Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 4 Sa 832/97
Tenor
1. Unter Abänderung des Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 24.04.1997 wird die Klage kostenpflichtig abgewiesen.
2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin ist bei dem Beklagten als Arzthelferin beschäftigt. Sie befindet sich seit 1995 ununterbrochen im Erziehungsurlaub.
3Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin von dem Beklagten für das Jahr 1996 die Zahlung eines 13. Monatsgehaltes verlangen kann.
4Dem Streit zugrunde liegt eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach, soweit in dem Arbeitsvertrag Regelungen nicht enthalten sind, die Bestimmungen der tariflichen Abschlüsse in der jeweils gültigen Fassung, die von der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen mit Berufsverbänden und Gewerkschaften vereinbart worden sind, Anwendung finden. Die danach geltende Bestimmung des § 10 Manteltarifvertrag lautet in den hier maßgeblichen Absätzen V und VI lautet wie folgt:
5(5) Die Arzthelferin erhält spätestens zum 1. Dezember eines jeden Kalenderjahres ein 13. Monatsgehalt in Höhe des letzten vollen Monatsgehaltes. Unregelmäßige Zahlungen (für Mehr-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie für Arbeit am Tag vor Weihnachten und vor Neujahr gem. § 7) oder unregelmäßige Abzüge (z. B. wegen unbezahlten Urlaubs oder Krankheit) werden bei der Bemessung nicht berücksichtigt.
6(6) Hat das Arbeitsverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres bestanden, so ermäßigt sich das 13. Monatsgehalt; für jeden angefangenen Monat des Arbeitsverhältnisses zu diesem Arbeitgeber ist ein Zwölftel des 13. Monatsgehaltes zu zahlen. Ein angefangener Monat wird bei der Berechnung des 13. Gehaltes voll einbezogen, wenn die Arzthelferin in diesem Monat mindestens 15 Kalendertage im Arbeitsverhältnis stand. Bei der Berechnung werden nur solche Monate gerechnet, in denen die Arzthelferin Entgelt oder während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz Mutterschaftsgeld oder bei weiterbestehendem Arbeitsverhältnis Krankengeld erhalten hat.
7Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aufgrund dieser Regelung sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der geltend gemachte Anspruch gegeben, da es sich um eine Gratifikation handele.
8Sie hat beantragt,
9den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 2.603,00 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 21.12.1996 zu zahlen.
10Der Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er hat geltend gemacht, daß vorliegend allein eine leistungsbezogene Vergütung in Frage stehe.
13Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, daß die Klägerin Anspruch auf das tarifliche 13. Monatsgehalt für das Jahr 1996 habe, wobei für die Höhe ihr letztes Monatsgehalt vor Beginn des Erziehungsurlaubes maßgeblich sei. Die Auslegung der tariflichen Bestimmung ergebe, daß die Leistung zu gewähren sei, obwohl das Arbeitsverhältnis während des gesamten Kalenderjahres 1996 geruht habe; in Frage stehe nicht eine Gegenleistung für eine erbrachte Arbeitsleistung, sondern eine Gratifikation. Wegen der weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
14Der Beklagte hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend gemacht, daß sich insbesondere aus der Regelung in § 10 Abs. 5 des Manteltarifvertrages der leistungsbezogene Charakter des 13. Monatsgehaltes ergebe. Aus der Regelung insgesamt ergebe sich der Wille der Tarifvertragsparteien, daß nur in Höhe des tatsächlichen Verdienstes und der damit verbundenen Arbeitsleistung ein 13. Monatsgehalt gezahlt werden solle, also eine rein leistungsbezogene Vergütung in Frage stehe.
15Er beantragt,
16unter Abänderung des am 24.04.1997 verkündeten und am 28.05.1997 zugestellten Urteils des Arbeitsgerichts Essen, Akz: - 1 Ca 982/97 - die Klage abzuweisen.
17Die Klägerin beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verteidigt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen das Urteil erster Instanz.
20Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Abweisung der Klage.
23Dies ergibt sich im einzelnen aufgrund folgender Erwägungen:
24I.
25Das angefochtene Urteil geht bei der Auslegung der hier in Frage stehenden tarifvertraglichen Regelung zutreffend von den Grundsätzen aus, die das Bundesarbeitsgericht in gefestigter Rechtsprechung entwickelt hat; hierauf wird voll inhaltlich Bezug genommen.
26II.
27Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin hängt nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (statt aller Urteil vom 19.04.1995 - 10 AZR 49/94 - sowie vom 14.08.1996 - 10 AZR 70/96 -) davon ab, ob es sich bei der in Frage stehenden tariflichen Regelung um eine Leistung mit reinem Entgeltcharakter handelt oder nicht. Die im Hinblick hierauf vom Arbeitsgericht gemachten Ausführungen, wonach es vorliegend um eine nicht rein leistungsbezogene Vergütung gehe, überzeugen die Kammer nicht, da sie gerade nicht dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, wie sie sich aus den Absätzen in § 10 V und VI ergibt, gerecht werden.
28Im einzelnen gilt folgendes:
291. Zutreffend geht das angefochtene Urteil zunächst davon aus, daß der hier in Frage stehende Tarifvertrag keine ausdrückliche Regelung darüber enthält, ob - im Falle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses, wozu der Erziehungsurlaub führt (vgl. bereits Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 10.02.1993 10 AZR 450/91) - das spätestens bis zum 1. Dezember eines jeden Kalenderjahres vereinbarte 13. Monatsgehalt in Höhe des letzten vollen Monatsgehaltes (vgl. § 10 V Satz 1) zu gewähren ist. Zutreffend ist auch, daß die Formulierung in Höhe des letzten vollen Monatsgehaltes offen läßt, ob hiermit das zeitlich letzte Monatsgehalt vor dem 1. Dezember bzw. dem sonstigen Auszahlungszeitpunkt oder aber, wovon das Arbeitsgericht ausgeht, das letzte volle Monatsgehalt vor Beginn des Erziehungsurlaubes gemeint ist.
302. Aus der Formulierung in § 10 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Satz 3, wonach die dort genannten unregelmäßigen Zahlungen, zum Beispiel wegen unbezahlten Urlaubes oder Krankheit, bei der Bemessung nicht berücksichtigt bzw. bei der Berechnung nur solche Monate gerechnet werden, in denen die Arzthelferin Entgelt oder während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz Mutterschaftsgeld oder bei weiterbestehendem Arbeitsverhältnis Krankengeld erhalten hat, ergibt sich jedoch der Wille der Tarifvertragsparteien, daß eine rein entgeltbezogene Arbeitsleistung Voraussetzung für die Zahlung des 13. Monatsgehaltes ist. Denn nach diesen tariflichen Bestimmungen ist - auch bei Bestehen des Arbeitsverhältnisses - eine Festsetzung des 13. Monatsgehaltes auf Null möglich, beispielsweise dann, wenn ein Arbeitnehmer während des gesamten Jahres arbeitsunfähig gewesen ist, ohne hierfür Lohnfortzahlung oder Krankengeld bezogen zu haben.
313. Gerade anhand der vom Arbeitsgericht nicht erörterten Regelung in § 10 Abs. 6, 2. Absatz ergibt sich gleichfalls der Wille der Tarifvertragsparteien, bei Änderungen der Vergütungshöhe während des Kalenderjahres - also beispielsweise auch für Zeiten, in denen unbezahlter Urlaub gewährt worden ist - die Höhe des 13. Monatsgehaltes aus den Bezügen für das gesamte Kalenderjahr zu ermitteln und den sich hieraus ergebenden Durchschnitt für die Höhe zugrunde zulegen. Damit haben aber die Tarifvertragsparteien ersichtlich die Fälle erfaßt, in denen - wie vorliegend - eine Arbeitsleistung seitens des Arbeitnehmers trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses nicht erbracht worden ist.
324. Insbesondere wird der hier rein leistungsbezogene Charakter des 13. Monatsgehaltes auch daran deutlich, daß es gerade an einer für eine Gratifikation typischen Regelung dergestalt fehlt, daß bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines bestimmten Zeitraumes des Folgejahres das 13. Monatsgehalt zurückzuzahlen ist. Gerade weil vorliegend der ungekündigte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Auszahlung nicht Voraussetzung für die vereinbarte Zahlung ist, ist es vorliegend gerechtfertigt, aus den zuvor dargestellten Erwägungen einen reinen Entgeltcharakter der tariflichen Leistung festzustellen. In Frage steht gerade nicht eine für die Gratifikation typische Belohnung von Betriebstreue.
33Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
34Die Kammer hat der Revision an das Bundesarbeitsgericht nach der Regelung in § 74 Abs. 3 Nr. 2 ArbGG zugelassen.
35R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
36Gegen diese Entscheidung ist für den Beklagten kein Rechtsmittel gegeben.
37Die Klägerin kann gegen diese Entscheidung
38REVISION
39eingelegt werden.
40Die Revision muß
41innerhalb einer Notfrist von einem Monat
42nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
43Bundesarbeitsgericht,
44Graf-Bernadotte-Platz 5,
4534119 Kassel,
46eingelegt werden.
47Die Revision ist gleichzeitig oder
48innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
49schriftlich zu begründen.
50Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
51gez.: Dr. Peter gez.: Kl. Friederichs gez.: Wimmers
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