Teilurteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 7 (6) Sa 441/90
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.2.1990
wird geändert und zum Teil wie folgt, neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen, soweit sie über den Betragvon 5.105,06 DM hinausgeht. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 1.140 DM .brutto und 675,08 DM netto zu zahlen nebst 4. Zinsen von den Nettobeträgen seit dem 2.10.1988. Die weiter-gehende Widerklage wird abgewiesen.
1
Entscheidungsgründe
2Das Urteil des Arbeitsgerichts ist von der Klägerin in der gesetzlichen Form und Frist mit der Berufung angefochten worden mit dem Antrag gemäß Schriftsatz vom 18.6.1990. Die Berufung ist zum Teil begründet:
3I.1.
4Der eingeklagte Anspruch der Klägerin an die Beklagte auf Erstattung gezahlter Lohn- und Kirchen-steuern kann (aufgrund von § 670 BGB, vgl. BAG, Urteilvom 31.3.1984 - 3 AZR 124/82 -) allenfalls in Höhe von5.105,06 DM bestehen. Denn aus dem letzten Stand desVorbringens der Klägerin ergibt sich, daß sie lediglichdiesen Betrag an Lohn- und Kirchensteuer für die Beklag-te nachgezahlt hat. Insoweit ist die Verhandlung durchBeschluß vom heutigen Tage gemäß § 148 ZPO ausgesetzt.
52. Der Anspruch der Klägerin an die Beklagte auf Erstattung nachgezahlter Sozialabgaben kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werdn, § 28 gS. 2 SGB IV. Eine Klage auf Zahlung ist daher ausgeschlossen.
6Die Berufung der Beklagten auf diesen qesetzlichen Ausschluß einer Zahlungsklage verstößt weder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch gegen § 826 BGB(sittenwidrige, vorsätzliche Schädigung). Aus derTatsache, daß die Beklagte nach dem "ersten Lohnabzug“im August 1989 das Arbeitsverhältnis gekündigt hat,kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, die Beklag-te habe mit der Kündigung nur weiteren Lohnabzügen ausdem Wege gehen wollen. Es kann schon nicht ohne weiteres angenommen werden, daß der Beklagten der Inhalt derVorschrift des § 28 g SGB IV überhaupt bekannt war. Sieist sogar vielen Rechtsanwälten nicht bekannt.
73. Demgemäß ist die über den Betrag von 5.105,06 DM hinausgehende Klage abzuweisen (d.h. in Höh von 5.747,46 DM abzüglich 5.106,06 DM gleich 641,40 DM).
8II. Die Widerklage der Beklagten ist entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht im vollen Unfang begründet.
91. Der Anspruch der Beklagten an die Klägerin auf
10Auszahlung der 1.700 DM, die die Klägerin am 21.9.1989 vom Arbeitsamt als Zuschuß erhalten hat (für die Beschäf-tigung der Beklagten in den Monaten Juli, August undSeptember 1989) besteht in dieser Form nicht DieParteien hatten zwar in ihrem schriftlichen Arbeitsver-trag vom 26.3.1987 vereinbart, daß die Zuschußzahlungendes Arbeitsamtes an die Beklagte weitergeleitet werden(unter Nr. 2.). Dabei sind sie jedoch davon ausgegangen, daß das vereinbarte Gehalt von monatlich 1900 DM brutto
11in der Form abgewickelt werden kann, daß die Beklagtedie Zuschüsse des Arbeitsamtes netto erhält und dieKlägerin nur den Rest brutto aus eigenen Mitteln zahlt.Nachdem sich herausgestellt hat, daß der Vertrag indieser Form aus steuerrechtlichen und sozialversiche-rungsrechtlichen Gründen nicht durchführbar ist, istdie Vereinbarung der Parteien gemäß § 133 BGB über dieZuschußzahlungen als gegenstandslos anzusehen und derVertrag dahin auszulegen ist, daß die Beklagte von derKlägerin 1.900 DM brutto monatlich verlangen, konnteohne irgendwelche zusätzliche Modalitäten.
12Demgemäß ist auf die Forderung der Beklagten andie Klägerin auf Auszahlung der 1.710 DM gemäß § 133
13BGB auszulegen als eine Forderung auf restliches Brutto-gehalt für die Monate Juli, August und September 1987
14in Höhe von monatlich 570 DM brutto. Die Widerklage derBeklagten bedeutet demgemäß, daß die Beklagte von der
15Klägerin für Juli 1989 ein Restgehalt von 570 DM brutto
16verlangt, für August 1989 ein Restgehalt von 570 DMbrutto und 800 DM netto und für September 1989 einRestgehalt von 375,61 DM netto und 570 DM brutto.
172. Der Restgehaltsanspruch der Beklagten für Juli
181989 (570 DM brutto) ist nur in Höhe von 570 DM bruttoabzüglich 133,51 DM netto begründet.
19a) Auf den Vollanspruch der Beklagten in Höhe von
201.900 DM brutto hat die Klägerin lediglich 1 140 DMbrutto gezahlt, wie sich aus der Addition der Zahlenauf dem Überweisungsformular der Klägerin für den MonatJuli 1989 ergibt. Somit verbleibt ein Rest von 570 DM brutto.
21b)
22Bei der Zahlung dieses Betrages darf die
23frühestens den unterbliebenen Abzug der Sozialversiche-rungsbeiträge der Beklagten für den Monat April 1989nachholen. Die Klägerin hätte der Beklagten vom April-Gehalt 1989 336,43 DM an Sozialversicherungsbeiträgenabziehen können, tatsächlich aber nur 202,92 M abgezo-gen, sodaß ein Abzug von 133,51 DM unterblieben ist.Dieser kann bei der Abrechnung des Gehaltes für Juli
241989 nachgeholt werden aufgrund von § 28 g SGB IV.
25Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber gegen denBeschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags,kann dieser Anspruch nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt
26geltend gemacht werden und darf ein unterbliebenerAbzug nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszah-lungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterbliebenist. Nach dem unterbliebenen Abzug für April 1989 waren
27die drei nächsten Gehaltszahlungen die Gezahltszahlungfür Mai, Juni und Juli 1989.
28Die Behauptung der Klägerin, daß unter denWorten "ein unterbliebener Abzug" in § 28 SGB IV dieSumme aller unterbliebenen Abzüge zu verstehn sei,trifft nicht zu. Die Klägerin hat die Abzüge bei denmonatlichen Gehaltszahlungen vorgenommen, und § 28 gSGB IV spricht von den unterbliebenen Abzüge nur inder Einzahl, nicht in der Mehrzahl, sodaß da unter nur die einzelnen, monatlichen Abzüge zu verstehen sind.Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift,vgl. auch die Regelung in § 119 Abs. 1 S. 3 AVG.
29Eine Nachholung von Abzügen, die bei früheren
30Gehaltszahlungen als für April 1989 unterblieben sind,
31ist demgemäß ausgeschlossen. Daß diese noch weiterzurückliegende unterbliebenen Abzüge ohne Verschuldender Klägerin unterblieben sind, hat die Klägerin selbst nicht geltend gemacht und liegt auch nicht auf der
32Hand. Im Gegenteil. Die Klägerin hätte zumindest wissenmüssen, daß das vereinbarte Monatsgehalt von 1.900 DMbrutto auch für die Höhe der Sozialabgaben maßgeblichwar und die Zuschüsse des Arbeitsamtes insoweit ohne
33Bedeutung waren.
34Die Behauptung der Beklagten, bei der Berechnung der "drei nächsten Gehaltszahlungen " im Sinne von § 28
35g S. 3 SGB IV sei nicht darauf abzustellen, für welchen Monat die Zahlung erfolgt, sondern bei Gehaltsnachzah-
36lung auf den letzten betroffenen Monat (hier September 1989), trifft ebenfalls nicht zu. § 28 g S. 3 SGB IV
37ist nur durchführbar, wenn man unter "drei nächstenGehaltszahlungen" die drei nächsten Gehaltszeitenversteht, für die das Gehalt gezahlt wird, nicht aber das Datum der tatsächlichen Auszahlung. Für eine Anknüpfung an das Datum der tatsächlichen Auszahlung gibt es
38keinen vernünftigen Grund, zumal dieser auch von Zufälligkeiten abhängen kann.
393. Der Restgehaltsanspruch der Beklagte für August
401989 (570 DM brutto, 800 DM netto) besteht nur in Höhevon 666,49 DM netto. Auf den Gesamtanspruch von 1.900DM brutto hat die Beklagte 1.900 DM brutto abzüglicheinbehaltener,800 DM netto erhalten. Das ergibt sich ausdem Überweisungsformular der Klägerin für den MonatAugust 1989. Zur Einbehaltung war die Klägerin gemäß § 28 g SGB IV jedoch nur bezüglich des unterbliebenen
41Abzugs der Sozialversicherungsbeiträge der Beklagten für Mai 1989 berechtigt, d.h. in Höhe von 133,51 DM.800 DM netto abzüglich 133,51 DM sind 666,49 DM netto.
424. Der Restgehaltsanspruch der Beklagten für
43September 1989 (375,61 DM netto und 570 DM butto)besteht nur in Höhe von 242,10 DM netto und 570 DM brutto.
44a) Für die Zeit vom 1. bis 8.9.1989 steht der
45Beklagten 506,64 DM brutto zu gemäß Abrechnung der Klägerin für diesen Monat. Den Nettobetrag von 375,61DM hat die Klägerin einbehalten. Zur Einbehaltung war die Klägerin jedoch gemäß § 28 g SGB IV insoweit nur inHöhe des unterbliebenen Abzugs der Sozialversicherungs-beiträge der Beklagten für den Monat Juni 1989 in Höhevon ebenfalls 133,51 DM berechtigt. Den Rest von(375,61 DM ./. 133,51 DM =) 242,10 DM netto muß dieKlägerin demgemäß auszahlen.
46b) Die von der Beklagten für September 1989 weitergeforderten 570 DM brutto sind demgemäß als Gehalt fürdie Zeit vom 9. bis 30.9.1989 zu verstehen. Die Beklagte hat zwar nicht ausgeführt, daß sie in dieser Zeit
47gearbeitet hätte oder die Klägerin in Annahmeverzug gewesen wäre. Die Klägerin hat diesem Anspruch jedochnicht widersprochen. Sie hat im Gegenteil bei ihren Rechenwerken einen Anspruch der Klägerin auf "ZahlungArbeitsamt am 21.9.1989 mit 1.710 DM" angenommen.
485. Die gemäß Nrn. II.2. bis 4. der Beklagten zustehenden Beträge ergeben zusammen 1.140 DM brutto und 675,08 DM netto. Im Übrigen war daher die Widerklage abzuweisen.
49Rechtsmittelbelehrung
50Gegen dieses Urteil findet kein Rechtsmittel
51statt.
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Referenzen
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