Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 1 (17) Sa 33/99
Tenor
1.
Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.11.1998 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 9 Ca 5631/98 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2.
Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Urlaubs- und Krankengeld.
3Der Kläger ist bei dem Beklagten, der nicht Mitglied eines tarifschliessenden Arbeitgeberverbandes ist, seit dem 15.11.1979 als Rettungssanitäter zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 4327,00 DM beschäftigt. Unter Nr. 3 des Arbeitsvertrages ist bestimmt:
4Soweit dieser Vertrag nichts Abweichendes regelt, gelten die Arbeitsbedingungen des Arbeiter-Samariter-Bundes Landesverband NW e.V.
5Unter dem 21./22.1.1992 schlossen der Beklagte und der Gesamtbetriebsrat eine "Gesamtbetriebsvereinbarung über die Arbeitsbedingungen beim ASB Landesverband NW e.V.", die im Wesentlichen die Regelungen des BAT übernahm und vom Beklagten aufgrund des in § 39 eingeräumten Kündigungsrechts zum 31.12.1997 gekündigt wurde.
6In § 13 der Arbeitsbedingungen a. F. ist geregelt - insoweit im Wesentlichen übereinstimmend mit § 18 der Gesamtbetriebsvereinbarung:
71). . .
82). . .
93) Ist der Mitarbeiter infolge derselben Krankheit länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, erhält er vom Beginn der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialversicherungsträgers und dem Netto-Arbeitsentgelt (das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt)
104) Der Krankengeldzuschuss wird gewährt
11a). . . e)
12f) bei einer Beschäftigungszeit im ASB von mehr als 10 Jahren bis zum Ende der 26. Woche der Arbeitsunfähigkeit, jedoch nicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus.
13§ 38 der Gesamtbetriebsvereinbarung lautet:
14In Einzelarbeitsverträgen vereinbarte günstigere Arbeitsvergütungen oder Lohnbedingungen bleiben auch nach in Kraft treten dieser Gesamtbetriebsvereinbarung erhalten.
15Hinsichtlich des Inhalts der Arbeitsbedingungen a. F. und der in der Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten Arbeitsbedingungen im Übrigen wird auf 50 ff d. A. und § 8 ff d. A. verwiesen.
16Der Kläger war in der Zeit vom 11.11.1997 bis zum 22.5.1998 arbeitsunfähig erkrankt. In dieser Zeit hätte er einen Anspruch auf ein Nettoentgelt von 14.249,20 DM gehabt. Von der Krankenkasse erhielt er 10.945,00 DM. Auf die Differenz lässt er sich eine Überzahlung durch die Beklagte von 645,00 DM anrechnen.
17Seit 1980 erhielt er Urlaubsgeld in unterschiedlicher Höhe jeweils entsprechend den Zahlungen, wie sie von den BAT anwendenden Arbeitgebern erbracht wurden. 1998 betrug das nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte im Geltungsbereich des BAT zu zahlende Urlaubsgeld 650,00 DM.
18Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung zur Zahlung des Urlaubsgeldes in Höhe von 650,00 DM verpflichtet. Der Anspruch auf Krankengeld ergebe sich aus der Gesamtbetriebsvereinbarung.
19Er hat den Antrag gestellt,
20den Beklagten zu verurteilen, an ihn
211.)DM 650,00 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit 1.8.1998,
222.)DM 2.658,94 DM nebst 4% Zinsen seit dem 13.5.1998
23zu zahlen.
24Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
25Er hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch aus betrieblicher Übung könne allenfalls in Höhe der zuletzt vor Abschluss der Gesamtbetriebsvereinbarung gezahlten 450,00 DM entstanden sein. Ein solcher Anspruch sei jedenfalls durch die Gesamtbetriebsvereinbarung abgelöst und aufgehoben worden. Dem Anspruch auf Zahlung von Krankenbezügen hat er die Ausschlussfrist des § 37 entgegengehalten und im Übrigen die Auffassung vertreten, für die Zeit nach dem 31.12.1997 sei der Anspruch wegen der Kündigung der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht gegeben.
26Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 19.11.1998, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe im Übrigen verwiesen wird, der Klage stattgegeben. In den Gründen hat es ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Zahlung von 650,00 DM brutto ergebe sich aus betrieblicher Übung, aufgrund deren der Beklagte verpflichtet sei, Urlaubsgeld in der Höhe zu zahlen, die der jeweils geltende Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte im Geltungsbereich des BAT vorsehe. Dieser Anspruch sei durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom Januar 1992 nicht abgelöst und damit durch deren Kündigung auch nicht berührt worden, da diese nicht in die vertraglichen Ansprüche des Klägers eingegriffen habe. Die Gesamtbetriebsvereinbarung stelle eine ablösende Betriebsvereinbarung im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats nicht dar, weil ein entsprechender Wille der Vertragspartner, in vertragliche Rechte der Arbeitnehmer einzugreifen, nicht erkennbar sei. Ob die Gesamtbetriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoße, könne dahingestellt bleiben.
27Der Anspruch des Klägers auf Krankenbezüge ergebe sich aus Nr. 3 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 13 Abs. 3 und 4 der Arbeitsbedingungen a. F.. Auch dieser vertragliche Anspruch werde durch die Gesamtbetriebsvereinbarung nicht berührt. Die Ausschlussfrist des § 37 greife schon deswegen nicht, weil sie sich nur auf Ansprüche aus der Gesamtbetriebsvereinbarung beziehe.
28Gegen das ihm am 14.12.1998 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 22.1.1999, eingegangen beim Landesarbeitsgericht am 26.1., Berufung eingelegt und sie zugleich begründet.
29Er rügt, dem arbeitsgerichtlichen Urteil könne nicht entnommen werden, warum dem Kläger aus betrieblicher Übung nicht lediglich ein Anspruch in Höhe des zuletzt gezahlten Betrages von 450,00 DM erwachsen sein solle, da es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass er - der Beklagte - sich habe der Dynamik des BAT unterwerfen wollen. Schwankungen in der Vergangenheit seien in der freien Unternehmerentscheidung, freiwillige Leistungen zu gewähren, begründet gewesen.
30Jedenfalls sei eine etwa bestehende betriebliche Übung durch die Gesamtbetriebsvereinbarung wirksam abgelöst worden. Der anzustellende kollektive Günstigkeitsvergleich ergebe, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung insgesamt günstiger gewesen sei als die vorangegangenen Regelungen. Ein etwaiger Verstoß der Gesamtbetriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG führe nur dazu, dass aufgrund ihrer vereinbarten Kündbarkeit von einem Freiwilligkeitsvorbehalt auszugehen sei.
31Auch die freiwillige soziale Leistung Krankengeldzuschuss sei durch die Gesamtbetriebsvereinbarung abgelöst worden und habe mit deren Kündigung geendet.
32Er stellt den Antrag,
33das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf zu 9 Ca 5631/98 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
34Der Kläger beantragt,
35die Berufung zurückzuweisen.
36Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt zudem die Auffassung, die Gesamtbetriebsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Außerdem könne, wenn eine aufgrund betrieblicher Übung ohne Freiwilligkeitsvorbehalt gewährte jährliche Sonderzuwendung zulässigerweise durch eine nachfolgende umstrukturierende Betriebsvereinbarung abgelöst werde, diese später vom Arbeitgeber nicht ersatzlos gekündigt oder insgesamt verschlechtert werden.
37Auf den Akteninhalt im Übrigen wird verwiesen.
38E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
39I.
40Die Berufung ist nicht begründet.
411. Der Kläger hat einen vertraglichen, aus betrieblicher Übung herzuleitenden Anspruch auf Urlaubsgeld in Höhe von 650,00 DM.
42Aus den vom Kläger vorgelegten Abrechnungen ergibt sich, dass der Beklagte seit Beginn des Arbeitsverhältnisses Urlaubsgeld in der jeweiligen nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte im Geltungsbereich des BAT zu zahlenden Höhe gewährt hat. Diese Zahlungen erfolgten über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren vorbehaltslos. Damit wurde eine betriebliche Übung begründet. Deren Voraussetzungen hat das Arbeitsgericht zutreffend dargelegt (vgl. auch BAG Urteil vom 16.9.1998 - 5 AZR 598/97 - BB 99,160); auf die Ausführungen insoweit wird Bezug genommen. Der Beklagte hat keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Zahlungen der Höhe nach aufgrund einer freien Unternehmerentscheidung schwankten. Vielmehr ist aufgrund der Formulierung und des Inhalts der Arbeitsbedingungen, die Gegenstand des Arbeitsvertrages des Klägers waren, davon auszugehen, dass der Beklagte sich bereits mit diesen ursprünglichen Arbeitsbedingungen an den BAT anlehnen wollte und daher die Übereinstimmung der an den Kläger gezahlten Beträge mit denen im Geltungsbereich des BAT geschuldeten nicht auf mehr zufälligen Unternehmerentscheidungen beruhte. Das gilt umso mehr deswegen, als die Gesamtbetriebsvereinbarung mit der Regelung des Urlaubsgeldes auf die tariflichen Bestimmungen Bezug nimmt und damit offensichtlich die bisherige Regelung festschreiben wollte. Zu Recht hat daher das Arbeitsgericht festgestellt, dass sich die betriebliche Übung nicht nur auf das "ob", sondern auch auf die Höhe der Urlaubsgeldzahlung bezogen habe.
432.Durch die Gesamtbetriebsvereinbarung ist der arbeitsvertragliche Anspruch des Klägers nicht abgelöst worden. Deren Kündigung hatte daher nicht den Wegfall dieses Anspruchs zur Folge.
44a) Die Arbeitsbedingungen, auf die der Arbeitsvertrag des Klägers Bezug nimmt, regelten, wie bereits ihr Name klarstellt, im Einzelnen die nicht im Arbeitsvertrag selbst vereinbarten Voraussetzungen für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Sie stellten die - einzelvertragliche - Grundlage dar für die Ansprüche des Klägers auf das eigentliche Arbeitsentgelt als Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung, Ansprüche auf Bezahlung von Mehrarbeit, Nachtarbeit und Feiertagsarbeit, Bereitschaftsdienst, Ansprüche auf Urlaub und Urlaubsvergütung, Ansprüche auf Fortzahlung der Vergütung bei Arbeitsverhinderung und andere Fragen, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmen, wie die Dauer der Arbeitszeit oder die Kündigungsfristen sowie Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers.
45b) Die Gesamtbetriebsvereinbarung regelte ebenfalls die Arbeitsbedingungen der beim Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer in dem dargelegten Sinne und inhaltlich im Wesentlichen mit den ursprünglichen Arbeitsbedingungen übereinstimmend. Mit der Kündigung der Gesamtbetriebsvereinbarung sind die Ansprüche Klägers auf Zahlung von Urlaubsgeld jedoch nicht in Wegfall geraten.
46Entgegen der Auffassung des Beklagten können die Grundsätze, die der Große Senat in der Entscheidung vom 16.9.1986 (BAGE 53,42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972) aufgestellt hat, auf den vorliegenden Fall nicht angewandt werden.
47Zunächst ist der Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtsstreits ein anderer als der des vom Großen Senat entschiedenen: Die Gesamtbetriebsvereinbarung griff nicht in einzelvertraglich vereinbarte Ansprüche der Arbeitnehmer ein, begründete vielmehr sogar in einigen wenigen Regelungen zusätzliche Ansprüche. Es stellt sich daher zunächst schon nicht die Frage, ob durch eine umstrukturierende Betriebsvereinbarung in Ansprüche des Arbeitnehmers eingegriffen wird und dieser Eingriff sich unter dem Gesichtspunkt des kollektiven Günstigkeitsvergleichs rechtfertigt, sondern lediglich, ob mit der Gesamtbetriebsvereinbarung einzelvertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf eine andere Grundlage gestellt wurden, ohne dass insoweit eine Verschlechterung eintrat und ob solche Ansprüche mit der Kündigung der Gesamtbetriebsvereinbarung endgültig wegfielen.
48c) Den vom Großen Senat aufgestellten Grundsätzen kann eine so weit gehende Geltung, dass immer dann, wenn eine Betriebsvereinbarung ihrerseits ursprünglich Gegenstand des Einzelvertrags bildende Ansprüche regelt, diese eine umstrukturierende wäre mit der Folge, dass sie die vertragliche Grundlage ersetzte, nicht beigemessen werden; sie sind vielmehr auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anzuwenden.
49Die vom Großen Senat bejahte ablösende Wirkung einer umstrukturierenden Betriebsvereinbarung bezieht sich nur auf vertraglich begründete Ansprüche auf Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen. Diese den einzelnen Arbeitnehmern zukommenden Sozialleistungen bilden untereinander ein Bezugssystem, das auf zwei Grundentscheidungen beruht, die der Einzelregelung vorangehen müssen: Der Entscheidung über die Höhe der einzusetzenden finanziellen Mittel und der Bestimmung der Verteilungsgrundsätze. Beide Grundentscheidungen sind nur in einem geschlossenen Regelungssystem erreichbar und müssen notwendigerweise verfehlt werden, wenn nur noch einzelne Ansprüche der begünstigten Arbeitnehmer isoliert betrachtet werden (C II 1 b der Gründe). Durch eine umstrukturierende Betriebsvereinbarung werden daher nach der Entscheidung des Großen Senats nur einzelvertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer abgelöst, die in einem solchen Bezugssystem zueinander stehen und damit einen kollektiven Bezug
50zueinander aufweisen. Nur für solche Ansprüche kann von einem Dotierungsrahmen gesprochen werden und nur für diese stellt sich die Frage, wie die durch den Dotierungsrahmen vorgegebenen finanziellen Mittel verteilt werden. Geht es um Ansprüche auf das eigentliche Arbeitsentgelt, lässt sich ein solches Bezugssystem nicht feststellen. Diese Ansprüche werden nicht aus einer vorgegebenen Finanzierungsmasse befriedigt, die nach bestimmten Verteilungsgrundsätzen vergeben wird. Für sie kommt daher auch ein kollektiver Günstigkeitsvergleich nicht in Betracht. Soweit es sich nicht um Ansprüche auf Sozialleistungen handelt, die auf einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung, einer Gesamtzusage oder einer betrieblichen Übung beruhen, sondern ihre Grundlage in einer generellen Regelung der Arbeitsbedingungen finden, kommt einer Betriebsvereinbarung gegenüber arbeitsvertraglichen Vereinbarungen keine ablösende Wirkung in dem Sinne zu, dass die Normen der Betriebsvereinbarung an die Stelle der vertraglichen Vereinbarung treten. Durch eine Betriebsvereinbarung kann der Inhalt des Arbeitsvertrages nicht geändert werden. Sind Normen einer Betriebsvereinbarung günstiger als die arbeitsvertragliche Vereinbarung, verdrängen sie diese lediglich für die Dauer ihrer Wirkung, machen sie aber nicht nichtig (BAG Urteil vom 24.3.1992 - 1 AZR 267/91 - n. v.).
51d) Die Gesamtbetriebsvereinbarung, die - zum Teil nur durch wörtliche Zitierung, zum Teil ausdrücklich - auf Bestimmungen des BAT Bezug nimmt und damit klarstellt, dass letztlich Regelungsgegenstand das sein soll, was üblicherweise in Tarifverträgen oder auch in Einzelarbeitsverträgen geregelt wird, hat einen anderen Inhalt und andere Ansprüche zum Gegenstand, als eine Betriebsvereinbarung, die auf einer vom Arbeitgeber aufgestellten Einheitsregelung fußt. Die Ansprüche, die zunächst ihre Grundlage im Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Arbeitsbedingungen fanden, wurden nicht aus einer vorgegebenen Finanzierungsmasse befriedigt, die nach bestimmten Grundsätzen zu verteilen war, obwohl der Beklagte mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern gleich lautende Arbeitsverträge abgeschlossen hatte (vgl. auch BAG Urteil vom 21.9.1989 - 1 AZR 454/88 - AP Nr. 43 zu § 77 BetrVG 1972 und Urteil vom 24.3.1992 - 1 AZR 267/91 - n. v.).
52Das vom Beklagten gewährte Urlaubsgeld stellte zwar eine freiwillige Leistung dar. Auch diese Leistung war aber Vergütung für geleistete Arbeit und stand daher im vertraglichen Synallagma. Nicht etwa wurde dieses Urlaubsgeld aufgrund einer für Sozialleistungen aufgestellten Einheitsregelung geleistet. Weder hatte der Beklagte insoweit einen bestimmten Dotierungsrahmen vorgegeben noch Verteilungsgrundsätze bestimmt. Die Höhe der zu leistenden Zahlungen variierte vielmehr - wie in der Gesamtbetriebsvereinbarung ausdrücklich klargestellt - abhängig von den jeweiligen tariflichen Leistungen und wurde nicht durch eine Entscheidung über die Höhe der einzusetzenden Mittel bestimmt.
53Mit der Kündigung der Gesamtbetriebsvereinbarung lebten daher die einzelvertraglichen Ansprüche wieder auf, ohne dass es darauf ankäme, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung insgesamt günstiger oder ungünstiger war als arbeitsvertragliche Regelungen, weil ein kollektiver Günstigkeitsvergleich nicht anzustellen ist.
542. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Krankengeld zu.
55Der Anspruch beruht auf dem Arbeitsvertrag des Klägers in Verbindung mit den Arbeitsbedingungen a. F..
56Auch dieser Anspruch lebte aus den dargelegten Gründen nach Kündigung der Gesamtbetriebsvereinbarung wieder auf. Auf den Ablauf von Ausschlussfristen vermag sich der Beklagte nicht zu berufen, da die Arbeitsbedingungen solche Ausschlussfristen nicht enthielten und der Anspruch nicht auf der - gekündigten - Gesamtbetriebsvereinbarung beruht.
573.Dahingestellt bleiben kann, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstieß, da erst recht dann, wenn deren Unwirksamkeit insgesamt oder in Teilen festzustellen wäre, von einem arbeitsvertraglichen Anspruch des Klägers sowohl auf Urlaubs- als auch auf Krankengeld auszugehen wäre. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob in der Kündigungsmöglichkeit bei Unwirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung ein konkludenter Freiwilligkeitsvorbehalt zu sehen wäre, da die geltend gemachten Ansprüche nicht aus der Gesamtbetriebsvereinbarung, sondern aus dem Arbeitsvertrag herzuleiten sind.
58II.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
60III.
61RECHTSMITTELBELEHRUNG
62Gegen dieses Urteil kann von dem Beklagten
63REVISION
64eingelegt werden.
65Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
66Die Revision muß
67innerhalb einer Notfrist von einem Monat
68nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
69Bundesarbeitsgericht,
70Graf-Bernadotte-Platz 5,
7134119 Kassel,
72eingelegt werden.
73Die Revision ist gleichzeitig oder
74innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung
75schriftlich zu begründen.
76Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
77Lemppenau-KrügerJagieniak
78zugleich für den ausgeschiedenen
79ehrenamtlichen Richter Giesen
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