Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 14 Ta 138/13
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 5. März 2013 (5 Ca 1485/12) abgeändert.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug in vollem Umfang mit Wirkung vom 31. August 2012 bewilligt.
Zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug wird ihm Rechtsanwalt M1 aus R1 beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, arbeitgeberseitigen Kündigung vom 6. Juni 2012. Der Kläger hatte eingeräumt, zweimal 10 Liter Benzin für den persönlichen Bedarf im Wert von insgesamt rund 30,00 Euro auf Kosten seines Arbeitgebers getankt zu haben. Die Beklagte, eine Gemeinde, auf deren Bauhof der getrennt lebende und für zwei Kinder unterhaltspflichtige Kläger seit 7. April 1992 beschäftigt war, kündigte daraufhin nach - im nachfolgenden Kündigungsschutzverfahren hinsichtlich ihrer Ordnungsgemäßheit von der Klageeinreichung am 22. Juni 2012 an streitiger - Anhörung des Personalrats fristlos. Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Personalratsvorsitzenden im Termin vom 12. März 2013 die Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen.
4Der Kläger hatte zuvor im Gütetermin vom 31. August 2012 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen überreicht. Durch Beschluss vom 6. September 2012 lehnte das Arbeitsgericht erstmals die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht ab, weil aufgrund des unstreitigen Sachverhalts die außerordentliche Kündigung rechtswirksam sei. Aufgrund der Straftaten des Klägers bestehe ein wichtiger Grund. Auch die Personalratsanhörung sei nach Einsicht in die von der Beklagten im Gütertermin vorgelegte schriftliche Unterlage ordnungsgemäß. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wurde dieser Beschluss durch das Beschwerdegericht (LAG Hamm, 7. November 2011, 5 Ta 534/12) aufgehoben mit der Begründung, dass die Beklagte trotz entsprechender Rüge des Klägers die ordnungsgemäße Personalratsanhörung nicht vorgetragen habe.
5Im ersten Kammertermin am 11. Dezember 2012 blieb die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates zwischen den Parteien weiterhin streitig. Das Arbeitsgericht beraumte erneut Termin am 12. März 2013 an und gab der Beklagten auf, im Einzelnen substantiiert unter Beweisantritt vorzutragen, wann dem Personalrat durch wen welche konkreten Informationen zur Begründung der beabsichtigten Kündigung erteilt wurden und wann die Stellungnahme des Personalrats der Beklagten wie zugegangen war. Nachdem die Beklagte hierzu vorgetragen und der Kläger dazu Stellung genommen hatte, verfügte der Vorsitzende am 5. Februar 2013, vorsorglich den Leiter des Fachbereichs 1 (Personalleiter) der Beklagten sowie den Personalratsvorsitzenden als Zeugen zu laden. Durch Beschluss vom 5. März 2013 wies das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erneut mangels Erfolgsaussicht zurück, weil davon auszugehen sei, dass nicht nur die Kündigung nach § 626 BGB als wirksam anzusehen sei, sondern nach den zu den Akten gereichten schriftlichen Stellungnahmen eines Mitarbeiters der Beklagten und der Personalvertretung auch der Personalrat am 4. Juni 2012 ordnungsgemäß unterrichtet worden sei. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit, dass die geladenen Zeugen eine entsprechende Erklärung abgeben würden. Im Übrigen würden, selbst wenn eine Information erst am 6. Juni 2012 erfolgt und eine ordnungsgemäße Beschlussfassung mangels Zeitablauf nicht mehr möglich gewesen sei, Fehler in der Beschlussfassung des Personalrats nicht zulasten der Beklagten gehen.
6Hiergegen richtet sich die am 11. März 2013 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers, welcher das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung hat es in seinem Nichtabhilfevermerk darauf verwiesen, die Vernehmung des Zeugen habe ergeben, dass der Personalrat ordnungsgemäß beteiligt worden sei.
7II.
8Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert.
91. Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfegesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Der Rechtsstandpunkt des Antragsstellers muss aus der Sicht des Gerichts zumindest vertretbar und ein Prozesserfolg unter Berücksichtigung des gegnerischen Prozessvorbringens wahrscheinlich sein (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 6. Auflage, 2012, Rn. 408 f. m. w. N.). Verweigert werden darf die Prozesskostenhilfe nur dann, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413; 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05, NJW 2005, 3489). § 114 ZPO sieht die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vor, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. BVerfG, 10. August 2001, 2 BvR 569/01, AP GG Art. 19 Nr. 10). Der Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei muss vom Gericht aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar gehalten werden (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Auflage, 2012, § 114 Rn. 19 m. w. N.). Es darf keine vorweggenommene Entscheidung der Hauptsache im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung erfolgen. Die Prüfung der Erfolgsaussichten dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. BVerfG, 13. März 1990, a. a. O.; 10. August 2001, a. a. O.; 28. Januar 2013, 1 BvR 274/12, NJW 2013, 1727).
102. Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall war dem Kläger Prozesskostenhilfe für seine Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. Juni 2012 zu bewilligen. Die Annahmen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung vom 5. März 2013, dass keine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe, weil die noch bevorstehende Zeugenvernehmung die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats mit großer Wahrscheinlichkeit bestätigen würde und Mängel in der Beschlussfassung des Personalrats nicht zulasten der Beklagten gingen, sind nicht haltbar. Der Kläger rügt zu Recht, dass die antizipierte Beweiswürdigung und die rechtliche Bewertung seines Vortrags zur Personalratsanhörung durch das Arbeitsgericht sachlich unzutreffend sind.
11a) Der aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit (vgl. BVerfG, 13. Juli 2005, 1 BVR 175/05, NJW 2005, 3489; 19. Dezember 2007, 1 BVR 2036/07, FamRZ 2008, 581) verwehrt es den Gerichten nicht nur, schwierige und bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden. Vielmehr ist auch eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren nur in engen Grenzen zulässig. Der unbemittelten Partei darf nicht wegen Fehlens der Erfolgsaussichten für ihr Rechtsschutzbegehren Prozesskostenhilfe verweigert werden, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten oder nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der antragstellenden Partei ausgehen wird (vgl. BVerfG, 19. Februar 2008, 1 BvR 18/07, NJW 2008, 1060; 28. Januar 2013, 1 BvR 274/12, NJW 2013, 1727).
12b) Die vom Arbeitsgericht zur Ordnungsgemäßheit der Personalratsanhörung und deren Beweisbarkeit angestellten Überlegungen werden diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.
13aa) Zwar ist es richtig, dass die Beklagte einen von ihrem Mitarbeiter P1 zu den Verfehlungen des Klägers verfassten schriftlichen „Bericht zur Entwendung von Benzin" vom 4. Juni 2012 vorgelegt hatte. Des Weiteren hatte sie das Anhörungsformular überreicht, das als einheitliches Formular im unteren Teil des Blattes die Stellungnahme des Personalrats vom 6. Juni 2012 enthielt, wonach dieser gegen die beabsichtigte Kündigung keine Bedenken geltend machte und der Kündigung zustimmte. Warum deshalb davon auszugehen ist, dass der Personalrat am 4. Juni 2012 ordnungsgemäß unterrichtet worden war, ist objektiv nicht nachvollziehbar. Aus den beiden vorgelegten Unterlagen ergab sich dies gerade nicht. Eine Empfangsbestätigung des Personalrats bezüglich des Berichtes des Mitarbeiters fehlte. Der vom Personalleiter unterzeichnete Teil des Anhörungsformulars enthielt eine erst auf den 6. Juni 2012 datierende Anhörung zu der beabsichtigten Kündigung, in welcher der Kündigungsgrund lediglich schlagwortartig mit „mehrfacher Diebstahl von Treibstoff" bezeichnet worden war und auf „mehrere" zeitlich nicht weiter konkretisierte Gespräche verwiesen wurde, in denen die Kündigung „besprochen und abgestimmt" worden sei. Hieraus ergibt sich nicht, dass am 4. Juni 2012 eine den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Personalratsanhörung entsprechende mündliche Information des Vorsitzenden des Personalrates stattgefunden hatte. Der Vortrag der Beklagten, die Anhörung sei bereits am 4. Juni 2012 erfolgt und der Vermerk des Mitarbeiters P1 dabei übergeben worden, wurde demnach weder durch die schriftliche Anhörung noch durch die Stellungnahme des Personalrats bestätigt.
14Zu der behaupteten Anhörung vom 4. Juni 2012 musste (zumindest) der Personalratsvorsitzende vernommen werden. Ob der Personalratsvorsitzende glaubwürdig und seine Aussage glaubhaft sein würde und welchen Inhalt sie hatte, war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts über das Prozesskostenhilfegesuch überhaupt nicht abzusehen. Entsprechendes gilt für den vorsorglich als weiteren Zeugen geladenen Personalleiter. Es gab und gibt keine objektiven und nachvollziehbaren Gründe, warum eine große Wahrscheinlichkeit bestanden haben soll, dass die geladenen Zeugen „entsprechende Erklärungen" abgeben, d. h. den Vortrag der Beklagten zur Personalratsanhörung bestätigen würden. Die Funktionen der Zeugen (Personalleiter und Personalratsvorsitzender bei einem öffentlichen Arbeitgeber) sind nicht geeignet, einen irgendwie gearteten Glaubwürdigkeits- und Glaubhaftigkeitsvorschuss zu begründen, der das Ergebnis der Beweisaufnahme vorhersehbar und damit selbige quasi zur überflüssigen Formalität macht. Ob Zeugen glaubwürdig und Aussagen glaubhaft sind, kann ohne eindeutige andere objektive Anhaltspunkte erst nach der Zeugenvernehmung beurteilt werden. Solche Anhaltspunkte lagen hier offensichtlich nicht vor.
15bb) Soweit das Arbeitsgericht darüber hinaus meint, selbst bei einer Information am 6. Juni 2012 und einem fehlenden ordnungsgemäßen Beschluss der Personalvertretung für die mitgeteilte Zustimmung sei dies der Beklagten nicht anzulasten, fehlt es dafür an einer sachlichen Grundlage. Das Arbeitsgericht übergeht den Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 4. Februar 2013. Der Kläger hatte bestritten, dass der Personalrat am 6. Juni 2012 zusammengetreten war und einen zustimmenden Beschluss gefasst hatte. Er hatte ausdrücklich und angesichts des Inhalts und des Datums des Anhörungsformulars in der Sache nachvollziehbar vorgetragen, es werde der Eindruck erweckt, dass der Personalratsvorsitzende erst am 6. Juni 2012 informiert worden sei und unmittelbar nach Aushändigung des schriftlichen Antrages die Zustimmung erteilt habe. Dies reicht, wie der Kläger zutreffend in seiner Beschwerdeschrift rügt, als rein persönliche Äußerung des Vorsitzenden der Personalvertretung wie beim Betriebsrat nicht für eine wirksame Anhörung, weil der Arbeitgeber aufgrund der sofortigen Stellungnahme weiß oder nach den Umständen annehmen muss, dass der Personalrat sich noch nicht mit der Angelegenheit befasst hat (vgl. für den Betriebsrat: BAG, 28. Februar 1974, 2 AZR 455/73, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 2).
16cc) Demnach kam eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht, welche das Arbeitsgericht - im Widerspruch zu seiner Meinung, dass ein dem Arbeitgeber nicht anzulastendes fehlerhaftes Verhalten des Personalrats vorliege - dann doch im Termin vom 12. März 2013 durchgeführt hat. Konkrete oder nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen würde, lagen am 5. März 2012 nicht vor. Dies rechtfertigt die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht.
173. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe stehen weder das Ergebnis der Beweisaufnahme des Arbeitsgerichts noch die Rechtskraft seines klageabweisenden Urteils entgegen. Zu dem für die Beurteilung auch in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs bestand eine hinreichende Erfolgsaussicht.
18a) Ein Prozesskostenhilfebegehren ist zur Entscheidung reif, wenn die Partei es begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig vorgelegt und der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO zum Prozesskostenhilfegesuch zu äußern (vgl. BGH, 18. November 2009, XII ZB 152/09, MDR 2010, 402; 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964; Schoreit/Groß, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, Verfahrenskostenhilfe, 11. Auflage, 2012, § 114 ZPO Rn. 44). Die Anhörung des Gegners umfasst die Frage der Erfolgsaussichten, grundsätzlich aber nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der bedürftigen Partei (vgl. BGH, 15. November 1983, VI ZR 200/83; Schoreit/Groß, a. a. O., § 118 Rn. 15). Ohne vorherige Anhörung kann in der Regel keine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag ergehen (vgl. Zöller/Geimer, a. a. O., § 118 Rn. 2).
19aa) Soweit darüber hinaus für die Entscheidungsreife gefordert wird, dass die antragstellende Partei ihr Prozesskostenhilfebegehren „schlüssig" begründet haben muss (vgl. BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964; Schoreit/Groß, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 44), damit es entscheidungsreif ist, ist dem nicht zu folgen. Die „Schlüssigkeit" des Gesuchs ist Gegenstand der Prüfung, ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Dann kann es nicht zugleich für die Entscheidungsreife maßgeblich sein. Auch ein mangels schlüssiger Begründung negativ zu bescheidender Antrag auf Prozesskostenhilfe ist entscheidungsreif. Notwendig ist lediglich, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überhaupt begründet wurde oder eine hierfür - ggf. nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO - gesetzte Frist abgelaufen ist.
20bb) Im vorliegenden Fall lag mit der Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs im Gütetermin am 31. August 2012 ein begründeter und vollständiger Antrag vor. Der Kläger hatte eine vollständig ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse überreicht und die darin enthaltenen Angaben belegt. Zudem hatte er im Termin den schriftlichen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 29. August 2012 noch mal ausdrücklich zu Protokoll gestellt. Die Kündigungsschutzklage war sowohl insgesamt als auch insbesondere hinsichtlich der ordnungsgemäßen Personalratsanhörung durch deren Bestreiten begründet worden. Lediglich die Stellungnahme der Beklagten lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Zwar wurde laut Protokoll „das gesamte Streitverhältnis unter freier Würdigung aller Umstände" erörtert. Daraus ergibt sich nicht, dass die Beklagte Gelegenheit hatte, zum Prozesskostenhilfeantrag Stellung zu nehmen, so dass es grundsätzlich einer Stellungnahmefrist bedurft hätte.
21(1) Es geht nicht zu Lasten des Klägers, dass das Arbeitsgericht zu keinem Zeitpunkt im Verfahren die Beklagte ausdrücklich zu dem Prozesskostenhilfeantrag nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO angehört hat. Es ist anerkannt, dass nach Eingang eines Prozesskostenhilfegesuchs das Arbeitsgericht nicht bis zur Instanz- bzw. Verfahrensbeendigung warten und dann den Prozesskostenhilfeantrag wegen Unvollständigkeit des Vordrucks und/oder der Unterlagen zurückweisen darf, sondern so rechtzeitig auf die Mängel des Gesuchs hinweisen muss, dass diese rechtzeitig vor einer (möglichen) Instanz- oder Verfahrensbeendigung behoben werden können. Andernfalls ist Prozesskostenhilfe rückwirkend ab dem Zeitpunkt zu bewilligen, in dem bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise ein vollständiger und bewilligungsfähiger Antrag vorgelegen hätte (vgl. LAG Hamm, 8. November 2001, 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89; 8. Oktober 2007, 18 Ta 509/07, juris; 30. Dezember 2008, 14 Ta 118/08, juris; 21. Juni 2011, 5 Ta 334/11, LAGE ZPO 2002 § 114 Nr. 16; 17. Juni 2013, 14 Ta 77/13, juris).
22(2) Entsprechendes gilt, wenn die Anhörung des Gegners nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt. Dies führt nicht dazu, dass die Entscheidungsreife nicht eintritt. Vielmehr ist sie auch ohne Anhörung des Gegners für den Zeitpunkt zu unterstellen, zu dem bei ihrer rechtzeitigen Durchführung durch das Gericht die Stellungnahme des Gegners vorgelegen hätte. In der Regel tritt Entscheidungsreife ein, wenn bei einem ohne Auflage und Fristsetzung formlos übersandten Antrag eine Frist von zwei Wochen (zzgl. Postlaufzeit für die Übersendung vom Gericht an den Gegner) vergangen ist (vgl. KG, 29. April 2009, 3 WF 57/09, FamRZ 2009, 1505). Danach lag im vorliegenden Fall Entscheidungsreife ab 15. September 2012 vor, nachdem der Antrag im Termin vom 31. August 2012 der Beklagten übergeben worden war.
23b) Die Auswirkungen von tatsächlichen und rechtlichen Änderungen der Sach- und Rechtslage nach Entscheidungsreife auf die Beurteilung der Erfolgsaussicht insbesondere für den Fall, dass das Gericht über ein vollständiges und bewilligungsfähiges Prozesskostenhilfegesuch nicht alsbald nach Entscheidungsreife entscheidet, sind umstritten.
24aa) In der bisherigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts wurde zum einen vertreten, dass für die Frage, von welchem Zeitpunkt aus die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beurteilen ist, es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung ankommt (vgl. LAG Hamm, 12. Februar 2001, 4 Ta 277/00, NZA-RR 2002, 157; 12. Mai 2003, 18 Ta 24003, juris; 27. Januar 2006, 4 Ta 854/05, NZA-RR 2006, 601). Nur bei einem „steckengebliebenen" Prozesskostenhilfegesuch, das zwar rechtzeitig eingegangen ist, aber vom Gericht vor Instanzbeendigung nicht beschieden wird, könnte etwas anderes gelten, wenn bis zur Beendigung der Instanz oder des Verfahrens die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung tatsächlich aussichtsreich und ein formgerechter Antrag mit den erforderlichen Belegen eingereicht gewesen sei (vgl. LAG Hamm, 2. Februar 2002, 4 (14) Ta 24/02, NZA-RR 2003, 151). Diese Grundsätze seien auch für das Beschwerdeverfahren gültig (vgl. LAG Hamm, 27. Januar 2006, a. a. O.).
25Nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer kommt es aufgrund der verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife an, nur bis zu diesem Zeitpunkt ist eine Verschlechterung der Erfolgsaussicht zu berücksichtigen (vgl. LAG Hamm, 15. Januar 2013, 14 Ta 320/12, juris).
26bb) In der Rechtsprechung der Bundesgerichte werden unterschiedliche Positionen vertreten.
27(1) Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes in einer früheren Entscheidung (vgl. BGH, 27. Januar 1982, IVb ZB 925/80, MDR 1982, 564) ist für die rechtliche Beurteilung der Erfolgsaussicht der Erkenntnisstand des Gerichts im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich. Ein bedürftiger Beteiligter könne sich nicht darauf berufen, dass ihm Prozesskostenhilfe hätte bewilligt werden können, wenn das Gericht über sein Gesuch frühzeitiger, z. B. vor Klärung der für die Entscheidung erheblichen, zunächst ungeklärten schwierigen Rechtsfragen über den Antrag entschieden hätte. Das Gericht dürfe die Erfolgsaussicht nicht wider bessere Erkenntnis bejahen. In späteren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, ob für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung oder der Entscheidungsreife maßgeblich (vgl. BGH, 25. Juni 2007, AnwZ (B) 9/05, juris) und ob an seiner Auffassung festzuhalten ist, dass auch zur Entlastung von bereits entstandenen Kosten eine rückwirkende Bewilligung nicht geboten sei (vgl. BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 404).
28(2) Der Bundesfinanzhof vertritt die Auffassung, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwar regelmäßig auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirkt. Gleichwohl seien für die Beurteilung der Erfolgsaussichten die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag maßgebend. Dementsprechend könne auch eine Änderung der Rechtslage durch Gesetz oder höchstrichterliche Rechtsprechung dazu führen, dass entgegen § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO dem Rechtsmittelgegner trotz erstinstanzlichen Obsiegens keine Prozesskostenhilfe zu gewähren ist (vgl. BFH, 14. Juni 2006, VIII S 11/05 (PKH), juris; 9. Juli 2007, III S 1/07, BFH/NV 2007, 2113). Nach früheren Entscheidungen soll, wenn sich auf der Grundlage der Antragsbegründung ergibt, dass die Erfolgsaussichten der Klage in dem Stadium vor Ergehen der Sachentscheidung in der Hauptsache anders zu beurteilen gewesen wären, die in diesem früheren Zeitraum gegebene Sach- und Rechtslage der Entscheidung über das Prozesskostenhilfebegehren zugrunde zu legen sein (vgl. BFH, 22. Februar 1994, VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822; 25. Juli 2001, X B 122/00, BFH/NV 2001, 1598).
29(3) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage, ob für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung im Prozesskostenhilfeverfahren der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts oder der frühere Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags maßgeblich ist, bislang offen gelassen (vgl. BVerwG, 12. September 2007, 10 C 39/07 u. a., Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 42)
30(4) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts gibt es zu dieser Problematik, so weit ersichtlich, bislang keine veröffentlichten Entscheidungen.
31cc) In der unüberschaubaren und zahlreich veröffentlichten Instanzrechtsprechung der verschiedenen Gerichtsbarkeiten und in der Literatur, deren vollständige Auswertung die erkennende Beschwerdekammer weder beabsichtigt noch in Anspruch nimmt, werden folgende Positionen vertreten:
32(1) Es sei ausschließlich der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich, und zwar auch im Falle einer (pflichtwidrigen) Verzögerung der Entscheidung durch das Gericht (vgl. LAG Düsseldorf, 12. November 1986, 14 Ta 348/86, LAGE ZPO § 114 Nr. 10; LAG Hessen, 1. August 2006, 19 Ta 373/06, LAGE ZPO 2002 § 114 Nr. 6; OLG Düsseldorf, 21. Juni 1988, 6 W 44/88, NJW-RR 1989, 383; OLG Köln, 24. Mai 2000, 14 WF 58/00, NJW-RR 2000,1606; OLG München, 27. Juli 1993, 12 WF 871/93, OLGR 1994, 46; OLG Saarbrücken, 10. November 2008, 9 WF 97/08, OLGR 2009, 112; 11. Oktober 2012, 6 WF 383/12, juris; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 423 ff.; MüKo-ZPO/Motzer, 4. Auflage 2013, § 114 Rn. 113, soweit dieser in Rn. 111 auf „Entscheidungsreife" verweist, ist damit der frühestmögliche Zeitpunkt einer Bewilligung gemeint; ebenso LAG Hessen, 9. Januar 2013, 7 Ta 354/11, juris).
33(2) Grundsätzlich sei der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich, bei einer (pflichtwidriger) Verzögerung der Entscheidung jedoch der Zeitpunkt der Bewilligungsfähigkeit bzw. der Entscheidungsreife (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 19. Oktober 2011, 6 Ta 90/11, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, 10. Mai 2004, L6B4/04 P, juris; OLG Köln, 19. Mai 2006, 4 WF 89/06, JurBüro 2006, 657; OLG Sachsen-Anhalt, 23. Juni 2004, 8 WF 53/04, OLGR 2005, 37; Schoreit/Groß, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 41 ff.; Zöller/Geimer, a. a. O., § 119 Rn. 44 ff.; offen gelassen von OLG Saarbrücken, 11. Oktober 2012, 6 WF 383/12, juris).
34(3) Grundsätzlich sei der Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgeblich, Änderungen zulasten der Partei seien nicht zu berücksichtigen (vgl. LAG Düsseldorf, 29. November 1999, 15 Ta 553/99, LAGE ZPO § 114 Nr. 36; LAG Rheinland-Pfalz, 1. April 2008, 9 Ta 53/08, NZA-RR 2008, 604; OLG Karlsruhe, 12. August 1999, 5 WF 113/99, OLGR 2000, 24; OLG Saarbrücken, 7. Januar 2005, 8 W 263/04 u. a., OLGR 2005, 556; OVG Hamburg, 6. August 2003, 4 So 3/02, FamRZ 2005, 44; OVG Lüneburg, 23. Januar 2013, 2 PA 387/12, juris [unter Aufgabe von OVG Lüneburg, 27. Juli 2004, 2 PA 1176/04, FamRZ 2005, 463: Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung]; OVG Münster, 3. September 1991, 16 E 781/91.A, NWVBl. 1992, 72; Musielak/Fischer, ZPO, 10. Auflage, 2013, §119 ZPO Rn. 14; etwas abweichend - möglicherweise - Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 71. Auflage, 2013, § 114 ZPO Rn. 82 f., § 119 ZPO Rn. 5: Bewilligungsreife, wenn das Gericht Prozesskostenhilfe bei einem ordnungsgemäßen unverzüglichen Geschäftsgang bewilligen muss).
35(4) Weitergehend wird zudem vertreten, weil der Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgeblich sei, könnten nicht nur Änderungen zulasten der Partei, sondern auch solche zu ihren Gunsten nicht berücksichtigt werden (vgl. LAG Hessen, 29. März 2011, 5 Ta 47/11, juris; Bay. LSG, 19. März 2009, L 7 AS 52/09 B, juris; LSG Sachsen-Anhalt, 17. Dezember 2009, L 5 AS 338/09 B, juris).
36dd) Unterschiedlich sind weiter die Positionen, welches der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht in der Beschwerdeinstanz ist.
37(1) Wie in erster Instanz sei der Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde maßgebend, und zwar auch dann, wenn infolge verzögerter Entscheidung durch das Erstgericht oder aufgrund seiner Verfahrensgestaltung zwischenzeitlich eine für die antragstellende Partei ungünstige Veränderung derjenigen Tatsachen eingetreten sei, die für die Beurteilung der Erfolgsaussicht maßgeblich seien (vgl. OLG Düsseldorf, 25. Februar 1988, 1 O 40/88, NJW-RR 1989, 383; OLG München, 27. Juli 1993, 12 WF 871/93, OLGR 1994, 46; MüKo-ZPO/Motzer, a. a. O., § 127 Rn. 30).
38(2) Maßgebender Zeitpunkt sei bei normaler verzögerungsfreier Entscheidung grundsätzlich derjenige der Beschwerdeentscheidung. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn bereits das Erstgericht anders hätte entscheiden müssen, weil es die Entscheidung pflichtwidrig verzögert habe. Nur dann sei der Sach- und Streitstand bei Entscheidungsreife zugrunde zu legen (vgl. OLG Nürnberg, 11. Januar 2000, 11 WF 3839/99, FamRZ 2000, 1021; Musielak/Fischer, a. a. O., § 127 ZPO Rn. 24; Schoreit/Groß, a. a. O., § 127 Rn. 64, 66).
39(3) Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Beschlussfassung im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 895).
40(4) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht sei auch in der Beschwerdeinstanz derjenige der Entscheidungsreife (vgl. OLG Koblenz, 7. Januar 1993, 5 W 628/92, JurBüro 1994, 232; LSG Sachsen-Anhalt, 17. Dezember 2009, L 5 AS 338/09 B, juris).
41c) Die Auswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auf die Erfolgsaussicht des dafür gestellten Prozesskostenhilfegesuchs ist ebenfalls umstritten.
42aa) Das Beschwerdegericht soll die Erfolgsaussicht nicht mehr abweichend von der Vorinstanz beurteilen können, wenn die Prozesskostenhilfe beantragende Partei in der Hauptsache die gegen sie ergangene ungünstige Entscheidung rechtskräftig werden lässt. Dass soll auch in dem Fall gelten, dass das Gericht trotz eines entscheidungsreifen Prozesskostenhilfeantrags hierüber pflichtwidrig nicht zeitnah entscheidet (vgl. BFH, 20. Juni 2001, VII B 26/01, juris; 5. September 2002, IV B 91/00, juris; LAG Hamm, 27. Januar 2006, 4 Ta 854/05, NZA-RR 2006, 601; OLG Hamm, 11. Mai 2011, 8 WF 310/10 u. a., FamRZ 2011, 1973; OLG Köln, 29. Juli 2010, 27 WF 134/10, juris [aufgehoben durch BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012,1964]; OLG Sachsen-Anhalt, 4. Februar 2009, 3 WF 240/08, FamRZ 2009, 1429; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 427, 869, 896; Zöller/Geimer, a. a. O., § 127 ZPO Rn. 50 [insoweit im Widerspruch zu § 119 ZPO Rn. 47, wonach keine Bindung bei pflichtwidriger Verzögerung der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag bestehen soll]).
43bb) Nach anderer Auffassung besteht nur grundsätzlich eine Bindung an die rechtskräftige Hauptsacheentscheidung. Eine Ausnahme liege vor, wenn in der Hauptsache eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären war, deren Klärung nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden darf (vgl. BGH, 4. Mai 2011, XII ZB 69/11, FamRZ 2011, 1137). Eine weitere Ausnahme bestehe, wenn die Entscheidung über das bewilligungsreife Prozesskostenhilfegesuch vom Gericht verzögert worden sei und sich infolge der Verzögerung die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Nachteil der antragstellenden Partei verändert habe (vgl. BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012,1964; ebenso noch BFH, 22. Februar 1994, VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822; 25. Juli 2001, X B 122/00, BFH/NV 2001, 1598; offen gelassen von BFH, 7. August 1984, VII B 27/84, BB 1984, 2249). Eine solche Ausnahme liege dagegen nicht vor, wenn schon zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife keine Erfolgsaussicht bestanden habe (vgl. BGH, 25. Juni 2007, AnwZ (B) 9/05, juris).
44cc) Nach einer weiteren Auffassung soll schließlich die Rechtskraft einer rechtsmittelfähigen Entscheidung über die Hauptsache weder der Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe entgegenstehen noch den Umfang der Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts im Hinblick auf die Erfolgsaussicht begrenzen, weil andernfalls eine mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbare Ineffektivität eines nach der Prozessordnung vorgesehenen Rechtsmittels eintreten würde (vgl. OLG Karlsruhe 28. Februar 2000, 20 WF 100/99, NJW RR 2001, 656 unter Bezugnahme auf BVerfG, 17. März 1988, 2 BvR 233/88, MDR 1988, 750).
45d) Nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Hamm verbleibt es dabei, dass für die Beurteilung der Erfolgsaussicht grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife (Bewilligungsreife) des Prozesskostenhilfegesuchs maßgeblich ist. Nachträgliche Veränderungen zu Lasten der bedürftigen Partei, seien es tatsächliche, seien es rechtliche, sind unbeachtlich. Das gilt auch, wenn aufgrund des Ergebnisses einer nach Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs durchgeführten Beweisaufnahme ihre Behauptungen nicht bewiesen bzw. von ihr bestrittene Behauptungen des Gegners bewiesen wurden oder die Hauptsache rechtskräftig zulasten der bedürftigen Partei entschieden wurde.
46aa) Das aus dem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit folgende Verbot, die Prüfung der Erfolgsaussichten für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen, wirkt sich nicht nur auf den Auslegungsmaßstab für die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO aus, wonach schwierige und ungeklärte Rechtsfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden dürfen und eine Beweisantizipation nur in eng begrenztem Rahmen zulässig ist (vgl. BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413; 19. Februar 2008, 1 BvR 18/07, NJW 2008, 1060; 28. Januar 2013, 1 BvR 274/12, NJW 2013, 1727). Vielmehr wird der Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit auch dann verletzt, wenn das Gericht gleichzeitig oder erst nach seiner Hauptsacheentscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe entscheidet und sich zur Begründung seiner Ablehnung auf die Gründe seiner Hauptsacheentscheidung stützt (vgl. BVerfG, 26. Juni 2003, 1 BvR 1152/02, NJW 2003, 3190; 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05, NJW 2005, 3489; 19. Dezember 2007, 1 BvR 2036/07, FamRZ 2008, 581). Diese Entscheidung würdigt das Geschehen in einer mündlichen Verhandlung, die erst nach Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrages stattgefunden hat. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten kann dies kein Grund sein, dem Rechtschutzbegehren - gewissermaßen nachträglich - die Erfolgsaussichten abzusprechen, die zuvor bestanden haben (vgl. BVerfG, 19. Dezember 2007, 1 BvR 2036/07, FamRZ 2008, 581). Eine solche Beurteilung des Anspruchs auf Gewährung von Prozesskostenhilfe stellt eine vielmehr unzulässige Betrachtung im Nachhinein dar (vgl. BVerfG, 13. Juli 2005, a. a. O.).
47Zudem ist der Maßstab des Tatbestandsmerkmals „Aussicht auf Erfolg" in § 114 ZPO nicht der tatsächliche Erfolg der Prozessführung in der Hauptsache. Die Prozesskostenhilfe prämiert nicht den Erfolg in der Hauptsache, sondern ermöglicht nur den Rechtsschutz im Verfahren (vgl. BVerfG, 26. Juni 2003, 1 BvR 1152/02, NJW 2003, 3190; 19. Dezember 2007, 1 BvR 2036/07, FamRZ 2008, 581). Das Prozesskostenhilfeverfahren gehört zudem zu den Rechtsangelegenheiten, die wegen ihrer Natur und ihrer Bedeutung für die Betroffenen einer gewissen Eilbedürftigkeit unterliegen (vgl. BVerfG, 14. Oktober 2003, 1 BvR 901/03, NVwZ 2004, 334). Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ist demnach der Hauptsacheentscheidung inhaltlich und zeitlich vorgelagert, denn vor einem - möglichen - Erfolg in der Hauptsache steht das Verfahren, das den Rechtsschutz bieten soll, um den die bedürftige Partei nachsucht, und für das sie Prozesskostenhilfe benötigt.
48Verfassungsrechtlich kann es danach für die Beurteilung der Erfolgsaussicht nicht darauf ankommen, wann das Gericht tatsächlich über ein Prozesskostenhilfegesuch entscheidet und welchen Erkenntnisstand es zu diesem Zeitpunkt hat, sondern es ist grundsätzlich allein der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO. Es gibt einen vom Zeitpunkt der tatsächlichen Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgleichheit zu unterscheidenden Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife. Schon dies schließt es generell aus, auf den Kenntnisstand des Gerichts zum tatsächlichen Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen (unzutreffend daher BGH, 27. Januar 1982, IVb ZB 925/80, MDR 1982, 564). Der Ausschluss einer Betrachtung der Erfolgsaussichten im Nachhinein (vgl. BVerfG, 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05, NJW 2005, 3489) sowie der Sinn und Zweck von Prozesskostenhilfe, den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, zugänglich zu machen (vgl. BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413; 28. Januar 2013, 1 BvR 274/12, NJW 2013, 1727), machen es vielmehr notwendig, die Erfolgsaussicht bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife ex ante zu beurteilen.
49Das Gericht hat demnach grundsätzlich die Erfolgsaussicht aufgrund des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs zu beurteilen (so auch BGH, 18. November 2009, XII ZB 152/09, MDR 2010, 402; 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964). Maßgeblich für die Erfolgsprognose nach § 114 ZPO ist, ob aufgrund der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, zu dem das Prozesskostenhilfebegehren entscheidungsreif war, eine nicht nur entfernte Erfolgschance bestand. Nachträglich eintretende Gründe wie z. B. das Ergebnis einer Beweisaufnahme oder auch die rechtskräftige Entscheidung der Hauptsache sind hierfür irrelevant. Denn im Prozesskostenhilfeverfahren ist die Erfolgsaussicht Gegenstand der Entscheidung, nicht der Erfolg in der Hauptsache. Erfolgsaussicht ist eine neben der Bedürftigkeit bestehende Voraussetzung, um auszuschließen, dass Parteien ohne ausreichendes Einkommen und Vermögen jeden beliebigen Prozess führen können, den eine vermögende, aber auch kostenbewusste Partei nicht führen würde. Ist Letzteres nicht der Fall, kann der spätere Misserfolg in der Hauptsache die Verweigerung von - zunächst wegen bestehender Erfolgsaussicht begründeter - Prozesskostenhilfe nicht rechtfertigen.
50bb) Die hiergegen gerichteten Einwendungen verkennen die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Auslegung und Anwendung des gesetzlichen Merkmals „hinreichende Aussicht auf Erfolg" im Sinne des § 114 ZPO zu stellen sind.
51(1) So wird darauf abgestellt, dass das Gericht sämtliche ihm zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu benutzen habe und es dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe widerspreche, die Führung eines als aussichtslos erkannten Prozesses zu ermöglichen (vgl. statt aller LAG Hamm, 27. Januar 2006, 4 Ta 854/05, NZA-RR 2006, 601; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 426). Das Gericht dürfe die Erfolgsaussicht nicht wider besseres Wissen bejahen (vgl. BGH, 27. Januar 1982, IVb ZB 925/80, MDR 1982, 564). Rechtliche und tatsächliche Veränderungen gingen stets zu Lasten der Partei, wobei Verzögerungen der Entscheidung durch das Gericht nach Bewilligungsreife nicht stets pflichtwidrig seien (Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O.).
52All diese Erwägungen gehen über die verfassungsrechtlich fundierte Funktion der Prozesskostenhilfe hinweg, der bedürftigen Partei von vornherein den Rechtsschutz für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung zu ermöglichen, ohne dass es darauf ankommt, dass der Erfolg schon feststeht oder später tatsächlich eintritt (vgl. hierzu und zum Folgenden auch OVG Hamburg, 6. August 2003, 4 So 3/02, FamRZ 2005, 44). Hat sie ihrerseits alles getan, um dem Gericht eine Entscheidung über ihr Gesuch zu ermöglichen, verletzt es ihren aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit, wenn nicht bezogen auf diesen Zeitpunkt über ihren Antrag entschieden wird. Da es um ein zu führendes Verfahren geht, ist eine zeitnah zu seinem Beginn ergehende Entscheidung zwingend erforderlich, um der bedürftigen Partei einen effektiven Rechtschutz zu gewähren. Ob aus sachlichen Gründen oder pflichtwidrig das Gericht tatsächlich erst später entscheidet, kann keinen Einfluss darauf haben, ob einer bedürftigen Partei ein zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife zustehender, verfassungsrechtlich begründeter und durch § 114 ZPO konkretisierter Anspruch gewährt wird oder nicht. Aus diesem Grund können für die Erfolgsaussicht tatsächliche und rechtliche Änderungen nach Entscheidungsreife nicht mehr zu Lasten der bedürftigen Partei gehen.
53Eine Beurteilung ex ante gehört zum üblichen Methodenkanon der Rechtsanwendung. Es ist keine Besonderheit, bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt eine Beurteilung aus früherer Sicht vorzunehmen, bei der spätere Vorgänge, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt sein konnten, nicht berücksichtigt werden. Eine solche Ex-ante-Betrachtung ist vorzunehmen, wenn sie wie hier verfassungsrechtlich geboten ist. Mit einer Entscheidung wider besseres Wissen hat das offensichtlich nichts zu tun.
54Ebenso wenig wird der bedürftigen Partei etwas zugesprochen, auf das sie nach richtiger Erkenntnis ohnehin keinen Anspruch hatte (so aber MüKo-ZPO/Motzer, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 113). Dies verkennt den Unterschied zwischen „Erfolg" in der Hauptsache und „Erfolgsaussicht" im Prozesskostenhilfeverfahren. Im Übrigen hat die bedürftige Partei gerade einen verfassungsrechtlich durch Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gesicherten Anspruch darauf, selbst ein mit dem Risiko des Misserfolgs behaftetes Verfahren durchzuführen, solange nicht nur eine lediglich entfernte Erfolgschance besteht. Zu Beginn bestehende Erfolgsaussichten können gerade nicht nachträglich wieder abgesprochen werden (vgl. BVerfG, 19. Dezember 2007, 1 BvR 2036/07, FamRZ 2008, 581).
55(2) Unhaltbar ist insbesondere die Auffassung, dass selbst im Falle einer unrichtigen Sachbehandlung des Prozesskostenhilfeantrags z. B. bei Entscheidung zusammen mit der Hauptsache auf den Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung der Erfolgsaussicht abzustellen sein soll (vgl. OLG Düsseldorf, 21. Juni 1988, 6 W 44/88, NJW-RR 1989, 383; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 427). Dies wiederspricht dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG als „allgemeines Prozessgrundrecht" abzuleitenden Anspruch auf ein faires Verfahren. Liegt eine verzögerliche Sachbehandlung vor, darf dieser Zeitraum nicht zum Nachteil eines Prozessbeteiligten berücksichtigt werden, da der Grundsatz der fairen Verfahrensgestaltung es den Gerichten verwehrt, aus eigenen oder ihnen zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Beteiligten abzuleiten (vgl. BVerfG, 26. April 1988, 1 BvR 669/87 u. a., NJW 1988, 2787; 3. Juni 2003, 1 BvR 1355/02, NJW-RR 2003, 1216). Es ist nach einer ordnungsgemäßen Antragstellung nicht mehr Sache der Partei, auf eine rechtzeitige Bescheidung des Antrags hinzuwirken (so unzutreffend OLG Köln, 24. Mai 2000, 14 WF 58/00, NJW-RR 2000, 1606; MüKo-ZPO/Motzer, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 113), sondern des Gerichts. Die Partei ist deshalb nicht gehalten, eine Untätigkeitsbeschwerde zu erheben (so LAG Hamm, 27. Januar 2006, 4 Ta 854/05, NZA-RR 2006, 601) oder andere Maßnahme zu ergreifen (vgl. dazu Büttner/Wrobel-Sachs/Gott-schalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 428), um vor den Konsequenzen pflichtwidrigen Verhaltens des Gerichts geschützt zu sein.
56(3) Die bedürftige Partei kann nicht generell darauf verwiesen werden, zunächst das Prozesskostenhilfeverfahren durchzuführen, bevor sie das Hauptsacheverfahren einleitet, um dadurch das Risiko einer Belastung mit bereits entstandenen Kosten zu vermeiden (so für die Rechtsmitteleinlegung BGH, 27. Januar 1982, IVb ZB 925/80; allgemein Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 428). Es ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgleichheit nicht einsichtig, dass sie nur wegen der bei ihr bestehenden wirtschaftlichen Bedürftigkeit Verzögerungen des Hauptsacheverfahrens, sei es bei der Klageerhebung, sei es bei der Rechtsmitteleinlegung, hinnehmen sowie bei Rechtsmitteln zusätzliche formale Hürden durch die in der Regel notwendige Wiedereinsetzung bewältigen muss. Entsprechendes gilt im Falle der Klageerhebung, wenn die Einhaltung von Fristen erforderlich und deren Einhaltung durch einen Prozesskostenhilfeantrag möglicherweise wegen uneinheitlicher Rechtsprechung nicht gewährleistet ist (vgl. dazu als Beispiele: LAG Hamm, 23. November 2009, 14 Ta 357/09, juris, und 14. Juni 2011, 14 Ta 295/11, juris, zur Einhaltung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG sowie LAG Hamm, 14. Juni 2011, 14 Ta 768/10, juris, zur Einhaltung einer Ausschlussfrist jeweils durch einen Prozesskostenhilfeantrag). Schließlich kann im Falle der Rechtsverteidigung die beklagte bedürftige Partei sich der Inanspruchnahme im Hauptsacheverfahren ohnehin nicht entziehen.
57Wenn wie vom Zweck der Prozesskostenhilfe erforderlich zeitnah über ein entscheidungsreifes Prozesskostenhilfegesuch entschieden wird, stellt sich die Frage einer nachträglichen Entlastung von entstandenen Kosten in der Regel nicht, wenn die Erfolgsaussicht zu diesem Zeitpunkt besteht. Die Partei hat in diesem Fall zutreffend ihre Aussichten eingeschätzt und den einer vermögenden Partei stets offenen Weg der sofortigen Klageerhebung oder Rechtsmitteleinlegung erfolgreich genutzt. Auch wenn keine völlige Gleichstellung von vermögender und bedürftiger Partei bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten ist, sondern nur eine weitgehende Annäherung (vgl. statt aller BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413), ist es unter diesem Gesichtspunkt nicht zulässig, ihr den sichersten Weg der Rechtsverfolgung zu verwehren, nämlich gleichzeitig den Rechtsschutz geltend zu machen, für den sie Prozesskostenhilfe begehrt. Wenn sie die Verzögerungen, welche zu einer späten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag führen, nicht zu vertreten hat, ist es nicht gerechtfertigt, ihr die Folgen einer zwischenzeitlichen Verschlechterung der Erfolgsaussicht aufzuerlegen, wenn sie zugleich diesen sichersten Weg in Anspruch genommen hat. Auch dieser ist Bestandteil des aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Anspruches auf Rechtsschutzgleichheit.
58Dies gilt vor allem im Falle einer nach § 4 KSchG fristgebundenen Kündigungsschutzklage, um die es hier in der Hauptsache geht. Die Möglichkeit der vorherigen Durchführung eines Prozesskostenhilfeverfahrens besteht nicht. Nach bislang herrschender Meinung ist die Einhaltung der Dreiwochenfrist nicht durch einen Prozesskostenhilfeantrag möglich (vgl. dazu zuletzt ArbG Herne, 27. Februar 2013, 5 Ca 2866/12, juris m. w. N. zum Streitstand). Der Arbeitnehmer gerät also in Gefahr, dass die Kündigung, die er anfechten will, gemäß § 7 KSchG rechtswirksam wird, wenn er lediglich Prozesskostenhilfe für seine Kündigungsschutzklage beantragt und sie nicht zugleich unbedingt erhebt. In solchen Fällen ist es im Hinblick auf die Funktion der Prozesskostenhilfe zwingend notwendig, auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht abzustellen, um dem verfassungsrechtlichen Anspruch des wirtschaftlich bedürftigen Arbeitnehmers auf Rechtsschutzgleichheit mit einem wirtschaftlich vermögenden Arbeitnehmer zu genügen.
59(4) Der Ansicht, es komme stets oder zumindest grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an, steht in diesem Zusammenhang weiter entgegen, dass angesichts des vom Antragsteller nicht abzuschätzenden Kostenrisikos bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ein erheblicher Hinderungsgrund besteht, gerichtliche Hilfe überhaupt in Anspruch zu nehmen. Denn eine wirtschaftlich bedürftige Partei wird sich insbesondere die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe überlegen und eher von der Anrufung des Gerichts absehen, weil sie die drohende Belastung mit Anwaltskosten deutlich härter trifft als eine vermögende Partei (vgl. Bay. LSG, 19. März 2009, L7 AS 52/09 B PKH, juris). Das gilt erst recht in arbeitsgerichtlichen Verfahren, in dem erstinstanzlich ein Erstattungsanspruch für die außergerichtlichen Kosten durch die Beauftragung eines Anwalts selbst bei einem Obsiegen gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ausgeschlossen ist. Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, solche Hindernisse bei der Wahrnehmung von aussichtsreichem Rechtsschutz zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme zu beseitigen und eben nicht ein „Erfolgshonorar" für erfolgreiche Verfahrensführung auszuloben.
60(5) Zudem wird eingewandt, dass in den Fällen, in denen das Verfahren zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht abgeschlossen ist, das Interesse des Gegners nicht vernachlässigt werden dürfe, wenn dem Antragsteller die Fortsetzung eines absehbar erfolglosen Rechtsstreits ermöglicht würde und dadurch der Gegner auf diese Weise Kosten hat, die er häufig nicht erstattet erhalte, so dass eine Schädigung schon vorprogrammiert sei. Auch die wohlverstandenen Interessen der bedürftigen Partei selbst, die dem Gegner erstattungspflichtig zu werden droht, stünden der Fortsetzung eines aussichtslosen Rechtstreits entgegen. Zudem handele es sich um eine zweifelhafte Wohltat, wenn entweder auf Kosten der Allgemeinheit oder - bei einer Zahlungsanordnung - unter Beteiligung des Antragstellers von einem überholten Kenntnisstand ausgegangen wird (Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 425; MüKo-ZPO/Motzer, a. a. O., Rn. 114). Auch diese Kostenargumente sind nicht geeignet, eine Beurteilung der Erfolgsaussicht bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu rechtfertigen.
61Der Gegner trägt bei einer wirtschaftlich bedürftigen Partei trotz der Regelung des § 123 ZPO das Risiko, ohnehin die bis zur Ablehnung der Prozesskostenhilfebewilligung entstandenen Kosten tragen zu müssen. Das gilt zum einen insbesondere im Hinblick auf die Regelung des § 12 a Abs. 1 ArbGG, der selbst im Falle des Obsiegens einen Kostenerstattungsanspruch für die Vertretung durch einen Anwalt und für Zeitversäumnis ausschließt. Im Übrigen hat das Interesse des Gegners zurückzutreten, weil die bedürftige Partei nur den Rechtsschutz beansprucht, den eine vermögende Partei aufgrund vormals bestehender hinreichender Erfolgsaussicht ebenfalls wahrgenommen hätte. Insoweit verwirklicht sich für den Gegner nur ein allgemeines Risiko, in einen Prozess hineingezogen zu werden, der Kosten verursacht, die er unter Umständen nicht erstattet bekommt.
62Soweit die bedürftige Partei durch eine Zahlungsanordnung sich an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen hat, entspricht dies der gesetzgeberischen Konzeption und dem Risiko, dass jede Partei mit einem Prozesskostenhilfeantrag eingeht. Eine Erweiterung der Kosten für einen aussichtslos gewordenen Prozess kann sie durch entsprechende prozessuale Handlungen selbst begrenzen. Der aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit rechtfertigt es aus den genannten Gründen schließlich, dass die Allgemeinheit die Kosten für einen aussichtslos gewordenen Prozess trägt, der ursprünglich aussichtsreich war.
63(6) Gegen die Annahme, dass der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Gesuchs maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist, spricht nicht, dass nach allgemeiner Auffassung für die Prüfung der Bedürftigkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag abzustellen ist (so aber wohl Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 423). Dementsprechend können zwar Änderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen, die zwischen Antragstellung und Bewilligungsentscheidung zu einer Verbesserung führen, zulasten der Partei berücksichtigt werden und einer Bewilligung entgegenstehen oder zumindest eine Zahlungsanordnung rechtfertigen. Genau dies ist aber durch § 120 Abs. 4 ZPO gesetzlich vorgesehen. Für vier Jahre ab der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens besteht die Möglichkeit, eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen und die bislang zu einer Beteiligung der Partei an den Prozesskosten getroffene Entscheidung abzuändern. Das rechtfertigt es, bereits im Bewilligungsverfahren eingetretene Änderungen zu berücksichtigen (vgl. OVG Hamburg, 6. August 2003, 4 So 3/02, FamRZ 2005, 44; Bay. LSG, 19. März 2009, L7 AS 52/09 B PKH, juris). Für die Erfolgsaussicht fehlt es sowohl an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung als auch generell an einer gesetzlichen Festlegung des Prüfungszeitpunkts (vgl. Bay. LSG, a. a. O.).
64cc) Eine Bindung der Gerichte, insbesondere des Beschwerdegerichts an eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache besteht nicht. Eine abweichende Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs steht nicht im Widerspruch zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache.
65(1) Die Rechtskraft einer Entscheidung nach § 322 Abs. 1 ZPO wirkt zwischen den Parteien insoweit, als über denselben Streitgegenstand entschieden worden ist. Sie bezweckt aber nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht nur den Schutz der Parteien vor erneuter gerichtlicher Inanspruchnahme, sondern dient auch der Sicherung sowohl des Rechtsfriedens im Allgemeinen, indem abweichende Entscheidungen zur selben Streitfrage vermieden werden sollen, als auch der Funktionsfähigkeit der Gerichte. Aus der materiellen Rechtskraft folgt daher über das Verbot der wiederholten Entscheidung über denselben Streitgegenstand hinaus eine Bindungswirkung der Entscheidung, soweit diese für eine weitere Entscheidung vorgreiflich ist (vgl. BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964).
66(2) Es ist jedoch unzutreffend, wenn der Bundesgerichtshof meint, eine solche Bindungswirkung bestehe, soweit es für den Anspruch auf Prozesskostenhilfe auf die Erfolgsaussicht der Klage oder Rechtsverteidigung ankomme, weil die zu beurteilenden Fragen übereinstimmten und die Hauptsacheentscheidung für die Prozesskostenhilfe vorgreiflich sei (so BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964). Diese Betrachtung überdehnt die Reichweite der materiellen Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung bezogen auf das Prozesskostenhilfeverfahren, weil sie nicht hinreichend zwischen den beiden Gegenständen der Verfahren differenziert.
67(a) Die vom Eintritt der formellen Rechtskraft abhängige materielle Rechtskraft hat zur Folge, dass erneute abweichende Entscheidungen desselben oder eines anderen Gerichtes innerhalb bestimmter objektiver, subjektiver und zeitlicher Grenzen ausgeschlossen sind. Die objektive Grenze der materiellen Rechtskraft bestimmt sich gemäß § 322 Abs. 1 ZPO aus Tenor und Gründen der gerichtlichen Entscheidung und verbietet bei Identität der Beteiligten die nochmalige Entscheidung über den gleichen (prozessualen) Streitgegenstand. Eine zeitliche Grenze besteht mit Ausnahme bei Entscheidungen mit Dauerwirkung nicht. Die sich aus § 325 Abs. 1 ZPO ergebende subjektive, auf Parteien und deren Rechtsnachfolger bezogene Grenze kann bei Präjudizialität für ein Folgeverfahren sowohl unter denselben Parteien als auch unter Beteiligung Dritter unter bestimmten Voraussetzungen überschritten werden (vgl. zum Ganzen HK-ArbR/Henssen, 3. Auflage, 2013, § 84 ArbGG Rn. 7 ff.; Zöller/Vollkommer, a. a. O, Vor § 322 ZPO Rn. 3, 21 ff., § 325 Rn. 1 ff. m. w. Nach- und Verweisen).
68(b) Von diesen Grenzen der materiellen Rechtskraft ist das Prozesskostenhilfeverfahren aufgrund seines Zwecks und des daraus abzuleitenden Gegenstands nicht betroffen. Prozesskostenhilfe soll den Rechtsschutz in der Hauptsache ermöglichen, nicht gewähren (vgl. BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413). Es ist vorab zu entscheiden, ob für das Rechtsschutzbegehren, in dem eine Hauptsacheentscheidung ergehen soll, Erfolgsaussicht besteht. Bei dem Prozesskostenhilfeverfahren einerseits und dem Hauptsacheverfahren andererseits handelt es sich um zwei verschiedene Verfahren (so noch BGH, 18. November 2009, XII ZB 152/09, MDR 2010, 402). Es geht nicht um ein Folgeverfahren, sondern um ein dem Hauptsacheverfahren sachlich und hinsichtlich des Entscheidungszeitpunkts auch zeitlich vorgelagertes Nebenverfahren.
69Dafür ist die Hauptsacheentscheidung nicht „vorgreiflich" im Sinne einer Präjudizialität, auch wenn für die Erfolgsaussicht einerseits, den Erfolg andererseits (teilweise) dieselben Sachverhalte und Rechtsfragen Gegenstand der Entscheidung sind. Vielmehr besteht ein grundlegender Unterschied zwischen „Erfolgsaussicht" und „Erfolg in der Hauptsache". Der Maßstab des Tatbestandsmerkmals „Aussicht auf Erfolg" in § 114 ZPO ist nicht der tatsächliche Erfolg der Prozessführung in der Hauptsache, sondern die nicht nur entfernte Möglichkeit eines Erfolgs. Die Prozesskostenhilfe prämiert nicht den Erfolg in der Hauptsache, sondern ermöglicht nur den Rechtsschutz für das Verfahren, in dem dieser von der bedürftigen Partei angestrebt wird (vgl. BVerfG, 26. Juni 2003, 1 BvR 1152/02, NJW 2003, 3190; 19. Dezember 2007, 1 BvR 2036/07, FamRZ 2008, 581). Die unterschiedlichen Entscheidungsgegenstände schließen es aus, widersprüchliche Entscheidungen anzunehmen, weil die Erfolgsaussicht anders beurteilt wird als der Erfolg in der Hauptsache. Die Erfolgsaussicht kann und muss bei Beachtung des Gebots der Rechtsschutzgleichheit anders beurteilt werden können als die Frage des Erfolgs.
70(c) Im Übrigen soll auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes im Fall der Verzögerung einer Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Bindung nicht bestehen, weil Verfahrensfragen im Vordergrund stehen und eine nachträgliche Bejahung der Erfolgsaussicht der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung nicht widersprechen (so BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964). Warum dies nicht generell und unabhängig von einer Verzögerung gilt, ist nicht ersichtlich. Die Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO ist ein „aliud" gegenüber dem Obsiegen in der Hauptsache, so dass insoweit eine Bindungswirkung im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht besteht (so zutreffend MüKo-ZPO/Motzer, a. a. O., § 114 ZPO Rn. 114). Eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Gerichte ist nicht nur aus diesem Grund, sondern auch sonst nicht erkennbar.
71(3) Eine Bindung insbesondere des Beschwerdegerichts an eine rechtskräftige Entscheidung der Hauptsache folgt nicht aus § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO (so aber Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 427 m. w. N.). Nach dieser Bestimmung findet gegen Entscheidungen im Prozesskostenhilfeverfahren die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Danach besteht in der Frage der Erfolgsaussicht nur dann keine Beschwerdemöglichkeit für die bedürftige Partei, wenn die Entscheidung in der Hauptsache mit der Berufung nicht anfechtbar ist. Daraus lässt sich zwar ableiten, dass generell im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren der Rechtsmittelzug nicht weitergehen soll als in der Hauptsache, d. h. die sachlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfebewilligung nur von solchen Gerichten zu prüfen sind, an die die Sache im Rechtszug der Hauptsache gelangen kann (vgl. BGH, 13. Juli 2004, VI ZB 12/04, NJW-RR 2010, 1437; 23. Februar 2005, XII ZB 1/03, NJW 2005, 1659; OLG Köln, 30. November 2009, II-4 WF172/09, MDR 2010, 282; Zöller/Geimer, a. a. O., § 127 ZPO Rn. 47). Besteht diese Möglichkeit, kann die sofortige Beschwerde unabhängig von einem Rechtsmittel in der Hauptsache eingelegt werden (vgl. BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964 m. w. N.).
72e) Zusammengefasst steht eine rechtskräftige Entscheidung der Hauptsache zulasten der antragstellenden Partei nicht der Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren entgegen. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wird es nicht gerecht, wenn nicht zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife (Bewilligungsreife) über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden wird. Dieser Zeitpunkt ist deshalb maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO. Ein solches Verständnis entspricht allein einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung der nach § 114 ZPO erforderlichen „hinreichende Aussicht auf Erfolg". Ein anderes Vorgehen stellt eine mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit unvereinbare Betrachtung im Nachhinein dar.
73Eine Verschlechterung der Erfolgsaussichten kann nur dann zu Lasten der bedürftigen Partei gehen, wenn die Entscheidungsreife erst nach Eintritt dieser Verschlechterung vorliegt. Welche Folgen welche Fälle der Verschlechterung der Erfolgsaussicht vor Eintritt der Entscheidungsreife im Einzelnen haben (vgl. dazu den Überblick bei MüKo-ZPO/Motzer, § 114 ZPO Rn. 111), kann im vorliegenden Fall ebenso offen bleiben wie die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang tatsächliche und rechtliche Veränderungen nach Entscheidungsreife zugunsten der Partei berücksichtigt werden können (grundsätzlich bejahend BFH, 22. Februar 1994, VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822; verneinend LAG Hessen, 29. März 2011, 5 Ta 47/11, juris; Bay. LSG, 19. März 2009, L 7 AS 52/09 B PKH, juris; LSG Sachsen-Anhalt, 17. Dezember 2009, L 5 AS 338/09 B, juris).
74f) Bei Anwendung diesen Grundsätze im vorliegenden Fall war Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife (15. September 2012) bestand hinreichende Erfolgsaussicht für die erhobene Kündigungsschutzklage, weil die ordnungsgemäße Personalratsanhörung bereits zu diesem Zeitpunkt streitig war und bis zur Durchführung der Beweisaufnahme und der nachfolgenden rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts auch streitig geblieben ist.
75aa) Die Rechtskraft des Urteils, mit dem die Kündigungsschutzklage abgewiesen wurde, steht der Annahme der Erfolgsaussicht nicht entgegen, weil diese zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife bestand. Denn die Wirksamkeit der Kündigung hing davon ab, dass die Beklagte die Personalratsanhörung zunächst vortrug und sodann nachwies.
76bb) Eine fehlende Erfolgsaussicht ergibt sich entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts in seinem Nichtabhilfevermerk nicht aus dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme. Sie ist weit nach Entscheidungsreife durchgeführt worden und für die Beurteilung nicht maßgeblich. Ob die durch eine Beweisaufnahme eingetretene Verschlechterung der Erfolgsaussichten einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe entgegensteht, weil die späteren Erkenntnisse die Unwahrheit des Prozessvortrags des Antragstellers im Sinne von § 124 Nr. 1 ZPO ergeben und in einem solchen Fall sogar eine rückwirkende Aufhebung der Prozesskostenhilfe möglich wäre (vgl. BGH, 7. März 2012, XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964), bedarf hier keiner Entscheidung. Erforderlich ist in diesem Fall, dass neben der objektiven „Unwahrheit" die bedürftige Partei bedingt vorsätzlich falsche Tatsachen vorgetragen oder wahre Tatsachen verschwiegen hat, d. h. es billigend in Kauf genommen hat, dass ihre unrichtige Darstellung zu einer fehlerhaften PKH-Bewilligung führen könnte (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 836; Zöller/Geimer, a. a. O., § 124 ZPO Rn. 6). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn die Beweisaufnahme ergibt, dass eine von der Partei behauptete Tatsache nicht erwiesen ist oder eine von der Partei bestrittene und vom Gegner zu beweisende Tatsache für wahr erachtet wird. Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Bestreiten der ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrats durch den Kläger in Kenntnis der Unrichtigkeit dieses Bestreitens erfolgte.
774. Die Bewilligung hatte rückwirkend zum 31. August 2012 zu erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt lag ein gemäß § 117 ZPO begründeter und vollständiger Antrag vor. Auf die Entscheidungsreife, d. h. die Einräumung der Möglichkeit für den Gegner, zu dem Prozesskostenhilfegesuch nach § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO Stellung zu nehmen, und den Ablauf einer hierfür gesetzten Frist kommt es nicht an. Die zeitliche Verzögerung vom Antragseingang über die Anhörung des Gegners bis zur Entscheidung des Gerichts geht nicht zu Lasten des Antragstellers, wenn dieser alles für eine vollständige Antragstellung getan hat (vgl. BGH, 30. September 1981, VIb ZR 694/80, NJW 1982, 446; ebenso Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, a. a. O., Rn. 503, 505, dort m. w. N. zur Gegenauffassung [erst Entscheidungsreife]; Zöller/Geimer, a. a. O. § 119 Rn. 39 f.).
785. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO liegen vor.
79a) Ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich erscheint, ist unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsstaats- und dem in Art. 20 Abs. 1 GG verbürgten Sozialstaatsprinzip zu ermitteln (vgl. BAG, 18. Mai 2010, 3 AZR 9/10, NJW 2010, 2748). Ein Rechtsanwalt ist beizuordnen, wenn eine vermögende Partei in der Lage der unbemittelten Partei vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte (vgl. BVerfG, 24. März 2011, 1 BvR 1737/10, NJW 2011, 2039; BAG, 18. Mai 2010, a. a. O.; LAG Hamm, 24. Februar 2010, 14 Ta 518/09, juris). Bei der gebotenen Einzelfallprüfung beurteilen sich die Voraussetzungen der Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht nur nach Umfang und Schwierigkeitsgrad sowie Bedeutung der Sache für den Betroffenen, sondern auch nach seiner Fähigkeit, seine Rechte selbst wahrzunehmen sowie sich mündlich oder schriftlich auszudrücken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Partei sich der Hilfe eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (hier: der Rechtsantragsstelle eines Arbeitsgerichts) vergewissern kann. Zu berücksichtigen ist weiter, ob Einwendungen des Gegners nicht nur möglich, sondern auch konkret zu erwarten sind (vgl. BAG, 18. Mai 2010, a. a. O.; LAG Hamm, 24. Februar 2010, a. a. O.). Eine Beiordnung ist regelmäßig dann erforderlich, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht (vgl. BVerfG, 24. März 2011, a. a. O.) oder die bedürftige Partei nicht in der Lage ist, die Hilfe der Rechtsantragsstelle in Anspruch zu nehmen (vgl. BAG, 18. Mai 2010, a. a. O.).
80b) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts vor. Diese ist für die Wahrnehmung der Rechte im Zusammenhang mit der Durchführung einer Kündigungsschutzklage angesichts der damit verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten regelmäßig erforderlich.
81Zudem war die Beklagte zwar nicht anwaltlich, aber durch den Kommunalen Arbeitgeberverband juristisch qualifiziert vertreten. Das rechtfertigt die Annahme einer Erforderlichkeit der Beiordnung. Ähnlich wie bei einer Behörde (vgl. dazu BVerfG, 24. März 2011, 1 BVR 1737/10, NJW 2011, 2039) stand dem Kläger damit ein rechtskundiger und prozesserfahrener Vertreter seines Arbeitgebers gegenüber. In einem solchen Fall wird auch ein vermögender Rechtssuchender regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten, wenn er nicht ausnahmsweise selbst über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um das Verfahren in jedem Stadium durch sachdienlichen Vortrag und Anträge effektiv fördern zu können (vgl. BVerfG, 24. März 2011, a.a.O.; LAG Hamm, 15. Januar 2013, 14 Ta 498/12, juris).
826. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor. Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld in Höhe von 1.413,30 Euro monatlich. Unter Abzug des ihm zustehenden Freibetrags, der Unterhaltsleistungen für die beiden Kinder, der Raten aus dem Kredit für ein Fahrzeug sowie aus einem weiteren Kleinkredit und der Kosten für die Wohnung verblieb kein Einkommen, aus dem der Kläger einen Betrag zu den Kosten der Prozessführung leisten könnte. Vermögen ist ebenfalls nicht vorhanden.
837. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht. Der Kläger ist mit seinem Rechtsmittel erfolgreich und durch die Entscheidung nicht beschwert. Ein Beschwerderecht der Staatskasse nach § 127 Abs. 3 ZPO besteht nicht.
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