Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 6 Sa 579/04
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 22.01.2004 - 6 Ca 2276/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um den Beginn und die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.
3Der Kläger wurde am 02. Mai 1940 geboren und war in der Zeit vom 01. Juli 1981 bis zum 30. Juni 1996 als Verwaltungsleiter des Schlachthofes bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche, arbeitgeberseitige Kündigung. In § 6 des Arbeitsvertrages vom 04. Juni 1981 (Bl. 5-6 d.A.) haben die Parteien vereinbart:
4"Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung erhält Herr D3xxxx nach den auch für die Beamten geltenden Bestimmungen. Mit der Westfälisch-Lippischen Versorgungskasse beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster ist ein entsprechender Versorgungsvertrag abgeschlossen worden."
5Unter dem 08. Juli 1981 (Bl. 7 d.A.) vereinbarten die Parteien ferner:
6"Die Fleischer-Innung Bielefeld verleiht Herrn K2xxx D3xxxx hiermit Anspruch auf Versorgung nach den für Kommunalbeamte im Lande Nordrhein-Westfalen geltenden Grundsätzen. Herr K2xxx D3xxxx wird der Westfälisch-Lippischen Versorgungskasse zugeführt, welche die aus diesem Vertrag sich ergebenden Versorgungsverpflichtungen nach Maßgabe der Kassensatzung erfüllen wird. Der Versorgungsanspruch richtet sich nicht unmittelbar gegen die Versorgungskasse, sondern gegen die Anstellungskörperschaft. Der Berechnung der späteren Versorgung wird die Besoldungsgruppe A 13 Stufe 9 LBO zugrunde gelegt. Das Besoldungsdienstalter in dieser Besoldungsgruppe wird auf den 1. Dezember 1964 festgesetzt ...".
7In dem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit 6 Sa 1105/00 hat das erkennende Gericht durch Urteil vom 19. November 2002 u.a. entschieden, dass dem Kläger gegen die Beklagte eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nach den für Kommunalbeamte im Lande Nordrhein-Westfalen geltenden Grundsätzen zusteht, wobei der Berechnung der Versorgungsansprüche die Vergütung nach der Besoldungsgruppe A 13 Stufe 9, der Beginn des Besoldungsdienstalters am 1. Dezember 1964 und das Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 1996 zugrunde zu legen sind.
8Der Kläger nimmt die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch. Er erhält diese seit dem 01.06.2000 (Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 29.05.2000, Bl. 67-68 d.A.; Änderungsbescheid vom 16.12.2002, Bl. 18 19 d.A.; Änderungsbescheid vom 01.07.2003, Bl. 69 d.A.). Nach dem Schreiben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 27.08.2003 (Bl. 147 d.A.) wird ihm diese Rente in bisheriger Höhe weiter bezahlt.
9Mit Vollendung des 63. Lebensjahres am 02. Mai 2003 erhebt der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Rentenzahlung ab Juni 2003. Er beziffert seinen Anspruch auf monatlich 743,34 . Dieser Betrag folgt aus der Berechnung des Sachverständigen für Versicherungsmathematik in der betrieblichen Altersversorgung N1x vom 06. April 2003 (Bl. 11-13 d.A.). Der Kläger verlangt Zahlung für die Monate Juni, Juli, August und September 2003, und zwar nebst 8 % Zinsen.
10Er hat beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Juni, Juli, August und September 2003 eine monatliche betriebliche Altersrente in Höhe von 743,34 brutto - insgesamt also 2.973,36 brutto - nebst Zinsen in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB auf einen Betrag von 743,34 seit dem 02.06.2003, auf einen weiteren Betrag von 743,34 seit dem 01.07.2003, auf einen weiteren Betrag von 743,34 seit dem 01.08.2003 und auf einen weiteren Betrag von 743,34 seit dem 01.09.2003 zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat vorgetragen:
15Der Kläger könne frühestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres Ansprüche auf Leistun-gen der betrieblichen Altersversorgung stellen. Sofern sich der Kläger auf § 6 BetrAVG stüt-ze, sei diese Vorschrift verfassungswidrig. Im Übrigen seien vertragliche Leistungen nur "nach Maßgabe der Kassensatzung" zugesagt worden; soweit die Beklagte wisse, sehe die Kassensatzung eine Inanspruchnahme von Rentenleistungen erst mit Erreichen des 65. Lebensjahres vor. Schließlich sei der Kläger nach § 6 Satz 3 BetrAVG verpflichtet, dem Ar-beitgeber die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit, die zu einem Wegfall oder zu einer Beschränkung der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenver-sicherung führt, anzuzeigen. Dieser Verpflichtung sei der Kläger nicht nachgekommen. Schließlich habe der Kläger es nach seinem Ausscheiden böswillig unterlassen, anderweiti-gen Erwerb zu erzielen. Die Kreishandwerkerschaft Bielefeld habe dem Kläger seinerzeit angeboten, zum 01.07.1996 in der Kassenabteilung zu einem monatlichen Arbeitsentgelt von durchschnittlich brutto 6.600,00 DM tätig zu werden. Im Falle der Aufnahme dieser Be-schäftigung hätte der Kläger weitere Rentenversorgungsanwartschaften angesammelt, wo-durch sich die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhöht hätten, was wie-derum zu einer Verminderung der Versorgungsansprüche gegen die Beklagte geführt hätte.
16Die Klageforderungen bestünden nicht in der geltend gemachten Höhe. Der Sachverständi-ge P3xxxxxxx komme zu einem monatlichen Anspruch in Höhe von 284,62 ab 65. Lebens-jahr, bzw. 264,13 ab 63. Lebensjahr (Bl. 54-57 d.A.).
17Das Arbeitsgericht Bielefeld hat der Klage mit Urteil vom 22.01.2004 6 Ca 2276/03 im Hinblick auf die Hauptforderungen voll und im Hinblick auf die Nebenforderung nach Maß-gabe von § 288 Abs. 1 BGB stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Klageforderungen bestün-den dem Grunde nach. Sie fänden ihre Rechtsgrundlage in § 6 des Arbeitsvertrags iVm. §§ 44, 45 LBG NW und § 6 BetrAVG. Die Kassensatzung könne wegen § 17 BetrAVG nichts Abweichendes zulasten des Klägers regeln. § 6 BetrAVG sei nicht verfassungswidrig. Sei-nen Anzeigepflichten sei der Kläger nachgekommen. Die Klageforderungen bestünden auch der Höhe nach. Die Berechnung der Klageforderungen sei nach § 14 Beamtenversorgungs-gesetz erfolgt. Konkrete Einwände hiergegen habe die Beklagte nicht erhoben. Die von der Beklagten vorgelegte Berechnung des Sachverständigen P3xxxxxxxx berücksichtige zu Un-recht, dass der Kläger anderweitigen Verdienst habe erzielen können. Die Klageforderungen seien nicht zu kürzen. Auf § 615 BGB könne die Beklagte sich insoweit schon deswegen nicht berufen, weil die Vorschrift nur Fälle des Annahmeverzugs behandele. Zudem habe der Kläger nicht böswillig anderweitigen Erwerb unterlassen. Wegen der weiteren Einzelhei-ten der Entscheidung wird auf deren Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen.
18Das Urteil ist dem Kläger am 19.03.2004 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 29.03.2004 eingelegte und mit dem am 29.03.2004 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.
19Die Beklagte wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vort-rags zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil. Sie trägt ergänzend vor:
20Der Sachverständige P3xxxxxxxx habe den monatlichen Versorgungsanspruch des Klägers, vorbehaltlich weiterer Einwendungen, zutreffend ermittelt. Auch die WVK Münster sei zu entsprechenden Ergebnissen gelangt (Berechnungsbogen Bl. 192 194 GA). Die Berech-nungen des Klägers seien unter Vorlage von Gegengutachten ordnungsgemäß bestritten worden, weshalb das Arbeitsgericht habe Beweis erheben müssen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Höhe der Versorgungsansprüche stehe weiterhin § 615 BGB entgegen. Auch der versicherungsmathematische Abschlag sei mit 0,3 % zu gering bemessen. Hier liege eine Ungleichbehandlung gegenüber den bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres arbeitenden Arbeitnehmern vor, weshalb die Regelung verfassungswidrig sei.
21Die Beklagte beantragt,
22das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
23Der Kläger beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage das erstinstanzliche Urteil. Er trägt ergänzend vor:
26Die Berechnungen des Sachverständigen P3xxxxxxxx seien unzutreffend. Der Sachverstän-dige gehe von einem falschen Datum des Rentenbeginns aus. Zudem berücksichtige er nicht die freiwillige Höherversicherung des Klägers. Unbeachtet bleibe zudem, dass die anzurechnende Grundversorgung (Sozialversicherungsrente) nach § 18 Abs. 2 Buchst. f BetrAVG zu ermitteln sei. Der Abschlag wegen vorgezogener Altersrente sei ebenfalls falsch, wie das in der Versorgungszusage in Bezug genommene Beamtenrecht zeige. Die Berechnungsweise der Beklagten verstoße des Weiteren gegen das Auszehrungsverbot des § 5 BetrAVG. Die Berechnung der Kommunalen Versorgungskasse für Westfalen-Lippe gehe fehlerhaft von einem Ruhegeldsatz von 50,41% aus. Zutreffend sei der Ruhegeldsatz von 75%, weil in der Versorgungszusage die Festlegung des Besoldungsdienstalters auf den 01.12.1964 erfolgt sei. § 615 BGB sei nicht einschlägig.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
28Entscheidungsgründe:
29Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerde-gegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 518 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG), jedoch nicht innerhalb der Frist (§ 519 Abs. 2 S. 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) ausreichend begründet worden.
30I. Die Berufung kann nach § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Die Berufung dient damit primär der Fehlerkontrolle und -beseitigung und ähnelt darin - wenn auch einge-schränkt - der Revision (§ 545 Abs. 1 ZPO). Das kommt auch in der Verweisung auf eine sonst nur für das Revisionsverfahren geltende Vorschrift (§ 546 ZPO) zum Ausdruck (BGH Beschl. v. 26.06.2003 III ZB 71/02). Die Umgestaltung der Berufungsinstanz zu einem In-strument der Fehlerkontrolle hat zugleich die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbe-gründung modifiziert und teilweise präzisiert. Während die Berufungsbegründung bisher ohne Differenzierung zwischen den möglichen Berufungsangriffen "die bestimmte Bezeich-nung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung" sowie der neu anzuführen-den Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten musste (§ 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.), unterscheidet § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO jetzt zwischen den nach der Reform zulässi-gen Berufungsgründen und bestimmt dafür jeweils unterschiedliche Mindestanforderungen an die Rechtsmittelbegründung (BGH Beschl. v. 26.06.2003 III ZB 71/02; BGH Beschl. v. 29.05.2003 XII ZB 165/02). § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO sind auf das Prüfungs-programm des § 513 Abs. 1 ZPO iVm. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugeschnitten, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO auf das des § 513 Abs. 1 ZPO iVm. § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 67 ArbGG (BGH Beschl. v. 29.05.2003 XII ZB 165/02). Diese Ausrichtung der Begründung am jewei-igen Berufungsangriff bedeutet aber keine qualitative Erhöhung, sondern lediglich eine Prä-zisierung der Berufungsanforderungen, soweit es die Zulässigkeit der Berufung betrifft. Eine Verschärfung kann weder dem Gesetzestext noch den Materialien entnommen werden (BGH Beschl. v. 28.05.2003 XII ZB 165/02).
31Zweck der gesetzlichen Regelung in § 520 Abs. 3 ZPO ist es, formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch auf die Zusammenfassung und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug hinzuwirken; allein schon aus der Berufungsbegründung sollen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder -verteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstin-stanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will. Die Rechtsmittelbegründung muss - im Falle ihrer Berechtigung - geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Es ist die auf den Streitfall zugeschnittene Darlegung notwendig, in welchen Punkten und aus welchen materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Die Berufungsbegründung erfordert aber weder die ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm noch die Schlüs-sigkeit oder jedenfalls Vertretbarkeit der erhobenen Rügen (BGH Beschl. v. 26.06.2003 III ZB 71/02). Mit Rücksicht auf § 9 ArbGG sind besonders im Arbeitsgerichtsprozess hohe Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung zu stellen (BAG Beschl. v. 06.04.1957 2 AZR 19/55; BAG Urt. v. 20.07.1971 1 AZR 314/70; BAG Urt. v. 11.03.1998 2 AZR 497/97). Es genügt, wenn die Berufungsbegründung erkennbar auf bestimmte Ein-zelheiten des konkreten Streitstoffs eingeht und erkennen lässt, in welchen Punkten tatsäch-licher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil unrichtig sein soll; es genügt auch, wenn die Begründung zu erkennen gibt, dass nach Auffassung des Berufungsklägers über eine von ihm unter Beweisantritt behauptete Tatsache hätte Beweis erhoben werden müssen oder dass der Berufungskläger die rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Urteils be-kämpft; eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung setzt § 520 Abs. 3 ZPO nicht voraus (BAG Urt. v. 01.07.1967 3 AZR 393/66; BAG Urt. v. 13.05.1987 5 AZR 370/86; BAG Urt. v. 09.10.1997 2 AZR 32/97). Die alleinige Verweisung auf erstinstanzliches Vorbringen reicht jedoch nicht aus (BGH Beschl. v. 18.02.1981 IVb ZB 505/81). Erforderlich ist eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen (BAG Urt. v. 21.06.1958 2 AZR 15/58; BAG Urt. v. 20.07.1971 1 AZR 314/70; BAG Urt. v. 26.09.1991 2 AZR 62/91). Der Berufungsführer muss konkret auf den Streitfall eingehen. Es reicht nicht aus, die tatsächli-che und rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen (BGH Urt. v. 09.03.1995 IX ZR 142/94; BGH Urt. v. 20.02.1975 VI ZR 183/74; BGH Beschl. v. 22.11.1977 IV ZB 29/77). Die Bezugnahme auf das - vom Erstgericht angeblich nicht oder unrichtig gewürdigte - Vorbringen in der Klage oder Klageerwiderung ist unzuläs-sig (BGH Urt. v. 09.03.1995 IX ZR 142/94; BGH Beschl. v. 18.02.1981 IVb ZB 505/81; BGH Urt. v. 29.09.1993 XII ZR 209/92). Die Berufungsbegründung soll aus sich heraus verständlich sein, damit eine Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsstreits er-reicht werden kann. Zwar ist die Schlüssigkeit der Begründung nicht Voraussetzung der Zu-lässigkeit (BGH Urt. v. 09.03.1995 IX ZR 142/94; BGH Urt. v. 08.10.1976 V ZR 224/74). Es gibt jedoch Grenzen. Wenn diese überschritten sind, kann nicht mehr von einer Begrün-dung im Sinne einer Urteilskritik gesprochen werden. Eine kurze, auf den konkreten Fall bezogene Darlegung ist auch in einfachen Streitfällen unerlässlich (BGH Urt. v. 09.03.1995 IX ZR 142/94).
32Bei einheitlichem Streitgegenstand muss der Berufungskläger dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Er-wägungen stützt, in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht trägt; anderenfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BGH Beschl. v. 25.01.1990 IX ZB 89/89; BGH Urt. v. 15.06.1993 XI ZR 111/92; BGH Beschl. v. 10.01.1996 IV ZB 29/95; BAG Urt. v. 11.03.1998 2 AZR 497/97). Hat das Arbeitsgericht über mehrere selbstständige Ansprüche entschieden, so muss sich die Begründung mit jedem für fehlerhaft gehaltenen Anspruch befassen (BAG Urt. v. 27.01.2004 1 AZR 105/03; BAG Beschl. v. 06.12.1994 9 AZN 337/94; BAG Urt. v. 11.03.1998 2 AZR 497/97).
33Geht es um die (sachliche) Rüge eines Rechtsverstoßes, so verlangt § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (iVm. § 64 Abs. 6 ZPO) die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Die Vorschrift bleibt darin nur wenig hinter den heutigen Voraussetzungen einer Revisionsbe-gründung nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO zurück, die dem Revisionskläger zusätz-lich lediglich die "bestimmte" Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverlet-zung ergibt, abverlangt. Wie dort ist deshalb - insoweit in Übereinstimmung mit dem bisheri-gen Recht - die auf den Streitfall zugeschnittene Darlegung notwendig, in welchen Punkten und aus welchen materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen der Berufungs-kläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Die Berufungsbegründung erfordert aber weder die ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm noch die Schlüssigkeit oder jedenfalls Vertretbarkeit der erhobenen Rügen (BGH Beschl. v. 26.06.2003 III ZB 71/02).
34Gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Um-stände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverlet-zung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungs-begründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsklägers in Frage stel-len. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Beru-fung ist insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Damit wird weitgehend an den bisherigen Rechtszustand angeknüpft, wobei die Anforderungen an die Darlegung der Rechtsverletzung und ihrer Entscheidungserheblichkeit nach der Vorstellung des Gesetzgebers sogar noch etwas herabgesetzt worden sind (BGH Beschl. v. 21.05.2003 VIII ZB 133/02).
35Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (§ 546 ZPO). Insoweit reicht die Bezeichnung der Umstände aus, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO soll die Darstellung von Rechtsverletzungen nicht erschweren. Anders als im Revisionsrecht genügt es, wenn der Berufungsführer die Umstände mitteilt, die aus seiner Sicht den Bestand des angefochtenen Urteils gefährden (OLG München Beschl. v. 10.10.2002 19 U 3289/02). So wenig jedoch die bloße Bezeichnung der angeblich verletz-ten Norm ausreicht (BGH Urt. v. 09.03.1995 IX ZR 142/94), so wenig genügt für eine ord-nungsgemäße Berufungsbegründung die formelhafte Rüge, es sei eine bestimmte Vorschrift zu Unrecht nicht angewendet worden. Macht der Berufungsführer dem Erstgericht zum Vor-wurf, es habe die Voraussetzungen einer Ausnahmevorschrift verkannt, darf er sich nicht damit begnügen, lediglich den Gesetzeswortlaut zu zitieren; es muss zumindest im Ansatz der Versuch unternommen werden darzutun, dass im konkreten Fall Anlass bestanden hat, diese Vorschrift zu prüfen (BGH Urt. v. 09.03.1995 IX ZR 142/94).
36Alternativ muss die Berufungsbegründung die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte enthalten, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO). Da das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), muss die Berufung, die den festgestellten Sachverhalt angreifen will, eine Begründung dahin enthalten, warum die Bindung an die festgestellten Tatsachen ausnahmsweise nicht bestehen soll (BGH Beschl. v. 28.05.2003 XII ZB 165/02; BGH Urt. v. 12.03.2004 V ZR 257/03). § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 ZPO regeln diese Anforderungen näher. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss der Berufungsführer konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO muss er, wenn er neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen will, dartun, warum diese nach § 67 ArbGG zuzulassen sind. Ob die Verspätung tatsächlich auf einer Nachlässigkeit des Beklagten beruht oder nicht (§ 67 Abs. 2 und 3 ZPO), ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels (BGH Beschl. v. 28.05.2003 XII ZB 165/02).
37II. Die Berufungsbegründung der Beklagten genügt den genannten Anforderungen nicht.
38Das Arbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen Ausführungen zum Rechtsgrund und zur Höhe der Klageforderungen gemacht. Die Beklagte setzt sich in der Berufungsbegründung nicht ausreichend mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander. Es ist nicht ersichtlich, welche durchgreifenden konkreten Einwendungen gegenüber der Entscheidung erhoben werden. Die Berufungsbegründung lässt nicht erkennen, in welchen Punkten und aus welchen materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen die Beklagte das angefochtene Urteil für unrichtig hält.
391. Die Beklagte wendet sich in der Berufungsbegründung nicht gegen die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung zur Rechtsgrundlage der Klageforderungen. Sie rügt allein die Ausführungen zur Höhe der Klageforderungen. In Satz 10 der Berufungsbegründung (nach dem Berufungsantrag) werden Einwände zum Rechtsgrund der Klageforderungen lediglich angekündigt. Erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und damit für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung verspätet, sind diese Einwände schriftsätzlich vorgetragen.
402. Die allein in der Berufungsbegründungsfrist erhobenen Einwendungen der Beklagten zur Höhe der Klageforderungen genügen nicht den oben erläuterten Anforderungen an eine Berufungsbegründung.
412.1. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe seine Ansprüche unter Berück-sichtigung von § 14 Beamtenversorgungsgesetz berechnet. Konkrete Einwände gegen die Richtigkeit dieser Berechnungen habe die Beklagte nicht vorgebracht. Damit hat das Ar-beitsgericht in zulässiger Weise die vom Kläger in den Rechtsstreit eingeführte Berechnung des monatlichen Versorgungsanspruchs (Anlagen 4 und 5 der Klageschrift Bl. 4 u. 5 GA) in Bezug genommen und sich inhaltlich zu Eigen gemacht. Zugleich hat das Arbeitsgericht gerügt, dass die Beklagte sich mit den einzelnen Schritten der versicherungsmathemati-schen Herleitung des Versorgungsanspruchs nicht auseinander gesetzt hat ("Konkrete Ein-wendungen gegen die Richtigkeit dieser Berechnung hat die Beklagte nicht vorgebracht."). "
422.2. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte erneut keine konkreten Einwendungen gegen die vom Kläger in den Rechtsstreit eingeführte und vom Arbeitsgericht übernomme-ne Berechnung der monatlichen Versorgungsansprüche erhoben.
43Die Berufungsbegründung besteht nach dem Berufungsantrag aus 16 Sätzen. Mit den Sät-zen 1 bis 3 referiert die Beklagte die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Sodann widerspricht die Beklagte mit Satz 4 der die Entscheidung nicht allein tragenden Ansicht des Arbeitsgerichts, wonach die erstinstanzlich von der Beklagten vorgelegte Berechnung des Sachverständigen P3xxxxxxxx vom 22.07.2003 (Bl. 54-57; Endwert: 264,13 EUR) fehlerhaft fiktiven Verdienst berücksichtigt habe, weshalb sie schon deshalb nicht verwertbar sei. In-soweit verweist die Beklagte mit Satz 5 auf die erstinstanzlich nicht vorgelegte - Anlage 1 (Berechnung des Sachverständigen P3xxxxxxxx vom 07.02.2003 Bl. 165 f. GA; Endbetrag: 326,28 EUR), um sodann mit den Sätzen 6 bis 8 zu erläutern, weshalb seitens des Sachver-ständigen P3xxxxxxxx unterschiedliche Endwerte ermittelt worden seien.
44Im Kern führt die Beklagte gegen die angefochtene Entscheidung pauschal an, der Sach-verständige P3xxxxxxxx habe den Anspruch auf der Basis des Tenors der Entscheidung des erkennenden Gerichts vom 19.11.2002 zutreffend ermittelt (vgl. Sätze 5 und 9 der Beru-fungsbegründung), wobei die Berechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt sein soll (so Satz 12 der Berufungsbegründung). Die Berufungsbegründung besteht damit allein in der Aussage, nicht die vom Arbeitsgericht zugrunde gelegte Berechnung des Sachver-ständigen N1x, sondern die des Sachverständigen P3xxxxxxx sei zutreffend. Damit wird aber nur ohne konkrete Auseinandersetzung - die gegenläufige Ansicht des Arbeitsgerichts negiert. Warum der Berechnung des Sachverständigen P3xxxxxxxx zu folgen sein soll, wo insbesondere die Fehler in der - vom Arbeitsgericht immerhin als zutreffend erachteten
45Berechnung des Sachverständigen N1x liegen sollen, trägt die Beklagte nicht vor. Eben dies hat bereits das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die fehlenden konkreten Einwände gerügt. Die Beklagte setzt sich weder mit dieser Rüge auseinander (zB Kritik an der Berechtigtheit dieser Rüge oder Kritik an der Bejahung der Schlüssigkeit / Verneinung der Erheblichkeit im Hinblick auf die von beiden Seiten praktizierte Vorlage von Gutachten), noch zieht sie Konsequenzen aus dieser Rüge (durch konkrete Auseinandersetzung mit den Ansätzen des Sachverständigen N1x). Allein der Verweis auf die unkommentierte Vorlage eines erstinstanzlich nicht vorgelegten Rentengutachtens kann den Vortrag in einer Berufungsbegründung nicht ersetzen. Bereits der Verweis auf unmittelbaren erstinstanzlichen Vortrag genügt für eine Berufungsbegründung nicht; erst recht vermag mittelbarer Vortrag durch Verweis auf eine erläuterungsbedürftige Anlage ausreichen.
462.3. Der Beklagten sind bereits unter I. der Entscheidungsgründe des Urteils des erkennenden Gerichts vom 19.11.2002 (6 Sa 1105/00) aus gegebenem Anlass die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung erläutert worden, wobei allein auf Grund gerichtlichen Hinweises die Zulässigkeit der damaligen Berufung durch rechtzeitige Nachholung der Unterschrift unter der Berufungsschrift bewirkt wurde. Im vorliegenden Berufungsverfahren ist die Beklagte mit Schreiben vom 12.05.2004 auf die Bedenken zur Zulässigkeit der Berufung hingewiesen worden. Eine schriftliche Stellungnahme ist hierzu nicht erfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.09.2004 hat der Vorsitzende erneut auf die Bedenken aufmerksam gemacht. Der Prozessbevollmächtigte hat darauf erwidert, die fehlende Begründung sei "in den folgenden Schriftsätzen" erfolgt. Dies vermag nicht zu überzeugen, weil die Folgeschriftsätze vom 29.07.2004 und 21.09.2004 nicht innerhalb der am 15.04.2004 endenden Berufungsbegründungsfrist beim erkennenden Gericht eingegangen sind.
47III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO i.V.m. § 97 ZPO.
48IV. Gründe, die Revision nach § 72 Abs.2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
49
Ziemann | Alhorn | Thiele |
50
/Der.
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