Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 13 TaBV 78/14
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 08.10.2014 – 3 BV 25/14 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2A.
3Die Beteiligten streiten darüber, ob der zu 3) beteiligte Arbeitnehmer K ein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG ist.
4Die Arbeitgeberin betreibt u.a. in W ein sog. Fachcentrum mit etwa 80 Mitarbeitern, in dem der antragstellende Betriebsrat besteht. Der beteiligte Arbeitnehmer K kommt dort nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01./05.03.2011 (Bl. 161 ff. d. A.) seit dem 01.05.2011 zu einem Bruttomonatsgehalt von 3.000,-- € als stellvertretender Geschäftsleiter zum Einsatz. Ausweislich der schriftlichen Stellenbeschreibung ist er gemeinsam mit dem Geschäftsleiter Y „für die Leitung des gesamten B-Fachcentrums zuständig“. In dieser Funktion ist er „zur selbständigen Einstellung und Entlassung sämtlicher Arbeitnehmer des B-Fachcentrums mit Ausnahme des Geschäftsleiters … befugt“. Sein Vorgesetzter ist in fachlicher Hinsicht der Geschäftsleiter und in disziplinarischer Hinsicht der Geschäftsführer der Arbeitgeberin.
5Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Stellenbeschreibung wird verwiesen auf die in der mündlichen Anhörung des Arbeitsgerichts am 08.10.2014 zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 100 ff. d. A.).
6Nach der Stellenbeschreibung für den Geschäftsleiter ist dieser „zur selbständigen Einstellung und Entlassung sämtlicher Arbeitnehmer des B-Fachcentrums mit Ausnahme der stellvertretenden Geschäftsleiter befugt“. In fachlicher und disziplinarischer Hinsicht ist der Geschäftsführer dessen Vorgesetzter.
7Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, in seiner Funktion als stellvertretender Geschäftsleiter sei der Beteiligte K kein leitender Angestellter. Dieser sei nämlich nicht berechtigt, alleinverantwortlich personelle Einzelmaßnahmen durchzuführen. Namentlich könne er ohne Rücksprache mit dem Geschäftsleiter bzw. Geschäftsführer nicht eigenständig Einstellungen und Kündigungen vornehmen. Insoweit bestehe fast eine ausschließliche Zuständigkeit des Geschäftsleiters; allenfalls könne der Arbeitnehmer K unter der Alleinverantwortung des Geschäftsleiters befristet teilzeitbeschäftigte, sozialversicherungsfreie Mitarbeiter einstellen.
8Die Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens und die Bevollmächtigung der Verfahrensvertreter seien in einer Betriebsratssitzung am 27.05.2014 wirksam beschlossen worden. Vorsorglich sei am 17.09.2014 einstimmig (Bl. 73 d. A.) erneut eine entsprechende Beschlussfassung vorgenommen worden.
9Der Betriebsrat hat beantragt,
10festzustellen, dass der Arbeitnehmer Steffen K nicht leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG ist.
11Die Arbeitgeberin hat beantragt,
12den Antrag zurückzuweisen.
13Sie hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates am 27.05.2014 bestritten. In dem Zusammenhang hat sie darauf hingewiesen, dass drei von fünf Betriebsratsmitgliedern auf das eingeleitete Verfahren angesprochen worden seien und sich überrascht gezeigt hätten. Namentlich habe das Betriebsratsmitglied U noch am 04.10.2014 erklärt, von einer entsprechenden Beschlussfassung im Mai 2014 keine Kenntnis zu haben.
14In der Sache sei der Beteiligte K als leitender Angestellter einzustufen. Denn er könne im Fachcentrum sämtliche Arbeitnehmer – mit Ausnahme des Geschäftsleiters – selbständig einstellen und entlassen. So habe er beispielhaft in den Fällen M, L und H eigenständig über deren Einstellungen entschieden (Bl. 37 ff. d. A.). Zudem habe er gegenüber der Arbeitnehmerin H und dem Arbeitnehmer U Abmahnungen ausgesprochen (Bl. 50 f., 58 d. A.). Schließlich habe er gegenüber dem Betriebsrat mit Schreiben vom 28.02.2012 das Verfahren zur Kündigung der Aushilfe G eingeleitet (Bl. 61 d. A.) und mit dem Beschäftigten S einen Aufhebungsvertrag geschlossen (Bl. 62 d. A.).
15Im Übrigen werde der leitende Status des stellvertretenden Geschäftsleiters auch dadurch belegt, dass der Geschäftsleiter nicht während der gesamten Öffnungszeiten des Fachcentrums vor Ort sein könne und deshalb der Beteiligte K während der Abwesenheitszeiten selbstbestimmt für die gesamte Leitung zuständig sei.
16Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 08.10.2014 dem Antrag des Betriebsrates entsprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den eingereichten Unterlagen entnehmen lasse, dass der Betriebsrat am 27.05.2014 ordnungsgemäße Beschlüsse zur Einleitung des Verfahrens und zur Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten gefasst habe. Daran könnten nachträgliche Stellungnahmen von Betriebsratsmitgliedern, namentlich von U, nichts ändern. In der Sache sei der Beteiligte K als stellvertretender Geschäftsleiter kein leitender Angestellter, weil es ihm an der erforderlichen selbständigen Einstellungs- und Entlassungsbefugnis fehle. Dies folge daraus, dass dem Geschäftsleiter als Fachvorgesetztem die gleichen Kompetenzen im Personalbereich eingeräumt worden seien.
17Auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG seien nicht erfüllt, weil der Beteiligte K nicht mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung seinen Tätigkeitsbereich wahrnehme und so keinen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausübe.
18Dagegen wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde.
19Sie bestreitet weiterhin die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates am 27.05.2014, weil das Arbeitsgericht hinsichtlich der Ausführungen zu den Reaktionen einzelner Betriebsratsmitglieder, namentlich von U, unzulässigerweise eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen habe, anstatt die Zeugen zu vernehmen.
20In der Sache sei es unzutreffend, von einer deckungsgleichen Befugnis des Geschäftsleiters als bloßem Fachvorgesetzten darauf zu schließen, der stellvertretende Geschäftsleiter könne seinerseits nicht selbständig Einstellungen und Entlassungen vornehmen.
21Die Arbeitgeberin beantragt,
22den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 08.10.2014 – 3 BV 25/14 – abzuändern und den Antrag abzuweisen.
23Der Betriebsrat beantragt,
24die Beschwerde zurückzuweisen.
25Er vertritt die Ansicht, bereits am 27.05.2014 sei eine ordnungsgemäße Beschlussfassung erfolgt. In jedem Fall sei diese aber am 17.09. bzw. 15.12.2014 wirksam nachgeholt worden.
26Der Beteiligte K sei kein leitender Angestellter, weil er hierarchisch klar eingeordnet sei: ihm vorgesetzt sei der Geschäftsleiter Y und diesem wiederum der Geschäftsführer. Wie die Verhandlungen zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung gezeigt hätten, würden solche betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten ausschließlich von der Ebene der Geschäftsführung verantwortet.
27Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
28B.
29Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet.
30I. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberseite liegt eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrates zur Einleitung des vorliegenden Statusverfahrens und zur Beauftragung der Rechtsanwälte D & Kollegen vor.
311. In dem Zusammenhang kann dahinstehen, ob nicht schon am 27.05.2014 der Betriebsrat in einer Sitzung entsprechende Beschlüsse gefasst hat, wofür aufgrund der eingereichten Unterlagen, abgesehen von den offensichtlichen Fehlern bei den Daten im Protokoll und bei der Anwesenheitsliste, alles spricht.
322. In jedem Fall hat nämlich der Betriebsrat ausweislich eines am 07.10.2014 zur Gerichtsakte gereichten Schriftstückes am 17.09.2014 in Anwesenheit aller fünf Betriebsratsmitglieder, dokumentiert durch deren eigenhändige Unterschriften, einstimmig Beschlüsse zur Fortführung des Verfahrens und die Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten gefasst. Insoweit hat die Arbeitgeberseite – zuletzt im Anhörungstermin vor der erkennenden Kammer am 12.06.2015 – keine substantiierten Einwände erhoben. Es ist aber in solchen Konstellationen die Aufgabe des Arbeitgebers, auf das Vorbringen des Betriebsrates über die Beschlussfassung einzugehen und konkret anzugeben, welche dazu vorgetragenen Tatsachen bestritten werden sollen (vgl. zuletzt BAG, 30.09.2014 – 1 ABR 32/13 – NZA 2015, 370). Dem ist die Arbeitgeberin hier nicht nachgekommen, wobei angesichts der am 17.09.2014 erfolgten einstimmigen Beschlussfassung des vollzählig versammelten Betriebsrates rechtserhebliche Einwände auch nicht ersichtlich sind.
33II. In der Sache ist das Arbeitsgericht zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der beteiligte Arbeitnehmer K, der monatlich ein garantiertes Grundgehalt von 3.000,-- € brutto bezieht, kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG ist.
341. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor, weil er in seiner Funktion als stellvertretender Geschäftsleiter in einem Fachcentrum mit etwa 80 Mitarbeitern nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer berechtigt ist.
35Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (14.04.2011 – 2 AZR 167/10 – AP KSchG 1969 § 14 Nr. 12; zust. LAG Berlin-Brandenburg, 17.10.2012 - 15 Sa #####/#### -; juris) ist die Berechtigung zur Einstellung und Entlassung für die Begründung des Status eines leitenden Angestellten dann nicht ausreichend, wenn diese Befugnis durch gleiche Berechtigungen anderer eingeschränkt wird.
36Die Voraussetzungen liegen hier vor.
37Denn nach den insoweit gleichlautenden Stellenbeschreibungen ist dem Geschäftsleiter Y – ebenso wie seinem Stellvertreter – die Befugnis eingeräumt worden, mit Ausnahme der Geschäftsleiterebene selbständig Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Der Geschäftsleiter wiederum ist fachlich und disziplinarisch dem Geschäftsführer unterstellt, so dass auf die Entscheidungen des Geschäftsleiters im Personalbereich der diesem in fachlicher Hinsicht unterstellte Arbeitnehmer K als stellvertretender Geschäftsleiter keinerlei Einfluss hat. Darin wird deutlich, dass der Beteiligte K im Konfliktfall keine Handhabe hat, um sich mit seiner Einstellungs- oder Entlassungsabsicht durchzusetzen. Im Gegenteil kann eine personelle Einzelmaßnahme ohne Weiteres auch gegen seinen Widerstand realisiert werden. Darin wird deutlich, dass eine „selbständige“ Einstellungs- und Entlassungsbefugnis, also eine, deren Umsetzung nur vom Willensentschluss des Beteiligten K abhängt, praktisch nicht besteht.
38Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er in der Vergangenheit verschiedentlich Einstellungen vorgenommen, ein Kündigungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat eingeleitet und Abmahnungen ausgesprochen sowie einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen hat. Denn letztlich fehlt es ihm aufgrund der für ihn maßgeblichen arbeitsvertraglichen Vorgaben und seiner Stellung im Betrieb an der für § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG ausschlaggebenden Rechtsmacht zur eigenständigen Durchsetzung seiner Vorstellungen im Bereich der Personalführung.
39III. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit kann verwiesen werden auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter B. II. 2. D) der Gründe, denen die Arbeitgeberin in der Beschwerdeinstanz nicht substantiiert entgegengetreten ist.
40Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.
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Referenzen
- 1 ABR 32/13 1x (nicht zugeordnet)
- 3 BV 25/14 2x (nicht zugeordnet)
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- Urteil vom Bundesarbeitsgericht (2. Senat) - 2 AZR 167/10 1x
- BetrVG § 5 Arbeitnehmer 7x