Urteil vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 8 Sa 355/14
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 06.02.2014 - Az. 5 Ca 3038/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung des von ihr erarbeiteten Wertguthabens aus Altersteilzeit in einer Summe hat.
3Die am 19.12.1952 geborene Klägerin war seit dem 12.06.1973 Arbeitnehmerin der D. Aluminium W. GmbH (im Folgenden D. GmbH), mit der sie unter dem 12.12.2006 auf Grundlage im einzelnen bezeichneter tarifvertraglicher Bestimmungen für die Metallindustrie NRW einen Altersteilzeitvertrag schloss. Danach sollte das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2014 als Altersteilzeitverhältnis im Blockmodell fortgeführt werden; wobei die Klägerin bis zum 31.12.2011 in Vollzeit (35 Stunden wöchentlich) arbeiten sollte, um anschließend in die Freistellungsphase zu wechseln. Im Altersteilzeitvertrag, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf Blatt 9 ff. der Akten Bezug genommen wird, ist unter anderem bestimmt:
4"§ 3
5Alterszeit
6(1) Die Arbeitszeit entspricht mit dem Beginn der Altersteilzeitarbeit im Jahresdurchschnitt der Hälfte der bisherigen tariflichen bzw. vertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden, also 17,5 Stunden.
7§ 5
8Vergütung
9(1) Der / die Beschäftigte erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ein Altersteilzeitentgelt. Es bemisst sich entsprechend den allgemeinen tariflichen Bestimmungen nach der reduzierten Arbeitszeit und wird unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit für die Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses fortlaufend gezahlt (§ 6, 15 TV ATZ).
10(2) Die festen Entgeltbestandteile (Monatslohn / Gehalt) werden für die Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf der Basis der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit während der Altersteilzeit (§ 6 Nr. 1 TV ATZ) gezahlt.
11§ 6
12Entgeltaufstockungsbetrag
13und Höherversicherungsbeiträge zur Rentenversicherung
14(1) Die / die Beschäftigte erhält einen Aufstockungsbetrag auf das Regelarbeitsentgelt nach Maßgabe von § 3 Absatz 1 Buchstabe a) Altersteilzeitgesetz mindestens in Höhe des nach § 6 Ziff. 2 ermittelten Bruttoaufstockungsprozentsatzes. Der zur Berechnung des Bruttoaufstockungsbetrages anzuwendende Prozentsatz der Bruttoaufstockung wird zu Beginn der Altersteilzeit auf individueller Basis ermittelt und bleibt während der gesamten Laufzeit des Altersteilzeitverhältnisses gleich.
15(2) Der auf das Regelarbeitsentgelt bezogene Bruttoaufstockungsprozentsatz ist so zu bemessen, dass das monatliche Nettoentgelt während der Altersteilzeit mindestens 84 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Beschäftigte gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen doppelten Regelarbeitsentgelts gem. § 6 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz beträgt.
16§ 13
17Auslegungsfragen
18(1) Für die Auslegung dieses Vertrages ist das Altersteilzeitgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung maßgebend.
19§ 14
20Schlussbestimmungen
21(1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürften der Schriftform. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, wird hierdurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich, in diesem Falle eine der unwirksamen Bestimmungen möglichst nahekommende Regelung zu treffen."
22Zur Absicherung des von der Klägerin während der Arbeitsphase erarbeiteten Wertguthabens gab die Beklagte aufgrund einer mit der D. GmbH geschlossenen Rahmenvereinbarung unter dem 06.10.2009 eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung (Blatt 199 der Akte) ab. Hierin heißt es, die Beklagte übernehme "zur Sicherung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Erfüllung des Wertguthabens aus der Altersteilzeit, das durch ein vor der Freistellung von der Arbeitsleistung erzieltes Arbeitsentgelt erwirtschaftet wird, einschließlich des hierauf entfallenen Arbeitgeberanteils am Gesamtversicherungsbeitrag, zugunsten des Arbeitnehmers die Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 129.488,88 EUR."
23Der Altersteilzeitvertrag der Parteien wurde bis zum 30.04.2012 beiderseits vertragsgemäß erfüllt. Zum 30.04.2012 betrug das durch Bürgschaft der Beklagten abgesicherte Wertguthaben der Klägerin noch 93.594,45 € brutto. Im Mai und Juni 2012 bezog die Klägerin wegen des Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D. GmbH Insolvenzgeld in Höhe von jeweils 3.113,72 € brutto. Mit Wirkung zum 01.07.2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte leistete hierauf in den Monaten Juli, August und September 2012 monatliche Zahlungen von 2.812,53 € brutto, im Oktober 2012 3.211,33 € brutto und ab November 2012 durchgehend 2.912,23 € brutto. Das Altersteilzeitverhältnis der Klägerin besteht ungekündigt fort.
24Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte schulde ihr aus der Bürgschaft keine monatlichen Zahlungen, sondern die Auszahlung des noch verbliebenen Wertguthabens in einer Summe. Das ergebe sich aus der Fälligkeitsregelung des § 41 Abs. 1 InsO. Die Beklagte habe sich zudem für die Zahlung des Wertguthabens verbürgt und nicht für die Zahlung des laufenden Arbeitsentgelts, was die Klägerin - wegen des Ausfalls mit den Aufstockungsleistungen - ja so oder so nicht mehr zur Gänze erhalte. Die Klägerin könne die fortlaufende (teilweise) Nichterfüllung des Altersteilzeitvertrages im Übrigen nicht sanktionieren, sondern müsse eine auf Jahre andauernde vertragswidrige Entgeltminderung hinnehmen. Das könnten die Arbeitsvertragsparteien nicht gewollt haben. Die Beklagte schulde überdies eine korrigierte Entgeltabrechnung gemäß § 23b Satz 11 SGB IV, weil sich aus einer Einmalzahlung eine geringere Belastung mit Beiträgen zur Sozialversicherung ergebe.
25Die Klägerin hat, unter Berücksichtigung von bis zum Monat Januar 2014 von der Beklagten erbrachten Monatsraten, erstinstanzlich zuletzt beantragt,
261.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 43.147,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.05.2013 zu zahlen.
272.der Klägerin Lohnabrechnung über den Bruttobetrag in Höhe von 96.585,47 € unter Berücksichtigung bereits erfolgter Teilzahlungen zu erteilen.
28Die Beklagte hat beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Die Beklagte hat das Fehlen einer Anspruchsgrundlage gerügt. Aus dem Altersteilzeitvertrag wie aus dem ATZG folge allein, dass das Wertguthaben ratierlich an die Klägerin auszuzahlen sei. Bestehe aber im Verhältnis der Klägerin zur D. GmbH kein Anspruch, dann auch nicht gegenüber der Beklagten. Die Klägerin dürfe durch die Bürgschaft nicht besser gestellt werden, als wenn die D. GmbH als Hauptschuldnerin leistete. § 41 InsO besitze als insolvenzrechtliche Spezialvorschrift keine Bedeutung für das Verhältnis der Parteien.
31Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.02.2014 abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten angeschlossen. Es hat ergänzend ausgeführt, die von der Beklagten übernommene Bürgschaft habe generell nicht den Zweck, die Klägerin vor Einbußen infolge der Insolvenz ihrer Arbeitgeberin zu schützen. Sie sichere allein das von der Klägerin während der Arbeitsphase erarbeitete Wertguthaben ab. Ob und welche Einbußen die Klägerin wegen der Insolvenz dauerhaft erleide, könne jetzt gar nicht festgestellt werden, da dazu erst das Insolvenzverfahren abgeschlossen sein müsse. Da die Klägerin keinen Anspruch auf eine Einmalzahlung habe, müsse die Beklagte auch nicht so abrechnen.
32Gegen das ihr am 10.03.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 09.04.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.06.2014 - mit einem weiteren, am 10.06.2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.
33Die Klägerin rügt die Rechtsfehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils. Das Arbeitsgericht habe die Klage nach seiner eigenen Argumentation allenfalls als derzeit unbegründet abweisen dürfen. Abgesehen davon sei die im Verhältnis der Klägerin zur D. GmbH vereinbarte ratierliche Auszahlung des Wertguthabens gegenstandslos geworden, weil die Schuldnerin die Aufstockungsbeträge gar nicht mehr erbringe. Eine hinreichende Insolvenzsicherung, für die die Beklagte zu bürgen habe, sei nur durch Zuerkennung eines Anspruchs auf sofortige Auszahlung des Wertguthabens zu erzielen. Zudem habe die Beklagte zu geringe monatliche Raten auf das Wertguthaben gezahlt; diese müssten 3.141,59 € brutto betragen. Warum sich die Klägerin das ihr über zwei Monate gezahlte Insolvenzgeld als das Wertguthaben mindernd anrechnen lassen müsse, sei nicht erkennbar. Die Klägerin hat - unverändert ausgehend von einem Wertguthaben von 93.594,45 € zum 01.07.2012 - die Klageforderung neu berechnet. Sie hat sich von der Beklagten erbrachte Zahlungen bis zum 01.08.2014 anrechnen lassen, allerdings nicht in voller Höhe, sondern unter Herausrechnung von Zinsen in gesetzlicher Höhe, die durch die nicht sofortige Auszahlung der Wertguthabens in einer Summe ab dem 23.04.2013 entstanden sind.
34Die Klägerin beantragt,
35das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 06.02.2014 Aktenzeichen: 5 Ca 3038/13 abzuändern und
361. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 26.064,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 aus 26.036,10 € abzüglich am 01.07.2014 und am 01.08.2014 jeweils gezahlter 2.912,23 € zu zahlen,
372. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Lohnabrechnung über dem Bruttobetrag in Höhe von 93.594,45 € unter Berücksichtigung des ermäßigten Beitragssatzes gemäß § 243
38SGB W. und bereits erfolgter Teilzahlung zu erteilen.
39Die Beklagte beantragt,
40die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
41Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie hält die Klage nach wie vor für unschlüssig, die nunmehr vorgenommene Berechnung der Klageforderung für nicht nachvollziehbar. Sie habe alle ihre Zahlungspflichten als Bürgin erfüllt. Die Klägerin übersehe, dass die Bürgschaft sich auch auf die Absicherung der auf die Teilzeitleistung entfallenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung beziehe.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.
43E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
44A.
45Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 1, 2 lit. b), 66 Abs. 1 ArbGG.
46B.
47Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
48I.
49Gegenstand der Entscheidung in der Berufungsinstanz sind die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 09.09.2014 gestellten Anträge. Diese sind in ihrer konkreten Fassung zulässig.
501.
51Die von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageänderung ist gemäß §§ 533, 263 ZPO zulässig. Die Klägerin hat die Klageforderung dadurch verändert, dass sie sich - für den Zeitraum ab April 2013 - nunmehr die von der Beklagten monatlich geleisteten Raten von 2.912,23 € brutto nur noch um einen Zinsanteil vermindert von der Klageforderung abziehen lässt (vgl. die Anlage K1 zur Berufungsbegründung), während sie die Zahlungen der Beklagten erstinstanzlich noch in voller Höhe auf ihr Wertguthaben in Anrechnung gebracht hat. Zudem will die Klägerin die beiden Insolvenzgeldzahlungen für die Monate Mai und Juni 2012 nicht wertguthabenmindernd berücksichtigt wissen. Demzufolge ist die Klageforderung bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts jetzt höher als damals. Diese Klageänderung ist gleichwohl zulässig, weil sie sich - bei Beibehaltung der für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachengrundlage - unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie als sachdienlich darstellt. Der nunmehr geltend gemachte Klageanspruch ist nämlich in dem Sinne der "richtige", als er erhellt, worum es der Klägerin materiell (auch) geht, nämlich um einen Ausgleich des durch die in ihren Augen verzögerte Auszahlung des Wertguthabens entstehenden Zinsschadens. Die Klageanträge in der geänderten Form sind damit geeignet, die zwischen den Parteien bestehenden unterschiedlichen Rechtsauffassungen einer umfassenden Klärung zuzuführen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen (vgl. etwa BAG, Urteil vom 12.09.2006 - 9 AZR 271/06, NZA 2007, 269).
522.
53Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen auch zulässig. Insbesondere ist der Klageantrag zu 1) hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der zur Entscheidung stehende Streitgegenstand ist erkennbar.
54a.
55Streitgegenstand ist der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene, eigenständige prozessuale Anspruch, der durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt wird. Zum Streitgegenstand zählen dabei alle Tatsachen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens unterbreitet hat. Der Streitgegenstand wird ausschließlich vom Kläger mit seinem Klagebegehren bestimmt. Das Vorbringen des Beklagten oder Verteidigungsvorbringen des Klägers gegenüber Beklagtenvortrag verändert den vom Kläger mit seinem Antrag und seinem Klagevorbringen festgelegten Streitgegenstand nicht (Grundsätze nach BAG, Urteile vom 25.09.2013 - 10 AZR 454/12, NZA 2014, 164; vom 15.05.2013 - 7 AZR 665/11, ZTR 2014, 40; BGH, Urteil vom 23.07.2008 - XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922).
56b.
57Diesen Vorgaben tragen die Klageanträge Rechnung. Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Auszahlung des von der Klägerin erarbeiteten Wertguthabens aus der Altersteilzeit in einer Summe, weiterhin darüber, in welchem Umfang sich die Klägerin zwischenzeitlich erbrachte Ratenleistungen auf ihren Anspruch anrechnen lassen muss, und schließlich, ob Insolvenzgeldleistungen zur Minderung des Wertguthabens führen. Völlig unbestritten ist indes, dass die Beklagte überhaupt zum Ausgleich des Wertguthabens verpflichtet ist. Es geht mithin allein darum, ob die Beklagte statt der von ihr erbrachten rentenartigen Leistungen etwas anderes, nämlich eine einmalige Abfindungsleistung in bestimmter Höhe erbringen muss. Der Charakter beider Leistungsverpflichtungen ist gänzlich verschieden, und gerade und erst diese Unterschiedlichkeit erklärt die Führung des vorliegenden Rechtsstreits. Die monatlichen Ratenzahlungen sind gegenüber der Auszahlung des Wertguthabens in einer Summe kein Minus, was im Klageantrag mit enthalten wäre, sondern ein Aliud. Eine rechtskräftige Klageabweisung im vorliegenden Verfahren enthebt die Beklagte nicht der Verpflichtung zur weiteren Ratenzahlung, für die sie sich verbürgt hat. Umgekehrt ist die Klage - entgegen der Auffassung der Klägerin - vor dem Hintergrund zukünftiger Leistungen der Beklagten nicht nur "zur Zeit unbegründet", wenn ein Anspruch auf Auszahlung des Wertguthabens in einer Summe nicht besteht. Diesen Anspruch hat die Klägerin entweder jetzt schon oder gar nicht, ein zukünftiges Entstehen ist ausgeschlossen.
58Außerhalb des sich aus den Klageanträgen ergebenden Streitgegenstandes bewegt sich im Übrigen die Argumentation der Klägerin, die Beklagte zahle zu geringe Monatsraten, die die Höhe des letzten Bruttolohns der Klägerin von 3.141,59 € unterschritten. Die monatlichen Zahlungen der Beklagten von 2.912,23 € brutto korrespondieren mit dem Wertguthaben von 93.594,45 € Stand 30.04.2012 (30 Raten), welches die Klägerin ihrer Klageforderung zugrunde legt, jedenfalls dann, wenn die Insolvenzgeldzahlungen in den Monaten Mai und Juni 2012 vom Wertguthaben in Abzug zu bringen sind. Ob die Klägerin tatsächlich ein höheres Wertguthaben erarbeitet hat, steht damit vorliegend nicht im Streit.
59II.
60Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Sie kann von der Beklagten nach Maßgabe ihres Altersteilzeitvertrages mit der D. GmbH in Verbindung mit § 765 BGB keine Auszahlung ihres während der Altersteilzeit erarbeiteten Wertguthabens in einer Summe und auch keine entsprechende Abrechnung verlangen. Es fehlt an einer sofortigen Fälligkeit der Hauptforderung, die die Beklagte als Bürgin gemäß § 767 Abs. 1 BGB nur so erbringen muss, wie sie die D. GmbH ohne Eintritt ihrer Insolvenz als Bürgschaftsfall erbringen müsste (unten 1.). Die Klageforderung ist auch nicht teilweise begründet, weil die Beklagte ihre monatlichen Ratenzahlungen in Ansehung eines Wertguthabens von 93.594,45 € am 30.04.2012 zu gering bemessen hat. Vielmehr führen auch die Insolvenzgeldzahlungen in den Monaten Mai und Juni 2012 zu einer entsprechenden Minderung des Wertguthabens (unten 2.).
611.a.
62Die Kammer nimmt zur Begründung zunächst gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil. Das Arbeitsgericht hat insbesondere zu Recht erkannt, dass sich aus § 41 Abs. 1 InsO kein Argument für die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Klägerin ergibt. Die Vorschrift bezweckt allein die Förderung der insolvenzrechtlichen Schuldenbereinigung und betrifft als insolvenzrechtliche Verfahrensregelung das Verhältnis der Klägerin als Insolvenzgläubigerin zu einem außenstehenden Dritten wie der Beklagten als Bürgin nicht. Gegen diese Bewertung hat die Klägerin mit ihrer Berufung auch keine Einwendungen erhoben.
63b.
64Die Klägerin stützt ihr Begehren im Wesentlichen auf eine (ergänzende) Auslegung des Altersteilzeitvertrages zwischen ihr und der D. GmbH, wonach diese gegen Erbringung einer Teilzeitarbeitsleistung die Zahlung eines Teilzeitarbeitsentgeltes nebst vereinbarten Aufstockungsbeträgen schulde. Fielen die Aufstockungsbeträge wegen der Insolvenz des Arbeitgebers nunmehr weg, müsse sich die Klägerin auch nicht mehr an der ratierlichen Auszahlung des erarbeiteten Wertguthabens festhalten lassen.
65Diese Erwägungen treffen indes nicht zu.
66-Mit keinem Wort deutet der Altersteilzeitvertrag der Klägerin an, dass ein von ihr in der Arbeitsphase erarbeitetes Wertguthaben im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers anders zu bedienen ist als gäbe es die Insolvenz nicht. Schon in Anbetracht der Schriftformklausel des § 14 Abs. 1 des Vertrages verbleibt es daher bei der Regelung in § 5 Abs. 1, wonach das Altersteilzeitentgelt für die Gesamtdauer des Altersteilzeitverhältnisses fortlaufend gezahlt wird. Nichts anderes sieht der in Bezug genommene Tarifvertrag zur Altersteilzeit (für die Metallindustrie NRW) vor. Selbst bei Fehlen derartiger Bestimmungen würde die gesetzliche Grundkonzeption greifen, wonach der Arbeitnehmer während der Freistellungsphase Anspruch auf die durch seine Vorarbeit in der Arbeitsphase erworbenen Entgeltansprüche hat, die zeitversetzt "spiegelbildlich” zu bemessen sind (vgl. die st. Rspr. des BAG, etwa Urteile vom 19.12.2006 - 9 AZR 230/06, DB 2007, 1707; vom 11.04.2006 - 9 AZR 369/05, NZA 2006, 926; vom 04.10.2005 - 9 AZR 449/04, NZA 2006, 506).
67-Für die von der Klägerin faktisch vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung ist mangels Regelungslücke kein Raum (zu den tatbestandlichen Voraussetzungen und der Durchführung einer ergänzenden Vertragsauslegung vgl. BAG, Urteil vom 17.04.2012 - 3 AZR 803/09, juris, Rdz. 24, 31). Die Klägerin erhält trotz der Insolvenz der D. GmbH das von ihr erarbeitete Wertguthaben in voller Höhe und zu genau den vertraglich vorgesehenen Zeitpunkten ausbezahlt. Die von ihr unter Gerechtigkeitserwägungen vorgenommene Verknüpfung mit dem Ausfall der Aufstockungsbeträge ("wenn schon keine weitere Aufstockung mehr, dann wenigstens das Wertguthaben sofort") geht fehl, weil deren Zahlung ihren Rechtsgrund nicht in der von der Klägerin in der Arbeitsphase erbrachten Leistungen hat. Nur das Wertguthaben, nicht die Aufstockungsbeträge oder die Aussicht auf deren Zahlung sind erarbeitet. Dementsprechend sieht § 8a ATZG für den Insolvenzfall auch nur eine obligatorische Absicherung der Wertguthaben vor. Das Risiko, mit Ansprüchen auf Aufstockungsbetragszahlungen im Insolvenzfall auszufallen, trägt die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen wie alle übrigen Insolvenzgläubiger auch alleine. Dessen musste sich die Klägerin bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages bewusst sein.
68-Die Kammer vermag zudem nicht zu erkennen, dass die von der Klägerin vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung "passend" wäre, das heißt dem mutmaßlichen Willen der Parteien für den Fall des Erkennens der (tatsächlich nicht gegebenen) vertraglichen Regelungslücke entspräche. So decken sich etwa die Vermögenseinbußen der Klägerin durch den Ausfall mit den Aufstockungsansprüchen, deren Umfang vor Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht einmal bestimmbar ist, und der Zinsvorteil durch sofortige Auszahlung des Wertguthabens betragsmäßig nicht ansatzweise. Unklar bleibt weiterhin, wie nach sofortiger Auszahlung des Wertguthabens verfahren werden sollte, falls das Insolvenzverfahren - was nicht selten vorkommt - zeitnah vor Beendigung der Freistellungsphase wieder aufgehoben würde. Schließlich spricht nichts dafür, dass die D. GmbH gerade für die existenzbedrohende Krisensituation einer Überschuldung oder Illiquidität ihren Arbeitnehmern in Altersteilzeit eine vorfristige Ausgleichung von Verbindlichkeiten zusagte. Das liefe entweder auf eine gesetzwidrige Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger oder auf eine faktische Abrede zu Lasten der Beklagten als Bürgin hinaus, mit der diese in keiner Form rechnen muss.
692.
70Der Klägerin ist weiterhin nicht darin beizupflichten, dass die Insolvenzgeldzahlungen der Bundesagentur für Arbeit für Mai und Juni 2012 das Wertguthaben aus Altersteilzeit nicht mindern. Das Insolvenzgeld tritt gemäß § 165 Abs. 1, 2 SGB III als Lohnersatzleistung an die Stelle des Arbeitsentgeltes, welches der zahlungsunfähige Schuldner-Arbeitgeber zu leisten nicht mehr imstande ist. Der Entgeltanspruch geht bereits mit Antragstellung auf die Bundesagentur über (§ 169 Satz 1 SGB III). Die Klägerin muss sich demnach so behandeln lassen, als habe sie in den Monaten Mai und Juni 2012 ihr Arbeitsentgelt von der D. GmbH erhalten. Das aber minderte das Altersteilzeit-Wertguthaben. Jede andere Betrachtung führte zu einer gesetzes- und vertragswidrigen Kumulation der klägerischen Ansprüche für die in Rede stehenden Monate. Rechnerische Fehler der Beklagten bei der Berücksichtigung der Insolvenzgeldzahlungen sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
71C.
72Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision zugunsten der Klägerin war mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.
73R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
74Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
75Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird die Klägerin auf § 72 a ArbGG verwiesen.
76gez.: Schneider gez.: Leuchtges gez.: Rösch
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