Teilurteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 8 Sa 1263/97
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 21.02.1997 - 2 Ca 1585/96 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die beiden Aufhebungsverträge vom 15.03.1996 beendet worden ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
1
T a t b e s t a n d
2Mit seiner Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit eines geschlossenen Aufhebungsvertrages mit der Begründung geltend, dieser ziele auf eine Täuschung des Arbeitsamtes und sei deswegen gemäß § 134 BGB nichtig; ferner wendet sich der Kläger gegen eine sodann von der Beklagten ausgesprochene Kündigung, welche diese auf den Vorwurf wiederholter Schlechtleistungen stützt.
3Die Beklagte ist Mercedes-Vertragshändlerin und führt ein Unternehmen des Kfz-Gewerbes. Sie ist Mitglied der Innung. Der Kläger, geboren 1952, trat aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.02.1973 (Bl. 153 d.A.) als Kfz-Mechaniker in das Unternehmen der Beklagten ein. Er ist Mitglied der IG Metall. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden dementsprechend kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge des Kfz-Gewerbes Anwendung. Der Kläger erzielte zuletzt einen Stundenlohn von 24,23 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden. Er ist Schwerbehinderter mit einem GdB von 70.
4Zu Beginn seiner Beschäftigung war der Kläger - nach seiner Behauptung zeitlich ganz überwiegend - in der Neuwagenkontrolle beschäftigt, wurde sodann aber aus Gründen, welche streitig sind, in den regulären Werkstattbetrieb übernommen. Wegen behaupteter Leistungsmängel beabsichtigte die Beklagte zunächst im Sommer 1995, gegenüber dem Kläger eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen. Hiervon sah die Beklagte jedoch ab, nachdem im Zuge des Zustimmungsverfahrens bei der Hauptfürsorgestelle technische Veränderungen (Anschaffung einer Hebebühne) vorgenommen wurden. Auch in der Folge beanstandete die Beklagte wiederholt die Arbeitsleistung des Klägers; die Berechtigung dieser Beanstandungen sowie die Frage, inwiefern der Kläger aus diesem Grunde förmlich abgemahnt wurde, ist unter den Parteien streitig.
5Wegen der behaupteten Leistungsmängel beantragte die Beklagte sodann erneut im März 1996 bei der Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zur Kündigung. In der Kündigungsverhandlung vom 14.03.1996 wurde sodann die Frage einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung erörtert und insoweit mündliche Übereinstimmung erzielt. Zwischen dem Kläger, welcher seinerzeit durch den IG Metall-Bevollmächtigten E......... vertreten war, und dem Personalleiter der Beklagten wurde sodann verabredet, daß die Beklagte eine entsprechende Regelung ausarbeiten und Herrn E......... zwecks Überprüfung zuleiten sollte. Nachdem dies geschehen war, unterzeichnete der Kläger am 29.03.1996 im Büro der Beklagten entsprechende, auf den 15.03.1996 dadierte Unterlagen (Bl. 5 ff d.A.). Hierbei handelt es sich um zwei unterschiedlich gefaßte Aufhebungsverträge, deren Text nachfolgend, soweit von Belang mit den Bezeichnungen „Vertrag Nr. 1“ und „Vertrag Nr. 2“ wiedergegeben wird.
6„Vertrag Nr. 1“
71. Auf Veranlassung des Arbeitgebers wird das Arbeitsverhältnis aus
8betriebsbedingten Gründen im gegenseitigen Einvernehmen unter
9Beachtung der geltenden ordentlichen Kündigungsfrist von 6 Mo-
10naten zum 30.09.1996 beendet.
112. Für den Verlust des Arbeitsplatzes und zur Wahrung des sozialen
12Besitzstandes verpflichtet sich die Firma, Herrn W....... eine Abfin-
13dung in Höhe von brutto DM 20.000,00 zu zahlen.
14Diese kommt in entsprechender Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG
15mit der letzten Lohnabrechnung für September 1996 zur Auszah-
16lung.
17„Vertrag Nr. 2“
181. Nachdem in einem am 14.03.1996 zwischen Herrn K....... -P.....
19W....... im Beisein des ersten Bevollmächtigten der IG Metall, Ver-
20waltungsstelle S.........., Herrn E........., dem Beauftragten der Haupt-
21fürsorgestelle der Stadt S.........., Herrn K........., dem Betriebsratsvor-
22sitzenden, Herrn W......., dem Technischen Leiter, Herrn S...........,
23dem Personalleiter, Herrn W................., und dem Werkstattleiter,
24Herrn B.........., die der arbeitgeberseitig beabsichtigten Kündigung
25zugrunde liegenden Gründe eingehend erörtert wurden, sind die
26Vertragsparteien zu dem Entschluß gekommen, das Beschäftigungs-
27verhältnis - zur Abwendung einer Kündigung - einvernehmlich zum
2830.09.1996 unter folgenden Bedingungen zu beenden:
292. Unter Anrechnung des noch zustehenden anteiligen Urlaubs wird
30Herr W....... von seinen Dienstobliegenheiten ab sofort bis zum Aus-
31trittstermin Montag, den 30.09.1996, freigestellt.
32Bis zu diesem Beendigungstermin erhält Herr W....... einen Brutto-
33monatsfestlohn in Höhe von DM 4.450,00.
34Sollte Herr W....... während dieses Freistellungszeitraums aufgrund
35länger andauernder Krankheit einen Anspruch auf Krankengeld ge-
36genüber der Innungskrankenkasse S.......... haben, ist er verpflichtet,
37die Firma B..... Automobilgesellschaft mbH entsprechend zu infor-
38mieren, so daß die Zahlung des vorgenannten Bruttomonatsfest-
39lohns spätestens nach Ablauf der gesetzlichen Lohnfortzahlungs-
40frist von 42 Tagen eingestellt wird.
41Es besteht ausdrücklich Einigkeit darüber, daß mit Zahlung dieses
42Bruttomonatsfestlohns keine weiteren finanziellen Ansprüche mehr
43gegen die Firma B..... Automobilgesellschaft mbH bestehen und
44auch das zusätzliche tarifliche Urlaubsgeld damit abgegolten ist.
453. Die Firma verpflichtet sich, Herrn W....... für den Verlust des Ar-
46beitsplatzes und zur Wahrung des sozialen Besitzstandes eine Ab-
47findung in Höhe von brutto DM 20.000,00 zu zahlen.
48Diese kommt in entsprechender Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG
49mit der letzten Lohnabrechnung für September 1996 zur Auszah-
50lung.
51Anlaß für die im Vertrag Nr. 2 aufgeführte Fixierung des Gehalts auf 4.450,-- DM war der Umstand, daß der Kläger im Zuge der vorangehenden Verhandlungen auf seine finanziellen Belastungen durch einen Hausbau hingewiesen hatte. Aus diesem Grunde sollte der Kläger anstelle der tariflich vorgesehenen Urlaubsgeldzahlung ein höheres laufendes Monatsentgelt beziehen, um so in den Genuß eines erhöhten Arbeitslosengeldes zu gelangen. Ob die getroffene Vereinbarung mit den tariflichen Vorschriften in Einklang steht und geeignet ist, die für das Arbeitslosengeld maßgebliche Bemessungsgrundlage wirksam zu verändern, ist unter Parteien streitig. Streitig ist ferner, aus welchen Gründen zwei unterschiedliche Ausfertigungen des Aufhebungsvertrages erstellt wurden. Während der Kläger behauptet, Vertrag Nr. 1 sei „pro forma“ zur Vorlage beim Arbeitsamt bestimmt gewesen, bei dem Vertrag Nr. 2 handele es sich um einen „Schubladenvertrag“, vertritt die Beklagte den Standpunkt, Vertrag Nr. 2 stelle sich im Grunde genommen lediglich als gemeinsam unterzeichnetes Besprechungsprotokoll dar.
52Wie vereinbart, wurde der Kläger in der Folgezeit von der Arbeit freigestellt und erhielt die - erhöhte - Vergütung von 4.450,-- DM/Monat. Ebenso zahlte die Beklagte - wie vertraglich vorgesehen - zum 30.09.1996 - ohne besondere Veranlassung durch den Kläger - die vereinbarte Abfindung aus.
53Bereits zuvor, und zwar mit der am 24.07.1996 zugestellten Klageschrift hat der Kläger beim Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Aufhebungsvereinbarungen geltend gemacht. Hierzu hat er im ersten Rechtszuge vorgetragen, er sei bei Vertragsschluß überrumpelt und getäuscht worden; aus diesem Grunde hat der Kläger die Anfechtung des Aufhebungsvertrages erklärt. Weiter hat der Kläger den Standpunkt vertreten, bei dem - für das Arbeitsamt bestimmten - „Aufhebungsvertrag Nr. 1“ handele es sich um ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB. Der in Wahrheit gewollte „Schubladenvertrag“ Nr. 2 sei auf einen Betrug gegenüber dem Arbeitsamt gerichtet und demgemäß gemäß § 134 BGB insgesamt unwirksam.
54Im Wege der Klageerweiterung hat sich der Kläger sodann gegen die mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle ausgesprochene arbeitgeberseitige Kündigung vom 06.09.1996 gewandt. Der Kläger bestreitet insoweit die behaupteten Leistungsmängel und Abmahnungen. Mit Rücksicht darauf, daß die Frage der Wirksamkeit der Kündigung nicht Gegenstand des vorliegenden Teilurteils ist, wird von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts abgesehen.
55Der Kläger hat im ersten Rechtszuge beantragt,
561. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die
57beiden Aufhebungsverträge vom 15. März 1996 mit dem
58Ablauf des 30. September 1996 beendet wird, sondern
59über diesen Zeitpunkt hinaus unverändert fortbesteht,
602. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die
61Kündigung der Beklagten vom 06. September 1996 mit
62dem Ablauf des 31. März 1997 beendet wird, sondern
63über diesen Zeitpunkt hinaus unverändert fortbesteht.
64Die Beklagte hat beantragt,
65die Klage abzuweisen.
66Sie hat vorgetragen, bei den Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag sei der Kläger durch den Gewerkschaftsbevollmächtigen E......... und den Betriebsratsvorsitzenden bestens vertreten gewesen, so daß von einer Überrumpelung keine Rede sein könne. Ebensowenig scheitere die Vereinbarung an einem gesetzlichen Verbot im Sinne des § 134 BGB. Aus welchen Motiven die Vertragsparteien beim Abschluß der Aufhebungsvereinbarung gehandelt hätten, sei rechtlich unerheblich. Eine Täuschungsabsicht gegenüber dem Arbeitsamt werde in tatsächlicher Hinsicht bestritten. Ohnehin komme es aus rechtlichen Gründen auf die Motive und Absichten der Vertragsparteien nicht an, vielmehr knüpfe das Recht an tatsächliche Handlungen an und frage danach, ob diese mit den Gesetzen in Einklang stünden. Eine solche „Handlung“ sei erst mit Ablauf der Kündigungsfrist, nämlich bei Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung fällig gewesen. Wie sich aus der tatsächlichen Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung (Bl. 29 ff d.A.) ergebe, habe die Beklagte hierin wahrheitsgemäße Angaben gemacht und den vollständigen Sachverhalt offengelegt. Die jetzt entstandenen Schwierigkeiten mit dem Arbeitsamt habe sich der Kläger danach selbst zuzuschreiben.
67Abgesehen davon müsse die Vorgehensweise des Klägers als treuwidrig und arglistig angesehen werden. Offenbar habe der Kläger die Beklagte in eine Falle locken wollen. Nicht die Beklagte habe danach den Kläger arglistig getäuscht, vielmehr sei der Kläger selbst der arglistig Täuschende. Im übrigen habe der Kläger anstandslos und vorbehaltslos die Erfüllung der Aufhebungsvereinbarung einkassiert. Schon aus diesem Grunde sei es dem Kläger versagt, die Unwirksamkeit der Vereinbarung geltend zu machen.
68Durch Urteil vom 21.02.1997, auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt worden, die zwischen den Parteien geschlossene Aufhebungsvereinbarung scheitere weder an der angeblichen „Überrumpelung des Klägers“, noch greife die vom Kläger erklärte Anfechtung durch. Ebensowenig verstoße die getroffene Vereinbarung gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB. Die Vereinbarung über die erhöhte Zahlung eines Monatslohns unter Einbeziehung des tariflichen Urlaubsgeldes sei zwar - anders als von den Parteien vorgestellt - zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht geeignet. Eine Umgehung der gesetzlichen Vorschriften bzw. Täuschung des Arbeitsamtes liege jedoch nicht vor. Vielmehr habe die Beklagte ersichtlich in der erteilten Arbeitsbescheinigung korrekte Angaben gemacht. Auch in der Erstellung eines „offiziellen“ Aufhebungsvertrages und eines sog. „Schubladenvertrages“ könne kein unzulässiges Umgehungsgeschäft gesehen werden. Die von der Beklagten beabsichtigte verhaltensbedingte Kündigung sei lediglich Ausgangspunkt der Vertragsverhandlungen gewesen. Aus der nachfolgenden Einigung der Parteien ergebe sich sodann, daß Anlaß für die einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr ein mögliches vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers war, sondern die für beide Parteien offene Rechtslage, und zwar sowohl hinsichtlich der Berechtigung der Kündigung einerseits als auch der hierdurch veranlaßten Beeinträchtigung der Vertrauensgrundlage aus der Sicht des Arbeitnehmers andererseits. Angesichts der schon länger bestehenden Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis liege es nahe anzunehmen, daß dem Kläger eine Fortsetzung des belasteten Arbeitsverhältnisses nicht länger zuzumuten gewesen sei. Unter diesen Umständen sei jedenfalls aus der Sicht der Vertragsparteien die Verhängung einer Sperrzeit nicht mehr zu erwarten gewesen. Soweit der Kläger demgegenüber den Vorwurf erhebe, der zur Vorlage beim Arbeitsamt bestimmte Aufhebungsvertrag ziele auf einen Betrug gegenüber dem Arbeitsamt, beruhe dies auf einer Verkennung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 263 StGB. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsverträge habe nicht einmal ein unmittelbares Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB vorgelegen. Im übrigen handele es sich bei den Formulierungen, welche der Kläger als Gesetzesverstoß beanstanden wolle, lediglich um solche, welche den Bezug von Arbeitslosengeld hätten sicherstellen sollen. Hierbei handele es sich jedoch lediglich um Motive, nicht jedoch um rechtlich bindende Vereinbarungen. Selbst wenn man dies annehmen wolle, führe dies lediglich zu einer Teilnichtigkeit gemäß § 139 BGB. Für die Parteien entscheidend gewesen sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zwar hätten die Folgen der Arbeitslosigkeit für den Kläger abgemildert werden sollen, dies sei jedoch nicht zwingende Voraussetzung für den Abschluß des Aufhebungsvertrages gewesen. Da der Kläger in Kenntnis der bestehenden Risiken die Aufhebungsvereinbarung unterzeichnet und so das entsprechende Risiko hingenommen habe, könne nicht von einer Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung ausgegangen werden.
69Gegen das ihm am 27.06.1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.07.1997 eingelegte und zugleich begründete Berufung des Klägers.
70Unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen hält der Kläger an seiner Auffassung fest, die zwischen den Parteien getroffenen Abreden seien gemäß § 134 BGB nichtig, da eine Täuschung des Arbeitsamtes über die wahren Beendigungsgründe und die maßgebliche Bemessungsgrundlage für das zu beantragende Arbeitslosengeld von beiden Parteien beabsichtigt gewesen sei. Daß es zur späteren Täuschung des Arbeitsamtes nicht gekommen sei, beruhe allein und ausschließlich darauf, daß der Kläger die Aufhebungsvereinbarungen im Wege der Klage angegriffen habe. Für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 134 BGB komme es demgegenüber auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Der vom Arbeitsgericht in den Vordergrund gestellte Umstand, daß die Beklagte tatsächlich die Arbeitsbescheinigung zutreffend ausgefüllt habe, sei danach nicht maßgeblich. Richtig sei allein, daß der Abschluß der Aufhebungsvereinbarungen noch keinen Betrugsversuch darstelle. An der Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen könne dies aber nichts ändern.
71Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht im übrigen unterstellt, dem Kläger habe ein wichtiger Grund für den Abschluß eines Aufhebungsvertrages zugestanden, so daß eine Täuschung des Arbeitsamtes gar nicht vorgelegen habe. Maßgeblich für den Vertragsschluß sei die unmißverständliche Ankündigung der Beklagten gewesen, gegenüber dem Kläger eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen zu wollen. Nachdem Herr E......... ihm erklärt habe, hiergegen seien kaum Verteidigungsmöglichkeiten ersichtlich, seien die getroffenen Vereinbarungen zustande gekommen. Daß für die Beklagte nach wie vor die verhaltensbedingten Kündigungsgründe maßgeblich sein sollten, ergebe sich schon aus dem Umstand, daß die wahren Motive ihren Niederschlag in dem zweiten Aufhebungsvertrag gefunden hätten.
72Weiter wendet sich der Kläger gegen den Standpunkt des Arbeitsgerichts, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei von den Parteien in jedem Falle - also auch ohne die auf Täuschung des Arbeitsamtes gerichtete Abrede - gewollt gewesen. Für den Kläger sei vielmehr die Frage des nahtlosen Bezuges von Arbeitslosengeld von entscheidender Bedeutung gewesen. Ohne eine entsprechende Regelung sei das Abfindungsangebot der Beklagten völlig unlukrativ und indiskutabel gewesen. Die Erheblichkeit dieses Regelungspunktes ergebe sich ohne weiteres schon daraus, daß nur aus diesem Grunde zwei getrennte Aufhebungsverträge geschlossen worden seien. Die Annahme einer Teilnichtigkeit der Vereinbarungen werde damit dem Parteiwillen nicht gerecht.
73Insgesamt müsse die Vereinbarung im übrigen auch als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGBG angesehen werden. Das von den Parteien gezeigte Verhalten sei darauf gerichtet, das Gemeinwohl zu schädigen. Nachdem der Kläger von der unwirksamen Vereinbarung abgerückt sei, könne ihm nicht versagt werden, sich auf die Nichtigkeit des Vertrages zu berufen.
74Der Kläger beantragt,
75es wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegen
76vom 21. Februar 1997 - 2 Ca 1585/96 - festgestellt,
77a) daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die beiden Aufhebungs-
78verträge vom 15. März 1996 mit dem Ablauf des 30. Septem-
79ber 1996 beendet wird, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus
80unverändert fortbesteht,
81b) daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Be-
82klagten vom 06. September 1996 mit Ablauf des 31. März
831997 beendet wird, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus
84unverändert fortbesteht.
85Die Beklagte beantragt,
86die Berufung zurückzuweisen.
87Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung als zutreffend und führt aus, der wesentliche Inhalt der getroffenen Vereinbarungen sei in dem ersten Aufhebungsvertrag zutreffend wiedergegeben. Den zweiten Aufhebungsvertrag mit den ergänzenden Regelungen habe man genauso gut und richtiger auch als „Besprechungsprotokoll“ oder „Abwicklungsvertrag“ bezeichnen können. Von einem Widerspruch zwischen beiden Dokumenten könne unter diesen Umständen keine Rede sein.
88Bereits im Erörterungstermin vom 14.03.1996 bei der Fürsorgestelle seien die maßgeblichen Vertragsbedingungen abgesprochen worden, wobei es der Kläger gewesen sei, welcher auf einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage Wert gelegt habe. Mit Rücksicht darauf, daß der Kläger nach der getroffenen Vereinbarung ab sofort unter Verrechnung mit dem ihm zustehenden Urlaub freigestellt worden sei, sei es vertretbar und zulässig gewesen, das tarifliche Urlaubsgeld gleichmäßig auf den laufenden Lohn aufzuschlagen. Die Wahl des Wortes „betriebsbedingte“ Gründe im ersten und maßgeblichen Aufhebungsvertrag beruhe darauf, daß im Erörterungstermin vom 14.03.1996 der Kündigungssachverhalt kontrovers diskutiert worden und tatsächlich in seinen Auswirkungen auch einen betrieblichen Aspekt besitze. Wenn unter diesen Umständen die damals beteiligten Laien den Begriff „betriebsbedingt“ als Kündigungsgrund gewählt hätten, sei dies vertretbar, wenn es auch im strikt juristischen Sinne nicht zutreffend sei. Derartige Formulierungen seien - wie allgemein bekannt - in Aufhebungsverträgen vor der Hauptfürsorgestelle wie auch in arbeitsgerichtlichen Vergleichen durchaus üblich. Wenn der Kläger demgegenüber in der Berufung sogar auf die Vorschrift des § 138 BGB zurückgreife, stelle dies ein weiteres „Totschlagargument“ dar.
89Im übrigen verhalte sich der Kläger widersprüchlich, wenn er einerseits den Aufhebungsvertrag angreife, andererseits aber die Erfüllungshandlungen der Beklagten entgegengenommen und sogar die vereinbarte Abfindung von 20.000,-- DM vereinnahmt habe. Dies sei ein unlösbarer Selbstwiderspruch, welches das Verhalten des Klägers als arglistig und rechtlich unbeachtlich erscheinen lasse.
90E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
91A
92Über die Berufung war durch Teilurteil zu entscheiden, da der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, soweit es die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag betrifft. An der Entscheidungsreife fehlt es demgegenüber hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 06.09.1996. .
93B
94Soweit danach über die Berufung zu entscheiden war, führt sie zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
95I
96Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis ist nicht durch Aufhebungsvereinbarung beendet worden.
97Die Auslegung der getroffenen Abreden führt zu dem Ergebnis, daß die Parteien einen Abwicklungsvertrag geschlossen haben, welcher - außerhalb des schriftlichen Vertragstextes - die vertragliche Verpflichtung der Beklagten umfaßt, durch unrichtige Angaben gegenüber dem Arbeitsamt dem Kläger einen unrechtmäßigen Leistungsbezug zu ermöglichen (1). Die hieraus folgende Teilnichtigkeit der Vereinbarung führt zur Gesamtnichtigkeit (2). Treu und Glauben stehen der Geltendmachung der Gesamtnichtigkeit nicht entgegen (3).
981. Die zwischen den Parteien getroffene Absprache umfaßt - über den Wortlaut der beiden schriftlichen Vertragsfassungen hinaus - eine umfassende Regelung zur Be- endigung des Arbeitsvertrages im Sinne eines Abwicklungsvertrages einschließlich einer auf Täuschung des Arbeitsamtes gerichteten Abrede.
99a) Wie die Parteien im Termin vom 27.11.1997 zuletzt ausdrücklich klargestellt haben, ist im Zuge der Verhandlungen bei der Hauptfürsorgestelle am 14.03.1996 eine rechtsgeschäftlich bindende Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne eines eigenständigen Beendigungstatbestandes noch nicht erfolgt. Abgesehen davon, daß erst mit der Ausarbeitung des Vertragswerks eine vollständige Fixierung sämtlicher regelungsbedürftiger Punkte erreicht war, sollte nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien eine bindende Regelung durch eine eigene Einverständniserklärung des Klägers - in Form der Unterzeichnung des ausgearbeiteten Textes - erfolgen. Die vorangehende Billigung durch den Gewekschaftsbevollmächtigten E......... gab hierfür allein „grünes Licht“.
100b) Mit dem Arbeitsgericht geht die Kammer davon aus, daß die in den beiden Vertragsausfertigungen niedergelegte Regelung als Einheit betrachtet werden muß. Eine isolierte Bewertung des ersten Vertrages als Scheinvertrag und des zweiten Vertrages als Wiedergabe des wahren Parteiwillens wird der gewollten Gesamtregelung nicht gerecht. Auch die Beklagte will erklärtermaßen die Abfassung der beiden Vertragsausfertigungen nicht im vorstehenden Sinne verstanden wissen, sondern erklärt die Ausfertigung zweier Vertragsexemplare damit, daß der zweite Vertrag in etwa ein „Besprechungsprotokoll“ darstelle.
101c) Bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen ist gemäß §§ 133, 157 BGB der wahre Parteiwille ohne Bindung an den Wortlaut unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte zu erforschen. Diese Auslegung ergibt hier, daß die Parteien einen sog. Abwicklungsvertrag geschlossen haben, welcher - neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - eine umfassende Regelung von gegenseitigen Haupt- und Nebenpflichten zum Gegenstand hat.
102Der Begriff des „Abwicklungsvertrages“ findet im arbeitsrechtlichen Schrifttum allerdings vornehmlich zur Kennzeichnung solcher Sachverhalte Verwendung, bei welchen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade nicht in Form des Aufhebungsvertrages, sondern im Wege einer abgesprochenen Kündigung herbeigeführt werden soll (vgl. z.B. Baur, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 5. Aufl., Rz. 110 m.w.N.; Weber/Ehrich/Hoß, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, 1996, Teil 4 Rz. 123 ff). Ziel derartiger Konstruktionen ist zum einen die Vermeidung sozialrechtlicher Nachteile, welche sich bei der Beantragung von Arbeitslosengeld an den Abschluß eines Aufhebungsvertrages knüpfen (Baur, a.a.O. Rz. 110); zwischenzeitlich hat sich die Arbeitsverwaltung hierauf eingestellt und prüft formularmäßig auch das Vorliegen eines Abwicklungsvertrages (Durchführungsanweisung zum Sammelerlaß Alg/Alhi vom 19.12.1996; vgl. v. Seggern AuR 1997, 99). Zum anderen kommt die Vertragsbeendigung in Form der hingenommenen betriebsbedingten Kündigung oder der abgesprochenen Eigenkündigung dem Wunsch des Arbeitnehmers entgegen, unliebsamen Fragen nach den Hintergründen des „einverständlichen“ Ausscheidens auszuweichen, die sich beim Aufhebungsvertrag u.U. aufdrängen könnten.
103Kennzeichnend für den Abwicklungsvertrag ist damit die eigenständige Regelung der Beendigungsmodalitäten (insbesondere der Festlegung von Gegenleistung und/oder Nebenpflichten) im Sinne eines Schuldvertrages und Verpflichtungsgeschäfts einerseits und der Bewirkung der verabredeten Leistung durch Vornahme der versprochenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen (Kündigung, Vertragserklärung zum Aufhebungsvertrag) im Sinne eines Verfügungsgeschäfts (so wohl auch Weber/Ehrich/Hoß a.a.O. Rz. 190). Anders als bei einer isolierten Kündigung oder einem reinen Aufhebungsvertrag, deren rechtlicher Gehalt sich in der gewollten Vertragsbeendigung erschöpft und welche damit den Rechtsgrund in sich tragen, erfolgt hier die konkret gewählte Form der Vertragsbeendigung in Vollziehung einer Gesamtabsprache und vor allem gegen Gewährung einer Gegenleistung. Kündigung und Aufhebungsvertrag stellen sich danach als Rechtsgeschäfte zur Erfüllung des kausalen Abwicklungsvertrages dar (zur Frage des abstrakten oder kausalen Rechtscharakters des Aufhebungsvertrages mit Gegenleistungsabrede MünchKomm-Söllner, § 305 BGB Rz. 8; C. Müller, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge 1991, 43 ff; Ernst, Aufhebungsverträge zur Beseitigung von Arbeitsverhältnissen, 1992, 50 ff; BAG, Urteil vom 25.06.1987 - 2 AZR 504/86 - EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 23; G. Hueck, Anm. zu BAG AP Nr. 20 zu § 794 ZPO). Auch wenn in der Praxis bei der Vertragsbeendigung in Form des Aufhebungsvertrages gegen Abfindungszahlung Verpflichtungserklärung und Verfügung - nicht anders als bei der sog. Handschenkung i.S.d. §§ 516, 518 BGB - häufig in einem Akt zusammenfallen und etwaige Rechtsmängel des Verpflichtungsgeschäftes nach den Grundsätzen der „Fehleridentität“ (Palandt/Heinrichs, Überbl. vor § 104 BGB Rz. 23) nicht selten auch auf das Verfügungsgeschäft durchschlagen (Ernst a.a.O., 53) oder eine Rückabwicklung rechtsgrundlos gewährter Leistungen nach §§ 812 ff BGB nach sich ziehen, liegt der Sinn der getroffenen Unterscheidung doch darin, den Besonderheiten der Vertragsaufhebung gegen Gegenleistung - z.B. im Falle von Leistungsstörungen oder bei Unwirksamkeit einzelner Vertragsbedingungen - Rechnung zu tragen.
104d) Der Inhalt des vereinbarten Abwicklungsvertrages umfaßt nach dem Wortlaut der schriftlichen Vereinbarungen zunächst die beabsichtigte Vertragsbeendigung gegen Zahlung einer Abfindung. Weiter enthält die Absprache die - nur im zweiten Vertrage dokumentierte - Arbeitsfreistellung in Verbindung mit der Zahlung eines erhöhten Arbeitsentgelts bzw. der modifizierten Auszahlung des tariflichen Urlaubsgeldes. Schließlich ist bei der Auslegung der getroffenen Abreden auch zu berücksichtigen, welchen Zweck die Parteien mit der bewußten Erstellung zweier unterschiedlicher Vertragstexte verfolgt haben.
105Diese - zweifellos auffällige - Vorgehensweise hat der Kläger damit erklärt, daß ihm auf diese Weise Probleme beim Bezug von Arbeitslosengeld hätten erspart werden sollen. Die Erstellung eines „betriebsbedingten“ Aufhebungsvertrages sollte damit der Erfüllung der stillschweigenden Abrede dienen, dem Kläger beim Bezug von Arbeitslosengeld in bestimmter Weise behilflich zu sein.
106Die Beklagte hat zwar ausdrücklich bestritten, der erste Vertrag sei zur Vorlage beim Arbeitsamt bestimmt gewesen; eine solche Vorlage werde vom Arbeitsamt weder gefordert noch sei sie üblich. Hierauf kommt es jedoch für die Auslegung der getroffenen Absprachen nicht entscheidend an. Da der Abschluß eines Aufhebungsvertrages grundsätzlich eine Sperrfrist gemäß §119 AFG nach sich zieht, lassen sich Schwierigkeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld allein dadurch vermeiden, daß der Arbeitnehmer für den Abschluß eines Aufhebungsvertrages einen wichtigen Grund geltend macht (KR-Wolff, § 119 AFG Rz. 33 ff). Als solcher kommt insbesondere die Vermeidung einer drohenden betriebsbedingten Kündigung in Betracht. Zur Prüfung eines wichtigen Grundes hat der Arbeitgeber nach den maßgeblichen Arbeitsamtsrichtlinien (DA 1.112, 1.532 zum Sammelerlaß Alg/Alhi, Stand 12/96) auf einem hierzu bestimmten Vordruck (Anlage 2 zum Sammelerlaß vom 19.12.1996) u.a. Angaben darüber zu machen, aus welchen Gründen anstelle des geschlossenen Aufhebungsvertrages eine rechtmäßige Kündigung hätte ausgesprochen werden können. Unabhängig hiervon, ob in diesem Zusammenhang eine Ausfertigung des geschlossenen Aufhebungsvertrages dem Arbeitsamt vorzulegen ist, macht schon die Weisungslage der Arbeitsverwaltung deutlich, daß der Kläger für den Bezug von Arbeitslosengeld darauf angewiesen war, daß ihm die Beklagte betriebsbedingte Notwendigkeiten bescheinigte. Welchen Zweck demgegenüber die Erstellung einer Vertragsausfertigung mit der Angabe „betriebsbedingter“ Gründe ansonsten haben sollte, als den Kläger bei der Beantragung von Arbeitslosengeld zu unterstützen, ist nicht ersichtlich. Mit der Bewerbung um einen neuen Arbeitsplatz ist üblicherweise allein die Vorlage eines Arbeitszeugnisses - ggf. mit entsprechender Angabe des Beendigungstatbestandes - üblich, nicht hingegen die Vorlage des mit dem vorangehenden Arbeitgeber geschlossenen Aufhebungsvertrages.
107Unter diesen Umständen muß in der Erstellung zweier unterschiedlicher Vertragsexemplare ein zwingendes Indiz dafür gesehen werden, daß die Parteien sich darauf verständigt haben, die Vertragsbeendigung gegenüber dem Arbeitsamt als zur Vermeidung einer betriebsbedingten Entlassung geboten darzustellen.
108e) Soweit das Arbeitsgericht demgegenüber den Standpunkt einnimmt, etwa beabsichtigte unrichtige Erklärungen gegenüber dem Arbeitsamt nebst Vorlage des „pro forma-Aufhebungsvertrages“ seien nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung geworden, sondern beträfen allein einseitige Motive oder allenfalls übereinstimmende Vorstellungen der Parteien außerhalb der vertraglichen Regelung, vermag dem die Kammer nicht zu folgen.
109(1) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 25.04.1991 - 13 Sa 115/90 - LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 5; Urteil vom 22.05.1991 - 12 Sa 160/90 - LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 4) für den Fall der Rückdatierung eines Aufhebungsvertrages eine Umgehung des § 117 AFG und eine hieraus folgende Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages u.a. mit der Begründung verneint, die Rückdatierung des Vertrages sei nicht Inhalt des Rechtsgeschäftes, sondern allein Beweggrund gewesen. Hierfür tragend war jedoch der Umstand, daß nach dem Vortrag des klagenden Arbeitnehmers hinsichtlich der Rückdatierung des Vertrages keine Willensübereinstimmung der Parteien, vielmehr allein ein einseitiger Gesetzes- bzw. Sittenverstoß des Arbeitgebers vorlag (zum Erfordernis der Willensübereinstimmung siehe auch BGH DB 1971, 39). Demgegenüber trägt der Kläger hier ausdrücklich eine derartige Täuschungsabrede vor, welche durch die genannten Indiztatsachen hinreichend gestützt wird.
110(2) Das Ziel, dem Kläger einen problemlosen Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen, ist nach den vorliegenden Umständen auch nicht bloßes übereinstimmendes Motiv oder beiderseitige Erwartung der Vertragsparteien geblieben. Die Parteien haben sich hier nicht - wie bei der Umwandlung einer verhaltensbedingten Kündigung in eine solche aus betrieblichen Gründen im Zuge eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs - auf die Erwartung beschränkt, das Arbeitsamt werde von der Verhängung einer Sperrzeit absehen. Vielmehr haben die Parteien hier selbst durch die Erstellung zweier unterschiedlicher Vertragsausfertigungen ihren Willen dokumentiert, auf die Entscheidung der Arbeitsverwaltung mit unrichtigen Angaben Einfluß zu nehmen. Auch wenn der Vertragstext insoweit keine ausdrücklichen Vertragspflichten nennt, ergeben sich diese konkludent aus dem erkennbaren Vertragsziel und der praktizierten Handhabung. Hiermit wäre es unvereinbar, wenn die Beklagte etwa bei der Ausstellung der Arbeitsbescheinigung gemäß § 133 AFG durch Offenlegung der wahren Gegebenheiten die Durchführung der Absprache torpediert hätte. Daß die Beklagte tatsächlich bei der später erfolgten Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung korrekte Angaben gemacht hat, stellt kein Indiz für das Fehlen bzw. den Abschluß einer gegenteiligen Vereinbarung dar, sondern erklärt sich zwanglos aus der Tatsache, daß sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits von der Vereinbarung losgesagt und ihre Gesamtnichtigkeit geltend gemacht hatte.
111f) Eine vertragliche Regelung, welche dem Ziel dient, dem Arbeitnehmer Schwierigkeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld zu ersparen, ist allerdings nicht von vornherein unzulässig. Von der Rechtsordnung nicht gebilligt werden jedoch solche Absprachen, die darauf zielen, durch unrichtige Angaben einen unberechtigten Leistungsbezug zu ermöglichen.
112(1) Anders als etwa bei Abschluß einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Vereinbarung, nach welcher mit der „Umwandlung“ der zunächst als verhaltensbedingt gekennzeichneten Beendigungsgründe in einen betriebsbedingten Beendigungstatbestand die zunächst erhobenen Vorwürfe fallengelassen werden - dies mag sich rechtlich als Verzeihung, Einwendungsverzicht o.ä. darstellen -, hat die Beklagte hier, wie aus dem zweiten Aufhebungsvertrag ersichtlich, ausdrücklich an den „eingehend erörterten“, unstreitig verhaltensbedingten Gründen festgehalten und die Maßgeblichkeit dieses Sachverhalts schriftlich dokumentiert. Allein gegenüber dem Arbeitsamt sollten betriebsbedingte Gründe vorgeschoben werden. Anders als bei der erwähnten außergerichtlichen oder gerichtlichen Umwandlung der Kündigungsgründe wird damit aber zugleich die Grundlage für eine Täuschung des Arbeitsamtes gelegt. Rückt der Arbeitgeber endgültig - wenn auch allein im Hinblick auf einen abzuschließenden Vergleich - von den erhobenen Vorwürfen ab, so wird - je nach den Umständen - eine entsprechende Abfassung der Arbeitsbescheinigung zulässig sein. Da die Arbeitsverwaltung durch die Vereinbarungen und Erklärungen der Parteien nicht gebunden wird, bleibt den Parteien auch in einem solchen Fall allerdings lediglich die Erwartung, daß das Arbeitsamt eine derartige Erklärung akzeptiert, was insbesondere bei nachträglicher Korrektur einer bereits erteilten Arbeitsbescheinigung nicht unbedingt naheliegt. Eine rechtswirksame Verpflichtung, gegenüber dem Arbeitsamt nur bestimmte Erklärungen abzugeben, scheidet demgegenüber im Hinblick darauf aus, daß der Arbeitgeber insoweit eine zeugen-ähnliche Rolle wahrnimmt und gegebenenfalls im Sozialgerichtsprozeß auch als Zeuge zu vernehmen ist. Die Verpflichtung zur Ausfüllung einer Arbeitsbescheinigung mit wahrheitswidrigem Inhalt ist daher gemäß § 134 BGB unwirksam (LAG Hamm, Urteil vom 23.06.1996 - 8 (2) Sa 1326/95 -; Matthes DB 1968, 1578 ff; Knipp, AR-Blattei SD, Arbeitsbescheinigung Rz. 32).
113(2) Ein solcher Gesetzesverstoß ist hier darin zu sehen, daß die Beklagte in dem geschlossenen Abwicklungsvertrag die - stillschweigende - Verpflichtung übernommen hat, abweichend vom dokumentierten wahren verhaltensbedingten Beendigungsgrund den Kläger bei der Vorspiegelung eines betriebsbedingten Beendigungstatbestandes zu unterstützen.
114(3) Nicht unbedenklich erscheint aus denselben Gründen auch die vereinbarte „Umwandlung“ des tariflichen Urlaubsgeldes in ein erhöhtes Monatsentgelt. Abgesehen davon, daß eine solche Abbedingung des Urlaubsgeldes wegen der beiderseitigen Tarifbindung gemäß § 4 Abs. 3 TVG unwirksam wäre, erscheint nach dem Vortrag der Beklagten zweifelhaft, ob tatsächlich eine solche Umwandlung (Novation) beabsichtigt war. Dafür spricht zwar einerseits die vereinbarte Beschränkung des während der Freistellung gezahlten erhöhten Monatslohns auf den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum im Krankheitsfall, so daß der Kläger im Falle längerer Erkrankung sein umgewandeltes Urlaubsgeld einbüßte; andererseits spricht dagegen der Vortrag der Beklagten, es sei allein die Fälligkeit des Urlaubsgeldes im Sinne einer laufenden Auszahlung von Teilbeträgen verändert worden. Letzterenfalls konnte das beabsichtigte Ziel, dem Kläger eine erhöhte Bemessungsgrundlage für den Bezug von Arbeitslosengeld zu verschaffen, wiederum nur durch unrichtige Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung erreicht werden. Nur im Falle einer definitiven Lohnerhöhung durfte diese auch bescheinigt werden, freilich mit dem Risiko, daß der Kläger sich u.U. später auf seine tariflichen Rechte besann. Ob den Parteien die vorstehenden Differenzierungen bewußt waren, erscheint zweifelhaft, so daß offenbleiben kann, ob auch insoweit eine Täuschung des Arbeitsamtes verabredet war. Jedenfalls in bezug auf den zu bescheinigenden Beendigungstatbestand liegt aber aus den dargestellten Gründen eine unwirksame Vertragsregelung vor.
1152. Die so begründete Teilnichtigkeit des Abwicklungsvertrages führt hier unter Berücksichtigung des § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit. Nach dem hypothetischen Willen der Vertragsparteien kann nämlich nicht angenommen werden, daß die Aufhebungsvereinbarung - insbesondere hinsichtlich der Abfindungshöhe - auch ohne diejenige Abrede getroffen worden wäre, welche dem Kläger einen problemlosen Leistungsbezug beim Arbeitsamt ermöglichen sollte. Als weitere Folge der Nichtigkeit des Abwicklungsvertrages hat auch der in seinem Vollzug geschlossene Aufhebungsvertrag keinen Bestand
116a) Abweichend vom hier vertretenen Standpunkt soll allerdings nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 4; ebenso Baur, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 5. Aufl. Rz 116) eine Unwirksamkeit eines rückdatierten Aufhebungsvertrages nur unter der Voraussetzung in Betracht kommen, daß die Täuschung des Arbeitsamtes Hauptzweck des Aufhebungsvertrages gewesen sei. Gehe es demgegenüber - wie regelmäßig - den Parteien in erster Linie um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie um die Zahlung einer Abfindung, könne nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen ein Grundstück aus steuerlichen Gründen zu einem tatsächlich höheren Preis als in der notariellen Urkunde festgehalten verkauft werde. Hier entspreche es ständiger Rechtsprechung, daߠ solche Verträge nur dann nichtig seien, wenn der Hauptzweck des Vertrages gerade die Steuerhinterziehung sei (RGZ 107, 364; BGHZ 14, 26).
117b) Eine solche Orientierung am Hauptzweck der Vereinbarung erscheint zwar zutreffend, soweit sich das Urteil über die Sittenwidrigkeit auf eine einheitliche, nicht aufteilbare Vertragsregelung bezieht. Ergibt sich aus dem Gesamtcharakter und Hauptzweck des Vertrages seine Sittenwidrigkeit, ist - unabhängig vom hypothetischen Parteiwillen gemäß § 139 BGB - für eine teilweise Geltungserhaltung kein Raum. Kann hingegen eine einzelne sittenwidrige Abrede aus dem Vertragszweck herausgelöst werden und ist dieses auch ohne die sittenwidrige Klausel sinnvoller Gestaltung fähig, beschränkt sich die Nichtigkeit auf die einzelne Abrede (BGHZ 44, 162; MünchKomm-Mayer-Maly, § 138 BGB Rz. 135). Die Frage der Gesamtnichtigkeit ist sodann auf der Grundlage des hypothetischen Parteiwillens gemäß § 139 BGB zu beurteilen. Entsprechendes gilt für die Nichtigkeit gemäß § 134 BGB. Bei Vorliegen einer einheitlichen, nicht aufspaltbaren Gesamtregelung folgt aus § 134 BGB ohne weiteres die Gesamtnichtigkeit. Auch bei teilbaren Abreden kann die Gesamtnichtigkeit aus dem Gesetzeszweck folgen. Ist dies nicht der Fall, hängt die Frage der Teil- oder Gesamtnichtigkeit vom hypothetischen Parteiwillen ab (MünchKomm-Mayer-Maly, § 134 BGB Nz 91 a.E.).
118Richtig ist danach allein, daß - mit der zitierten Rechtsprechung - sowohl im Falle unrichtiger Kaufpreisbeurkundung zwecks Steuerhinterziehung als auch bei der Rückdatierung von Aufhebungsverträgen der maßgebliche Gesetzes- oder Sittenverstoß keine Gesamtnichtigkeit fordert. Die weitere Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen ist damit aber nicht beantwortet. Für den Fall des unrichtig beurkundeten Kaufpreises wird im Zweifel allein die hierauf bezogene Steuerhinterziehungsabrede unwirksam sein, die Geltung des Kaufvertrages im übrigen jedoch dem Parteiwillen entsprechen. Entsprechendes gilt für die Abrede, die Arbeitsvergütung „schwarz“, also ohne gesetzliche Abgaben zu zahlen, oder den Abschluß eines Kaufvertrages „ohne Rechnung“ (BGHLM Nr. 57 zu § 134 BGB).
119c) Der zwischen den Parteien geschlossene Abwicklungsvertrag stellt sich nach diesen Maßstäben nicht als unteilbare Einheit dar, vielmehr läßt sich die konkludente Abrede über die beabsichtigte Täuschung des Arbeitsvertrages ohne weiteres aus dem Vertragswerk isolieren. Ebensowenig ist von dem verletzten gesetzlichen Verbot die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages gefordert, vielmehr wäre der Vertrag auch ohne die problematische Klausel sinnvoll und zulässig. Unter den vorliegenden Umständen kann jedoch nicht angenommen werden, daß die Parteien den Vertrag auch ohne die beanstandete Regelung geschlossen hätten (§ 139 BGB).
120Im Falle der Verhängung einer Sperrzeit hätte der Kläger nicht allein für deren Dauer seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren, sondern insgesamt ¼ seines Arbeitslosengeldanspruchs eingebüßt (§ 110 Ziff. 2 i.V.m. § 119 Ziff. 1 AFG). Die vereinbarte Abfindung von 20.000,-- DM wäre damit jedenfalls zu einem ganz erheblichen Teil aufgezehrt worden. Die von der Beklagten versprochene Gegenleistung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde damit soweit entwertet, daß nach dem hypothetischen Willen der Parteien nicht ernsthaft angenommen werden kann, daß dieselbe Vereinbarung ohne die unzulässige Absprache getroffen worden wäre.
121d) Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß beiden Parteien im Zweifel die Unzulässigkeit der abgesprochenen Vorgehensweise bekannt war. Kennen die Parteien die Nichtigkeit einer einzelnen Vertragsklausel, so spricht dies zwar grundsätzlich dafür, daß insoweit ohnehin ein Rechtsbindungswille fehlt, so daß der gültige Teil der Vereinbarung für sich genommen Bestand hat (Palandt/Heinrichs, § 139 BGB Rz. 14). Das gilt aber nicht bei abweichendem Vertragswillen (Palandt/Heinrichs a.a.O.; BGHZ 45, 380) . Aus den dargestellten Gründen scheidet hier die Überlegung aus, die Parteien hätten die Aufhebungsvereinbarung auch ohne die beanstandete Klausel getroffen.
122e) Aus der Nichtigkeit des Abwicklungsvertrages folgt sodann, daß auch die erfüllungshalber bewirkte Aufhebung des Arbeitsvertrages keinen Bestand hat. Folgt man der hier vertretenen Trennung von Abwicklungsvertrag als Kausalgeschäft und Aufhebungsvereinbarung als Verfügungsgeschäft, so bewirkt jedenfalls die Rückabwicklung des nichtigen Abwicklungsvertrages im Ergebnis die Beseitigung der vereinbarten Vertragsaufhebung und begründet zugleich die Verpflichtung zur Rückgewähr der empfangenen Gegenleistungen.
1233. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, die Unwirksamkeit von Abwicklungsvertrag und Aufhebungsvereinbarung geltend zu machen. Ebensowenig greift der erhobene Arglisteinwand durch.
124a) Grundsätzlich steht es einer jeden Vertragspartei frei, sich jederzeit auf die Unwirksamkeit einer abgeschlossenen Vereinbarung zu berufen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien die Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung kannten oder hätten erkennen können (Palandt/Heinrichs, § 242 BGB Rz. 55; BGH 87, 177; BGH NJW 1992, 834).
125b) Auch der Umstand, daß die Parteien mit der Ausführung des Abwicklungsvertrages bereits begonnen haben, insbesondere der Kläger bereits über ca. drei Monate in den Genuß von Arbeitsfreistellung und erhöhter Vergütung - letzteres allerdings unter Verzicht auf das tarifliche Urlaubsgeld - gekommen ist, führt zu keiner abweichenden Beurteilung.
126Zum einen fallen die genannten Leistungen im Verhältnis zum Gesamtregelungsziel der Parteien - Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung von 20.000,-- DM nebst problemlosem Bezug von Arbeitslosengeld - noch nicht entscheidend ins Gewicht. Zum anderen ist, soweit mit Hilfe der Vorschrift des § 242 BGB die Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen eingeschränkt werden soll, darauf zu achten, daß hierdurch nicht ein Anreiz oder mittelbarer Erfüllungszwang geschaffen wird, den vereinbarten Gesetzesverstoß in die Tat umzusetzen.
127Ausgehend von der vorstehend begründeten Vertragsauslegung, nach welcher die Beklagte dem Kläger zugesagt hatte, ihm durch Ausstellung eines „pro forma-Aufhebungsvertrages“ mit betriebsbedingten Beendigungsgründen und einer entsprechend abgefaßten Arbeitsbescheinigung beim Bezug von Arbeitslosengeld behilflich zu sein, mußte der Kläger, um die vereinbarte Abfindungszahlung ungekürzt behalten zu dürfen, gegenüber dem Arbeitsamt den wahren Sachverhalt verschleiern. Dem Kläger stand es zwar frei, sich auf ein gesetzestreues Verhalten zu besinnen und gegenüber dem Arbeitsamt korrekte Angaben zu machen, dies aber nur um den Preis einer Entwertung seiner Vertragsposition. Demgegenüber blieb die Beklagte unabhängig davon, ob sich der Kläger für eine korrekte oder unkorrekte Vorgehensweise entschied, von nachteiligen Folgen verschont. Die Beklagte erreichte in jedem Fall die angestrebte Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung der zugesagten Abfindung, die Kosten seiner Reue hätten allein den Kläger getroffen.
128Sowohl die damit verbundene einseitige Verlagerung der Folgen gesetzestreuen Handelns auf den Kläger als auch der hiermit verbundene Anreiz zur Durchführung der unzulässigen Vereinbarung sprechen unter diesen Umständen entscheidend dagegen, dem Kläger die Geltendmachung der Gesamtnichtigkeit der Abrede zu versagen. Aus der Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung zieht der Kläger ohnehin nicht nur Vorteile, indem er sich zum einen nunmehr wieder der von Anfang an in den Raum gestellten verhaltensbedingten Kündigung ausgesetzt sieht; zum anderen mögen sich bei Rückabwicklung des unwirksamen Abwicklungsvertrages auch für den Kläger Nachteile ergeben.
129c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, daß der Kläger bereits die vereinbarte Abfindung empfangen hat. Die Beklagte hat - in Kenntnis der bereits anhängigen Klage - die Abfindung auf das Konto des Klägers überwiesen, ohne daß der Kläger hierum gebeten hat. Ein widersprüchliches Verhalten des Klägers liegt damit nicht vor.
130d) Auch der Umstand, daß die Initiative zu der unwirksamen Abrede, wie die Beklagte - freilich ohne Beweisantritt - behauptet, vom damaligen Interessenvertreter des Klägers ausging, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn der entsprechende Tatsachenvortrag als wahr unterstellt wird, läßt sich hieraus nicht ableiten, daß der Kläger die Beklagte in zurechenbarer Weise zu der unredlichen Absprache „verführt“ oder gar genötigt habe. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der für den Kläger tätige Gewerkschaftsbevollmächtigte und der auf Seiten der Beklagten mit der Ausarbeitung des Vertragswerks befaßte Personalleiter auf der Grundlage intellektueller Parität und gleichberechtigter Verantwortung den Abschluß der Vereinbarung initiiert haben.
131e) Ebensowenig greift der von der Beklagten erhobene Arglisteinwand durch. Auch wenn unterstellt wird, daß der Kläger nicht etwa aus moralischen Gründen von der getroffenen Abrede abgerückt ist und mit seiner Vorgehensweise sich als gesetzestreuer Bürger erweisen will, vielmehr den Kläger offenbar der Abschluß des Aufhebungsvertrages und der hiermit verbundene Verlust des Arbeitsplatzes reut, weil er für sich auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen sieht oder ihm die versprochene Abfindung als zu gering erscheint, nimmt dies dem Kläger nicht das Recht, von der unwirksamen Vereinbarung abzurücken. Die Beklagte hat die Unwirksamkeit der Vereinbarung nicht weniger als der Kläger zu vertreten. Da die Motive für den Gesinnungswandel des Klägers als solche nicht beanstandet werden können, muß dem erhobenen Arglisteinwand der Erfolg versagt bleiben.
132f) Der Kläger hat sein Recht, die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages geltend zu machen, auch nicht verwirkt. Ob für das erforderliche „Zeitmoment“ der Zeitraum zwischen Vertragsschluß und Geltendmachung der Unwirksamkeit mit ca. drei Monaten schon genügt, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es am erforderlichen „Umstandsmoment“. Allein die Tatsache, daß der Kläger während des genannten Zeitraums wegen der vereinbarten Freistellung dem Betrieb fernblieb und Vergütung ohne Arbeit bezog, konnte keine berechtigte Erwartung der Beklagten begründen, der Kläger werde „die Nerven behalten“ und auch den gesetzeswidrigen Teil der getroffenen Abrede vollziehen.
133g) Schließlich kann dem Kläger auch nicht der Einwand des § 817 S. 2 BGB entgegengehalten werden.
134Folgt man dem hier vertretenen Ansatz, daß die Gesamtnichtigkeit des Abwicklungsvertrages als Kausalgeschäft eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht und damit die Kondizierbarkeit der Aufhebungsvereinbarung begründet, so ist allerdings grundsätzlich der Ausschluß des Rückforderungsanspruchs bei Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistenden zu beachten. Indem der Kläger die seinerseits geschuldete Leistung - nämlich seine Vertragserklärung zum Abschluß des Aufhebungsvertrages - zwecks Erfüllung der (nichtigen) Abwicklungsvereinbarung erbrachte, hat er zwar in Erwartung der versprochenen, teilweise verbotenen Gegenleistung geleistet. Schon die Annahme, der Kläger habe damit - wie bei einer Schmiergeldzahlung - die Beklagte zu einem verbotenen Handeln veranlassen wollen, wird der vorliegenden Vertragsgestaltung jedoch nicht gerecht; ob anderes gelten würde, wenn der Wunsch nach Vertragsbeendigung allein vom Kläger ausgegangen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Ein Gesetzes- oder Sittenverstoß des Klägers bei Bewirkung seiner Leistung liegt danach nicht vor. Im übrigen ist auch bei der Anwendung des § 817 S. 2 BGB die Vorschrift des § 242 BGB zu berücksichtigen (BGHZ 111, 308; Palandt/Thomas, § 817 BGB Rz. 20 m.w.N.). Das gilt insbesondere, wenn es um die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von Verträgen geht, deren Gesamtnichtigkeit auf der Nichtigkeit einzelner Vertragsbestimmungen beruht. Die Nichtigkeit des ganzen Vertrages gemäß §§ 134, 139 BGB bewirkt nicht zwangsläufig, daß damit alle Teile gleich zu beurteilen sind, soweit es um die Anwendung des § 817 S. 2 BGB geht (BGHZ 50, 92 m.w.N). Ebenso wie bei der Anwendung des § 817 S. 2 BGB darauf zu achten ist, daß nicht mit dem Ausschluß der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der gesetzeswidrige Leistungsaustausch als endgültig sanktioniert wird (so für die Schwarzarbeit BGHZ 111, 308; Palandt/Thomas, § 817 BGB Rz. 20), darf nicht über die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB die rechtzeitige Besinnung auf Recht und Gesetz vor Vollzug des verbotenen Geschäfts erschwert werden. Der von der Rechtsprechung betonte Strafcharakter der Vorschrift des § 817 S. 2 BGB fordert allein, daß derjenige, der eine Vorleistung auf ein gesetzwidriges Geschäft erbringt, auf eigenes Risiko handelt. Bleibt die erwartete Gegenleistung aus, so bleibt ihm die gerichtliche Hilfe bei der Durchsetzung seines Rückforderungsanspruchs versagt. Hätte die Beklagte etwa zum 30.09.1996 - nach vollständiger Vertragsabwicklung im übrigen - allein noch die Abgabe einer unrichtigen Erklärung gegenüber dem Arbeitsamt verweigert, so müßte sich der Kläger wohl damit abfinden, daß seine diesbezügliche Erwartung enttäuscht und ihm die Rückgängigmachung des Aufhebungsvertrages verwehrt bliebe; umgekehrt müßte die Beklagte in einem solchen Fall den Verlust der rechtsgrundlos gezahlten Abfindung auch dann hinnehmen, wenn ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorteilhafter schiene. Demgegenüber ist hier nicht die - gemäß § 134 BGB rechtlich unverbindliche - Erwartung des Klägers auf Abgabe unrichtiger Erklärungen gegenüber dem Arbeitsamt enttäuscht worden, vielmehr hat sich der Kläger - wenn auch erst nach erbrachter Vorleistung - aus freien Stücken von der rechtswidrigen Vereinbarung abgewandt. Damit entfällt der maßgebliche Sanktionszweck des § 817 S. 2 BGB. Im Gegenteil würde die Anwendung des § 817 S. 2 BGB unter diesen Umständen die Gefahr eines „mittelbaren Erfüllungszwangs“ begründen, wie dies unter Ziffer I 3 b) der Gründe ausgeführt worden ist.
135II
136Die Kostenentscheidung war dem Schlußurteil vorzubehalten.
137III
138Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der angesprochenen Rechtsfragen zugelassen.
139Die von der Kammer beratene Zulassungsentscheidung ist versehentlich in den verkündeten Urteilstenor nicht aufgenommen worden. Mit der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG AP Nr. 23 zu § 319 ZPO; Urteil vom 10.07.1996 - 4 AZR 139/95 - DB 1997, 835) kann unter den genannten Voraussetzungen die von der Kammer beratene Revisionszulassung auch noch in den von sämtlichen Richtern unterzeichneten Entscheidungsgründen erfolgen.
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