Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamburg (7. Kammer) - 7 Ta 8/16

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. März 2016 – 19 BVGa 3/16 – abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten wird festgesetzt auf € 10.000,00.

Gründe

I.

1

Zu entscheiden ist über eine Beschwerde gegen einen Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts.

2

Die Beteiligten haben im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht darüber gestritten, ob ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1) im Hinblick auf die Auswahl von Teilnehmern für das ab Februar 2016 geplante Programm „Führen mit Zukunft“ besteht. Im Hinblick auf die Einzelheiten der Auseinandersetzung wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien. Unstreitig ist, dass von dem streitgegenständlichen Programm 46 Arbeitnehmer betroffen sein können. Die Fortbildungskosten je Teilnehmer belaufen sich auf mehr als € 10.000,00.

3

Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert mit Beschluss vom 17.3.2016 (Bl. 119 f. d.A.) festgesetzt auf € 55.000,00. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

4

Gegen diesen ihr am 22. März 2016 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 5.4.2016, am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangen, Beschwerde eingelegt. Ihrer Meinung nach sei der Gegenstandswert auf € 5.000,00 festzusetzen. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht an die Gesamtzahl der Arbeitnehmer angeknüpft. Für die Fortbildungsmaßnahmen „Führen mit Zukunft“ seien von vornherein nur 16 Plätze vorgesehen. Damit verbleibe es bei dem Grundfall des einfachen Auffangwertes des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG für bis zu 20 Beschäftigte. Die Kosten der Fortbildungsmaßnahme rechtfertigten auch keine Erhöhung des Gegenstandswerts, weil es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handele. Maximal könne der Gegenstandswert € 10.000,00 betragen, da sich der Teilnehmerkreis auf die Führungsgruppe der Kernzielgruppe 1 aus dem LuP 2014 und 2015 - unstreitig – beschränke. Diese Gruppe umfasse (unstreitig) 45 Arbeitnehmer.

5

Mit Beschluss vom 14. April 2016 ist der Beschwerde nicht abgeholfen worden. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen (Bl. 130 ff d.A.). Die Beschwerde ist dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt worden.

6

Mit Verfügung vom 25. April 2016 hat das Landesarbeitsgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, der Beschwerde teilweise abzuhelfen und den Gegenstandswert auf € 10.000,00 festzusetzen (Bl. 134 f. d.A.). Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.

7

Daraufhin hat der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1) ausgeführt, das Arbeitsgericht habe zutreffend auch auf die Kosten der Fortbildungsmaßnahme abgestellt, da „nach Lage des Falles“ sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Die geplante Struktur des Programms „Führen mit Zukunft“ umfasse einen Zeitraum von annähernd 2 Jahren und es sei davon auszugehen, dass die Fortbildungskosten je Teilnehmer bei deutlich mehr als € 10.000,00 liegen würden.

8

Ergänzend wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

9

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) hat teilweise Erfolg. Der Streitwert war niedriger, nämlich insgesamt auf € 10.000,00, nicht jedoch auf € 5.000,00 festzusetzen.

1.

10

Die formgerechte Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG zulässig. Die Antragsberechtigung folgt aus § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 €.

2.

11

Die Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Gegenstandswert für das Beschlussverfahren 19 BVGa 3/16 war insgesamt auf € 10.000,00 festzusetzen.

a)

12

Die Wertfestsetzung für das vorliegende Verfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Die Anträge der Beteiligten betreffen Ansprüche betriebsverfassungsrechtlicher, also kollektiver Art, und sind nicht vermögensrechtlicher Natur. In Ermangelung spezifischer Wertvorschriften ist der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 RVG mit Euro 5.000, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über Euro 500.000 anzunehmen. Allerdings kommt die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen auch im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 2 S. 2 RVG grundsätzlich erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Unter den Begriff „nach Lage des Falles" fallen sämtliche Umstände des Einzelfalles, insbesondere Umfang und Bedeutung der Sache, tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, Verfahrensdauer und zeitlicher Aufwand der Verfahrensbevollmächtigten (LAG Schleswig-Holstein, 26.06.2000, 3 Ta 68/00; zit. nach juris).

b)

13

Ausgehend hiervon war vorliegend der Gegenstandswert insgesamt festzusetzen auf € 10.000,00, d.h. den doppelten Auffangwert.

14

Bei Streitigkeiten über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gehtes um die Teilhabe des Betriebsrats daran, das betriebliche Geschehen mitzugestalten. Dabei kann die Bedeutung des Mitbestimmungsrechts abhängig sein von der Anzahl der potentiell betroffenen Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des LAG Hamburg (LAG Hamburg, 28.12.2015, 6 Ta 24/15; 10.2.2012, H 6 Ta 1/12; 30.11.2009, 4 Ta 12/09; zit. nach juris) bietet die Zahl der von einer Maßnahme möglicherweise betroffenen Arbeitnehmer bei Streitigkeiten um Beteiligungsrechte des Betriebsrats einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Bedeutung der Angelegenheit. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen es um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts geht, als auch in solchen Fällen, in denen die Einhaltung und Reichweite einer Betriebsvereinbarung im Streit sind (LAG Hamburg, 28.12.2015, 6 Ta 24/15, m.w.N.; zit. nach juris). Bei der Wertermittlung gibt die Staffel des § 9 BetrVG eine Orientierung: Der gesteigerten Bedeutung einer Angelegenheit bei der Betroffenheit einer größeren Zahl von Arbeitnehmern kann im Regelfall dadurch Rechnung getragen werden, dass ausgehend vom Grundfall (bis zu 20 Arbeitnehmern) für die weiteren in § 9 BetrVG vorgesehenen Staffeln jeweils grundsätzlich zusätzlich 5.000,00 € zu berücksichtigen sind (LAG Hamburg, 28.12.2015, 6 Ta 24/15; 10.2.2012, H 6 Ta 1/12; 30.11.2009, 4 Ta 12/09; zit. nach juris), wobei Ausnahmen hiervon je nach Lage des Falles denkbar sind.

15

Von diesen Grundsätzen ist zwar auch das Arbeitsgericht ausgegangen, hat aber zu Unrecht alle im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Wertbestimmung herangezogen. Soweit ersichtlich, können von den streitgegenständlichen Schulungsmaßnahmen nicht alle Arbeitnehmer betroffen sein, sondern die Auswahl der möglichen Schulungsteilnehmer beschränkt sich auf die Führungskräfte, von denen die Arbeitgeberin 46 an der Zahl beschäftigt. Hieraus ergibt sich sodann unter Berücksichtigung der Staffelung in § 9 BetrVG die Wertfestsetzung auf € 10.000,00. Die Schulungskosten sind entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1) nicht maßgeblich, weil diese keine Bedeutung für das Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1) haben, um welches es ihm inhaltlich ging.

III.

16

Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende alleine ergehen (§ 78 S. 3 ArbGG).

17

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

18

Da der Beschwerde jedenfalls im Hilfsantrag stattgegeben wurde, fällt keine zu tragende Gerichtsgebühr an.

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