Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 8 Sa 479/07
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 15.02.2007 - 3 Ca 1332/06 - abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.200,00 brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2006.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Mit seiner Klage verlangt der Kläger, welcher aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 18 d.A.) seit dem 01.04.1993 zunächst bei der Firma S6-M2 W1 GmbH & Co. KG und sodann bei der Beklagten als deren Rechtsnachfolgerin beschäftigt war und sodann aufgrund Aufhebungsvertrages mit Wirkung zum 09.06.2006 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, die Gewährung einer Jahresprämie für das Jahr 2005.
3Diesen Anspruch stützt der Kläger auf den Vortrag, unstreitig habe die Beklagte seit dem Jahre 1995 über die monatlich gezahlten Bezüge nebst darin enthaltener vertraglich vereinbarter "Leistungsprämie" hinaus in jedem Jahr eine weitere Prämienleistung bezogen auf das abgelaufene Kalenderjahr erbracht, und zwar wie folgt:
4
Bezugsjahr | Auszahlungsjahr | Betrag in |
1994 | 1995 | 1227,10 |
1995 | 1996 | 1533,88 |
1996 | 1997 | 1789,52 |
1997 | 1998 | 2454,20 |
1998 | 1999 | 3067,75 |
1999 | 2000 | 4090,34 |
2000 | 2001 | 4601,63 |
2001 | 2002 | 4908,40 |
2002 | 2003 | 5100,00 |
2003 | 2004 | 5300,00 |
2004 | 2005 | 5200,00 |
2005 | 2006 | 0 |
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Der Kläger hat hierzu vorgetragen, aus der jährlich gesteigerten Zahlung habe sich für ihn die berechtigte Erwartung ergeben, eine entsprechende Jahresprämie dauerhaft zu erhalten. Allein der Umstand, dass die Prämie in der Vergangenheit nicht in gleichbleibender Höhe, sondern mit Ausnahme einer geringfügigen Reduzierung um 100,-- im Jahre 2005 unter stetiger Steigerung gewährt worden seien, bedeute keineswegs, dass die Beklagte jährlich eine Entscheidung über die Prämiengewährung "nach Gutdünken" getroffen habe. Im Gegenteil habe der Kläger die jährliche Prämiengewährung als Ausdruck eines diesbezüglichen Verpflichtungswillens auffassen dürfen, wofür auch der Arbeitsvertrag entsprechende Anhaltspunkte biete.
6Hierzu verweist der Kläger auf die im Arbeitsvertrag getroffene Vergütungsregelung, welche folgenden Wortlaut hat:
7"Entsprechend der nachgewiesenen Tätigkeit bzw. Befähigung erfolgt eine Einstufung in die Tarifgruppe 9.
8Tarifgehalt: 4.749,- DM, Übertarifliche Zulage: 750,- DM, Leistungsprämie: 1.001,- DM.
9Die übertariflichen Zulagen werden freiwillig gewährt und stehen unter dem Vorbehalt eines jederzeitigen freien Widerrufes. Sie können bei Tariferhöhungen angerechnet werden. Dasselbe gilt bei einem Aufrücken in eine höhere Tarifgruppe."
10Neben dem genannten Betrag der Leistungsprämie finden sich die handschriftlich geschriebenen Worte "erst fest". Weiter findet sich am Ende des Arbeitsvertrages folgende Zusatzvereinbarung:
11"Binnen einem Jahr wird gemeinsam eine Prämiengrundlage erarbeitet. Bis zu zwanzig Überstunden sind im Gehalt und Prämien enthalten..."
12Zu der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Erarbeitung einer gemeinsamen Prämiengrundlage ist es unstreitig nicht gekommen. Die laufende Arbeitsvergütung des Klägers wurde in der Folgezeit regelmäßig erhöht, wobei die im Arbeitsvertrag genannte übertarifliche Zulage zuletzt nicht mehr gesondert ausgewiesen wurde. Ausweislich der Vergütungsabrechnung für den Monat März 2004 erhielt der Kläger danach ein monatliches Gehalt von 3.274,-- sowie eine "Fixprämie" von 1.120,-- . Nach der Abrechnung März 2005 betrug das Gehalt 3.536,-- , die "Fixprämie" 1.000,-- .
13Nach Auffassung des Klägers wurde die im Arbeitsvertrag vorgesehene "einvernehmliche Erarbeitung einer Prämiengrundlage" nachträglich dadurch ersetzt, dass die Beklagte jährlich einseitig über die Prämienhöhe entschieden habe. Hiergegen habe er keine Bedenken gehabt, ohne dass damit indessen die rechtliche Verpflichtung zur Prämiengewährung aufgehoben worden sei.
14Demgegenüber hat die Beklagte ausgeführt, die im Arbeitsvertrag vorgesehene gemeinsame Erarbeitung der Prämiengrundlagen sei in der Folgezeit stillschweigend ersatzlos aufgehoben worden; statt dessen sei die im Arbeitsvertrag aufgeführte monatliche Leistungsprämie wie auch die weitere Arbeitsvergütung des Klägers laufend erhöht worden. Die ausdrücklich als Leistungsprämie bezeichnete monatliche Prämienzahlung habe mit der zusätzlich gewährten Jahresprämie nichts zutun. Deren Festlegung sei erkennbar ohne Rechtsbindungswillen jeweils jährlich "nach Gutdünken" erfolgt. Anhaltspunkte für einen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers oder einen diesbezüglichen Vertrauenstatbestand des Klägers seien nach alledem nicht ersichtlich. Dass dem Kläger für das Jahr 2005 keine Prämie gezahlt worden sei, könne auch nicht als willkürlich angesehen werden. Vielmehr habe dem Kläger unter dem 21.12.2005 eine mündliche Verwarnung erteilt werden müssen. Auf die Aktennotiz Bl. 24 d.A. wird insoweit Bezug genommen.
15Durch Urteil vom 15.02.2007 (Blatt 36 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, durch die wiederholte und vorbehaltlose Prämienzahlung sei eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten nach den Regeln der Betriebsübung nicht entstanden. Die Zahlung sei nämlich nicht nach einem bestimmten System, sondern in völlig unterschiedlicher Höhe, wenn auch jedenfalls bis zum Jahre 2004 mit steigender Tendenz erfolgt. Aus dem eigenen Vorbringen des Klägers ergebe sich, dass auch aus seiner Sicht nicht erkennbar gewesen sei, dass die Zahlung der Prämie an irgendwelche Kriterien geknüpft sei. Damit gehe der Kläger selbst davon aus, dass die Zahlungen jeweils nach Gutdünken erfolgten. Allein der Umstand, dass die Beklagte in zehn aufeinander folgenden Jahren eine Prämienleistung erbracht habe, könne für sich genommen eine rechtliche Verpflichtung zu Weitergewährung der Prämie nicht begründen.
16Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich der Kläger gegen den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils, die Beklagte habe die jährlichen Prämienzahlungen erkennbar ohne Verpflichtungswillen geleistet. Insbesondere habe das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt, dass schon nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages dem Grundsatz nach Übereinstimmung darüber bestanden habe, dass der Kläger eine entsprechende Prämienleistung erhalten solle. Allein die Höhe der Prämie habe durch eine entsprechende Zielvereinbarung festgelegt werden sollen. Zwar sei es in der Folgezeit zu entsprechenden Vereinbarungen nicht gekommen, gleichwohl habe der Kläger jeweils eine Jahresprämie in kontinuierlich steigender Höhe erhalten. Von einer erkennbaren Zahlung "nach Gutdünken" könne unter diesen Umständen keine Rede sein.
17Der Kläger beantragt,
18das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold zum Aktenzeichen 3 Ca 1332/06 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 5.200,-- brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2006 zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung des Vorbringens als zutreffend und hält an ihrer Auffassung fest, schon wegen der unterschiedlichen Höhe der gewährten Prämienleistung fehle es erkennbar an einem Verpflichtungswillen der Beklagten. Im Gegenteil zeige die unterschiedliche Höhe der Prämie den Willen, in jedem Jahr neu über Grund und Höhe der Zuwendung zu entscheiden. Soweit sich der Kläger auf die Zusatzvereinbarung im Arbeitsvertrag berufe, führe auch dies nicht weiter, da diese stillschweigend aufgehoben worden sei. Im Übrigen betreffe die in der Zusatzvereinbarung niedergelegte Absicht, eine gemeinsame Prämiengrundlage zu erarbeiten, allein die arbeitsvertraglich vorgesehene Monatsprämie, welche im Laufe des Arbeitsverhältnisses zusammen mit der übrigen Vergütung jeweils angehoben worden sei. Mit der hier in Frage stehenden Jahresprämie habe dies alles nichts zu tun, diese sei vielmehr aufgrund einer jährlich neu getroffenen Entscheidung zusätzlich dem Kläger gewährt worden.
22Entscheidungsgründe
23Die Berufung des Klägers ist begründet. Sie führt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
24I
25Rechtsgrundlage für die dem Kläger zugesprochene Prämienzahlung ist eine hierauf bezogene, stillschweigend getroffene vertragliche Abrede. Der hierzu erforderliche vertragliche Verpflichtungswille der Beklagten folgt zwar nicht allein aus der wiederholten Gewährung einer Jahresprämienleistung in jeweils unterschiedlicher Höhe. Unter Einbeziehung der im Arbeitsvertrag enthaltenen Vergütungsregelung sowie der getroffenen Zusatzvereinbarung durfte der Kläger jedoch die wiederholte jährliche Prämiengewährung im Sinne eines Vertragsangebots auffassen, mit welchem sich die Beklagte dauerhaft zu einer entsprechenden Prämienleistung verpflichtete.
261. Soweit der Kläger den verfolgten Prämienzahlungsanspruch auf die Grundsätze der betrieblichen Übung stützen will und das Arbeitsgericht einen Anspruch nach diesen Regeln verneint hat, ist zu beachten, dass es sich bei der begehrten Prämienzahlung nicht um eine betriebsweit an sämtliche Beschäftigte oder eine abgrenzbare Gruppe der Beschäftigten gewährte Leistung handelt, vielmehr macht der Kläger einen Individualanspruch geltend und leitet den entsprechenden Verpflichtungs- oder Vertrauenstatbestand daraus her, dass ihm gegenüber eine entsprechende konkludente rechtsgeschäftliche Erklärung der Beklagten abgeben worden sei. Für eine Anwendung der Regeln der Betriebsübung ist unter diesen Umständen kein Raum. Dies schließt aber eine rechtsgeschäftliche Begründung von Ansprüchen durch stillschweigenden Vertragsschluss nicht aus. Die Besonderheit der betrieblichen Übung besteht allein darin, dass der entsprechende Verpflichtungswille nicht gegenüber dem Anspruchsteller persönlich, sondern womöglich lange vor Eintritt des Anspruchstellers in das Unternehmen gegenüber der Belegschaft zum Ausdruck gebracht worden ist. Dementsprechend erlangt der in den Betrieb neu eintretende Arbeitnehmer einen Anspruch nach den Regeln der Betriebsübung mit sofortiger Wirkung und nicht erst dann, wenn ihm persönlich gegenüber eine entsprechende wiederholte Leistungsgewährung erfolgt ist.
27Einen solchen Sachverhalt trägt der Kläger ersichtlich nicht vor, sondern macht geltend, gerade ihm gegenüber sei ein entsprechender Verpflichtungstatbestand begründet worden. Dementsprechend kann sich der Anspruch des Klägers allein aus einer individuellen stillschweigenden Vertragsänderung ergeben.
282. Der Anspruch des Klägers auf Gewährung der Jahresprämie ergibt sich unter den vorliegenden Umständen unter Einbeziehung der arbeitsvertraglichen Regelungen aus einer stillschweigend getroffenen Abrede.
29a) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat das Arbeitsgericht bei der Prüfung einer rechtsgeschäftlich begründeten Verpflichtung zur Prämienzahlung darauf abgestellt, ob aus der wiederholten Leistungsgewährung ein entsprechender Verpflichtungswille des Arbeitgebers entnommen werden kann. Gewährt der Arbeitgeber über die im Arbeitsvertrag versprochene Vergütung hinaus wiederholt Leistungen in unterschiedlicher Höhe, für welche keinerlei Systematik erkennbar ist, so spricht dies mangels anderweitiger Gesichtspunkte für eine einzelfallbezogene und jeweils jährlich neu getroffene Arbeitgeberentscheidung. Andererseits erscheint zweifelhaft, ob ein vertraglicher Bindungswille des Arbeitgebers generell allein deshalb auszuschließen ist, weil eine wiederholte Leistungsgewährung nicht in exakt gleicher Höhe und auch nicht nach einem erkennbaren System z. B. nach Maßgabe tariflicher Gehaltserhöhungen erfolgt, die Zahlungen immerhin aber doch eine stetige Steigerung aufweisen. Auch die vom Arbeitsgericht zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vermeidet eine derartige Generalisierung, sondern stellt neben dem Aspekt der unterschiedlich hohen Zahlbeträgen von 1.000,--, 1.100,-- und 1.400,-- entscheidend auf die Erwägung ab, das Landesarbeitsgericht habe bindend festgestellt, dass der Geschäftsführer der Beklagten jährlich eine Entscheidung nach Gutdünken für das jeweilige Jahr getroffen habe; dies habe der Kläger auch erkannt. War aber der Inhalt der Vertragserklärung für das Bundesarbeitsgericht revisionsrechtlich bindend festgestellt, war für eine abweichende rechtliche Bewertung ohnehin kein Raum.
30b) Letztlich bedarf die Frage, inwiefern in einer langjährig wiederholten Gewährung von Sonderleistungen ohne erkennbare Systematik mit Beträgen in steigender Höhe ein ausreichender Anhaltspunkt für einen diesbezüglichen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers gesehen werden kann, keiner abschließenden Entscheidung. Vielmehr ist der vorliegende Sachverhalt durch Besonderheiten gekennzeichnet, welche das Arbeitsgericht in seine Überlegungen nicht ausreichend einbezogen hat.
31(1) Wie sich aus dem handschriftlichen Zusatz auf der Vorderseite des Arbeitsvertrages ergibt, nach welcher die vorgesehene Leistungsprämie von 1.001,-- DM "erst fest" gewährt werden sollte konsequenterweise hat der Kläger für das Jahr 1993 auch keine Jahresprämie erhalten und wie des weiteren aus der getroffenen Zusatzvereinbarung über die gemeinsame Erarbeitung einer Prämiengrundlage zu entnehmen ist, konnte der Kläger bei Abschluss des Arbeitsvertrages damit rechnen, dass bei zufriedenstellendem Verlauf des Arbeitsverhältnisses eine Steigerung der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Prämienleistung möglich sein werde. Theoretisch war zwar auf der Grundlage der gemeinsam zu erarbeitenden Prämiengrundlage auch eine Absenkung der Prämie denkbar. Da indessen üblicherweise der Arbeitgeber keinen Anlass hat, bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages auf eine mögliche Absenkung des Arbeitsverdienstes hinzuweisen, liegt ein Verständnis der Zusatzvereinbarung in dem Sinne deutlich näher, dass dem Kläger die Aussicht vermittelt werden sollte, ggfls. eine Steigerung der für das erste Jahr "festen" Prämienleistung erreichen zu können.
32Unstreitig ist es in der Folgezeit zu einer entsprechenden Vereinbarung nicht gekommen, vielmehr hat die Beklagte neben Erhöhungen von Gehalt und monatlicher "Fixprämie" nach Ablauf des ersten Beschäftigungsjahres ohne ausdrückliche Regelung zusätzlich eine Jahresprämie gewährt, deren Höhe sich in den Folgejahren durchgängig mit Ausnahme der Absenkung um 100,-- im Jahre 2005 gesteigert hat. Auch wenn es insoweit an erkennbaren Bemessungsmaßstäben fehlt, liegt doch ein Verständnis in dem Sinne, der Arbeitgeber sei mit dem erzielten Unternehmensergebnis und/oder dem Einsatz des Klägers zufrieden und wolle gleichsam anstelle der ursprünglich beabsichtigten Schaffung einer gemeinsam erarbeiteten Prämiengrundlage mit der einseitig festgesetzten Prämienleistung in vergleichbarer Weise die geleistete Arbeit honorieren, deutlich näher, als dass aus Sicht des Klägers von einer Leistung "nach Gutdünken" auszugehen war. Weder handelte es sich bei der Prämienzahlung um Kleinbeträge, noch wurde im Zusammenhang mit der Prämienzahlung eine rein soziale Zweckbestimmung in dem Sinne zum Ausdruck gebracht, dem Kläger solle wie im Fall BAG AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung - "eine kleine Freude" zum Weihnachtsfest gemacht werden. Auch wenn man der Beklagten darin folgt, dass allein die wiederholte Prämienzahlung für sich genommen zur Annahme eines rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillens nicht genügt, ist der vorliegende Fall eben durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass bereits im Arbeitsvertrag eine diesbezügliche Regelung in Aussicht genommen war. Wenn die Beklagte sodann von einer einvernehmlichen Regelung stillschweigend und nicht etwa unter "Aufkündigung" der Zusatzvereinbarung Abstand nahm und statt dessen auf der Grundlage einer einseitigen Festlegung Prämienzahlungen in beachtlicher Höhe vornahm, so war aus der Sicht des Klägers allein zu erkennen, dass die Beklagte in der Frage der Regelung von Prämiengrundlagen sich nicht auf u.U. schwierige Verhandlungen mit dem Kläger einlassen wollte; davon, dass abweichend von der Zusatzvereinbarung die mit der beabsichtigten Neuregelung der Prämiengrundlagen in Aussicht gestellte Chance einer Prämiensteigerung am 23.08.2007 nunmehr "nach Gutdünken" ins Belieben der Beklagten gestellt werden sollte, brauchte der Kläger hingegen unter diesen Umständen nicht auszugehen. Berücksichtigt man die weitere Vertragspassage, nach welcher es sich allein bei den ausgewiesenen übertariflichen Zulagen um freiwillig gewährte bzw. frei widerrufliche Leistungen handeln sollte, die ausgewiesene und gegebenenfalls steigerungsfähige Prämienzahlung von diesem Vorbehalt hingegen nicht erfasst war, so liegt auch hierin ein Umstand, welcher die Sicht des Klägers als berechtigt erscheinen lässt, bei der jährlich gewährten Prämienzahlung handele es sich eben nicht um eine freiwillige Zusatzleistung ohne Rechtsanspruch.
33Im Übrigen wäre es der Beklagten unschwer möglich gewesen, im Arbeitsvertrag selbst oder bei der jeweiligen Zahlung der Jahresprämie eine entsprechende Klarstellung herbeizuführen. Dann müssen aber die verbleibenden Unklarheiten im Zweifel zu Lasten der Beklagten gehen.
34(2) Etwas anderes nämlich eine erkennbare Zahlung nach Gutdünken ergibt sich auch nicht aus der einmaligen Reduzierung der Prämienhöhe im Jahre 2005 von zuvor 5.300,-- auf nunmehr 5.200,-- . Geht man auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen davon aus, dass durch die wiederholte Prämiengewährung in den vorangehenden Jahren eine vertraglich bindende Regelung zustande gekommen war, konnte diese durch die bloße Kürzung der Prämienhöhe nicht ersatzlos beseitigt werden.
35(3) Soweit demgegenüber die Beklagte aufgrund eines abweichenden Verständnisses der arbeitsvertraglichen Regelungen zur Auffassung gelangt, hieraus ließen sich keinerlei Anhaltspunkte für einen auf die Jahresprämie bezogenen Verpflichtungswillen entnehmen, vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Insbesondere überzeugt es nicht, wenn die Beklagte die in der Zusatzvereinbarung angesprochene gemeinsame Erarbeitung einer Prämiengrundlage allein auf die Ausgestaltung der im Arbeitsvertrag aufgeführten "Monatsprämie" bezogen wissen will. Aus dem Umstand, dass deren Höhe allein für das ersten Jahr der Beschäftigung ("erst fest") fixiert gewesen sei, will die Beklagte herleiten, die in der Zusatzvereinbarung angesprochene Neuregelung der Prämiengrundlagen könne sich allein hierauf beziehen; eben dies sei durch die wiederholte Erhöhung der monatlichen Fixprämie im Zusammenhang mit den Gehaltserhöhungen erfolgt. Mit der weiteren, nach Gutdünken gewährten Jahresprämie habe dies alles nichts zu tun.
36Diesem Verständnis der arbeitsvertraglichen Regelung vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Die Formulierung der Zusatzvereinbarung, es solle eine gemeinsame "Prämiengrundlage" erarbeitet werden, lässt eine eindeutige Beschränkung der in Aussicht genommenen Regelung auf die vertraglich vereinbarte monatliche "Leistungsprämie" nicht erkennen. Berücksichtigt man vielmehr, dass in der Gewährung einer "Leistungsprämie" in Höhe eines Festbetrages an sich ein Widerspruch liegt und eben aus diesem Grunde für die nahe Zukunft eine Neuregelung der Prämiengrundlagen vorgesehen war, so war ohne weiteres ersichtlich, dass bei der künftigen Neuregelung nicht allein Anspruchsvoraussetzungen und Bemessungskriterien, sondern auch die Auszahlungsmodalitäten neu festgelegt werden konnten, wobei auch ein Nebeneinander von bisheriger und ergänzender Prämienregelung in Betracht kam. Dass die im Arbeitsvertrag geregelte und tatsächlich gewährte Prämienzahlung monatlich erfolgte, rechtfertigt es nicht, die in der Zusatzvereinbarung in Aussicht genommene Neuregelung wiederum auf eine "Monatsprämie" zu beziehen und die zusätzlich gewährte Jahresprämie schon aus diesem Grunde aus dem Regelungszusammenhang auszunehmen. Für den Kläger war jedenfalls nach dem Inhalt der Zusatzvereinbarung eine solche Differenzierung zwischen vertraglich geregelten und neu zu regelnden "Monatsprämien" und hiervon strikt zu unterscheidenden "Jahresprämien" anderen Inhalts nicht erkennbar. Wenn der Kläger unter diesen Umständen die einseitig gewährte jährliche Prämienzahlung als Leistung aufgefasst hat, mit welcher die in der Zusatzvereinbarung in Aussicht genommene Neuregelung des Prämienwesens abgedeckt sein sollte, so hält die Kammer dies aus den dargestellten Gründen für deutlich näherliegend als die von der Beklagten vorgetragene Vertragsauslegung.
37c) Der Annahme eines rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillens steht auch nicht der Umstand entgegen, dass wegen der unterschiedlichen Höhe der gezahlten Beträge ein Leistungsversprechen mit bestimmtem Inhalt nicht feststellbar ist. Der Inhalt des Leistungsversprechens ist nicht völlig unbestimmt, sondern jedenfalls bestimmbar.
38Da sich die Höhe der gewährten Jahresprämie in der Vergangenheit nicht etwa am laufenden Gehalt des Klägers orientiert hat und auch keine festen Steigerungsraten erkennbar sind, kann zunächst einmal nicht angenommen werden, die Beklagte habe sich dazu verpflichten wollen, künftig Leistungen mindestens in der jeweils zuletzt gewährten Größenordnung zu erbringen. Berücksichtigt man vielmehr den Umstand, dass die in der Zusatzvereinbarung vorgesehene "Erarbeitung der Prämiengrundlage" auf eine Modifizierung der für das erste Jahr getroffenen (fixen) Prämienregelung zielte und eben deshalb eine variable Gestaltung der Prämienhöhe auch mit negativer Entwicklung in Betracht kam, so spricht dies gegen ein Verständnis der Prämiengewährung in bestimmter, am Vorjahresbetrag orientierter Höhe. Auch der Kläger geht nicht von einem solchen Verständnis aus. Demgemäß kann der Inhalt der stillschweigend übernommenen Verpflichtung zur Prämienzahlung nur so bestimmt werden, dass die Beklagte in der Gewährung der Prämienleistung nicht frei, andererseits aber auch nicht an einen festen Maßstab gebunden war, sondern eine Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen vorzunehmen hatte, wobei etwa der Unternehmenserfolg und/oder der persönliche Beitrag des Klägers hierzu als geeigneter Maßstab anzusehen war.
39Auf dieser Grundlage kann aber das vollständige Ausbleiben einer Prämienleistung für das Jahr 2005 nicht als gerechtfertigt angesehen werden. Soweit die Beklagte vorträgt, sie sei im Jahre 2005 mit der Führungsleistung des Klägers nach Übernahme der technischen Verantwortung für die Energiezentrale nicht zufrieden gewesen und habe in diesem Zusammenhang auch eine Verwarnung gegenüber dem Kläger ausgesprochen, soll mit dem diesbezüglichen Vortrag allein einem möglichen Willkürvorwurf im Zusammenhang mit der Gewährung einer (vermeintlich freiwilligen) Leistung nach Gutdünken entgegentreten werden. Dass die einzelne Fehlleistung des Klägers bezogen auf die Gesamtjahresarbeitsleistung von solchem Gewicht sei, dass damit auch ein etwa begründeter Rechtsanspruch des Klägers zu Fall gebracht werden könnte, macht die Beklagte hingegen ersichtlich selbst nicht geltend.
40d) Damit ist festzuhalten, dass dem Kläger auch für das Jahr 2005 ein Anspruch auf Zahlung der Jahresprämie zusteht, deren Höhe sich nach billigem Ermessen bestimmt. Der Kläger hat dem Umstand, dass die Prämienzahlung im letzten Jahr von 5.300,-- auf 5.200,-- abgesenkt worden ist, bei der Berechnung seiner Forderung dadurch Rechnung getragen, dass er allein den Durchschnittswert der letzten drei Jahre, nämlich einen Betrag von 5.200,-- geltend gemacht hat. Auf welcher Grundlage der Kläger einen Betrag in welcher anderen Höhe zu beanspruchen hätte, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, so dass gegen die Klageforderung auch der Höhe nach keine Bedenken zu erheben sind.
413. Zinsen stehen dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu.
42II
43Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.
44III
45Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Absatz 2 ArbGG zugelassen.
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Dr. Dudenbostel | Depping | Heer |
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/Kl.
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Referenzen
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