Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 18 Sa 1731/97
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 16.07.1997 - 4 Ca 1896/97-5 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten um die Zahlung einer Sonderleistung für das Jahr 1996, in dem die Klägerin im Erziehungsurlaub war.
3Die Klägerin ist seit dem 14.10.1991 als Handelsfachpackerin bei der Beklagten zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 3.182,-- DM brutto beschäftigt.
4In dem am 30.09.1991 abgeschlossenen Arbeitsvertrag heißt es unter Ziffer 10:
5Gratifikation
6Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine jährliche Gratifikation in Höhe des am Ende des entsprechenden Kalenderjahres maßgebenden Monatslohnes, jeweils zahlbar mit dem Novembergehalt.
7Erfolgt der Eintritt / Austritt während des Jahres, so wird die Gratifikation pro rata temporis ausgerichtet, sofern der Vertrag nicht während der Probezeit aufgelöst wird.
8Die Klägerin befindet sich seit dem 07.01.1996 im Erziehungsurlaub. Für das Jahr 1996 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Gratifikation anteilig für sieben Tage in Höhe von 61,02 DM brutto. Eine weitere Zahlung für die Zeit des Erziehungsurlaubs lehnte sie ab.
9Mit ihrer am 16.04.1997 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen Klage hat die Klägerin die Beklagte auf volle Zahlung der jährlichen Sonderleistung in Anspruch genommen.
10Sie hat die Auffassung vertreten, bei der arbeitsvertraglich vereinbarten Sonderzahlung handle es sich um eine Gratifikation im Rechtssinne, deren Zahlung lediglich den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses voraussetze, nicht aber eine tatsächliche Arbeitsleistung. Dies ergebe sich schon aus der Bezeichnung der Sonderzahlung als Gratifikation. Die pro-rata-temporis-Regelung in Ziffer 10 Satz 2 des Arbeitsvertrages stehe dem nicht entgegen, vielmehr sei danach die Zahlung ausschließlich im Ein- und Austrittsjahr von der tatsächlichen Arbeitsleistung abhängig gewesen. Wenn die Beklagte auch sonstige Ruhenstatbestände hätte ausschließen wollen, hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft.
11Die Klägerin hat beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 3.182,-- brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.1996 zu zahlen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat ausgeführt, zu der Bezeichnung der Sonderleistung als Gratifikation im Arbeitsvertrag sei es nur deshalb gekommen, weil sie in Unkenntnis der Bedeutung des Begriffs im deutschen Arbeitsrecht die Formulierung aus den
16Schweizer Arbeitsverträgen mit der Muttergesellschaft übernommen habe. Richtigerweise handle es sich bei der Sonderleistung nicht um eine Gratifikation, sondern um eine ausschließlich arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung, die für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht geschuldet
17werde. Dies folge zum einen aus der pro-rata-temporis-Regelung in Ziffer 10
18Satz 2 des Arbeitsvertrages und zum anderen aus dem Fehlen eines Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalts, einer Stichtags- und Rückzahlungsregelung. Auch die Vereinbarung unter Ziffer 10 Satz 2 letzter Teilsatz führe nicht zu einer anderen Auslegung. Mit derartigen Wartezeitregelungen werde nur vorab eine zukünftige Gehaltserhöhung vereinbart.
19Durch Urteil vom 16.07.1997 hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 3.182,-- DM festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Auslegung der arbeitsvertraglichen Regelung führe zu dem Ergebnis, daß die der Klägerin zugesagte Sonderzahlung Arbeitsentgelt im engeren Sinne sei, welches für Zeiten des Erziehungsurlaubs nicht geschuldet werde.
20Gegen das ihr am 19.09.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 20.10.1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, dem Gericht am 13.11.1997 vorliegenden Schriftsatz begründet.
21Sie vertritt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin die Auffassung, daß es sich bei der Sonderzahlung um eine Leistung mit Gratifikationscharakter handle. Ergänzend führt sie aus, auch die Regelung in Ziffer 10 Satz 2 zweiter Halbsatz zeige, daß die Sonderleistung nicht reines Arbeitsentgelt sei. Wenn danach bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Probezeit kein Anspruch auf die Zahlung bestehe, bedeute dies, daß mit der
22Leistung zumindest auch erwiesene Betriebstreue belohnt werde. Schließlich sei der Anspruch schon deshalb gerechtfertigt, weil die Parteien für den Fall des Erziehungsurlaubs keine Kürzung der Sonderzahlung vorgesehen hätten.
23Die Klägerin beantragt,
24das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 16.07.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 3.182,-- nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.1996 zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend, entgegen der Auffassung der Klägerin könne aus Ziffer 10 Satz 2 letzter Halbsatz des Arbeitsvertrages nicht der Schluß gezogen werden, bei der Sonderleistung handle es sich um eine Belohnung für in der Vergangenheit erwiesene Betriebstreue. Diese Sonderleistung habe kein Anreiz für die Klägerin sein sollen, ihr Arbeitsverhältnis nicht vor Ablauf der Probezeit zu kündigen. Sinn und Zweck der Regelung sei vielmehr im Gegenteil gewesen, eine Sonderzahlung zu vermeiden, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit aus welchen Gründen auch immer erforderlich werde. Es handle sich bei der Abrede schlicht um eine im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung bereits vereinbarte zukünftige Gehaltsanhebung.
28Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen (§§ 523, 313 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG).
29E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
30I.
31Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 16.07.1997 - 4 Ca 1896/97 - 5 - ist zulässig.
32Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 518 Abs. 1 u. 2 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und begründet worden (§§ 519 Abs. 2 u. 3 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
33II.
34In der Sache hat die Berufung der Klägerin hingegen keinen Erfolg, weil das Arbeitsgericht die Zahlungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
35Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation, der in Höhe von 61,02 DM brutto bereits erfüllt ist (§ 362 Abs. 1 BGB), gemäß § 611 Abs. 1 BGB i.V. mit Ziffer 10 ihres Arbeitsvertrages vom 30.09.1991 nicht zu. Dem Arbeitsgericht ist darin zu folgen, daß es sich bei der vereinbarten Sonderleistung um eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter handelt, die für die Zeit des Erziehungsurlaubs anteilig gekürzt werden kann.
361. Sonderzahlungen, mit denen kein weiterer Zweck verfolgt wird, als die Entlohnung tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung im Bezugsjahr, werden als Vergütungsbestandteile in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient, jedoch aufgespart und dann erst am vereinbarten Fälligkeitstag ausbezahlt (vgl. BAG, Urteil vom 24.08.1989 - 6 AZR 752/97 - n. v.; BAG, Urteil vom 13.06.1991 - 6 AZR 421/89 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 86; BAG, Urteil vom 07.11.1991 - 6 AZR 489/89 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 87; BAG, Urteil vom 19.04.1995 - 10 AZR 136/94 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 123; BAG, Urteil vom 11.10.1995 - 10 AZR 984/94 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 132). Fehlt es bei einer solchen arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung an einer Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, entsteht kein Anspruch auf die Sonderzahlung, ohne daß es einer vertraglichen Kürzungsregelung bedarf (BAG, Urteil vom 19.04.1995 - 10 AZR 49/94 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 126; BAG, Urteil vom 10.05.1995 - 10 AZR 648/94 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 125). Allerdings sind diese arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter auch in den Fällen zu gewähren, in denen dem Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelungen das Entgelt auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung fortzuzahlen ist, so z. B. im Falle des Urlaubs, der unverschuldeten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit oder des Mutterschutzes (BAG, Urteil vom 19.04.1995 - 10 AZR 49/94 - a. a. O.; BAG, Urteil vom 10.05.1995 - 10 AZR 648/94 - a. a. O.).
37Für eine Sonderzahlung, mit der nicht ausschließlich erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden soll, gilt seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 05.08.1992 - 10 AZR 88/90 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 90, daß sie um Fehltage im Bezugsjahr nur gekürzt werden darf, wenn sie unter den Vorbehalt gestellt worden ist, daß der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum Arbeitsleistung in einem bestimmten Umfange erbracht hat bzw. wenn eine ausdrückliche Kürzungsabrede getroffen worden ist (vgl. auch BAG, Urteil vom 16.03.1994 - 10 AZR 669/92 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 111; BAG, Urteil vom 10.05.1995 - 10 AZR 648/94 - a. a. O.; BAG, Urteil vom 09.08.1995 - 10 AZR 539/94 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 130).
382. Die zwischen den Parteien vereinbarte Sonderleistung ist eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung im oben dargestellten Sinne.
39a) Ob eine Sonderzahlung als reines Arbeitsentgelt oder als Gratifikation zu werten ist, mit der nicht ausschließlich erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden soll, richtet sich nach der Vereinbarung der Parteien. Dabei ist nicht entscheidend, wie die Sonderleistung bezeichnet ist. In der Praxis sind die Formulierungen oft ungenau, ambivalent und widersprüchlich. Was gemeint ist, ist in jedem Einzelfall durch Auslegung der getroffenen Vereinbarung zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 14.08.1996 - 10 AZR 70/96 - NZA 1996 Seite 1204). Nicht einmal die ausdrückliche Vereinbarung eines 13. Monatsgehalts schließt es aus, dieses 13. Gehalt als Gratifikation zu werten (vgl. BAG, Urteil vom 14.08.1996 - 10 AZR 70/96 - a. a. O.). Entsprechend schließt auch die Vereinbarung einer Gratifikation es nicht aus, die Leistung als reines Arbeitsentgelt zu werten. Voraussetzung dafür, daß sich eine Sonderzahlung ausschließlich als Vergütung für vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit im Sinne des § 611 Abs. 1 2. Hs. BGB darstellt, ist, daß der Arbeitnehmer einen unwiderruflichen Rechtsanspruch auf die Sonderleistung erwirbt, wenn er die als Gegenleistung nach § 611 Abs. 1 1. Hs. BGB geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat bzw. wenn er trotz Nichterbringung einen Vergütungsanspruch aufgrund gesetzlicher, tariflicher oder sonstiger Regelungen besetzt (vgl. BAG, Urteil vom 10.05.1995 - 10 AZR 648/94 - a. a. O.). Hieran fehlt es, wenn sich der Arbeitgeber die Gewährung der Sonderzahlung als freiwillige, jederzeit widerrufbare Leistung vorbehalten hat (vgl. BAG, Urteil vom 10.05.1995 - 10 AZR 648/94 - a. a. O.). Auch Bestimmungen, die den Anspruch auf eine Sonderleistung davon abhängig machen, daß das Arbeitsverhältnis zu bestimmten Zeitpunkten ungekündigt besteht, können nur für Gratifikationen, nicht aber für das eigentliche Arbeitsentgelt, das in unmittelbarem Austausch zur geleisteten Arbeit steht, vereinbart werden (vgl. BAG, Urteil vom 14.08.1996 - 10 AZR 70/96 - a. a. O.). Weiterhin sind Rückzahlungsklauseln, die die Rückforderung der Sonderzahlung vorsehen, wenn der Arbeitnehmer im Folgejahr aufgrund eigener Kündigung ausscheidet, in aller Regel als Bindungsklauseln anzusehen, mit denen die Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnt werden soll (vgl. BAG, Urteil vom 19.04.1995 - 10 AZR 49/94 - a. a. O.; LAG Köln, Urteil vom 13.03.1997 - 5 Sa 1506/96 - LAGE § 611 BGB Gratifikation Nr. 36). Sie können der Annahme einer arbeitsleistungsbezogenen Sonderzahlung ebenso entgegenstehen wie Wartezeiten, die als Voraussetzung für einen Anspruch auf die Sonderzahlung vereinbart werden. Auch Wartezeitklauseln können darauf hinweisen, daß mit der Leistung auch oder gerade die Betriebstreue honoriert werden soll (vgl. BAG, Urteil vom 19.04.1995 - 10 AZR 49/94 - a. a. O.).
40Demgegenüber sprechen Regelungen im Arbeitsvertrag, nach denen die Sonderzahlung im Eintritts- und Austrittsjahr anteilig gezahlt werden soll, dafür, daß es sich um einen Vergütungsbestandteil handelt, der in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient wird (vgl. BAG, Urteil vom 19.04.1995 - 10 AZR 49/94 - a. a. O.).
41b) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die von den Parteien vereinbarte Sonderzahlung als ein Teil der Vergütungsleistung der Beklagten.
42Soweit die Parteien die Sonderleistung als Gratifikation bezeichnet haben, kommt dem keine entscheidende Bedeutung zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagten die Bedeutung des Rechtsbegriffs bekannt war. Auch wenn die Parteien in Kenntnis der Bedeutung die arbeitsvertragliche Vereinbarung abgeschlossen haben, haben sie die von ihnen vereinbarte Leistung nur unzutreffend bewertet. Tatsächlich handelt es sich nämlich - wie die Auslegung des Vertragstextes zeigt - um reines Arbeitsentgelt. Dafür spricht zunächst, daß die Parteien ausdrücklich einen Anspruch auf die Sonderzahlung begründet und diese nicht als freiwillige bzw. widerrufbare Leistung des Arbeitgebers ausgestaltet haben. Auch Ziffer 10 Satz 2 1. Hs. des Vertrages, nach der die Zahlung im Eintritts- und Austrittsjahr anteilig ausgerichtet werden soll, weist darauf hin, daß es sich um einen Vergütungsbestandteil handelt, der in den jeweiligen Abrechnungsmonaten verdient und nur aufgespart am Ende des Jahres ausgezahlt wird. Soweit Ziffer 10 Satz 2 2. Hs. des Arbeitsvertrages das Entstehen des Anspruchs davon abhängig macht, daß das Arbeitsverhältnis nicht während der Probezeit beendet wird, kann daraus entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Schluß gezogen werden, die Parteien haben mit der Zahlung einen über die Entlohnung hinausgehenden Zweck verfolgt und deshalb eine sogenannte Gratifikation mit Mischcharakter vereinbaren wollen. Zwar kann den obigen Grundsätzen folgend die Erfüllung einer Wartezeit, wenn sie Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs auf eine Sonderzahlung ist, dafür sprechen, daß die Parteien mit der Sonderzahlung zumindest auch erwiesene Betriebstreue belohnen wollen. Im Streitfall ist dies indes nicht anzunehmen. Die Beklagte macht zu Recht geltend, daß sie kein Interesse daran haben konnte, mit der Sonderzahlung als Belohnung für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Probezeit hinaus, die Klägerin an sich zu binden. Die Probezeit soll sowohl dem Arbeitnehmer wie dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, sich, den Vertragspartner und die Arbeitsstelle auf eine längere Zusammenarbeit zu überprüfen (vgl. Schaub Arbeitsrechtshandbuch 8. Aufl. § 40 I 1 Seite 255). Ist der Arbeitnehmer bereits in der Probezeit mit der Arbeitsstelle unzufrieden, wird es dem Arbeitgeber kaum darum gehen, den Mitarbeiter von der Auflösung der Vertragsverhältnisses abzuhalten, da mit einer weiteren zufriedenstellenden Zusammenarbeit in der Zukunft kaum zu rechnen ist. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer angewiesen ist, weil er z. B. keine Möglichkeit sieht, entsprechenden Ersatz zu finden. Von einer solchen Situation zu Vertragsbeginn ist mangels entsprechender Anhaltspunkte im Streitfall aber nicht auszugehen. Die Beklagte hat im Gegenteil unwidersprochen vorgetragen, daß zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ein Überangebot an Arbeitskräften gerade auch auf dem für die Parteien maßgebenden Arbeitsmarkt in der Region Wuppertal bestand. Dann hatte die Beklagte aber keine Veranlassung, mit der Zahlung der Sonderleistung erst nach Ablauf der Probezeit einen Anreiz für eine Vertragsfortsetzung über die Probezeit hinaus zu schaffen. Zweck der Regelung war damit nicht, Betriebstreue zu belohnen. Vielmehr stellt sich die Vereinbarung letztlich nur als eine in der Praxis häufig anzutreffende Gehaltserhöhung nach Ablauf der Probezeit dar, die auch rückwirkend zulässig ist (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.06.1996 - 2 Sa 506/96 - LAGE § 611 BGB Gratifikation Nr. 33).
43Die vereinbarte Wartezeit steht damit der Qualifizierung der Sonderzahlung als Arbeitsentgelt nicht entgegen.
4445
Weitere Anhaltspunkte, die für eine Gratifikation mit Mischcharakter sprechen könnten, sind nicht vorhanden. Weder wird auf den Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum Ende des Bezugszeitraums abgestellt, noch ist eine Rückzahlungsklausel vereinbart. Entsprechend muß es bei dem Entgeltcharakter der Leistung bleiben.
463. Die Beklagte war schließlich auch berechtigt, diesen Teil der Vergütungsleistung für die Zeit des Erziehungsurlaubs zu kürzen.
47Während des Erziehungsurlaubs sind die gegenseitigen Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis suspendiert (ständige Rechtsprechung des BAG vgl. BAG, Urteil vom 08.12.1993 - 10 AZR 66/93 - AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 159). Für den Arbeitnehmer besteht damit keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung, während für den Arbeitgeber die Vergütungspflicht entfällt. Der Wegfall der Vergütungspflicht wegen Ruhens des Arbeitsverhältnisses im Erziehungsurlaub umfaßt dabei alle Vergütungsbestandteile, die im Austauschverhältnis zur ebenfalls suspendierten Arbeitsleistungspflicht stehen (vgl. BAG, Urteil vom 19.04.1995 - 10 AZR 49/94 - a. a. O.). Da die zwischen den Parteien vereinbarte Gratifikation zu diesen Vergütungsbestandteilen zählt, konnte ein Anspruch für die Abrechnungszeiträume, die in den Erziehungsurlaub fallen, nicht entstehen.
48III.
49Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 94 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.
50IV.
51Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
52V.
53R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
54Gegen dieses Urteil kann von der Klägerin
55REVISION
56eingelegt werden.
57Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
58Die Revision muß
59innerhalb einer Notfrist von einem Monat
60nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
61Bundesarbeitsgericht,
62Graf-Bernadotte-Platz 5,
6334119 Kassel,
64eingelegt werden.
65Die Revision ist gleichzeitig oder
66innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
67schriftlich zu begründen.
68Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
69gez.: Göttling gez.: Thivessen gez.: Ambrosius
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