Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 5 Sa 91/98
Tenor
Die Berufung des Klägers vom 13.01.1998 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.11.1998 - 2 Ca 1586/97 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
1
T A T B E S T A N D
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
3Der am 17.01.1951 geborene, verheiratete Kläger, Vater dreier unterhaltsberechtigter Kinder, wurde von dem Beklagten als pädagogischer Mitarbeiter zu einem Bruttogehalt von zuletzt 5.807,00 DM monatlich aufgrund befristeter Arbeitsverträge wie folgt beschäftigt:
414.10.1992 - 31.07.1993
501.08.1993 - 31.07.1994
601.08.1994 - 31.03.1995
701.04.1995 - 31.03.1996
801.04.1996 - 31.03.1997
901.04.1997 - 31.07.1997
10Der Beklagte betreibt ein Bildungswerk. Schwerpunktmäßig ist er im Bereich der vom Arbeitsamt geförderten beruflichen Bildung tätig. Er beschäftigt bundesweit mehrere einhundert Arbeitnehmer.
11In den ersten fünf Arbeitsverträgen wurde als Grund für die befristete Einstellung desKlägers die Dauer der vom Arbeitsamt geförderten Maßnahme „Ausbildungsbegleitende Hilfe“ in M........., in denen der Kläger eingesetzt wurde, genannt. In dem am 04.04.1997 abgeschlossenen Vertrag, der für den Zeitraum vom 01.04.1997 bis zum 31.07.1997 galt, heißt es demgegenüber unter Ziffer 1. u. a.:
12„Die befristete Einstellung erfolgt aufgrund § 1 BeschFG. Am 31.07.1997 endet das Arbeitsverhältnis automatisch, ohne daß es insoweit einer Kündigung bedarf.“
13In diesem Arbeitsvertrag teilten die Parteien erstmals das unveränderte Bruttogehalt des Klägers in Höhe von 5.794,00 DM in zwei Beträge auf, nämlich ein Grundgehalt in Höhe von 4.304,00 DM, das an weiteren Lohnerhöhungen teilnehmen sollte und eine Pauschale in Höhe von 1.490,00 DM. Wegen des genauen Wortlauts des Vertrages vom 04.04.1997 wird auf die bei den Akten befindliche Ablichtung (Blatt 11 bis 14 der Akten) ergänzend Bezug genommen.
14Mit seiner am 20.08.1997 beim Arbeitsgericht Minden eingegangen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.07.1997 hinaus unbefristet fortbesteht.
15Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die zuletzt getroffene Befristungsabrede sei unwirksam, weil sie gegen § 1 BeschFG verstoße, der eine Neueinstellung verlange. Soweit die Ansicht vertreten werde, aufgrund der Neufassung des § 1 BeschFG könne auf ein befristetes Arbeitsverhältnis mit sachlichem Grund auch ein solches ohne sachlichen Grund folgen, gelte dies nur mit Einschränkungen, da die Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren nicht überschritten werden dürfe.
16Der Kläger hat beantragt,
17festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.07.1997 hinaus unbefristet fortbesteht.
18Der Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Er hat die Auffassung vertreten, daß die unter dem 04.04.1997 vereinbarte Befristung ohne sachlichen Grund gem. § 1 Abs. 3 BeschFG n.F. zulässig sei, da ein enger sachlicher Zusammenhang mit einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsverhältnis ebensowenig vorgelegen habe wie mit einem vorhergehenden befristeten Arbeitsverhältnis nach dem BeschFG.
21Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.11.1997 abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, nach § 1 Abs. 1 BeschFG in der ab 01.04.1996 geltenden Fassung sei die von den Parteien vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.07.1997 trotz der vorangegangenen befristeten Arbeitsverhältnisse auch ohne sachlichen Grund zulässig. Ob die Befristungsabrede des fünften Arbeitsvertrages oder eines früheren Arbeitsvertrages auf einem sachlichen Grund beruht habe, habe dahingestellt bleiben können, da der Kläger ausdrücklich nur die Rechtswirksamkeit der letzten Befristungsabrede zur Disposition gestellt habe. Dies entspreche im übrigen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
22Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe und des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts, das dem Kläger am 15.12.1997 zugestellt worden ist, Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die am 13.01.1998 eingelegte und mit am 13.02.1998 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.
23Der Kläger hält an seiner Rechtsauffassung fest und trägt ergänzend vor, die Berufung auf die hier vorgenommene Befristung nach § 1 BeschFG diene objektiv der Umgehung des Bestandsschutzes nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes. Da das Beschäftigungsförderungsgesetz auch darauf abziele, sozialpolitisch unerwünschte Kettenarbeitsverträge zu vermeiden, sei zu fordern, daß ein nach § 1 BeschFG befristeter Arbeitsvertrag nur dann an einen mit Sachgrund befristeten Arbeitsvertrag angeschlossen werde könne, wenn insgesamt die Befristungshöchstdauer von zwei Jahren nicht überschritten werde. Vorsorglich werde in der Berufungsinstanz auch die Befristung des vorletzten Arbeitsvertrages des Klägers im Zeitraum vom 01.04.1996 bis zum 31.03.1997 zur Überprüfung des Gerichts gestellt. Er bestreite, daß die Maßnahme „Ausbildungsbegleitende Hilfen“ in M......... durch das Arbeitsamt Herford bis zum 31.03.1997 befristet gewesen sei und daß es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages (01.04.1996) unabsehbar gewesen sei, daß sich weitere Lehrgänge anschlössen.
24Der Kläger beantragt,
25das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.11.1997 abzuändern und festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.07.1997 hinaus unbefristet fortbesteht.
26Der Beklagte beantragt,
27die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
28Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgericht Minden als zutreffend und vertritt die Auffassung, auf die nunmehr vom Kläger in Zweifel gezogene Rechtmäßigkeit der vorhergehenden Befristungen könne es nicht ankommen. Für die am 01.06.1996 vorgenommen Befristung lägen im übrigen sachliche Gründe vor. Der Vertrag sei projektbezogen gewesen, darüber hinaus habe eine sogenannte Drittmittelfinanzierung vorgelegen.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
30E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
31I
32Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie in der rechten Form und Frist eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO).
33II
34In der Sache ist sie jedoch nicht begründet.
35Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage ist nämlich nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht nicht über den 31.07.1997 hinaus unbefristet fort.
36Die Berufungskammer schließt sich zunächst der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts an und nimmt hierauf Bezug.
37Soweit der Kläger in zweiter Instanz an seiner Auffassung festgehalten und ergänzend vorgetragen hat, rechtfertigt diese keine andere Beurteilung.
38Die von den Parteien unter dem 04.04.1997 vorgenommene Befristung des Arbeitsvertrages zum 31.07.1997 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Beschäftigungsförderungsgesetz war nach § 1 Abs. 1 S. 1 BeschFG in der ab 01.10.1996 geltenden Fassung zulässig. Die gesetzliche Einschränkung des § 1 Abs. 1 S. 3 BeschFG ist nicht einschlägig. Dervorhergehende Arbeitsvertrag vom 01.04.1996 war nicht unbefristet, vielmehr befristet bis zum 31.03.1997. Die Befristung war nicht nach § 1 Abs. 1 BeschFG erfolgt, vielmehr hatten die Parteien auf den Sachgrund „Ausbildungsbegleitende Hilfe“ abgestellt.
39Zwar steigen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Anforderungen an den sachlichen Grund einer Befristung mit zunehmender Dauer der Beschäftigung des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 21.01.1987 - 7 AZR 265/85 -, AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule; BAG, Urteil vom 21.04.1993 - 7 AZR 376/92 -, AP Nr. 149 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG, Urteil vom 22.11.1995 - 7 AZR 252/95 -, AP Nr. 178 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Hieraus läßt sich jedoch nicht ableiten, eine Berufung auf § 1 Abs. 1 S. 1 BeschFG in der ab 01.10.1996 geltenden Fassung sei wegen Umgehung des Bestandsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz unzulässig, wenn sich ein nach § 1 Abs. 1 S. 1 BeschFG befristetes Arbeitsverhältnis an mehrere jeweils mit sachlichem Grund befristete Arbeitsverhältnisse anschließt. Der Gesetzgeber hat es den Arbeitsvertragsparteien durch die Änderung des § 1 Abs. 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes zum 01.10.1996 gerade ermöglicht, ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines sachlichen Grundes ein befristetes Arbeitsverhältnis nach § 1 Abs. 1 BeschFG auch im Anschluß an ein vorangegangenes, aus einem sachlichen Grund heraus befristetes Arbeitsverhältnis abzuschließen. Damit stellt sich die Frage nach den erhöhten Anforderungen an den Sachgrund gerade nicht.
40Das Beschäftigungsförderungsgesetz mag zwar auch darauf abstellen, sozialpolitisch unerwünschte Kettenarbeitsverträge zu vermeiden. Daraus läßt sich jedoch nicht ableiten, daß ein nach § 1 BeschFG befristeter Arbeitsvertrag nur dann an einen mit Sachgrund befristeten Arbeitsvertrag angeschlossen werden kann, wenn insgesamt die Befristungshöchstdauer von zwei Jahren nicht überschritten wird. Für eine solche restriktive Auslegung der Vorschrift finden sich weder Anhaltspunkte in der Vorschrift selbst noch in der Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber hat vielmehr die Höchstdauer von zwei Jahren allein auf nach § 1 Abs. 1 BeschFG befristete Arbeitsverhältnisse beschränkt, vorangegangene, aussachlichem Grund befristete Arbeitsverträge sind bei der Berechnung dieser Höchstdauer gerade nicht zu berücksichtigen. Damit ist den Arbeitsvertragspartnern die Möglichkeit eingeräumt, auch dann, wenn kein sachlicher Grund für eine etwaige Befristung mehr vorliegt, andererseits aber die Frage einer dauerhaften Weiterbeschäftigungsmöglichkeit möglicherweise ungeklärt ist, gleichwohl ein ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines sachlichen Grundes befristetes Arbeitsverhältnis nach Auslaufen eines mit sachlichem Grund befristeten Arbeitsverhältnisses anzuschließen. Dies dient dem gesetzgeberischen Zweck der Beschäftigungsförderung. Soweit der Kläger darauf hinweist, der Arbeitgeber könne die neue Regelung des § 1 Abs. 1 BeschFG dazu benutzen, Kettenarbeitsverträge einer inhaltlichen Kontrolle zu entziehen und dadurch eine nicht „wasserdichte Befristung“ ungeschehen zu machen, ist dieses Vorbringen spekulativ und läßt insbesondere keinen Rückschluß auf ein etwa rechtsmißbräuchliches Verhalten des Beklagten zu.
41Die vom Kläger gewünschte Überprüfung der Befristung des Vertrages vom 01.04.1996 zum 31.03.1997 scheitert bereits an § 1 Abs. 1 BeschFG. Will der Arbeitnehmer nämlich geltend machen, daß die Befristung eines Arbeitsvertrages rechtsunwirksam ist, so muß er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist. Der Vertrag vom 01.04.1996 ist aber bereits zum 31.03.1997 ausgelaufen. Die gesetzliche Klagefrist war bei Klageeingang am 20.08.1997 abgelaufen. Im übrigen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei mehreren aneinander gereihten befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu überprüfen. Ob die vorangegangenen Verträge wirksam befristet waren, ist grundsätzlich unerheblich. Durch den vorbehaltlosen Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die fortan für ihre Rechtsbeziehungen maßgeblich sein soll (BAG, Urteil vom 08.05.1985 - 7 AZR 191/84 -, AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG, Urteil vom 26.07.1995 - 5 AZR 22/94 - NZA 1996, S. 477, 479; BAG, Urteil vom13.04.1994 - 7 AZR 551/93 -, NZA 1995, S. 67, 68). Nur ausnahmsweise kann es auf die Verhältnisse beim Abschluß des vorletzten Vertrages ankommen, wenn sich der letzte Vertrag nach den Umständen des Falles lediglich als unselbständiger Annex des vorausgegangenen Vertrages darstellt und anzunehmen ist, daß die Parteien dem nächsten Vertrag keine eigenständige Bedeutung beimessen, sondern durch ihn den bisherigen Vertrag nur hinsichtlich seines Endzeitpunktes modifizieren wollen (BAG, Urteil vom 19.08.1992 - 7 AZR 560/91 -, NZA 1993, S. 311, 312 m.w.N.). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Den Parteien ist es nämlich nicht darum gegangen, mit dem befristeten Vertrag vom 04.04.1997 lediglich die Befristungsdauer wegen zwischenzeitlich veränderter Umstände an den Sachgrund des Arbeitsvertrages vom 01.04.1996 anzupassen. Sie haben vielmehr mit dem Vertrag vom 04.04.1997 ihre Rechtsbeziehungen auf eine neue, eigenständige Grundlage gestellt. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß unter Ziff. 1 des Vertrages vom 04.04.1997 ein sachlicher Grund für die Befristung nicht mehr genannt ist, vielmehr die Befristung auf § 1 BeschFG gestützt wird, zum anderen auch daraus, daß im Arbeitsvertrag erstmals das unveränderte Bruttogehalt des Klägers in zwei Beträge aufgeteilt worden ist. Damit kommt es nicht darauf an, ob der sachliche Grund „Ausbildungs-begleitende Hilfe“ oder „Drittmittelfinanzierung“ bei Abschluß des Vertrages am 01.04.1996 vorgelegen hat oder nicht.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des von ihm eingelegten und erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
43Gründe, die Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Die Berufungskammer ist im übrigen der aufgezeigten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.