Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 14 Ta 550/14
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 30. Mai 2014 (5 Ca 680/14) teilweise abgeändert.
Der Klägerin wird für die beabsichtigte Zahlungsklage Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt.
Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr insoweit Rechtsanwalt C aus C1 beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Klägerin keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen.
Eine Beschwerdegebühr ist nicht zu erheben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I. Die Klägerin begehrt für eine beabsichtigte Zahlungs- und Abrechnungsklage Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.
3II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin vom 3. Juli 2014 ist überwiegend begründet. Der Klägerin war für die beabsichtigte Zahlungsklage Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt beizuordnen, dagegen nicht für die weitere Klage auf erneute Abrechnung.
41. Für die beabsichtigte Zahlungsklage besteht hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
5a) Nach dieser Norm erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das Prozesskostenhilfegesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Der Rechtsstandpunkt des Antragsstellers muss aus der Sicht des Gerichts zumindest vertretbar und ein Prozesserfolg unter Berücksichtigung des gegnerischen Prozessvorbringens wahrscheinlich sein (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 408 f. m. w. N.). Verweigert werden darf die Prozesskostenhilfe nur dann, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413; 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05, NJW 2005, 3489). § 114 Abs. 1 ZPO sieht die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vor, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. BVerfG, 10. August 2001, 2 BvR 569/01, AP GG Art. 19 Nr. 10). Der Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei muss vom Gericht aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen mindestens für vertretbar gehalten werden (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 114 Rn. 19 m. w. N.). Es darf keine vorweggenommene Entscheidung der Hauptsache im Rahmen der Prozesskostenhilfeprüfung erfolgen. Die Prüfung der Erfolgsaussichten dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. BVerfG, 13. März 1990, a. a. O.; 10. August 2001, a. a. O.; 28. Januar 2013, 1 BvR 274/12, NJW 2013, 1727).
6b) Bei Anwendung dieser Grundsätze besteht für die Zahlungsklage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
7aa) Die Klägerin hat - erstmals in der Beschwerde – entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an die Darlegung von Vergütungsansprüchen für geleistete Arbeit, sei es normale Arbeit, seien es Überstunden (vgl. BAG, 18. April 2012, 5 AZR 248/11, NZA 2012, 998; 16. Mai 2012, 5 AZR 347/11, NZA 2012, 939) ihre tägliche Arbeitsleistung vorgetragen. Dabei hat sie konkret zu den von der Beklagten genannten angeblichen unentschuldigten Fehltagen Stellung genommen. In der Begründung ihrer Beschwerde hat sie zudem für den Monat September 2012 auch nur für zwei Wochen, in denen sie tatsächlich gearbeitet hat, Arbeitsleistungen angegeben. Soweit in den dargelegten Arbeitszeiten für den Gesamtzeitraum Überstunden enthalten sind, hat die Klägerin mit ihrem Vortrag im Klageentwurf, die Beklagte habe sie an den einzelnen Wochentagen immer zu bestimmten Zeiten eingeteilt, eine entsprechende Anordnung dieser Überstunden behauptet. Dies hat sie durch die Benennung einer Zeugin in ihrem Schriftsatz vom 8. Dezember 2014 unter Beweis gestellt.
8Soweit das Arbeitsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung die Ansicht vertritt, die Klägerin habe sich für die von ihr behauptete Ableistung von Überstunden lediglich auf das „Zeugnis N. N.“ berufen, ist dies unzutreffend. Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdeschrift vielmehr ausgeführt, dass die Arbeitszeiten von den anderen Mitarbeitern der Beklagten bezeugt werden könnten und die Beklagte insoweit die Mitarbeiter, welche gemeinsam mit der Klägerin gearbeitet hätten, bekannt geben möge. Hieraus wird deutlich, dass die Klägerin diese nicht namentlich kennt. Ist ein mit "NN" bezeichneter Zeuge hinreichend individualisierbar, so darf das Gericht von seiner Vernehmung nicht absehen, ohne dem Beweisführer zuvor gemäß § 356 ZPO eine Frist zur Beibringung des Namens zu setzen (vgl. BGH, 5. Mai 1998, VI ZR 24/97, NJW 1998, 2368, II. 2. b) der Gründe). Dies hätte ggf. auch eine Aufforderung zur Mitwirkung an die Beklagten umfasst, soweit die Klägerin bei Anwendung der ihr zumutbaren Sorgfalt nicht in der Lage ist, die Mitarbeiterinnen, mit denen sie zusammenarbeitete, namentlich vollständig zu benennen. Soweit das Arbeitsgericht trotzdem auf die fehlende namentliche Benennung die Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs stützen wollte, hätte es gemäß § 139 ZPO, der auch im Prozesskostenhilfeverfahren wie im Hauptsacheverfahren mit einem ebenso strengen Maßstab Anwendung findet (vgl. BVerfG, 12. November 2007, 1 BVR 48/05, FamRZ 2008, 131, Rn. 17; LAG Hamm, 17. Juni 2013, 14 Ta 77/13, juris, Rn. 12), ebenfalls einen Hinweis erteilen müssen.
9bb) Dem geltend gemachten Anspruch steht die in § 9 des Arbeitsvertrages enthaltene Ausschlussfrist voraussichtlich nicht entgegen. Es handelt sich dem äußeren Anschein nach um einen Formulararbeitsvertrag der zur mehrfachen Verwendung bestimmt ist. Ausschlussfristen von weniger als drei Monaten sind als Allgemeine Geschäftsbedingung unzulässig (vgl. BAG, 25. Mai 2005, 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; 28. September 2005, 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149). Darüber hinaus ist eine Klausel, die für den Beginn der Ausschlussfrist nicht die Fälligkeit der Ansprüche berücksichtigt, sondern allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt (vgl. BAG, 1. März 2006, 5 AZR 511/05, NZA 2006, 783).
10cc) Einer hinreichenden Erfolgsaussicht steht nicht entgegen, dass mit der vorliegenden Entscheidung des Beschwerdegerichts über das Prozesskostenhilfegesuch es noch nicht feststeht, ob der Vortrag der Klägerin ausreichen wird, den geltend gemachten Zahlungsanspruch Im Hauptsacheverfahren erfolgreich zu begründen. Hinsichtlich der geleisteten Stunden ist es nunmehr im Rahmen der gestuften Darlegungslast zunächst Sache der Beklagten als Arbeitgeber, im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten sie der Klägerin zugewiesen hat und an welchen Tagen sie von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist. Insbesondere bedarf es auch einer konkreten Stellungnahme zu der behaupteten Urlaubsgewährung an den von der Beklagten gerügten Fehltagen. Insoweit wird die Klägerin je nach Einlassung der Beklagten ihr Vorbringen ggfs. noch ergänzen müssen. Ebenso wird sie ihre bisherigen Beweisantritte zu überprüfen und hinsichtlich der behaupteten Urlaubsgewährung zu konkretisieren haben.
11c) Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits ggfs. nach Hinweisen des Gerichts gemäß § 139 ZPO erforderliche Ergänzungen des Vorbringens führen jedenfalls nicht dazu, dass die Erfolgschancen nur als entfernt anzusehen sind und der Klägerin der Rechtsschutz, den die Prozesskostenhilfe ermöglichen soll, verweigert werden kann. Die abschließende Wertung des bisherigen und künftigen Vortrags beider Parteien hat nach Auffassung des Beschwerdegerichts jedenfalls im vorliegenden Fall im Hauptsacheverfahren zu erfolgen und kann nicht im Prozesskostenhilfeverfahren vorweg genommen werden.
12Das gilt auch, soweit im weiteren Verlauf streitig werden sollte, ob es sich bei der vereinbarten Ausschlussfrist um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Dies wird das Arbeitsgericht ggfs. durch Auflagen und Hinweise gemäß § 139 ZPO aufzuklären habe. Eine Verweigerung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht begründet dies jedenfalls nicht.
13d) Soweit die Klägerin daher die Zahlung von 4.513,63 Euro brutto nebst Zinsen verlangt, besteht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg.
142. Dagegen war für die beabsichtigte Klage auf erneute Abrechnung der Monate Juni 2012 bis März 2013 Prozesskostenhilfe zu verweigern, weil hierfür keine Erfolgsaussicht besteht.
15a) Gemäß § 108 Abs. 1 GewO ist dem Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diesen Anspruch hat die Beklagte ausweislich der Begründung des Klageentwurfs erfüllt, wenn es dort heißt, dass keine der Lohnabrechnungen bisher die Überstunden berücksichtigt habe. Die Beklagte ist jedoch nur zur Abrechnung des tatsächlich gezahlten Entgelts verpflichtet, diese Verpflichtung hat sie erfüllt.
16b) Im Übrigen besteht kein Anspruch auf Berichtigung einer Abrechnung. Insbesondere ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, eine Abrechnung nach Maßgabe der vom Arbeitnehmer für richtig angesehenen Berechnungsgrundlage zu erstellen (vgl. BAG, 9. November 1999, 9 AZR 771/98, NZA 2000, 1335, I. 2. a der Gründe). Auch die Nachzahlung begründet keinen Anspruch auf Berichtigung der Abrechnung. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer lediglich über die erstrittene Nachzahlung eine eigene Abrechnung zu erteilen (vgl. BAG, 9. Juni 2010, 5 AZR 122/09, KRS 10.041, Rn. 28).
17c) Schließlich besteht ein Abrechnungsanspruch nach allgemeinen Grundsätzen nur, wenn der Arbeitnehmer von den Grundlagen seines Vergütungsanspruches unverschuldet keine Kenntnis hat, d. h. wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf die Zahlung konkret verfolgen zu können (vgl. BAG, 12. Juli 2006, 5 AZR 646/05, NZA 2006, 1294, Rn. 15). Die Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall, wie die Begründung der Klage zeigt, nicht gegeben. Die Klägerin ist in der Lage, ihren Vergütungsanspruch auf Überstunden darzulegen.
183. Im Hinblick auf den überwiegenden Erfolg der sofortigen Beschwerde ist eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben.
19Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.
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