Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 16 Sa 681/11
Tenor
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.04.2011 - 7 Ca 78/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin gemäß dem Anhang zu Anlage C TVöD (VKA) Besonderer Teil Verwaltung, Abschnitt VIII "Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst" (im Folgenden: Anlage C TVöD (VKA)).
3Der beklagte Kreis unterhält u.a. einen sozialpsychiatrischen Dienst. Es besteht ein Personalrat.
4Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem 15.5.2000 im sozialpsychiatrischen Dienst beschäftigt. Die Einzelheiten der Beschäftigung regelt der Arbeitsvertrag vom 10.5.2000, Bl. 15 GA. Gem. § 2 dieses Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundes-Angestellten-Tarifvertrages (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Seit der Ablösung des BAT durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (im Folgenden: TVöD) vom 13.9.2005 besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass auf ihr Arbeitsverhältnis der TVöD sowie der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechtes (im folgenden: TVÜ-VKA) Anwendung finden. Zu den anwendbaren Vorschriften gehört seit dem 1.11.2009 unstreitig auch die tarifliche Neuregelung für den Sozial- und Erziehungsdienst, die in Anlage C TVöD (VKA) geregelt ist.
5Infolge der Neuregelung in Anlage C TVöD (VKA) ist die Klägerin zum 1.11.2009 in deren Entgeltgruppe S 12 übergeleitet worden und derzeit in die Entwicklungsstufe 6 eingruppiert.
6Die Tätigkeit der Klägerin richtet sich nach der Stellenbeschreibung "Produktgruppe 53.4", Bl. 16 - 19 GA. Grundlage dieser Stellenbeschreibung sind Eigenaufzeichnungen der Klägerin und ihrer Kollegen, die nach Aufforderung des Beklagten angefertigt worden sind. Aufgabe der Klägerin ist es, Menschen mit psychischen Erkrankungen und/oder Abhängigkeitserkrankten aller Altersgruppen und deren Familienangehörigen zu beraten. Die Tätigkeit erfasst auch die sog. Krisenintervention. Die Stellenbeschreibung gliedert die Aufgaben in vier Unterpunkte. Auszugsweise findet sich in der Stellenbeschreibung Folgendes:
71.Sozialpsychiatrische Beratung Abhängigkeitskranker und deren Angehöriger
8... Maßnahmen ...:
9-Klärung existentieller Schwierigkeiten (wie beispielsweise anstehende Wohnungsräumung, Wohnungslosigkeit, Fehlen/Sperrung von Leistungen) in Form von Begleitung zu und Kooperation mit ARGE, Amtsgericht, Sozialamt, Gerichtsvollzieher, Krankenkassen, Nichtsesshafteneinrichtung etc.
10ggf. Unterstützung bei der Einleitung von Gerichtsverfahren
11-bei Bedarf Vorstellung in der fachärztlichen Sprechstunde der Beratungsstelle
12-Entgiftung in einem Fachkrankenhaus
13-Selbsthilfe-/Angehörigengruppen
14-medizinische Rehabilitation (ambulant/teilstationär/stationär)
15-Eingliederungsmaßnahmen (AWB, Wohnheim, Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation)
16-suchtspezifische Freizeitmaßnahmen
17-(begleitende) Einzelgespräche in der Beratungsstelle
18-Gespräche mit Angehörigen, Arbeitgebern, etc.
19-Rentenverfahren
20-Gesetzliche Betreuung
21....
222.Sozialpsychiatrische Beratung psychisch Erkrankter und deren Angehöriger
23..... Maßnahmen .... :
24-Klärung existentieller Schwierigkeiten (wie beispielsweise anstehende Wohnungsräumung, Wohnungslosigkeit, Fehlen/Sperrung von Leistungen) in Form von Begleitung zu und Kooperation mit ARGE, Amtsgericht, Sozialamt, Gerichtsvollzieher, Krankenkassen, Nichtsesshafteneinrichtung etc.
25-Vermittlung einer ambulanten teilstationären oder stationären fachärztlichen Behandlung
26-Selbsthilfe-/Angehörigengruppen
27-Eingliederungsmaßnahmen (AWB, Wohnheim, Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation, Tagesstätten)
28-Alltagshilfen (Essen auf Rädern, Haushaltshilfen, psychiatrische Pflegedienste)
29-spezifische Freizeitmaßnahmen (Hofcafe, Cafe Jedermann)
30-Sozialpsychiatrische Zentren
31-(begleitende) Einzelgespräche in der Beratungsstelle
32-Gespräche mit Angehörigen, Arbeitgebern, etc.
33-Rentenverfahren
34-Einsatz von Zivildienstleistenden
35-gesetzliche Betreuung
36-ggf. auch Erläuterungen zu den Modalitäten einer Zwangseinweisung
37....
383.Krisenintervention
39Bei Verdacht auf eine unmittelbar bevorstehende oder bei bereits eingetretener akuter Fremd- oder Eigengefährdung des Klienten (im Sinne des PsychKG), erfolgt, koordiniert durch die Sti, in Kooperation mit dem Ordnungsamt und der Polizei - soweit möglich - ein zeitnaher Hausbesuch vom Facharzt für Psychatrie und der Sti. Sollte es bei festgestellter Gefährdung nicht möglich sein, den Erkrankten zu einer freiwilligen Behandlung in einem Fachkrankenhaus zu motivieren, erfolgt die zwangsweise Unterbringung durch das Ordnungsamt, wobei die Sti teilweise die Begleitung des Betroffenen ins Krankenhaus und/oder die Vorinformation des aufnehmenden Arztes übernimmt. Auch ohne vorherige Hinweise nimmt die Sti bei Hausbesuchen generell eine Einschätzung des akuten Gefährdungsgrades vor und leitet entsprechende Maßnahmen ein. Aufgabe der Sti ist auch die Deeskalation krisenhafter jedoch nicht gefährdender Situationen, wobei die Übergänge hier fließend sein können.
404.Sonstiges
41Die Dokumentation erfolgt über das PC-Programm ISGA, wo für jeden Klienten ein Vorgang angelegt wird. ... .
42Diesen vier Tätigkeitsbereichen, die in der Überschrift der Stellenbeschreibung als "Arbeitsvorgänge (BAT)" bezeichnet werden, weist die Stellenbeschreibung auch einen Zeitanteil an der Gesamttätigkeit zu. Bereich 1 hat einen Anteil von 30%, Bereich 2 einen Anteil von 40%, Bereich 3 einen Anteil von 10% und Bereich 4 einen Anteil von 20%.
43Mit Schreiben vom 19.3.2010 und 14.7.2010 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten rückwirkend ab November 2009 die Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 der Anlage C TVöD (VKA) geltend, Bl. 24 und Bl. 26 d. GA. Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 26.3.2010 und 10.11.2010, Bl. 25 und 27 GA, ab.
44Die Anlage C TVöD (VKA) lautet auszugsweise in den maßgeblichen Entgeltgruppen wie folgt:
45"S 11
46Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozial-pädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben
47S 12
48Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozial-pädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten. (Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1 und Nr. 11)
49S 13 ( )
50S 14
51Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozial-pädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahren-abwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweise Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z.B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise) Hierzu Protokollerklärung Nr. 12)."
52Die Protokollerklärungen 11 und 12 lauten:
53Nr. 11:
54Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die
55a) Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
56b) Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
57c) begleitende Fürsorge für Heimbewohnerinnen/Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohnerinnen/Heim-bewohner,
58d) begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
59e) Koordinierung der Arbeiten mehrerer Beschäftigter mindestens der Entgeltgruppe S 9.
60Nr. 12
61Unter die Entgeltgruppe S 14 fallen auch Beschäftigte mit dem Abschluss Diplompädagogin/Diplompädagoge, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten von Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen/Sozial-pädagogen mit staatlicher Anerkennung ausüben, denen Tätigkeiten der Entgeltgruppe S 14 übertragen sind.
62Zwischen den Parteien ist dabei streitig, ob die Klägerin auf der Grundlage von Entgeltgruppe S 14 "mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweise Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z.B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise" im erforderlichen Umfang befasst ist. Dabei erfolgt die Unterbringung psychisch kranker Menschen in Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnehmen bei psychischen Krankheiten (im Folgenden: PsychKG). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PsychKG ist die Unterbringung der Betroffenen zulässig, wenn und solange durch deren krankheitsbedingtes Verhalten gegenwärtig eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine erhebliche Gefährdung bedeutender anderer Rechtsgüter besteht, die nicht anders abgewendet werden kann. Dies wiederum ist nach § 11 Abs. 2 PsychKG der Fall, wenn ein schaden stiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder sein Eintritt zwar ungewiss ist, wegen besonderer Umstände jedoch jederzeit zu erwarten ist.
63Mit ihrer am 10.1.2011 bei Gericht eingereichten Klage begehrt die Klägerin ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 der Anlage C TVöD (VKA).
64Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ihre Aufgaben erfüllten zu mehr als 80% Merkmale der Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA). Dabei sei von einem einheitlichen Arbeitsvorgang der Beratung und Betreuung für Menschen mit psychischen Erkrankungen und/oder Abhängigkeiten auszugehen, der auch die Krieninterventon umfasse. Eine Aufteilung der Beratung in unterschiedliche Bereiche sei nicht möglich. Allenfalls sei die Dokumentation nach Ziffer 4 der Stellenbeschreibung abgrenzbar. Ihre gesamte Arbeit sei aber zu 100% durch die Betreuung Hilfebedürftiger und deren Angehöriger geprägt und diene ganzheitlich der Vermeidung einer Zwangseinweisung nach dem PsychKG. Ihre Tätigkeit sei insgesamt von dem Heraushebungsmerkmal der "besonderen Verantwortung" in Entgeltgruppe S 14 geprägt. Eine Aufspaltung der Arbeit in "Gewährung von Hilfen" einerseits und "Entscheidungen über die Unterbringung bzw. die Anordnung von Schutzmaßnahmen" andererseits sei unzulässig. Bei der Tätigkeitsaufnahme zu Beginn des Falles stünde auch gar nicht fest, welche Entscheidung getroffen werden müsste. Die Vergütungsdifferenz berechnete sie erstinstanzlich für eine Vollzeittätigkeit für den Zeitraum 1.11.2009 bis 31.12.2009 mit 105,00 € monatlich, für das Jahr 2010 106,26 € monatlich und vom 1.1.2011 bis zum 31.7.2011 106,90 €.
65Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
661.festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr seit dem 1.11.2009 eine Vergütung aus der Entgeltgruppe S 14 aus dem Anhang zu der Anlage C (VKA) für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst zum TVöD zu gewähren,
672.den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 956,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf jeweils 52,50 € monatlich ab dem 15.11.2009 bis zum 15.12.2009 sowie auf jeweils 53,13 € monatlich ab dem 15.10.2010 bis zum 15.12.2010 sowie auf 53,45 € monatlich ab dem 15.1.2011 bis zum 15.4.2011 zu zahlen.
68Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
69die Klage abzuweisen
70Der Beklagte hat erstinstanzlich behauptet, die Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe S 12 Anlage C TVöD (VKA) sei zutreffend. Ihre Aufgaben erfüllten nicht mindestens zur Hälfte die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe S 14. Ihre Arbeiten ließen sich in unterschiedliche Arbeitsvorgänge aufeilen. Entweder handele es sich um Maßnahmen des allgemeinen Sozialdienstes oder um Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Das Merkmal "besondere Verantwortung" sei gerade kein Anforderungsmerkmal der Entgeltgruppe S 14.
71Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei zutreffend in Entgeltgruppe S 12 Anlage C TVöD (VKA) eingruppiert. Entscheidend sei, dass sie nicht mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge ausübe, die die Anforderungen der Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA) erfüllten. Dabei handele es sich bei dem Begriff des Arbeitsvorgangs um einen feststehenden Rechtsbegriff. Entscheidend sei das jeweilige Arbeitsergebnis, wobei tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden können. Auch wenn das Tätigkeitsspektrum bei Sozialarbeitern häufig einen einheitlichen Arbeitsvorgang darstelle, müsse etwas anderes gelten, wenn abgrenzbare Tätigkeiten einer anderen Tätigkeitsgruppe zugewiesen seien. Insofern sei zwischen den Aufgaben unter Ziffer Nr. 1 und 2 einerseits und Nr. 3 der Stellenbeschreibung andererseits zu differenzieren. Denn die Tätigkeiten nach Ziffer 1 und 2 der Stellenbeschreibung seien für die Entscheidung über die zwangsweise Unterbringung von Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht relevant. Nur das Vorliegen einer konkreten Gefährdungslage rechtfertige die Zuordnung zur Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA). Unter Berücksichtigung dieser Trennung sei es der Klägerin nicht gelungen, nachzuweisen, dass ihre Tätigkeit zumindest zur Hälfte die Anforderungen der Tarifgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA) erfülle. Die Entgeltgruppe enthalte zudem nicht das Heraushebungsmerkmal der "besonderen Verantwortung".
72Gegen das ihr am 16.5.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichtes Mönchengladbach hat die Klägerin mit einem am 19.5.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 17.7.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.
73Die Klägerin macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend: Es sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes bei ihrer Tätigkeit von einem einheitlichen Arbeitsvorgang der Beratung und Betreuung von Menschen mit psychischen und/oder Abhängigkeitserkrankungen auszugehen. Eine Aufspaltung der Tätigkeiten in Teile ohne Kriesenintervention sei nicht möglich. Entscheidend sei der Auftrag, nicht der Anteil der Krisenintervention. Insoweit habe das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung den Sinn und Zweck der Eingruppierungsnorm nicht hinterfragt. Es habe verkannt, dass die Tarifvertragsparteien die besondere Verantwortung der Tätigkeit im sozialpädagogischen Dienst hätten honorieren wollen. Andernfalls liefe die Norm auch völlig leer, weil kein Sozialarbeiter in Deutschland mit mindestens der Hälfte seiner Arbeitszeit damit beschäftigt werde, Entscheidungen über die zwangsweise Unterbringung zu treffen. Das sei auch gar nicht sinnvoll, weil es gerade darum gehe, diese Maßnahmen schon im Vorfeld zu verhindern. Die gesamte Betreuung müsse deshalb in der Hand einer Person liegen. Ihre gesamte Arbeit sei auf die Vermeidung der Gefährdungssituation ausgerichtet. Auch lasse sich bei diesem Verständnis eine einfache Abgrenzung der Entgeltgruppen treffen. Es reiche aus, dass im Aufgabenbereich der Sozialarbeiter die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung in einem deutlich wahrnehmbaren Maß vorhanden sei. Denn das Maß der Erfüllung dieser Voraussetzung sei in der Eingruppierungsnorm nicht erwähnt. Es entspreche auch nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien, die Förder- und Hilfsmaßnahmen von der Gefahrenabwehr zu trennen. Es gehe insgesamt darum, eine Gefährdung des Wohls der Hilfebedürftigen zu vermeiden. Diese besondere Verantwortung setze nicht erst bei der konkreten Gefährdungslage ein. Die Gefahrenlage sei stets im Auge zu behalten und jederzeit zu aktualisieren. Dass es sich um einen einzigen Arbeitsvorgang handele, ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des BAG. Die Arbeit der Klägerin könne nicht aufgespalten werden, weil ein einheitliches Arbeitsergebnis erzielt werde. Dies hätten die Tarifvertragsparteien für Bezirkssozialarbeiter, die sich mit Aufgaben zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls befassen in der Protokollnotiz Nr. 13 zur Entgeltgruppe S 14 zwischenzeitlich auch klargestellt. Ihre geänderten Zahlungsanträge begründet die Klägerin damit, dass bei einer Höhergruppierung §§ 6 Abs. 4 TVÜ, 17 Abs. 4 TVöD anzuwenden sei. Die Klägerin sei einer Stufe zuzuordnen, die bei einer Vollbeschäftigung 3.592,36 € im Jahre 2010 entspreche. Sie wäre deshalb der Endstufe der Entgeltgruppe S 14 (3.617,90 €) zuzuordnen. Da die Differenz weniger als 80,00 € betragen hätte, erhalte die Klägerin den Garantiebetrag gem. § 17 Abs. 4 TVöD. Insofern errechne sich ein Betrag in Höhe von 52,99 € für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 28.2.2010 und 53,63 € ab dem 1.3.2010.
74Die Klägerin beantragte nach einem Hinweis der Kammer auf die Unschlüssigkeit der Berechnung zuletzt,
75das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 13.4.2011, Az. 7 Ca 78/11 abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr seit dem 1.11.2009 eine Vergütung aus der Entgeltgruppe S 14 aus dem Anhang zu der Anlage C (VKA) für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst zum TVöD zu gewähren.
76Der Beklagte beantragt,
77die Berufung zurückzuweisen
78Der Beklagte verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend: Die Klägerin sei nicht mit "gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweise Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z.B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise)" befasst. Ausgangspunkt der Eingruppierung sei § 22 Abs. 2 BAT. Erforderlich sei, dass in die Tätigkeit der Klägerin zeitlich zumindest zur Hälfte Arbeitsvorgänge fallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Es reiche deshalb nicht aus, dass sie die Tätigkeiten dieser Vergütungsgruppe "in einem deutlich wahrnehmbaren Maße" erfülle. Die erforderlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr treffe sie gerade nicht im erforderlichen Umfang. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin handele es sich bei ihren Beratungsarbeiten im Zusammenhang mit der Vermeidung der Einweisung nach dem PsychKG auch nicht um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Denn ihre Arbeiten führten zu abgrenzbaren Arbeitsergebnissen. Zudem enthalte auch die Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA) selbständig bewertbare Arbeitsvorgänge, die von den Arbeitsvorgängen der sozialarbeiterischen Tätigkeit abzugrenzen seien. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass Tätigkeiten, die eine unterschiedliche tarifliche Wertigkeit hätten, ohnehin nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden könnten. Die Tätigkeiten Entgeltgruppe S 12 Anlage C TVöD (VKA) dürften deshalb nicht mit denen der Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA) vermischt werden. Die allgemeinen Arbeiten der Klägerin dienten auch nicht allein den im PsychKG definierten Zielen, sondern ebenso den in § 10 Abs. 1 SGB I und §§ 16,17 SGB II genannten Zielen. Nur das Vorliegen einer Gefährdungslage und die damit verbundenen schwierigen Entscheidungen rechtfertigten die Eingruppierung in die höhere Entgeltgruppe. Dies ergebe schon der Wortlaut der Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA). Das Erfordernis einer konkreten Gefährdungslage ergebe sich zudem aus den Regelungen des PsychKG. Soweit die Klägerin meine, der Tarifnorm sei eine herausgehobene Stellung zu entnehmen, irre sie. Sie habe auch keine Garantenpflicht. Die Regelung in Entgeltgruppe S 14 sei auch nicht deshalb geschaffen worden, um Personen mit einer besonderen Verantwortung zu honorieren. Diese läge im Übrigen auch deshalb nicht vor, weil die Klägerin nach den Bestimmungen des PsychKG nicht allein über die Unterbringung entscheide. Erforderlich sei stets ein ärztliches Zeugnis. Wesentlich sei auch, dass die Tarifvertragsparteien in der gewünschten Entgeltgruppe eben nicht die "sachgerechte Betreuung" einer Familie als Eingruppierungsmerkmal aufgenommen hätten. Vielmehr seien konkret festgelegte Eingruppierungsmerkmale zu erfüllen. Die Merkmale seien auch nicht als Heraushebungsmerkmale zu verstehen. Insoweit enthielten lediglich die Entgeltgruppen S 12, S 15 Fg 7, S 17 Fg 5 und S 18 Fg.2 Heraushebungsmerkmale.
79Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.
80E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
81I.
82Die Berufung ist, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs.6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO), jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA). Denn sie ist von dem Beklagten zutreffend in Entgeltgruppe S 12 Anlage C TVöD (VKA) eingruppiert worden.
83Im Einzelnen:
841.Die Klage ist als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig.
85Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Der Vorrang der Leistungsklage steht dem nicht entgegen, wenn durch die Feststellungsklage der Streit der Parteien insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis abschließend geklärt werden kann (BAG v. 31.1.2008 - 8 AZR 27/07, AP Nr. 340 zu § 613a BGB; BAG v. 5.6.2003 - 6 AZR 277/02, AP Nr. 81 zu § 265 ZPO Nr. 81). Hier ist die begehrte Feststellung geeignet, die zwischen den Parteien bestehende Streitfrage, welche konkrete Vergütung zu zahlen ist, abschließend zu klären. Mit diesem Ziel ist die Erhebung einer Eingruppierungsfeststellungsklage auch allgemein anerkannt (BAG v. 20.5.2009 - 4 AZR 315/08, Juris; BAG v. 31.1.2008 - 8 AZR 27/07, AP Nr. 340 zu § 613a BGB; BAG v. 16.10.2002 - 4 AZR 447/01, NZA 2003, 688; BAG v. 26.4.2001 - 8 AZR 472/00 n.v.; BAG v. 20.10.1993 - 4 AZR 47/93, NZA 1994, 203).
862.Der Feststellungsantrag der Klägerin ist unbegründet, weil ihre Tätigkeit nicht die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA) erfüllt.
87a)Rechtsgrundlage für die Eingruppierung in eine Entgeltordnung ist im Bereich des öffentlichen Dienstes auch nach der Überleitung der Mitarbeiter in den TVöD die Norm des § 22 BAT.
88Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis findet unstreitig der TVöD Anwendung. Dabei richtet sich die Eingruppierung im Anwendungsbereich des TVöD nach §§ 12 ff TVöD. Indes sind die Vorschriften zur Eingruppierung nach wie vor unbesetzt, so dass auf die bisherigen Eingruppierungsgrundsätze zurückgegriffen werden muss. Dies regelt § 17 Abs. 1 TVÜ. Danach gelten bis zum In-Kraft-Treten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD die §§ 22, 23, 25 BAT fort. Insoweit gelten insbesondere § 22 Abs. 1 und 2 BAT. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung. Danach ist der Angestellte in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Dabei entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen.
89aa)In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen hat, aus denen für das Gericht der rechtliche Schluss möglich ist, dass er die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt (BAG v. 13.5.2004 - 8 AZR 313/03 - n.v.).
90bb)Wesentlicher Begriff der Grundnorm der Eingruppierung im öffentlichen Dienst auf Grundlage des § 22 BAT ist der des Arbeitsvorgangs. Er ist in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT erläutert. Danach sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen, die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Vor diesem Hintergrund ist es zutreffend, wenn die Rechtsprechung des BAG unter einem Arbeitsvorgang regelmäßig eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten versteht (BAG v. 6.7.2011 - 4 AZR 568/09, derzeit n.v.; BAG v. 25.2.2009 - 4 AZR 20/08, AP Nr. 310 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 29.11.2001 - 4 AZR 736/00, BAGE 100, 35). Entscheidendes Bestimmungskriterium ist das Arbeitsergebnis (BAG v. 6.7.2011 - 4 AZR 568/09, derzeit n.v.; BAG v. 25.2.2009 - 4 AZR 20/08, AP Nr. 310 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dabei ist es je nach der Struktur der Arbeitsorganisation auch möglich, dass die gesamte Tätigkeit einer/s Beschäftigten einen einzigen Arbeitsvorgang ausmacht. Wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst (BAG v. 6.7.2011 - 4 AZR 568/09, derzeit n.v.; BAG v. 23.9.2009 - 4 AZR 308/08, AP Nr. 40 zu §§ 22,23 BAT-O; BAG v. 25.2.2009 - 4 AZR 20/08, AP Nr. 310 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Zur Tätigkeit rechnen dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhanges mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Angestellten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger "Atomisierung" der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die unter Berücksichtigung der Zusammenhangstätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führende Tätigkeit muss tatsächlich von der übrigen Tätigkeit des Angestellten abgrenzbar und rechtlich selbständig bewertbar sein (BAG v. 6.7.2011 - 4 AZR 568/09, derzeit n.v.; BAG v. 25.2.2009 - 4 AZR 20/08, AP Nr. 310 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG v. 21.2.1990 - 4 AZR 603/89, AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen).
91Ausgangspunkt der Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist damit der Aufgabenkreis des Angestellten im öffentlichen Dienst. Dieser besteht aus einer oder mehreren Tätigkeiten, der Gesamttätigkeit. Entscheidend für den Arbeitsvorgang ist, ob abgrenzbare Arbeitsergebnisse erzielt werden, wobei eine Atomisierung der Aufgaben zu vermeiden ist. Zusammenhangstätigkeiten sind dem Arbeitsvorgang zuzuordnen, zu dem sie am ehesten in einem sachlichen Zusammenhang stehen.
92b)Die konkrete Eingruppierung der Klägerin richtet sich unstreitig nach der Anlage C TVöD (VKA), da die Klägerin im Sozial- und Erziehungsdienst beschäftigt ist. Soweit für den Rechtsstreit von Interesse lauten die Vorschriften wie folgt:
93S 12
94Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozial-pädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten. (Hierzu Protokollerklärungen Nr. 1 und Nr. 11)
95S 13 ( )
96S 14
97Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozial-pädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweise Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z.B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise) Hierzu Protokollerklärung Nr. 12)."
98Die Protokollerklärungen 11 und 12 lauten:
99Nr. 11:
100Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die
101a)Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
102b)Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
103c)begleitende Fürsorge für Heimbewohnerinnen/Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohnerinnen/Heimbewohner,
104d)begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
105e)Koordinierung der Arbeiten mehrerer Beschäftigter mindestens der Entgeltgruppe S 9.
106Nr. 12
107Unter die Entgeltgruppe S 14 fallen auch Beschäftigte mit dem Abschluss Diplompädagogin/Diplompädagoge, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten von Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen/Sozial-pädagogen mit staatlicher Anerkennung ausüben, denen Tätigkeiten der Entgeltgruppe S 14 übertragen sind.
108c)Unter Berücksichtigung der genannten rechtlichen Rahmenbedingungen ist die Klägern zutreffend in Entgeltgruppe S 12 Anlage C TVöD (VKA) eingruppiert. Ihre Tätigkeit fällt nicht unter die Entgeltgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA).
109Da die Klägerin keine Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls trifft, kann die Vergütungsgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA) von ihr nur in der Alternative verwirklicht werden, dass sie mit gleichwertigen Tätigkeiten befasst ist, die für die Entscheidung zur zwangsweise Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind. Zuzugeben ist der Klägerin zwar, dass sie in einem Umfang von 10 % entsprechende Tätigkeiten verrichtet. Dies reicht jedoch aus Sicht der Kammer nicht aus. Denn ihre Beratungstätigkeiten bilden mit der Krisenintervention keinen einheitlichen Arbeitsvorgang. Erforderlich ist, dass die Kriseninterventionstätigkeiten selbst die Hälfte der Gesamttätigkeiten ausmachen, was indes schon nach ihrem eigenen Sachvortrag nicht der Fall ist.
110aa)Zunächst kann die Krisenintervention bereits aus rechtlichen Gründen mit der Beratung keinen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden. Denn die Tarifvertragsparteien habe die Krisenintervention gesondert (höher) bewertet.
111(1)Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer folgt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 24.9.2008 - 10 AZR 669/07, NZA 2009, 45; BAG v. 24.9.2008 - 10 AZR 939/07; BAG v. 19.9.2007 - 4 AZR 670/06, NZA 2008, 950).
112(2)Die Auslegung der Merkmale der Vergütungsgruppen in den relevanten Vorschriften zeigt deutlich, dass die Tarifvertragsparteien eine Abstufung nach Tätigkeitsinhalten vorgenommen haben. Zunächst sind Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit in die Vergütungsgruppe S 11 Anlage C TVöD (VKA) eingruppiert. Soweit sie mit schwierigen Aufgaben befasst sind, erfolgt eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe S 12 Anlage C TVöD (VKA). Die Vergütungsgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA) setzt demgegenüber voraus, dass die Sozialarbeiter und Sozialpädagogen zur Gefahrenabwehr erforderliche Tätigkeiten ausüben, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind. Nur das Vorliegen einer Gefährdungslage, das zu einer Entscheidung über die Zwangseinweisung führt, rechtfertigt die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe S 14 Anlage C TVöD (VKA). Es ist also nach der Auffassung der Tarifvertragsparteien gerade die besondere Situation der Krisenintervention, die die höhere Vergütungsgruppe rechtfertigt. Denn die Krisenentervention stellt besondere Anforderungen und ist mit einem höhen Maß an Verantwortung verbunden.
113Indem die Tarifvertragsparteien die Tätigkeit der Krisenintervention gesondert bewertet haben, können die abgrenzbaren Beratungsarbeiten, die gerade nur die Eingruppierung in eine niedrigere Vergütungsgruppe rechtfertigen, nicht mit der Krisenintervention zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang zusammengefasst werden.
114bb)Die Krisenintervention ist auch kein Heraushebungsmerkmal, wie die Klägerin meint. Der Regelungsmechanismus der Vergütungsgruppen in den relevanten Bestimmungen zeigt auch, dass entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ein Anteil an Kriseninterventionstätigkeiten ausreicht, der "deutlich wahrnehmbar" ist. Denn es handelt sich bei dem Merkmal der Krisenintervention nach dem PsychKG nicht um ein "Heraushebungsmerkmal". Kennzeichnendes Element von Heraushebungsmerkmalen im Recht der Eingruppierung ist, dass sie Tätigkeiten von der Ausgangsentgeltgruppe hervorheben (vgl. BAG v. 20.5.2009 - 4 ABR 99/08, AP Nr 2 zu § 17 TVÜ, BAG v. 22.10.2008 - 4 AZR 735/07, NZA 2009, 336; BAG v. 9.5.2007 - 4 AZR 351/06, Juris; BAG v. 6.6.1984 - 4 AZR 203/82, Juris). Diese Hervorhebung aber erfolgt sprachlich regelmäßig aber dadurch, dass der Wortlaut der Ausgangsentgeltgruppe widerholt wird und lediglich ein weiteres Merkmal im Sinne einer Heraushebung, z.B. durch die Kennzeichnung "besondere Schwierigkeit" etc. als Qualifikationsmerkmal hinzugefügt wird. So enthält die Entgeltgruppe S 12 Anlage C TVöD (VKA) das Heraushebungsmerkmal "schwierige Tätigkeiten". Davon abweichend haben die Tarifvertragsparteien durch die eindeutige Beschreibung abschließender Voraussetzungen in der Vergütungsgruppe klargestellt, dass diese Maßnahmen zu mindestens der Hälfte der Arbeitszeit wahrgenommen werden müssen. Denn das Merkmal der Krisenintervention definiert die höhere Vergütungsgruppe als eigenständiges tarifliches Tätigkeitsmerkmal. Insoweit liegt offensichtlich auch kein Funktionsmerkmal vor.
115cc)Auch ansonsten können die Tätigkeiten der Klägerin in der Beratung mit denen der Krisenintervention auf Grundlage des PsychKG keinen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden. Zuzugeben ist der Klägerin zwar, dass das BAG bei Entscheidungen zu Sozialarbeitern häufig von einem Arbeitsvorgang ausgegangen ist (vgl. nur BAG v. 25.2.2009 - 4 AZR 20/08, AP Nr. 310 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dies ist jedoch keine Besonderheit der Tätigkeit des Sozialarbeiters sondern beruht lediglich darauf, dass Atomisierungen der Tätigkeiten bei Angestellten im öffentlichen Dienst zu vermeiden sind. Häufig wird eine einheitliche Tätigkeit immer auch einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden. Wenn es aber - wie hier - tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht schon zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst (BAG v. 6.7.2011 - 4 AZR 568/09, derzeit n.v.; BAG v. 23.9.2009 - 4 AZR 308/08, AP Nr. 40 zu §§ 22,23 BAT-O; BAG v. 25.2.2009 - 4 AZR 20/08, AP Nr. 310 zu §§ 22, 23 BAT 1975, vgl. oben aa).
116Auch ansonsten liegt kein einheitlicher Arbeitsvorgang vor. Die Klägerin verkennt, dass ihre Arbeiten abgrenzbar sind. Soweit sie gegenteiliger Auffassung ist, übersieht sie bereits ihren eigenen Aufgabenbereich. Denn dieser ist gerade nicht gekennzeichnet durch ein fortalufendes Vermeiden der Krisenintervention nach PsychKG, sondern in aller erster Linie bestimmt durch die Beratung von Menschen mit pyschischen Erkrankungen und/oder Abhängigkeitserkrankten aller Altersgruppen und deren Angehöriger. Denn nicht jede psychsiche Erkrankung oder Abhängigkeitserkrankung geht mit einer Krisenintervention nach dem PsychKG einher. Die Krisenintervention ist angesichts des von der Klägerin selbst ermittelten Tätigkeitsanteils sogar der Ausnahmefall. In lediglich 10% der Beratungsfälle kommt es zur Entscheidung über die zwangsweise Unterbringung eines Menschen. Dass es sich um unterschiedliche Arbeitsvorgänge handelt, hat die Klägerin jedenfalls zunächst dadurch erkennen lassen, dass sie bei der Stellenbeschreibung die jeweiligen Beratungen neben der Krisenintervention selbst als eigene Arbeitsvorgänge beschrieb. Die Unterschiedlichkeit zeigen aber auch die jeweiligen Beratungsinhalte selbst. Bei der sozialpsychiatrischen Beratung Anhängigkeitserkrankter und deren Angehöriger geht es im Wesentlichen um andere Tätgkeiten als die Vermeidung der Zwangseinweisung. Es geht zunächst einmal um konkrete Hilfen im Alltag, zB. Gespräche mit Angehörigen und Arbeitgebern, Eingliederungsmaßnahmen, Aufzeigen von suchtspezifischen Freizeitmaßnehmen sowie Klärung existentieller Schwierigkeiten z.B. bei einer anstehenden Wohnungsräumung. Diese Hilfen haben einen eigenen Hilfeansatz und stehen mit der Vermeidung der zwangsweisen Unterbringung nicht in einem untrennbaren Zusammenhang. Gleiches gilt für die allgemein sozialpsychiatrische Beratung psychisch Erkrankter und deren Angehöriger. Hier geht es nach der Tätigkeitsbeschreibung zunächst darum, überhaupt einen Zugang zu den betroffenen Menschen zu finden. Es bedarf in der Regel bereits mehrerer Gespräche um die Problemlage und Anamnese zu erheben. Ist der Zugang zum Erkrankten aufgebaut, geht es um die beschriebenen konkreten Hilfen. Auch hier stehen allgemeine Hilfen im Vordergrund, nicht die Einweisung nach PsychKG. Zu dieser kommte es auch hier nur in Einzelfällen, nämlich bei dem Verdacht einer unmittelbar bevorstehenden oder bereits eingetretenen akuten Fremd- oder Eigengefährdung. Diese konkrete Krisensituation ist nach Auffassung der Kammer ohne weiteres von den allgemeinen Beratungsleistungen abtrennbar, ohne dass es zu einer Atomisierung kommt. Es handelt sich wegen des unterschiedlichen Beratungsinhaltes nicht um einen einheitlichen Arbeitsvorgang, weil sich die Entscheidung über die Zwangseinweisung auch gerade von der allgemeinen Beratung unterscheidet. Krisenintervention ist nämlich keine Beratung, sondern Normvollzug. Es wird an einer konkreten Maßnahme zur Gefahrenabwehr mitgewirkt, die einer konkreten Gefährungslage geschuldet ist und deren rechtliche Grundlagen sich aus dem Gesetz ergeben. Dies bildet schon sachlogisch keinen einheitlichen Arbeitsvorgang zur Beratung. Hinzu kommt, dass die Entscheidung zur Gefahrenabwehr auch gar nicht mit einer vorhergehenden Beratung im Zusammenhang stehen muss. Denn die Krisenintervention nach PsychKG betrifft auch Menschen, die vorher gar keine Beratungsleistungen in Anspruch genommen haben. Natürlich gehört zu den Tätigkeiten der Klägerin auch die Deeskalation krisenhafter aber noch nicht gefährdender Situationen. Auch diese Tätigkeiten erreichen aber lediglich den Tätigkeitsanteil von 10%. Dies reicht nicht aus.
117II.
118Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 97 Abs. 1 ZPO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels der Person zur Last, die es eingelegt hat.
119III.
120Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht liegen vor. Die Kammer ist der Auffassung, dass dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es geht um die Auslegung eines Tarifvertrages, der eine Vielzahl von vergleichbaren Arbeitnehmern betrifft. Damit besteht der Revisionsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
121RECHTSMITTELBELEHRUNG
122Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei
123R E V I S I O N
124eingelegt werden.
125Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
126Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
127Bundesarbeitsgericht
128Hugo-Preuß-Platz 1
12999084 Erfurt
130Fax: 0361-2636 2000
131eingelegt werden.
132Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
133Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1341.Rechtsanwälte,
1352.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1363.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
137In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
138Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
139* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
140Dr. UlrichHeinrichWittich
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