Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 17 Sa 605/88
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 25.01.1988 - 2 Ca 690/87 - wird zurückgewiesen.
Die Klageerweiterung des Klägers in der Berufungsinstanz wird abgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten sich in der Hauptsache darüber, ob es dem Beklagten möglich ist, den Kläger entsprechend seines Gesundheitszustandes tatsächlich zu beschäftigen.
3Der Beklagte wurde in 1S72 von den Städten und Gemeinden des Altkreises Lübbecke als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet. Gleichzeitig wurden die örtlich bestehenden Wasser- und Bodenverbände aufgelöst.
4Beim Beklagten ist ein Geschäftsführer beschäftigt, der die Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Dies ist zur Zeit Herr Hohl.
5Daneben sind zur Zeit mit dem Kläger 35 Arbeiter für den Beklagten tätig, nämlich 24 Arbeiter, die als Verbandsarbeiter eingesetzt werden, zwei Betriebsschlosser, fünf Baggerfahrer und zwei Schleppfahrer. Diesen Arbeitern stehen zwei Vorarbeiter vor. Dies sind zur Zeit die Mitarbeiter Querenheim und Buckentin. Dabei ist zwischen den Parteien im Streit, inwieweit diese Vorarbeiter körperlich mitzuarbeiten haben.
6Aufgabe des Beklagten ist es, die Gewässer II. Ordnung im Verbandsgebiet von ca. 1.300 km zu unterhalten. Dabei sind von den Verbandsarbeitern jedes Jahr vom 1. Juni bis zum Jahresende die Gewässersohlen, die Uferböschungen und die Unterhaltungsstreifen auszumähen. Dieses erfolgt heute vorwiegend mit Maschinen, z.B. mit Front- und Seitenmähern, Schlegel-Häckslern und Mähkörben. Diese
7Geräte sind von der Böschungsoberkante her oder auf der Böschung zu fahren. Die Naturstrecken und die bepflanzten Gewässer sind von Hand mit der Sense zu mähen. Das Mähgut ist, soweit es von den Mähkörben nicht aufgefangen wird, mit der Gabel aus den Gewässersohlen zu entfernen. Außerhalb der Mähsaison, also vom 1. Januar bis 31. Mai eines jeden Jahres, sind von den Verbandsarbeitern die Gewässer von Unrat, Schlamm u.a. zu räumen, was unter Einsatz der Bagger auch Handarbeit erfordert. Ferner sind Rohre in den Gewässerprofilen zu verlegen, das Ufergeholz zu beschneiden und Neuanpflanzungen vorzunehmen. Außer den beiden Betriebsschlossern sind alle Verbandarbeiter des Beklagten im Freien eingesetzt.
8Der Beklagte hatte bis Ende 1985 auf alle Arbeitsverhältnisse seiner Mitarbeiter die Regelungen der Tarifverträge, die die IG Bau-Steine-Erden abgeschlossen hatte, angewandt.
9Der Beklagte wurde dann zum 01.01.1986 Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes des Landes Nordrhein-Westfalen (KAV NW), da die Belegschaft des Beklagten zuletzt am 21.09.1984 mit dem Hinweis, daß der Beklagte eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, gefordert hatte, daß ihre Arbeitsverträge auf der Grundlage des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-GII) neu abzuschließen seien.
10Am 20.11.1984 wurde erstmals ein dreiköpfiger Personalrat beim Beklagten gewählt.
11Der Beklagte entschloß sich dann in 1986, die bestehenden Arbeitsverträge seiner Beschäftigten auf die Bestimmungen des BMT-GII umzustellen. Zu diesem Zweck führte er mit dem Personalrat ein Einigungsstellenverfahren nach § 66 LPVG NW durch. In diesem Verfahren beschloß die Einigungsstelle in der Sitzung am 30.09.9186 u.a., daß übergangsweise bis Ende 1987 zwei Vorarbeiterstellen beim Beklagten einzurichten seien. Dabei sollte eine dieser Stellen mit Herrn Quernheim besetzt werden. Der Vorschlag des Beklagten, die zweite Vorarbeiter- steile mit dem Mitarbeiter Buckentin zu besetzen, wurde von der Einigungsstel-
12le abgelehnt. Bis zu dieser Entscheidung der Einigungsstelle hatte der Beklagte nur eine offizielle Vorarbeiterstelle eingerichtet, die seit 1982 von Herrn Buckentin eingenommen worden war.
13Der Beklagte richtete dann auch entsprechend dem Beschluß der Einigungsstelle zwei Vorarbeiterstellen ein. Diese Vorarbeiter sind wie alle Verbandsarbeiter mit Ausnahme der Schlosser in die Lohngruppe IV BMT-GII eingestuft. Weiter erhalten sie wie die Verbandsarbeiter den Erschwerniszuschlag nach § 23 Abs. 1 Buchst, d BMT-GII. Zusätzlich zahlt der Beklagte nur den Vorarbeitern widerruflich die tarifliche Vorarbeiterzulage in Höhe von 10 % der Lohngruppe IV BMT-GII und die Leistungszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages der Lohngruppe IV und der Lohngruppe VI BMT-GII.
14Der Beklagte bestellte desweiteren Herrn Quernheim nach § 4 BZT-G/NRW schriftlich zum Vorarbeiter. Die zweite Vorarbeiterstelle wurde hingegen vom Beklagten zunächst nicht offiziell besetzt. Vielmehr beauftragte er mit Schreiben vom 23.10.1936 Herrn Buckentin weiterhin mit der Wahrnehmung der Vorarbeitertätigkeiten unter entsprechender Bezahlung.
15Im August 1987 trat der am 24.07.1987 neu gewählte Personalrat an den Beklagten mit dem Antrag heran, Herrn Buckentin offiziell zum zweiten Vorarbeiter zu bestellen. Diesem Antrag schloß sich der Mitarbeiter Buckentin schriftlich an. Daraufhin beschloß der Vorstand des Beklagten am 19.11.1987, Herrn Buckentin zum 01.01.1989 offiziell nach § 4 BZT-G/NRW zum Vorarbeiter zu bestellen.
16Der am 2S.09.194G geborene Kläger ist verheiratet und Vater zweier Kinder, die am 23.03.1968 und 29.12.1975 geboren sind. Dabei ist im Berufungstermin am 10.11.1988 unstreitig geworden, daß nur noch das jüngere Kind unversorgt und daß die Ehefrau des Klägers seit 1976 vollzeitig als Pflegerin mit einem Bruttomonatsverdienst von ca. 2.000,— DM beschäftigt ist.
17Der Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er hat nebenberuflich eine Landwirtschaft betrieben und war zunächst ca. 10 Jahre auf einer Ziegelei als Arbeiter tätig.
18Zum 01.04.1979 nahm er seine Tätigkeit als Verbandsarbeiter beim Beklagten auf.
19Schon zu dieser Zeit litt er seit Ende der 60-iger Jahre an Rückenbeschwerden. Deswegen unterzog er sich in 1905 einer vom Rentenversicherungsträger bewilligten Heilkur in Bad Sassendorf, die im Ergebnis ohne Erfolg für die Rückenbeschwerden des Klägers blieb.
20Unter dem 21.05.1985 erstellte der den Kläger behandelnde Arzt S. John folgende Bescheinigung, die der Kläger dem Beklagten vorlegte:
21Herr Günter Schlottmann, geb. 29.09.46, wohnhaft 4993 Rahden, Mühlendamm 29, steht wegen einer Wirbelsäulenverbiegung bei einer Scheuermann'sehen Krankheit, sowie wegen Verschleißerscheinungen an den Knie- u. Hüftgelenken in meiner Behandlung.
22Weiterhin leidet er unter Herz-, Hirn- u. peripheren Durchblutungsstörungen mit arteriellen Durchblutungsstörungen bd. Beine u. unter einer Schilddrüsenvergrößerung .
23Vom Versorgungsamt Bielefeld wurde eine Erwerbsminderung von 60 % anerkannt.
24Auf Grund der oben beschriebenen Krankheitsbilder ist mein Pat. nicht in der Lage, schwere körperliche, die Wirbelsäule belastende Arbeiter zu verrichten.
25Ab dem 05.11.1985 wurde der Kläger wegen seines Rückenleidens von den praktischen Ärzten Dr. E. John und S. John erneut arbeitsunfähig krankgeschrieben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Arzt für Orthopädie Dr. 0. M. Agua durch gezielte Untersuchungen bereits festgestellt, daß der Kläger an einem chronischen Rückenleiden durch kyphotische Verbiegung der Brustwirbelsäule mit degenerativen Veränderungen aufgrund einer in der Jugend durchgemachten sogenannten Scheuermann'sehen Erkrankung litt. Unter dam 21.10.1985 hatte Herr Dr. 0. M. Agua dem Kläger eine Aufrichtungsosteothomie bzw. eine Korrektur der Scheuermann-Kyphose empfohlen. Oer Kläger befand sich dann vom 02. bis 25.01.1986 in stationärer Behandlung. Dabei wurde er am 06.01.1986 von Herrn Dr. 0. M. Agua operiert. Hierbei wurden die Kyphose aufgerichtet und die betroffenen Wirbel - vom vierten Brustwirbel bis zum ersten Lendenwirbel - versteift. Im Anschluß an diesen operativen Eingriff erfolgte nach komplikationsloser Wundbehandlung die Anlegung eines Rumpfgipses mit anschließender Mobilisierung. Vom 29.07. bis 01.08.1986 wurde der Kläger erneut stationär aufgenommen. Es erfolgte die Gipsentfernung sowie eine medio-mechanische Mobilisierung durch Herrn Dr. 0. M. Agua.
26Der Kläger blieb weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Er wurde am 16.10.1986, 02.02.1987 und 17.03.1987 vertrauensärztlich untersucht. Dabei wurde bei der letzten vertrauensärztlichen Untersuchung am 17.03.1987 über die Weiterverwendungsfähigkeit des Klägers ausgeführt:
27"Der Versicherte ist für die bisher ausgeübte Tätigkeit weiterhin nicht geeignet. Nach seinen Angaben kann ihm ein leistungsgerechter Arbeitsplatz vom Arbeitgeber angeboten werden. Die Entscheidung fällt wahrscheinlich Ende März. Der Versicherte ist bereit, einen leistungsgerechten Arbeitsplatz anzunehmen."
28Dem Kläger wurde seitens der A0K Minden-Lübbecke von Beginn seiner letzten Arbeitsunfähigkeit an seit dem 05.11.1985 Krankengeld gezahlt. Diese Zahlung stellte die Krankenkasse zum 05.05.1987 ein, da nach § 183 Abs. 2 RV0 Krankengeld für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit für höchstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, zu gewähren ist.
29Am 04.05.1987 brachte der Kläger gegenüber dem Verbandsvorsteher des Beklagten telefonisch zum Ausdruck, er sei wieder arbeitsfähig.
30Der Kläger erschien jedoch am 06.05.1987, einem Mittwoch, nicht zur Arbeitsaufnahme beim Beklagten.
31Mit Schreiben vom 07.05.1987 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er gehe davon aus, daß der Kläger nach wie vor arbeitsunfähig sei. Aus dem Gesichtspunkt der
32Fürsorgepflicht sehe er sich gehalten, den Kläger nur arbeiten zu lassen, wenn er tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen arbeiten könne. Deswegen werde der Kläger gebeten, am 29.05.1987 sich einer Untersuchung durch den Betriebsärztlichen Dienst zu unterziehen.
33Mit weiterem Schreiben vom 13.05.1987 gab der Beklagte dem Kläger folgendes bekannt:
34Sehr geehrter Herr Schlottmann!
35Da Sie am 04.05.1987 gegenüber dem Verbandsvorsteher telefonisch zum Ausdruck gebracht haben, wieder arbeitsfähig zu sein, teile ich Ihnen ergänzend zu unserem Schreiben vom 7. Mai 37 mit, daß Ihrem Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1986 (= 36 Tage) ab 05.05.1987 stattgegeben wird; d.h. diese 36 Tage sind ab 05.05.1987 zu nehmen bzw. anzutreten.
36Ihr erster Arbeitstag wäre somit der 30. Juni 1987.
37Sie werden gebeten, sich am
38Donnerstag, den 30. Juni 1987
39an dem für Sie festgesetzten Sammelpunkt (Betriebsplatz) zum vorgeschriebenen Arbeitsbeginn um 7.00 Uhr, gem. Teil A, Punkt 1.23 der Dienstanweisung, einzufinden und die Arbeit, vorbehaltlich Ihrer Arbeitsfähigkeit, wieder aufzunehmen.
40Hinweislich:
41Bezüglich der amtsärztlichen Untersuchung am 20. Mai 1987 verweise ich auf das Schreiben des Verbandes vom 7. Mai 1987.
42Unter dem 29.05.1987 gab der Arzt für Arbeitsmedizin Dr. Müller-van Meerbeke des Betriebsärztlichen Dienstes für Krankenhäuser, Kliniken und öffentliche Verwaltungen in Bad Oeynhausen aufgrund der Untersuchung des Klägers.am 20.05.1987 gegenüber dem Beklagten folgende schriftliche arbeitsmedizinische Stellungnahme ab:
43Aufgrund dieser Untersuchung sowie der mir vorliegenden Befunde der behandelnden Ärzte erhebe ich
44dauernde gesundheitliche Bedenken
45gegen eine Beschäftigung als Wasserwerker gemäß der bis zum Jahresende 1935 ausgeübten Tätigkeit.
46Der Arbeitsplatz von Herrn Schlottmann beinhaltet ein Stehen an einer schrägen Böschung zum Zwecke des Grasmähens und anderer Instandhaltungsarbeiten. Diese unterschiedliche Beinbelastung an den schrägen Böschungen muß durch die Wirbelsäule wieder ausgeglichen werden. Bei Herrn Schlottmann ist jedoch die Funktionsfähigkeit durch eine seit der Jugend bekannten Erkrankung erheblich eingeschränkt. Dieses hat auch zu einer Operation der Wirbelsäule geführt. Die Gesamterkrankung war der Grund für die anderthalbjährige Arbeitsunfähigkeit.
47Herr Schlottmann hat mich in Bezug auf die Erkrankung seiner Wirbelsäule ausdrücklich von der Schweigepflicht entbunden.
48Aufgrund meiner Untersuchungen empfehle ich Herrn Schlottmann nicht mehr an dem vorherigen Arbeitsplatz zu beschäftigen.
49Empfehlenswert wäre eine Tätigkeit mit Organisationsaufgaben, wobei auch das Führen eines Kraftfahrzeuges - auch über eine schlechte Wegstrecke - durchaus zuzumuten wäre.
50Bereits unter dem 18.05.1987 hatte der Beklagte desweiteren das Gesundheitsamt des Kreises Minden-Lübbecke gebeten, den Kläger gem. § 10 Abs. 2 BMT-GII zur Feststellung der Arbeits- und Dienstfähigkeit amtsärztlich zu untersuchen. Diese Untersuchung des Klägers wurde vom Amtsarzt, dem Leitenden Kreismedizinaldirektor Dr. Lingesleben, am 24.06.1987 durchgeführt. In seinem gegenüber dem Beklagten erstellten amtsärztlichen Gutachten vom 25.06.1987 kommt Herr Dr. Lingesleben zu folgendem Ergebnis:
51Es kann keinesfalls davon ausgegangen werden, daß, trotz deutlicher subjektiver Besserung bei der bestehenden objektiven Bewegungseinschränkung und der Wahrscheinlichkeit wieder verstärkt muskuläre Verspan- nungen mit Schmerzen zu erzeugen, aus sozialmedizinischer Sicht ein Einsatz in der alten Tätigkeit riskiert werden kann. Wenn auch nach derartigen Operationen weitgehend subjektive Schmerzfreiheit bei geringer Belastung erreicht werden kann, ist es nur in seltenen Fällen möglich, wieder alte belastende körperliche Tätigkeiten aufzunehmen.
52Aufgrund des Untersuchungsbefundes sowie der hier vorgelegenen klinischen und paraklinischen Befunde, ist Herr Schlottmann nicht mehr für schwere bis mettelschwere körperliche Arbeiten, wie bislang im Einsatz beim Wasserverband Große Aue aufgeführt, einsatzfähig. Dies gilt ganz besonders für die Arbeiten während der Mähsaison von Juni bis zum Jahresende. Diese Einschränkung der Leistungsbreite muß unterstellt werden, da mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die bisherige Verwendung, wie auch das Verlegen von Rohren, grundhafte Räumung und dergleichen, Rezidive der Rückenschwierigkeiten und erneute Arbeitsunfähigkeiten nicht ausschließen lassen. Für alle anderen leichten bis mittelschweren körperlichen Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen oder ständiges Gebücktsein sowie auch aufsichtsführend sind zumutbar bzw. möglich. Es müßte durch den Wasserverband überprüft werden, zumal Herr Schlottmann auch durch sein Leiden anerkannter Schwerbehinderter ist, in welcher Form im Bereich des Verbandes eine Beschäftigung als Schwerbeschädigter in dem ausgeführten Umfang möglich ist.
53Bezogen auf die, für die Tätigkeitsbeurteilung in Frage kommenden Leiden, handelt es sich um eine Dauersituation, die allerdings keine Erwerbsunfähigkeit sowie auch keine Berufsunfähigkeit zur Folge hat, zumal Herr Schlottmann auf alle Tätigkeiten, die die in der Beurteilung aufgeführten Einschränkungen berücksichtigen, vereisbar ist und diese vollschichtig verrichtet Vierden können.
54Der Kläger erhielt für die Zeit vom 05.05. bis 29.06.1937 vom Beklagten, wie im Schreiben vom 13.05.1987 angekündigt, die Urlaubsvergütung gezahlt. Dabei soll dem Kläger eine Überzahlung von 225,06 DM zugeflossen sein. Die Rückzahlung dieses Betrages ist Gegenstand des zwischen den Parteien mit umgekehrten Rubrum geführten Rechtsstreits 2 Ca 1170/87 ArbG Minden, der bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt ist.
55Bereits am 23.06.1987 faßte der Vorstand des Beklagten den Beschluß, den Kläger nicht mehr weiterzubeschäftigen, da er seine bisherigen Tätigkeiten als Verbandsarbeiter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne. Andere Arbeitsplätze, die dem Gesundheitszustand des Klägers entsprächen, seien nicht vorhanden.
56Aus diesem Grund wurde dem Kläger seitens des Beklagten auch dann die Arbeitsaufnahme mit den Tätigkeiten eines Verbandsarbeiters nach Ablauf der gewährten Urlaubszeit am 30.06.1987 untersagt.
57Mit Schreiben vom 14.07.1987 teilte der Beklagte dem Kläger folgendes mit:
58Betr.: Beendigung des Arbeitsverhältnisses
59Bezug: Arbeitsmedizinische Stellungnahme über Ihren Gesundheitszustand vom 29.05.1987;
60Vorstandsbeschluß vom 23.06.1987;
61Amtsärztliches Gutachten über Ihren Gesundheitszustand vom 25.06.1987
62Sehr geehrter Herr Schlottmann!
63Sowohl aus der arbeitsmedizinischen Stellungnahme als auch aus dem amtsärztlichen Gutachten ergibt sich eindeutig, daß Sie Ihrer bisherigen Tätigkeit nicht nachkommen können bzw. Sie nicht mehr für schwere bis mittelschwere körperliche Arbeiten, wie bislang im Einsatz beim Wasserverband, einsatzfähig sind.
64Bezogen auf die, für Ihre Tätigkeitsbeurteilung in Frage kommenden Leiden, handelt es sich um eine Dauersituation.
65Laut Vorstandsbeschluß vom 23.06.1987 werden Sie beim Verband nicht weiterbeschäftigt, da Sie Ihre bisherige Tätigkeit als Verbandsarbeiter nicht mehr ausführen können.
66Ein anderer Arbeitsplatz, der Ihrem Gesundheitszustand entspricht, ist nicht vorhanden und kann auch nicht geschaffen werden.
67Es wird Ihnen daher empfohlen, einen Umschulungsantrag beim Arbeitsamt Herford oder einen Rentenantrag bei der zuständigen Versicherungsanstalt zu stellen. Sollte eine Umschulungsmaßnahme (kaufm. Ausbildung) die Voraussetzung für eine Tätigkeit beim Verband erfüllen, behält sich der Wasserverband eine Wiedereinstellung vor.
68Wir bitten Sie, uns innerhalb von einer Woche schriftlich mitzuteilen, ob Sie sich für eine der angedeuteten Maßnahmen entscheiden können.
69Wir schlagen daher vor, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden.
70Falls Sie sich binnen der vorgenannten Frist nicht äußern, werden wir das Kündigungsverfahren einleiten und den Personalrat um Zustimmung zur fristlosen Kündigung bitten, da Sie aus personenbedingten Gründen nicht in der Lage sind, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Entsprechendes gilt für die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle.
71Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, daß Ihnen, wegen Ihres Gesundheitszustandes, keinerlei Vergütungsansprüche mehr zustehen. Das gilt auch für Urlaubsansprüche etc.
72Es liegt daher in Ihrem ureigensten Interesse, die bestehende Situation sofort abzuändern, da sonst zu befürchten ist, daß Sie mittellos dastehen. Nach unseren Informationen erhalten Sie auch kein Krankengeld mehr, da Sie nach Beendigung des Anspruchszeitraums ausgesteuert sind.
73Durch Schreiben vom 22.07.1987 ließ der Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) ist, dem Beklagten erfolglos mitteilen, daß er auf einer Weiterbeschäftigung bestehe.
74Der Kläger ist wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit Bescheid des Versorgungsamtes Bielefeld vom 12.03.1984 als Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsunfähigkeit von 60 v.H. anerkannt.
75Er war sowohl am 20.11.1984 als auch am 24.07.1987 beim Beklagten in den Personalrat gewählt worden. Dabei hatte er vom 20.11.1984 bis 24.07.1987 die
76Funktion des Personalratsvorsitzenden ausgeübt. Seit der Neuwahl des Personalrats am 24.07.1987 ist er nur noch einfaches Mitglied des dreiköpfigen Personalrats. Vorsitzender ist jetzt Herr Griepenstroh.
77Spätestens seit der Operation Anfang 1936 hat der Kläger seine Landwirtschaft vollständig verpachtet. Ob dieses wegen der dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers erfolgt ist, ist zwischen den Parteien streitig.
78Der Kläger hätte zuletzt bei einer Beschäftigung als Verbandsarbeiter durch den Beklagten die tarifliche Gesamtvergütung von 2.574,43 DM brutto erzielt.
79Der Beklagte erbringt dem Kläger jedoch seit dem 30.06.1987 keinerlei Zahlungen.
80Der Kläger hatte sich zum 21.07.1987 bei dem Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Er erhielt vom 21. bis 31.07.1987 Arbeitslosengeld in Höhe von 682,-- DM netto gezahlt.
81Mit Schriftsatz vom 06.08.1987, der am selben Tag beim Arbeitsgericht Minden eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
82Er hat behauptet, er sei wieder zur Erbringung der Tätigkeiten eines Verbandsarbeiters gesundheitlich in der Lage. Zumindest könne er die Aufgaben eines Vorarbeiters erledigen. Daher sei der Beklagte nach seiner Meinung verpflichtet, anstatt Herrn Suckentin ihm diesen Arbeitsplatz zu übertragen. Zumindest sei der Beklagte nach seiner Behauptung in der Lage, ihn mit anderen ihn gesundheitlich weniger beeinträchtigenden Tätigkeiten zu beschäftigen. Ausgehend hiervon sei der Beklagte nach seiner Auffassung verpflichtet, ihm die Vergütung eines Verbandsarbeiters aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges nach § 615 BGB für den 30.06.1987 und für Juli 1987 unter Abzug des erhaltenen Arbeitslosengeldes zu zahlen.
83Der Kläger hat beantragt,
841. den Beklagten zu verurteilen, ihn tatsächlich als Verbandsarbeiter zu beschäftigen.
852. Den Beklagten zu verurteilen, an ihn 132,45 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 30.06.1987 zu zahlen.
863. Den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.574,43 DM brutto abzüglich 682,— DM netto erhaltenen Arbeitslosengeldes nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 31.07.1987 zu zahlen.
87Der Beklagte hat beantragt,
88die Klage abzuweisen.
89Er hat behauptet, der Kläger sei seit dem 05.11.1985 zu keinem Zeitpunkt mehr in der Lage gewesen, wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen die vertraglich geschuldeten Tätigkeiten eines Verbandsarbeiters zu erbringen. Dieses folge nach seiner Ansicht aus allen gutachtlichen ärztlichen Äußerungen, die er eingeholt habe. Aber auch die Aufgaben eines Vorarbeiters könne der Kläger nicht ausüben, da die bei ihm eingesetzten Vorarbeiter nach seiner vom Kläger erstinstanzlich nicht bestrittenen Behauptung wie alle Arbeiter körperlich mitarbeiten müßten. Andere freie Arbeitsplätze, die dtn gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers zuträglich seien, seien nicht vorhanden. Dann sei er aber aufgrund seiner Fürsorgepflicht nach seiner Meinung gehalten, den Kläger nicht mit den Tätigkeiten eines Verbandsarbeiters einzusetzen.
90Das Arbeitsgericht hat zu der Behauptung des Klägers, er sei seit März 1987 wieder für die Ausübung der Tätigkeiten eines Verbandsarbeiters gesundheitlich in der Lage gewesen, Auskünfte bei den Ärzten Dr. 0. M. Agua und John eingeholt.
91Herr Dr. 0. M. Agua hat hierzu unter dem 16.11.1987 wie folgt schriftlich Stellung genommen:
92Erfahrungsgemäß dauert der Heilungsprozeß eines solchen Eingriffes, d.h. bis der Knochen sich befestigt hat und belastungsfähig wird, 1 1/2 Jahre. Dennoch ist eine solche operierte WS nicht mehr im vollen Umfang wie eine gesunde Wirbelsäule zu belasten. Tätigkeiten, die mit schwerheben und tragen sowie welche in langer Zeit eine gebückte Haltung erfordern, sind für solche Pat. nicht mehr geeignet.
93Dennoch im Sinne der oben erwähnten Ausführungen werde ich Herrn Schlottmann seit März 1987 als voll wiederarbeitsfähig betrachten, und zwar ganztägig für Arbeiten, die mit Schwerheben und tragen nicht verbunden sind, und bei der er abwechselnd im Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen arbeiten kann.
94Im Schreiben der Ärzte John vom 16.11.1387 heißt es:
95Obwohl durch die Operation weitgehend eine Schmerzfreiheit bei geringer Belastung erreicht wurde, ist dem Patienten zu raten, keine mittelschweren oder gar schweren körperlichen Arbeiten insbesondere schweres Heben und Tragen oder ständiges Gebücktsein, aufzunehmen. Seitens der Wirbelsäule handelt es sich um eine die Gesundheit einschränkende Dauersituation, die sich durch belastende körperliche Tätigkeiten verschlimmern kann, so daß Rezidive der Rückenbeschwerden und erneute Arbeitsunfähigkeiten bei Nichtbeachtung der körperlichen Schonung nicht ausgeschlossen sind.
96Dopplersonographisch wurde bei Herrn Schlottmann eine periphere arterielle Verschlußkrankheit beider Unterschenkel festgestellt, die dem Patienten zur Zeit aber keine Beschwerden macht.
97Beurteilung:
98Aufgrund oben aufgeführter Gesundheitsstörungen ist Herr Schlottmann seit März dieses Jahres mit Einschränkungen arbeitsfähig.
99Ärztlicherseite ist mein Patient für leichtere körperliche Tätigkeiten wie z.B. Büroarbeit, Fahrdienste, Beaufsichtigung, Organisation usw. arbeitsfähig.
100Das Arbeitsgericht hat dann mit Urteil vom 25.01.1S88 die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
101Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt:
102Dem Kläger stünden der geltend gemachte tatsächliche Beschäftigungsanspruch und Zahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten nicht zu, da aufgrund der ärztlichen Auskünfte und Gutachten davon auszugehen sei, daß der Kläger die bisherigen vertraglichen Arbeiten eines Verbandsarbeiters beim Beklagten gesundheitlich nicht mehr ausüben könne. Soweit der Kläger sich auf den Einsatz auf anderen Arbeitsplätzen berufen habe, sei er seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, da er solche beim Beklagten freie Arbeitsplätze nicht aufgezeigt habe.
103Das wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Urteil ist dem Kläger am 24.02.1988 zugestellt worden. Hiergegen hat der Kläger mit einem am 22.03.1988 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er am 13.04.1988 begründet hat.
104In der Berufungsinstanz ist weiter unstreitig geworden, daß der Kläger am 08.04.1988 bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen-Lippe (LVA) in Münster einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit gestellt hat. Dieser Antrag ist von der LVA mit Bescheid vom 07.09.1988 abgelehnt worden, wobei es in der Begründung, soweit hier von Interesse, heißt:
105Sie sind weder berufs- noch erwerbsunfähig. Ihr Leistungsvermögen ist zwar aufgrund der folgenden bei Ihnen gegebenen gesundheitlichen Einschränkungen -
106Wirbelsäulenbeschwerden nach Versteifungsoperation 1986, beginnender Verschleiß der Hüfte ohne wesentliche Funktionseinschränkung, Niereninsuffizienz bei unklarer Genese, Neigung zu labilem Bluthochdruck
107- herabgesetzt, jedoch sind Sie mit der Ihnen verbliebenen Leistungsfähigkeit noch in der Lage,
108leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen vollschichtig zu verrichten. Damit ist Ihre Erwerbsunfähigkeit nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken.
109Gegen diesen Ablehnungsbescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt, über den bis zum Schluß der Berufungsverhandlung noch nicht entschieden war.
110Zur Unterstützung dieses Rentenverfahrens hatten die Ärzte John dem Kläger unter dem 14.04.1988 eine Bescheinigung erstellt, in der u.a. ausgeführt ist:
111Durch das Operationsergebnis haben sich die Beschwerden meines Patienten deutlich sowohl subjektiv als auch objektiv gebessert. Um das Operationsergebnis zu halten, ist dem Patienten von mir geraten worden, keine körperlichen Arbeiten, die die Wirbelsäule belasten, auszuführen.
112Seitens der Wirbelsäule handelt es sich um eine die Gesundheit einschränkende Dauersituation, die Herrn Schlottmann verbietet, sich körperlich zu belasten, damit die Wirbelsäulenbeschwerden sich nicht verschlimmern.
113Bei Nichtbeachtung der körperlichen Schonung ist von Rezidiven auszugehen.
114Auf Grund der oben aufgeführten Gesundheitsstörungen und der Gefährung seiner Wirbelsäule ist Herr Schlottmann ab dem 07.04.1988 von mir krankgeschrieben.
115Herrn Schlottmann ist geraten worden, die Erwerbsunfähigkeitsrente zu beantragen, was ich ausdrücklich befürworte.
116In dem von der LVA eingeholten vertrauensärztlichen Gutachten des Dr. Gudat vom 18.04.1988 ist aufgenommen:
1171. 42-jähriger Landwirt und Arbeiter beim Wasserverband Große Aue der seit dem 07.04.88 wegen einer Scheuermannkyphose und Zustand nach 1986 durchgeführter Korrekturosteotomie erneut arbeitsunfähig ist. Der Versicherte war wegen dieses Leidens am 04.05.87 ausgesteuert. Ein neuer Krankengeldanspruch ist lt. Mitteilung der Krankenkasse erst ab 05.11.38 gegeben. 3ezieht z.Zt. Arbeitslosengeld. Der Versicherte hat am 08.04.88 einen Rentenantrag gestellt, lt. Mitteilung des behandelnden Hausarztes bestehen zunehmende belastungsabhängige Schmerzen. Pat. hat seinen landwirtschaftlichen Betrieb zum 01.04.88 aufgegeben.
1182. ...
1193. Recidiv. Rückenbeschwerden nach 1986 durchgeführter Korrekturosteotomie und Kompressionsspondylo- dese TH4 bis LI bei schwerer Scheuermannkyphose, weiter au.
120Es besteht durchgehende Arbeitsunfähigkeit auch nach der erfolgten Aussteuerung, wahrscheinlich auch bis zur Beendigung der Blockfrist. Rentenbescheid bleibt abzuwarten.
121Schließlich ist im Berufungstermin am 10.11.1988 einerseits unstreitig geworden, daß der Beklagte auch mit dem Kläger durch Vertrag vom 31.10.1986 einvernehmlich vereinbart hat, daß sich die Arbeitsbedingungen ab dem 01.01.1987 nach den Bestimmungen des BMT-GII und der diesen ergänzenden Tarifverträge richten soll.
122Andererseits haben die Parteien unstreitig gestellt, daß dar Beklagte bisher bei der Hauptfürsorgestelle des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe keinen Antrag dahingehend gestellt hat, die Zustimmung zu einer beabsichtigten Änderungs- oder Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses zum schwerbehinderten Kläger nach den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes zu erteilen.
123Der Kläger nimmt auch weiterhin seine Aufgaben als Mitglied des Personalrats beim Beklagten wahr.
124Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterhin. Er bleibt bei seiner Behauptung, er könne die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten eines Verbandsarbeiters ausüben. Zumindest könne er vom Beklagten entsprechend seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung als Vorarbeiter eingesetzt werden. Hierzu behauptet er jetzt, nur der als Vorarbeiter eingesetzte Mitarbeiter Querenheim habe wie ein Verbandsarbeiter mitzuarbeiten. Hingegen habe der weitere Vorarbeiter Buckentin solche Tätigkeiten nicht zu erbringen. Seine Aufgabe sei es ausschließlich, den Arbeitseinsatz aller Arbeiter vorzunehmen, Anweisungen zu erteilen und die Ausführungen der Arbeiten zu kontrollieren.
125Zumindest könne der Beklagte ihn als Baggerfahrer einsetzen, da der Beklagte unstreitig Ende August 1988 einen neuen Bagger angeschafft habe und hierdurch nach seiner Behauptung ein zusätzlicher Dauerarbeitsplatz vom Beklagten geschaffen worden sei, den er aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung einnehmen könne.
126Die Handlungsweise des Beklagten verstoße zudem nach seiner Meinung gegen § 15 KSchG.
127Der Kläger und Berufungskläger beantragt zuletzt,
128das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 25.01.1988 - 2 Ca 690/87 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
1291. a) ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Verbandsarbeiter weiterzubeschäfti- gen;
130b) hilfsweise ihn zu den Arbeitsbedingungen eines Baggerfahrers weiterzubeschäfti- gen,
1312. an ihn 132,45 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 30.06.1987 zu zahlen;
1323. an ihn 2.574,43 DM brutto abzüglich 682,— DM netto an erhaltenem Arbeitslosengeld nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 31.07.1987 zu zahlen.
133Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
134die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz abzuweisen.
135Er hat sich im Berufungstermin am 10.11.1988 auf die Klageerweiterung insoweit, als der Kläger hilfsweise die Weiterbeschäftigung als Baggerfahrer begehrt, eingelassen.
136Diesbezüglich behauptet er, es handele sich bei der Neubeschaffung des Baggers um eine Ersatzbeschaffung. Hierfür werde ein alter Bagger stillgelegt. Richtig sei lediglich, daß z. Zt. auch noch der alte Bagger in Betrieb und mit einem als Baggerführer ausgebildeten Ersatzmann besetzt sei. Der alte Bagger werde jedoch nur noch solange bis Ende 1988 eingesetzt, wie es die Witterung zulasse. Der alte Bagger würde spätestens Ende 1988 endgültig stillgelegt.
137Soweit der Kläger vorbringe, der zweite Vorarbeiter Buckentin arbeite körperlich nicht mit, sei dieses unzutreffend. Auch dieser Vorarbeiter habe wie jeder Verbandsarbeiter mitzuarbeiten. Denn Arbeitskontrollen würden nur von seinem Geschäftsführer Röhl durchgeführt. Deswegen komme schon ein Einsatz des Klägers als Vorarbeiter nach seiner Meinung aufgrund der körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers ebenfalls nicht in Betracht.
138Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der von den Parteien in beiden Instanzen zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und der beidinstanzlichen Terminsprotokolle verwiesen. Auf die vom Arbeitsgericht eingeholten ärztlichen Auskünfte wird inhaltlich Bezug genommen.
139Das Berufungsgericht hat im Termin am 10.11.1980 dazu, ob der Vorarbeiter Buckentin körperlich mitarbeiten muß und ob es sich bei der Neuanschaffung des Baggers nur um eine Ersatzbeschaffung handelt, Beweis erhoben durch uneidliche Zeugenvernehmung des Herrn Buckentin und Parteivernehmung des Verbandsvorstehers Hesselmeier des Beklagten. Bezüglich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 10.11.1988 hingewiesen.
140Entscheidungsgründe
141Die statthafte Berufung des Klägers und seine teilweise Klageerweiterung in der Berufungsinstanz sind zwar zulässig, aber aufgrund der vorliegenden ärztlichen Erklärungen und des Ergebnisses der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme unbegründet.
142Mit dem Arbeitsgericht ist nämlich weiterhin davon auszugehen, daß der Kläger wegen seiner körperlichen Beeinträchtigung ab dem 30.06.1987 nicht in der Lage war und ist, die arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeiten eines Verbandsarbeiters auszuführen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht steht desweiteren fest, daß auch der Vorarbeiter Buckentin diese Arbeiten durchzuführen hat. Dann war der Beklagte aber aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, den Kläger auch nicht einmal versuchsweise mit den Tätigkeiten eines Verbandsvertreters einzusetzen.
143Eine Einsatzmöglichkeit des Klägers auf einen freien Arbeitsplatz als Baggerfahrer kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die zweitinstanzliche Beweisaufnahme ergeben hat, daß es sich bei der Neuanschaffung des Baggers durch den Beklagten Ende August 1988 nur um eine Ersatzbeschaffung handelt und einer der alten Bagger spätestens Ende 1988 stillgelegt wird.
144War der Kläger aber nicht in der Lage, dem Beklagten ab dem 30.OS. 1937 seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung anzubieten, ist auch der Zahlungsanspruch des Klägers, der nur aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges nach § 615 BGB begründet sein kann, nicht gegeben.
1451. Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz mit dem Klageantrag zu Ziff. 1 Buchst, b) hilfsweise die tatsächliche Beschäftigung als Baggerfahrer vom Beklagten begehrt, handelt es sich um keine unzulässige Klageerweiterung.
146a) Zwar ist die Klageerweiterung des Klägers in der Berufungsinstanz nicht schon nach § 2S4 Abs. 2 ZPO, der auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren in der Berufungsinstanz anzuwenden ist (§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 523 ZPO), als zulässig anzusehen. Danach liegt nämlich keine Änderung der Klage nur dann vor, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert wird (BGH, Urteil vom 08.11.1978 - VIII ZR 199/77 - = NJW 1979, 925, 926). Bei einer Klageerweiterung mutet es das Gesetz dem Beklagten zu, daß sein hierauf bezogenes Verteidigungsvorbringen nur in einer Tatsacheninstanz überprüft wird. Es ist nicht erforderlich, daß gem. § 263 ZPO der Beklagte der Klageerweiterung zugestimmt oder das Gericht die Klageerweiterung für sachdienlich erachtet (BGH, Urteil vom 04.10.1984 - VII ZR 162/83 - = NJW 1985, 1784 m.w.N.; Schneider MDR 1932, 626, 627).
147Vorliegend hat der Kläger aber seinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung durch den Beklagten erstmals in der zweiten Instanz auch auf den Arbeitsplatz eines Baggerführers erweitert. Dieser Arbeitsplatz war zwischen den Parteien arbeitsvertraglich nicht vereinbart, so daß sich ein solcher Anspruch des Klägers nur aus dem Gesichtspunkt ergeben kann, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger auf einem zumutbaren anderen freien Arbeitsplatz zu beschäftigen. Diese Verpflichtung des Beklagten kann sich dann nur als arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Beklagten ergeben.
148b) Die Klageerweiterung des Klägers in der Berufungsinstanz ist jedoch nach § 263 ZPO, der ebenfalls im arbeitsgerichtlichen Verfahren in der Berufungsinstanz zur Anwendung kommt (§ 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 523 ZPO), als zulässig anzusehen. Danach ist nämlich eine Klageänderung nach Eintritt der Rechtshängigkeit dann zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet.
149Vorliegend hat aber der Beklagte der Klageerweiterung des Klägers im Beruf ungstermin am 10.11.1988 ausdrücklich zu Gerichtsprotokoll zugestimmt.
1502. Dem Kläger steht ein tatsächlicher Beschäftigungsanspruch gegenüber dem Beklagten nach der derzeitigen Sachlage weder als Verbandsarbeiter noch als Vorarbeiter zu. Ebenfalls kann der Kläger die auf die Zukunft gerichtete Beschäftigung als Baggerfahrer z.Zt. des Schlusses der Berufungsverhandlung vom Beklagten nicht verlangen.
151a) Zwar ist dem Kläger dahingehend zu folgen, daß spätestens seit Inkrafttreten des Grundgesetzes dem Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ein tatsächlicher Beschäftigungsanspruch zusteht, der sich aus den §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB ableitet. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die Wertentscheidung des Art. 1 und Art. 2 GG. Denn das Grundgesetz hat in seinen Artikeln 1 und 2 die Würde des Menschen und dessen Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zu zentralen Werten unserer Verfassung erhoben. Das Leben des Arbeitsnehmers wird aber zu einem ganz wesentlichen Teil durch das Arbeitsverhältnis bestimmt und geprägt. Die Arbeit in seinem Arbeitsverhältnis stellt für den Arbeitnehmer eine wesentliche Möglichkeit zur Entfaltung seiner Persönlichkeit dar. Nach § 613 BGB ist der Arbeitnehmer zur persönlichen Dienstleistung für den Arbeitgeber verpflichtet. Dann trifft den Arbeitgeb^i aber die sich aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Artikel 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz ergebende arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers.
152Bei dieser persönlichkeitsrechtlichen Begründung des tatsächlichen Beschäftigungsanspruchs aus der ideellen Interessenslage besteht dann grundsätzlich für jeden Arbeitnehmer ein Beschäftigungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Darauf, ob er höhere oder geringwertige Arbeiten verrichten kann, ob er für seine Arbeit eine spezielle Vor- oder Ausbildung benötigt oder nicht, kann es nicht ankommen. Ebensowenig kann der Beschäftigungsanspruch davon abhängig gemacht werden, ob im Einzelfall ein faktisches Interesse des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung besteht und ob sich die vertragsgemäße Arbeitsleistung nach dem subjektiven Empfinden des Arbeitnehmers als Last und Bürde oder als sinnvolle Entfaltung seiner Persönlichkeit darstellt. Der Anspruch auf Beschäftigung wird nämlich keinem Arbeitnehmer aufgezwungen, weil es als dispositiver Anspruch davon abhängt, ob der Arbeitnehmer verlangt, beschäftigt zu v/erden. Verlangt er seine vertragsgemäße Beschäftigung, so muß ihm dazu grundsätzlich auch Gelegenheit gegeben werden (zuletzt: BAG, Beschluß des Großen Senats vom 27.02.1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) .
153b) Da der allgemeine Beschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenden Pflicht des Arbeitgebers herzuleiten ist, ist einerseits auch anerkannt, daß der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers dort zurückzutreten hat, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzulehnen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung der dem Arbeitnehmer zuzurechnenden Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (BAG, Beschluß des Großen Senats vom 26.04.1956 - GS 1/85 - BAG 3, 66, 74 = AP Nr. 5 zu § 9 MuSchG, zu II 2 der Gründe; BAG, Urteil vom 11.11.1976 - 2 AZR 45/773 - AP Nr. 8 zu § 103 BetrVG 1972, zu B II 2 a der Gründe). Dabei kann jedoch der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht bei jedem Verhalten des Arbeitnehmers ablehnen.
154Insbesondere wird nur bei besonders groben Vertragsverstößen der Annahmeverzug nach § 615 BGB ausgeschlossen, nämlich nur, wenn bei Annahme der Leistung Rechtsgüter des Arbeitgebers, seiner Familienangehörigen oder anderer Arbeitnehmer gefährdet werden, deren Schutz Vorrang vor den Interessen des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes hat (zuletzt: BAG, Urteil vom 29.10.1937 - 2 AZR 144/87 - = NZA 1933, 465).
155c) aa) Andererseits ist aber auch anerkannt, daß der Arbeitgeber Arbeitsleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln hat, daß der Arbeitnehmer gegen Gefahr gegen Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet (BAG, Urteil vom 13.03.1967 - 2 AZR 133/86 - AP Nr. 15 zu § 618 BGB). Handelt der Arbeitgeber dieser Pflicht schuldhaft zuwider, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet (BAG, Urteil vom 27.02.1970 - 1 AZR 253/69 - AP Mr. 16 zu § 618 BGB).
156Danach ist der Arbeitgeber gehalten, den Arbeitnehmer dann nicht zur Arbeitsleistung einzusetzen, wenn er arbeitsunfähig krank ist.
157bb) Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht zum einen mit Urteil vom 10.05.1973 - 5 AZR 493/72 - AP Nr. 27 zu § 615 BGB entschieden, daß der Arbeitgeber dann in Annahmeverzug gerät, wenn der Arbeitnehmer objektiv arbeitsfähig ist, der Arbeitnehmer selbst zwar Zweifel an der eigenen Arbeitsfähigkeit hat, sich aber gleichwohl zum Arbeitsangebot entschließt und der Arbeitgeber nur subjektiv davon ausgeht, daß der Arbeitnehmer arbeitsunfähig sei.
158Denn das Bundesarbeitsgericht geht für den Regelfall davon aus, daß ein Arbeitnehmer nach einer Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit wieder arbeitsfähig ist, wenn er tatsächlich Arbeit leistet. Nimmt der Arbeitnehmer seine Arbeit wieder auf, sei der Verhinderungsfall - die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit - im Regelfall beendet. Die tatsächliche Arbeitsaufnahme sei für die überwiegende Zahl aller Fälle ein praktisch brauchbares Abgrenzungsmerkmal (BAG, Urteil vom 01.07.1333 - 5 AZR 468/80 - AP Nr. 54 zu § 1 LohnFG, mwN.).
159Steht jedoch fest, daß der Arbeitnehmer objektiv nicht arbeitsfähig ist, geht das Bundesarbeitsgericht zum anderen bei einer Arbeitsaufnahme davon aus, daß dann ein mißglückter Arbeitsversuch vorliege, der keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auslöse (BAG, Urteil vom 01.07.1983 - 5 AZR 468/80 - aaü.).
160cc) Dabei liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Arbeitsunfähigkeit aes Arbeitnehmers wegen Erkrankung dann vor, wenn ein Krankheitsgeschehen ihn außerstande setzt, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Verpflichtung zu verrichten oder wenn er die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbarer Zeit seinen Zustand zu verschlimmern (BAG, Urteil vom 14.01.1972 - 5 AZR 264/71 - AP Nr. 12 zu § 1 LohnFG; BAG, Urteil vom 25.06.1981 - 6 AZR 940/78 - AP Nr. 52 zu § 616 BGB, zu II 4 der Gründe).
161dd) Nach dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht folgt, liegt jedenfalls eine Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitnehmer in Fällen, bei denen er die Arbeit nur unter der Gefahr verrichten bzw. fortsetzen kann, daß sich in absehbarer naher Zeit sein Zustand verschlechtert, dann vor, wenn dem Arbeitnehmer entweder die Verschlimmerungsgefahr unmittelbar bewußt ist oder er doch zumindest Kenntnis von den Umständen hat, aus denen ärztlicherseits auf eine solche Verschlimmerungsgefahr geschlossen werden kann. Dies besagt im Umkehrschluß, daß ein Arbeitnehmer dann, wenn er weder äußere Anhaltspunkte für seine Erkrankung noch subjektiv irgendwelche Beschwerden hat, nicht aus Gründen der Unzumutbarkeit als arbeitsunfähig angesehen werden kann (wie hier: LAG Berlin, Urteil vom 28.03.1988 - 8 Sa 72/87).
162Danach ist der Arbeitgeber zumindest dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers objektiv feststeht, dieses beiden Arbeitsvertragspar-
163Parteien bekannt ist, der Arbeitnehmer aber sehenden Auges gleichwohl arbeiten will, aus seiner Fürsorgepflicht heraus verpflichtet, den Arbeitnehmer von dieser Arbeit abzuhalten.
164Ob dieses auch dann gilt, wenn die Arbeitsaufnahme durch den Arbeitnehmer nach einer in ihrer Aussagekraft sehr eingeschränkten ärztlichen Bekundung der Gesundheit des Arbeitnehmers abträglich sein kann, kann hier dahingestellt bleiben (vgl. hierzu: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.07.1988 - 6 Sa 370/83 - = DB 1988, 2368).
165d) aa) Ausgehend hiervon ist zum einen mit dem Arbeitsgericht weiter davon auszugehen, daß der Kläger weder am 30.06.1987 noch danach für die arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeiten eines Verbandsarbeiters beim Beklagten als arbeitsfähig anzusehen ist.
166Denn bei diesen Tätigkeiten hätte der Kläger unstreitig wie bisher von Juni bis zum Ende eines jeden Kalenderjahres Mäharbeiten durchführen müssen. Diese sind größten Teils an schrägen Böschungen durchzuführen, wodurch die Wirbelsäule des Klägers stark beansprucht worden wäre. Weiter hätte der Kläger von Januar bis Ende Mai eines jeden Kalenderjahres Rohre in den Gewässerprofilen verlegen, Ufergehölz zurückschneiden und an den Gewässern neue Anpflanzungen vornehmen müssen. Auch diese Arbeiten hätten die Wirbelsäule des Klägers stark belastet, da sie mit häufigem Bücken und ebenfalls mit schräger Körperstellung an Böschungen verbunden sind.
167Aus der von den Ärzten John vor der beim Kläger durchgeführten Operation am 21.05.1985 ausgestellten Bescheinigung ergibt sich aber schon, daß der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, schwere körperliche, die Wirbelsäule belastende Arbeiten zu verrichten.
168An dieser körperlichen Beeinträchtigung des Klägers hat sich jedoch auch nach der im Januar 1986 durchgeführten Operation nichts geändert.
169Dann der Facharzt Dr. 0. M.- Agua, der die Operation beim Kläger durchgeführt hat, kommt in seiner gegenüber dem Arbeitsgericht abgegebenen schriftlichen Stellungnahme vom 16.11.1907 zu dem Ergebnis, daß der Kläger seit März 1907 als voll wieder arbeitsfähig nur für ganztägige Arbeiten zu betrachten ist, die mit schwerem Heben und Tragen nicht verbunden sind und bei denen der Kläger abwechselnd im Stehen und Sitzen in geschlossenen Räumen arbeiten kann. Dies beruhe darauf, daß die beim Kläger operierte Wirbelsäule nicht mehr wie eine gesunde zu belasten sei. Für Tätigkeiten, die in langer Zeit eine gebückte Haltung erforderten, sei der Kläger nicht mehr geeignet.
170Mit dieser Auskunft des Dr. u.M.- Agua stimmt auch die dem Arbeitsgericht abgegebene Stellungnahme der Ärzte John vom 16.11.1987 überein. Denn auch dort wird ausgeführt, daß der Kläger nur noch für leichtere körperliche Arbeiten seit März 1987 arbeitsfähig sei.
171Zu diesem Ergebnis waren auch schon zuvor der Betriebsärztliche Dienst für Krankenhäuser, Kliniken und Öffentliche Verwaltungen und der Amtsarzt des Gesundheitsamtes des Kreises Minden-Lübbecke aufgrund ihrer eigenen beim Kläger durchgeführten Untersuchungen, veranlaßt vom Beklagten, gekommen. So schließt der Amtsarzt Dr. Lingesleben in seinem Gutachten vom 25.06.1987 ausdrücklich den bisherigen Einsatz des Klägers als Verbandsarbeiter als mit seiner körperlichen Beeinträchtigung nicht vereinbar aus.
172Weiter haben die Ärzte John in der Bescheinigung für das Rentenverfahren vom 14.04.1988 dem Kläger dringend davon abgeraten, sich körperlich zu belasten, damit die Wirbelsäulenbeschwerden sich nicht verschlimmerten.
173Schließlich kommt der Vertrauensarzt Dr. Gudat in seinem Gutachten für die LVA vom 18.04.1988 zu dem Ergebnis, daß beim Kläger auch nach der
174Aussteuerung durch die Krankenkasse zum 05.05.19C7 durchgehende Arbeits- unfähgikeit bezüglich seiner bisherigen Tätigkeiten als Verbandsarbeiter bestanden habe.
175Soweit der Kläger sich nun darauf beruft, daß die LVA seinen Rentenantrag mit Bescheid vom 07.09.1938 abgelehnt habe, weil er noch in der Lage sei, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Bücken durchführen zu können und deswegen seine Erwerbsfähigkeit nicht auf weniger als die Hälfte eines vergleichbaren Versicherten herabgesunken sei, kann er hieraus nichts für seine Arbeitsfähigkeit als Verbandsarbeiter herleiten.
176Denn erwerbsunfähig ist, wer infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von der Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (vgl. § 1247 Abs. 2 RVO). Die Erwerbsunfähigkeit setzt somit nicht voraus, daß der Arbeitnehmer eine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit findet keine Beschränkung auf den bisherigen Beruf oder, wie dies bei der Berufsunfähigkeit nach § 1246 Abs. 2 RVO die Regel ist, auf die Berufsgruppe statt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. II, S. 392 und Bd. III, S. 682 g).
177Bei dieser Sachlage war das Berufungsgericht auch nicht gehalten, dem vom Kläger im Berufungstermin gestellten Antrag, bezüglich der Einsatzfähigkeit des Klägers als Verbandsarbeiter beim Beklagten ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen, nachzugehen. Denn nach § 144 ZPO entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob es einen Sachverständgen zuziehen will. Hiervon konnte abgesehen werden, da der Sachverständige nur die Aufgabe gehabt hätte, aufgrund seiner besonderen Sachkunde festzustellen, ob der Kläger in dem hier fraglichen Zeitraum für die Tätigkeiten als Verbandsarbeiter beim Beklagten arbeitsunfähig war. Aufgabe des Sachverständigen wäre es gewesen, eins tatsächliche Grundlage für die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts zu schaffen, ob der Kläger arbeitsunfähig ist (vgl. BAG, Urteil vom 01.07.1933 - 5 AZR 4G8/80 -, aaO.). Diese Grundlage war für das Berufungsgericht jedoch schon durch die vorliegenden ärztlichen Auskünfte und Gutachten, die vom Kläger substantiiert nicht angegriffen sind, geschaffen.
178bb) Der Beklagte war vorliegend auch zum anderen nicht gehalten, den Kläger als Vorarbeiter oder als Baggerfahrer einzusetzen.
179Zwar ist zum Kündigungsrecht anerkannt, daß eine arbeitgeberseitige Kündigung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 b KSchG auch dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weitgerbeschäftigt werden kann (BAG, Urteil vom 22.07.1902 - 2 AZR 30/81 - AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Auch eine Kündigung aus Krankheitsgründen wäre sozialwidrig, wenn diese Weiterbeschäftigungsmöglich- keit auf einem anderen Arbeitsplatz für den Arbeitgeber bestünde (BAG, Urteil vom 05.08.1976 - 3 AZR 110/75 - AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 3 der Gründe; Rost, Kündigung und Kündigungsschutz in der betrieblichen Praxis, 2. Aufl., III 2 g, S. 84 f).
180Dieser Rechtsgedanke ist auch auf den vorliegenden Fall einer tatsächlichen Beschäftigung des Klägers auf einem anderen freien Arbeitsplatz durch den Beklagten übertragbar, will man dem oben angeführten Grundsatz des Anspruchs auf tatsächliche Beschäftigung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Geltung verleihen.
181Dabei hat dann der Kläger wie im Kündigungssrechtsstreit auch hier die Aufgabe, im einzelnen darzulegen und notfalls zu beweisen, wie seine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz beim Beklagten möglich war oder ist. Hierfür genügt nicht, daß er aus Gründen der Fürsorgepflicht das Beklagten seine Weiterbeschäftigung durch den Beklagten
182begehrt (BAG, Urteil vom 05.08.1975 - 3 AZR 110/75 -, aaO; BAG, Urteil vom 03.02.1977 - 2 AZR 476/75 - AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 a der Gründe).
183Daß solche vom Kläger aufgrund seiner körperlichen Behinderung einnehmbare freien Arbeitsplätze ab dem 30.06.1987 vorhanden waren oder sind, hat aber die vor dem Berufungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme nicht ergeben.
184Soweit sich der Kläger nämlich zweitinstanzlich auf den Arbeitsplatz des Vorarbeiters Buckentin beruft, hat die Beweisaufnahme eindeutig die Behauptung des Beklagten bestätigt, daß auch dieser Vorarbeiter Tätigkeiten wie ein Verbandsarbeiter mitzuerledigen hat. Denn spätestens seit 1986 hat der Vorarbeiter Buckentin nach seiner Zeugenaussage nur noch in ganz geringem Umfang Schreibarbeiten zu erledigen. Ganz überwiegend arbeitet er wie die anderen Verbandsarbeiter. Diese Tätigkeiten kann der Kläger jedoch nach Vorstehendem aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben.
185Insoweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz geltend macht, der Beklagte könne ihn zukünftig als Baggerfahrer einsetzen, ist durch die Parteivernehmung des Verbandsvorstehers Hesselmeier des Beklagten nachgewiesen, daß der Beklagte den neuen Bagger Ende August 1988 nur als Ersatz für einen alten Bagger angeschafft hat. Der alte Bagger soll spätestens Ende 1988 stillgelegt werden. Damit steht aber fest, daß ein weiterer Arbeitsplatz für einen Baggerfahrer vom Beklagten nicht geschaffen worden ist. Ein zukünftiger Einsatz des Klägers auf dem freien Arbeitsplatz eines Baggerfahrers ist nicht gegeben. Der vorübergehende Einsatz des Klägers auf dem alten Bagger bis längstens Ende 1988 war dem Beklagten nicht zumutbar, da hierfür ein bereits ausgebildeter Ersatzbaggerfahrer dem Beklagten zur Verfügung stand und eine erforderliche Einarbeitung des Klägers für die Tätigkeiten eines Baggerfahrers wegen der Kürze des zusätzlichen Einsatzes des alten Baggers nicht vertretbar war.
186Das Berufungsgericht hatte keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Zeugenaussage des Herrn Buckentin und der Parteiaussage des Herrn Hesselmeier zu zweifeln. Sie haben beide ruhig und überlegend ihre Aussagen gemacht. Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit ihrer Aussagen hat der Kläger nicht dargetan.
187cc) Sollte der Kläger schließlich der Auffassung sein, der Beklagte sei aufgrund einer gesteigerten Fürsorgepflicht ihm gegenüber verpflichtet, für ihn einen neuen Arbeitsplatz einzurichten, der seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gerecht würde, kann er hiermit ebenfalls nicht erfolgreich durchdringen.
188Zwar wird in der Rechtslehre die Auffassung vertreten, daß sich etwa aus Arbeitsunfällen dann eine gesteigerte Verpflichtung für den Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer bis hin zur Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes ergebe, wenn der Arbeitgeber den eingetretenen Arbeitsunfall zu vertreten habe (vgl.: Lepke, Kündigung bei Krankheit, 7. Aufl., S. 18; Weiler, Das Arbeitsrecht der Gegenwart, 1982, S. 77, 89).
189Aber vorliegend beruht die Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht einmal auf einem Arbeitsunfall des Klägers, den er bei der Ausübung der Tätigkeiten im Arbeitsverhältnis zum Beklagten erlitten hätte. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ist vielmehr unstreitig auf seine Erkrankung im Kindesalter zurückzuführen.
190dd) Soweit der Kläger schließlich geltend macht, die unterbliebene Beschäftigung durch den Beklagten verstoße gegen § 15 KSchG, ist dieses nicht verständlich. Denn unstreitig ist bisher seitens des Beklagten eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger nicht ausgesprochen worden.
191Sollte der Kläger jedoch hiermit geltend machen wollen, in seiner Nicht- beschäftigung durch den Beklagten sei eine unzulässige Benachteiligung wegen seiner Mitgliedschaft im Personalrat zu sehen, geht auch ein solches Vorbringen ins Leere. Denn der Kläger kann vom Beklagten nicht allein deshalb eine tatsächliche Beschäftigung verlangen, weil er dem Personalrat angehört. Die Bejahung eines solchen Anspruches würde nämlich wieder gegen das Verbot der Begünstigung von Personalräten gegenüber den anderen Mitarbeitern verstoßen, da der Kläger auch ohne tatsächliche Beschäftigung durch den Beklagten seine Aufgaben als Personalratsmitglied ausüben kann (LAG Berlin, Urteil vom 20.07.1978 - 9 Sa 55/78 - AP Mr. 6 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Daß der Beklagte den Kläger an der Ausübung seiner Personalratsaufgaben seit der Nichtbeschäftigung gehindert hätte, wird nicht einmal vom Kläger behauptet.
1923. Steht dem Kläger jedoch nach Vorstehendem seit dam 30.06.1987 kein Beschäftigungsanspruch gegenüber dem Beklagten deswegen zu, weil er die aufgezeigten arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen aus Krankheitsgründen nicht erbringen konnte, ist auch der Zahlungsanspruch des Klägers aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges nach § S15 BGB i.V.m. §§ 295, 296 BGB unbegründet.
193Zwar ist mit der inzwischen als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon auszugehen, daß es nach § 236 BGB keines Angebotes der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber bedarf, wenn der Arbeitgeber ihm keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt und ihm keine Arbeit zuweist (BAG, Urteil vom 09.08.1984 - 2 AZR 374/83 - BAG 46, 234 = AP Nr. 24 zu § 615 BGB; BAG, Urteil vom 21.03.1985 - 2 AZR 201/34 - AP Nr. 35 zu § 615 BGS). Nach § 297 BGB kommt der Arbeitgeber aber dann nicht in Verzug, wenn der Arbeitnehmer zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 29S 3GB zu der für die Handlung des Arbeitgebers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Denn die Unmöglichkeit der Leistung durch den Arbeitnehmer und der Annahmeverzug durch den Arbeitgeber schließen sich gegenseitig aus (SAG, Urteil vom 06.03.1974 - 5 AZR 313/73 - AP Nr. 29 zu § 615 BGB).
1944. Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels und der unbegründeten Klageerweiterung hat der Kläger nach §§ 91, 97 ZPO zu tragen.
195Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt keine Abweichung zu dem angeführten Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15.07.1938 - 6 Sa 370/08 -, aaO., aus den dargelegten Gründen vor.
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