht, die abgeschlossene WBK-Gehaltsregelung für hauptberufliche Lehrkräfte von der AT-Bezahlung der Mitgliedsunternehmen abzukoppeln.
242.
25Kriterien für die Einstufung von Spitzenkräften in die Sonderstufe 6 der Gehaltsgruppen LR 50, LR 70, FL 20 und FL 30 werden im Anschluß an die Betriebsvereinbarung durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe erarbeitet und dann angewendet.
263.
27Alle Fachlehrer in der Bezahlung nach A 11 25 % sowie entsprechender BAT-Einstufung erhalten ab 01.04.1986 eine nichtruhegehaltsfähige Stellenzulage von DM 200,--/Monat. Diese erhöht sich im Einzelfall zwei Jahre nach Erreichen der Endstufe um DM 100,-- auf DM 300,--/Monat. Eine positive Entscheidung des Kultusministers zur Beförderung von A 11 nach A 12 ersetzt diese WBK-Sonderregelung ersatzlos.
28Im Jahre 1990 wurden drei bisher selbständige Organisationen des Bergbaus, nämlich der Steinkohlenbergbauverein mit der Bergbauforschung GmbH in Essen, die WBK in Bochum sowie die Versuchsgrubengesellschaft mbH in Dortmund zu einer einheitlichen Organisation der deutschen Montantechnologie für Bürostoffe, Energie, Umwelt e.V. (DMT) zusammengefaßt. Mitglieder dieses Vereins, der die Funktion einer Holding hat, sind die Steinkohlenbergbauunternehmen (Ruhrkohle AG, Saarbergwerke AG u. a.). Unter dem Dach des Vereins DMT gibt es zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, und zwar die DMT-Gesellschaft für Forschung und Prüfung mbH (DMT-FP) und die DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH (DMT-LB), nämlich die Beklagte. Diese ist aus der früheren WBK durch Umwandlung gemäß
29§ 59 UmwG entstanden.
30Mit wirtschaftlicher Wirkung vom 01.01.1983 brachte der DMT e. V. seine Geschäftsanteile an der Beklagten in die neugegründete C. AG ein. Aktionäre dieser Firma sind der RWTÜV e. V. mit 59 %, der TÜV Thüringen e. V. mit 2 % und der DMT e.V. mit 39 %. Als Holding strukturierte die C. AG die Aktivitäten der Tochtergesellschaften RWTÜV Anlagentechnik GmbH, DMT-Gesellschaft für Forschung und Prüfung mbH, RWTÜV Fahrzeug GmbH, der Beklagten und über die Tochtergesellschaft INDUS GmbH zahlreiche weitere Beteiligungsgesellschaften im In- und Ausland. In 97 Gesellschaften werden rund 6.000,-- Mitarbeiter beschäftigt. Als Vereinsmitglied des DMT e.V., der wiederum Aktionär der CUBIS AG ist, bezuschußt die Ruhrkohle AG (RAG) die drei von der Beklagten betriebenen Ersatzschulen.
31Entgelterhöhungen für die Mitarbeiter der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erfolge(t)en so, daß zunächst Tarifverhandlungen zwischen ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und der Gewerkschaft Bergbau und Energie zur Fortschreibung des Haustarifes für Arbeiter und tarifgebundene Angestellte durchgeführt werden bzw. wurden. Nach dem Abschluß finden bzw. fanden zwischen der Gewerkschaft Bergbau und Energie und der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin Verhandlungen über die Gehälter der AT-Angestellten statt. Nach Abschluß dieser beiden Entgeltrunden entscheidet bzw. entschied die Beklagte bzw. ihrer Rechtsvorgängerin über die Erhöhung der Gehälter der Lehrer. Zweitinstanzlich hat die Beklagte u. a. Beschlußvorlagen der WBK vom 29.09.1987 sowie 21.12.1988 sowie Auszüge ihrer Geschäftsführersitzung vom 12.09.1994 und 18.03.1996 vorgelegt. Auf den Inhalt dieser Urkunden wird ausdrücklich Bezug genommen.
32Die Entscheidung der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin wird bzw. wurde durch eine allgemeine Gehaltstabelle für die Lehrer verlautbart. Zugleich erhalten bzw. erhielten die einzelnen Lehrer eine entsprechende Mitteilung der Beklagten bzw. der WBK. Auf die von der Beklagten bereits in erster Instanz überreichten Schreiben an den Kläger vom 25.08.1986, 26.10.1987, 28.02.1989, 30.01.1990, 23.03.1991, 21.04.1992 sowie 20.01.1995 wird ausdrücklich Bezug genommen.
33In den Jahren seit 1986 erhielten der Kläger und die übrigen bei der WBK bzw. bei der Beklagten beschäftigten Lehrer Gehaltserhöhungen um denselben prozentualen Betrag, wie ihn die AT-Angestellten der RAG bezogen. Am 25.03.1993 kam es aufgrund der schwierigen Absatzlage bei der RAG nicht zur prozentualen Einkommensverbesserungen, sondern zu einer Arbeitszeitverkürzung durch die Gewährung von zusätzlichen Freischichten. Am 20.12.1993 erfolgten ein Einkommensverzicht von
346 % bis zum 31.12.1995 zur Vermeidung von betriebsbedingten Entlassungen und die
35Gewährung von zusätzlichen Freischichten. Am 14.07.1994 gab es bei der RAG aufgrund verbesserter Absatzlage im Tarifbereich die teilweise Umwandlung von Freischichten in Geld. Für den AT-Bereich vereinbarte man, daß mit dem 01.06.1996 die Freischichten und die Einkommenssenkung entfallen und sich die Gehälter auf der Basis vom 01.03.1992 um 5 % erhöhen. Die Gehälter der Lehrer wurden während dieses Zeitraums von der Beklagten per 01.01.1995 um 2 % angehoben.
36Im Jahre 1996 forderte der von den Lehrkräften gebildete Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Kläger zur Zeit ist, die Beklagte bereits vor Beginn der Entgeltverhandlungen zwischen ihr und der Gewerkschaft Bergbau und Energie auf, die Gehälter der Lehrer entsprechend den Gehaltserhöhungen der AT-Angestellten der RAG anzuheben. Mit Schreiben vom 16.02.1996 antwortete die Beklagte, ihrer Auffassung nach bestehe keine derartige Verpflichtung, insbesondere würde die Absichtsmitteilung vom 24.04.1986 keine zwingende Koppelung an das AT-Gehaltssystem der RAG enthalten. Zugleich erklärte sie, sie widerrufe vorsorglich die Absichtserklärung vom 24.04.1986 mit sofortiger Wirkung.
37Bei der Beklagten wurden die Tarifverhandlungen ausweislich des Informationsblatts der IG Bergbau und Energie vom 29.02.1996 u. a. mit folgendem Ergebnis abgeschlossen: Pauschale Zahlung von DM 300,-- im Mai 1996, Erhöhung des Weihnachtsgeldes um pauschal DM 200,--, drei zusätzliche persönliche Freischichten, sowie Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen. Ein Abschluß für die AT-Angestellten der Beklagten erfolgte am 15.03.1996, nach dem Informationsblatt der IG Bergbau und Energie vom 18.03.1996 mit dem Inhalt, daß drei zusätzliche persönliche Freischichten gewährt werden, die Jahressonderleistung von DM 6.000,-- auf DM 6.500,-- erhöht wird und keine betriebsbedingten Kündigungen im Jahre 1996 ausgesprochen werden.
38Am 18.03.1996 beschloß die Geschäftsführung der Beklagten, für 1996 eine Anpassung der Lehrergehälter vorzunehmen. Danach erhalten die hauptberuflichen Lehrer eine pauschale Zulage zum Weihnachtsgeld in Höhe von DM 500,-- sowie drei persönliche Freischichten, wegen derer die Beklagte in ihrem Schreiben an den Kläger vom 19.03.1996 auf § 4 der Betriebsvereinbarung über Arbeitszeit für die hauptberuflichen Lehrkräfte an den Bergberufsschulen vom 22.01.1988 verwies.
39Mit seiner der Beklagten am 28.06.1996 zugestellten Klage verlangt der Kläger, der seit dem 01.01.1995 ein Monatsbruttogehalt von DM 8.050,-- und seit dem 01.08.1996 ein solches in Höhe von DM 8.280,-- bezieht, für die Monate Januar bis Mai 1996 einschließlich eine Gehaltsdifferenz von monatlich DM 230,-- brutto, die er bezogen auf den Stand 01.01.1996 wie folgt errechnet:
40DM 8.230,-- (Stand 01.03.1992 DM 7.840,-- 5 %) abzüglich DM 8.000,-- (Stand 01.03.1992 DM 7.840,-- 2 %). Außerdem begehrt der Kläger, insoweit in Abänderung gegenüber seinem in der Klageschrift formulierten Verlangen, die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn für Juni und Juli 1996 ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von DM 8.230,-- sowie ab August 1996 ein solches in Höhe von DM 8.530,-- zu zahlen.
41Der Kläger hat die Auffassung vertreten:
42Wegen der bisher vorgenommenen Einkommensdynamisierung analog der AT-Bezahlung der RAG, die unter keinerlei Vorbehalten gestanden habe, sei sein Klagebegehren aufgrund betrieblicher Übung gerechtfertigt.
43Der Kläger hat beantragt,
441.
45die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum vom 01.01.1996 bis 31.05.1996 DM 1.150,-- brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
462.
47festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn für die Monate Juni und Juli 1996 ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von DM 8.230,-- und ab dem Monat August 1996 ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von DM 8.530,-- zu zahlen.
48Die Beklagte hat beantragt,
49die Klage abzuweisen.
50Die Beklagte hat gemeint:
51Der Kläger könne sein Begehren nicht auf die Grundsätze der betrieblichen Übung stützen. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe das Gehalt der Lehrer erhöht werde, sei Ergebnis einer jährlich vorzunehmenden Prüfung.
52Das Arbeitsgericht Duisburg hat mit seinem am 04.12.1996 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
53Gegen das Feststellungsbegehren beständen keine Zulässigkeitsbedenken. Im Hinblick auf ihrer Organisationsform müsse sich die Beklagte an den Grundsätzen messen lassen, die die Rechtsprechung für Feststellungsklagen gegenüber Arbeitgebern im öffentlichen Dienst anwende. Die Klage sei auch insgesamt begründet, da der Kläger seinen Anspruch auf die von ihm begehrte Gehaltserhöhung auf die Grundsätze der betrieblichen Übung stützen könne. Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe nämlich in ihm bis 1995 den Eindruck erweckt, daß sie ihn hinsichtlich der Einkommensentwicklung den AT-Angestellten der RAG gleichstellen wolle. Dieser Aspekt werde durch die Absichtserklärung der WBK vom 24.04.1986 nachhaltig verstärkt.
54Gegen das ihr am 16.01.1997 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg hat die Beklagte mit einem beim Landesarbeitsgericht am 13.02.1997 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und dieses nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.04.1997 mit einem am 04.04.1997 eingegangenen Schriftsatz begründet.
55Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend:
56Der Feststellungsantrag sei unzulässig. Zum einen hätte der Kläger insoweit Leistungsklage erheben können. Zum anderen kämen die für Feststellungsklagen gegenüber Arbeitgebern im öffentlichen Dienst angewendeten Grundsätze nicht zur Anwendung, da es vorliegend nicht um die dem Kläger aufgrund des Anstellungsvertrages zustehende öffentlich-rechtliche Besoldung, sondern um die Anpassung des nach dem Ergänzungsvertrag zu gewährenden Zulagenteils gehe. Davon abgesehen sei die Klage aber insgesamt unbegründet. Das Arbeitsgericht habe verkannt, daß den Regelungen zur allgemeinen Gehaltsüberprüfung in Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986 bzw. in Ziffer 3.1 der Betriebsvereinbarung vom 29.01.1982 die Wirkung eines Vorbehalts zukomme, der das Entstehen einer betrieblichen Übung von vornherein verhindert habe. Außerdem habe sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin, die WBK, entsprechend den vorgenannten Regelungen jeweils individuell unter Abwägung aller abwägungsrelevanten betrieblichen und außerbetrieblichen Umstände (gesamtwirtschaftliche Lage, wirtschaftliche Situation und Gehaltspolitik des Unternehmens etc.) die Gehälter der Lehrer überprüft und über eine Anpassung entschieden. Der Umstand, daß man dabei tatsächlich die Gehaltsentwicklung einzelner Mitgliedsunternehmen, so auch der RAG, beobachtet und teilweise übernommen habe, habe nicht die Begründung einer entsprechenden betrieblichen Übung bedingt.
57Hilfsweise rechnet die Beklagte für den Fall, daß sie verpflichtet sein sollte, das Gehalt des Klägers um 3 % zu erhöhen, mit dem ihrer Ansicht nach dann ihr zustehenden Anspruch auf Rückzahlung der dem Kläger mit dem Gehalt für November 1996 gewährten pauschalen Zulage zum Weihnachtsgeld in Höhe von DM 500,-- brutto auf.
58Die Beklagte beantragt,
59das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 04.12.1996 - 3 Ca 1796/96 -
60abzuändern und die Klage abzuweisen.
61Der Kläger beantragt,
6263
die Berufung zurückzuweisen.
64Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend aus:
65Ein Vorbehalt, mit dem die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin das Entstehen einer betrieblichen Übung hätte verhindern können, sei im Streitfall in keiner Weise deutlich kundgetan worden. Insbesondere könne nicht angenommen werden, daß die Regelungen zur allgemeinen Gehaltsüberprüfung in den Betriebsvereinbarungen vom 29.01.1982 und vom 03.04.1986 die Wirkung eines Vorbehalts hätten.
66Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
67E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
68A.
69Die Berufung der Beklagten gegen das am 04.12.1996 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg ist zulässig.
70Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form
71(§ 518 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) und Frist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) eingelegt und innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. mit
72§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 ArbGG) begründet worden.
73B.
74Die Berufung ist auch begründet.
75I.
76Dahinstehen kann, ob die Klage, soweit sie das Feststellungsbegehren des Klägers betrifft, nach § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässig ist. Denn die Klage ist auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens unbegründet.
77II.
78Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß für den vom Kläger mit beiden Anträgen verfolgten Anspruch auf eine Gehaltserhöhung ab dem 01.01.1996 in Höhe von 3 % als alleinige Anspruchsgrundlage § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. einer entsprechenden betrieblichen Übung in Betracht kommt.
791. Die Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986, die gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt, beinhaltet keinen Anspruch des Klägers auf die begehrte Gehaltserhöhung. In Ziffer 4.1 der vorgenannten Betriebsvereinbarung ist lediglich bestimmt, daß die Gehälter der Lehrer - wie die der AT-Angestellten der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der WBK, i. d. R. jährlich daraufhin überprüft werden, ob eine allgemeine Gehaltsanpassung unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung der wirtschaftlichen Lage der Mitgliedswerke vorzunehmen ist. Damit hat der Kläger lediglich einen Anspruch auf Überprüfung seiner Gehaltssituation, nicht aber zugleich auf eine (automatische) Gehaltserhöhung. Diese hängt vielmehr von dem jeweiligen Prüfungsergebnis ab.
80Eine weitergehende Verpflichtung der Beklagten ist nicht etwa aus dem Schreiben ihrer Rechtsvorgängerin vom 24.04.1986 herzuleiten. Zum einen ist dieses Schreiben nicht Bestandteil der Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986 geworden, da die hierfür gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz BetrVG vorgesehene Unterschrift des Betriebsrats fehlt. Zum anderen hat die WBK als Rechtsvorgängerin der Beklagten in diesem Schreiben lediglich ihre Absicht geäußert, die von ihr getroffene Gehaltsregelung für hauptberufliche Lehrkräfte von der AT-Bezahlung der Mitgliedsunternehmen nicht abzukoppeln. Eine Gleichschaltung der Gehaltsregelungen für beide vorgenannten Personengruppen kann in dieser Absichtserklärung nicht gesehen werden. Mit ihr wollte die Beklagte lediglich ihren guten Willen bei der in Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986 vorgesehenen jährlichen Gehaltsüberprüfung zeigen.
812. Sowohl der Anstellungsvertrag vom 04.05.1988 als auch der Ergänzungsvertrag vom gleichen Tag ergeben keinen Anspruch des Klägers gemäß § 611 Abs. 1 BGB auf die von ihm geforderte Gehaltserhöhung. § 1 des Ergänzungsvertrages enthält lediglich die Höhe des seinerzeit maßgeblichen Bruttomonatsgehaltes.
82III.
83Entgegen der Ansicht des Klägers, die im Ergebnis vom Arbeitsgericht geteilt worden ist, ist eine betriebliche Übung des Inhalts, die Gehälter der hauptberuflichen Lehrkräfte der Beklagten entsprechend denjenigen der AT-Angestellten der RAG zu erhöhen, nicht entstanden.
841. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG v. 06.09.1994 - 9 AZR 672/92 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 31; BAG v. 11.10.1995 - 5 AZR 802/94 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 33; BAG v. 16.04.1997 - 10 AZR 705/96 - demnächst EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 39). Aus diesem als Willenserklärung zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf üblich gewordene Leistungen. Bei der Anspruchsentstehung ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers ausschlaggebend, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mußte und durfte. Will der Arbeitgeber verhindern, daß aus der Stetigkeit eines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muß er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. In welcher Form dies geschieht, ist nicht entscheidend. Erforderlich ist jedoch, daß der Vorbehalt klar und unmißverständlich kundgetan wird (BAG v. 12.01.1994 - 5 AZR 41/93 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 30; BAG v. 16.04.1997 - 10 AZR 705/96 - a. a. O.).
852. Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend aus den tatsächlich dem Kläger und den übrigen bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigten Lehrern seit 1986 bis 1992 gewährten Gehaltserhöhungen um demselben prozentualen
86Betrag, wie ihn die AT-Angestellten der RAG erhalten hatten, kein Anspruch des Klägers auf eine Fortsetzung dieser Handhabung mit Wirkung vom 01.01.1996 aufgrund einer betrieblichen Übung hergeleitet werden.
87a) Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, aus denen sich ein Wille der Beklagten bzw. Ihrer Rechtsvorgängerin ergibt, unabhängig von der in Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986 getroffenen Überprüfungsregelung die Gehälter der Lehrer entsprechend den Erhöhungssätzen der AT-Angestellten der RAG vorzunehmen. Vielmehr hat die Beklagte in einer für den Kläger erkennbaren Weise, nämlich jeweils durch schriftliche Mitteilung der in den Jahren von 1986 bis 1992 vorgenommenen Gehaltserhöhungen, die in Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986 getroffene Regelung umgesetzt und damit zugleich, was die Höhe der Gehaltserhöhung betrifft, die dem Kläger und seinen Kollegen bekannte Absichtserklärung vom 24.04.1986 in dem vorgenannten Zeitraum jährlich verwirklicht. Beruhen damit die Gehaltserhöhungen in den Jahren 1986 bis 1992 letztlich auf dem Vollzug der in Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 24.04.1986 enthaltenen Regelung i. V. m. der Absichtserklärung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom folgenden Tag, scheidet eine entsprechende betriebliche Übung aus (vgl. BAG v. 05.03.1997 - 4 AZR 532/95 - EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 58).
883. Entgegen der Auffassung des Klägers und der Vorinstanz hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten schon im Jahre 1986 einen Vorbehalt erklärt, mit dem diese verhindern wollte, daß aus einer etwaigen Stetigkeit ihres Verhaltens bei der Frage der Erhöhung der Gehälter für ihre Lehrkräfte eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht.
89a) Zunächst einmal mußte der Kläger aufgrund der in Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986 getroffenen Regelung wissen, daß dem Grunde nach über
90haupt kein Anspruch auf eine jährliche Gehaltsanpassung unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung der wirtschaftlichen Lage der Mitgliedswerke der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bestand. Der Kläger hatte lediglich, worauf bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen wurde, aufgrund dieser Regelung einen Anspruch auf Anpassungsüberprüfung. Soweit sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin in den Jahren 1986 bis 1992 jeweils zu einer Gehaltserhöhung ihrer Lehrkräfte entschlossen hatte und diese der Höhe nach entsprechend derjenigen der AT-Angestellten der RAG vornahm, konnte hieraus eine entsprechende betriebliche Übung, was die Gehaltsverbesserung der Lehrkräfte der Höhe nach betrifft, aufgrund der vom 24.04.1996 stammenden Absichtserklärung der WBK als Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht entstehen. Gerade weil die WBK in dem vorgenannten Schreiben unter Ziffer 1 erklärt hat, sie habe nicht die Absicht, die abgeschlossene WBK-Gehaltsregelung für hauptberufliche Lehrkräfte von der AT-Bezahlung der Mitgliedsunternehmen abzukoppeln, hat sie sich vorbehalten, dies u. U. doch zu tun. Denn der Arbeitgeber muß bei der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe er Gehaltserhöhungen vornehmen will, jeweils eine Fülle von auf die gesamtwirtschaftliche Lage, auf die wirtschaftliche Situation und die Gehaltspolitik seines Unternehmens sowie auf das Arbeitsverhältnis des einzelnen Arbeitnehmers bezogenen Gesichtspunkten in Betracht ziehen und gegeneinander abwägen. Diese Abwägung des Arbeitgebers mag über einen längeren Zeitraum hinweg tatsächlich zu jeweils gleichartigen Ergebnissen führen. Allein hieraus dürfen jedoch die Arbeitnehmer mangels abweichender konkreter Anhaltspunkte nicht schließen, der Arbeitgeber habe sich verpflichten wollen, auch in Zukunft stets dieselben Bemessungsfaktoren beizubehalten, also die Gehälter stets in gleicher Weise wie bisher zu erhöhen und sich dadurch der Möglichkeit begeben wollen, veränderten Umständen in freier Entscheidung Rechnung zu tragen (BAG v. 04.09.1985 - 7 AZR 262/83 - EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 16).
91b) Damit hat die Beklagte mit ihrer Absichtserklärung gerade dem betroffenen Personenkreis, nämlich ihren hauptberuflichen Lehrkräften, gegenüber deutlich ge-
92macht, daß aus der in Ziffer 4.1 der Betriebsvereinbarung vom 23.04.1986 getroffe-nen Regelung kein Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung ihrer hauptberuflichen Lehrkräfte und den AT-Angestellten der Mitgliedsunternehmen bei einer anstehenden Gehaltserhöhung entstehen sollte. Demnach konnten der Kläger und seine Kollegen nicht darauf vertrauen, daß aus einer mehrjährigen tatsächlichen Gleichbehandlung über die in dem Schreiben vom 24.04.1986 enthaltenen Absichtserklärung hinaus eine Gehaltserhöhung jeweils orientiert an derjenigen der AT-Angestellten der Mitgliedsunternehmen stattfinden werde (vgl. auch BAG v. 28.02.1996 - 10 AZR 516/95 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie 139; BAG v. 05.06.1996 - 10 AZR 883/95 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 141).
93C.
94Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 6 ArbGG. Angesichts der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils war im Rahmen der Kostenentscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu befinden.
95Die Kammer hat, nicht zuletzt im Hinblick auf weitere Rechtsstreite mit der gleichen Problematik, vgl. z. B. LAG Hamm v. 19.06.1997 - 17 Sa 2433/96 -, der vorliegenden Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
96R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
97Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger
98REVISION
99eingelegt werden.
100Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
101Die Revision muß
102innerhalb einer Notfrist von einem Monat
103nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
104Bundesarbeitsgericht,
105Graf-Bernadotte-Platz 5,
10634119 Kassel,
107eingelegt werden.
108Die Revision ist gleichzeitig oder
109innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
110schriftlich zu begründen.
111Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
112gez.: Dr. Vossen gez.: Laumen gez.: Höllwarth
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