Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 11 (12) Sa 181/95
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom
17.08.1994 - 3 Ca 5703/93 - wird abge-
ändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der
Kläger.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem
301.10.1978 beschäftigt.
4Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet
5der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und die die-
6sen ändernden und ergänzenden tarifvertraglichen Be-
7stimmungen der für den Bereich der kommunalen Arbeit-
8geber (VKA) geltenden Fassung Anwendung.
9Der Kläger ist diplomierter Sozialarbeiter und
10bei der Beklagten im sog. Allgemeinen Sozialen Dienst
11(ASD) tätig.
12Eingruppierung und Vergütung bestimmen sich
13nach dem Tarifvertrag für die Angestellten im Sozial-
14und Erziehungsdienst in der Fassung vom 24.04.1991
15(TV SED VKA).
16Der Kläger ist in Vergütungsgruppe IV b Fall-
17gruppe 17 nach dem TV SED VKA eingruppiert und wird
18entsprechend vergütet.
19Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger
20nach Rücknahme weitergehender Ansprüche geltend, er
21sei im ASD als Sozialarbeiter in Aufgaben mit schwie-
22rigen Tätigkeiten eingesetzt.
23Hieraus ergebe sich, daß eine Eingruppierung zu
24erfolgen habe nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16
25TV SED VKA. Aus dieser gebotenen tariflichen Eingrup-
26pierung resultiere die Verpflichtung der Beklagten zur
27Zahlung einer sog. Vergütungsgruppenzulage, die im
28vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht werde.
29Die von dem Kläger zu erbringenden Leistungen
30im Rahmen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) sei-
31en deshalb als schwierig einzuordnen, weil der Kläger
32mit Multiproblemlagen befaßt sei. Seine Aufgabe beste-
33he darin, geeignete Kompetenzen der Hilfesuchenden und
34Bedürftigen zu fördern und zu entwickeln, sowie zur
35Schaffung geeigneter Bedingungen beizutragen, die es
36den Betroffenen ermöglichten, sich in Familie und/oder
37Gesellschaft zu integrieren, einen Beitrag zur Verbes-
38serung der Lebenschancen von Menschen zu leisten und
39damit die Voraussetzungen zu schaffen, die es ihnen
40gestatteten, ihre Anlagen und Fähigkeiten so gut als
41möglich zu entwickeln.
42Es bestehe somit eine ganzheitliche Zielset-
43zung, die es erfordere, im Rahmen eines Hilfefalles
44nicht nur ein akutes und konkretes Detailproblem des
45Hilfsbedürftigen bzw. seiner Familie anzugehen, son-
46dern das gesamte Lebensumfeld einzubeziehen. Häufig
47stünden dabei zwischen den Problemen gegenseitige
48Wechselbeziehungen. Die Schwierigkeit der Tätigkeit
49bestehe darin, daß am Ausgangspunkt jeweils eine um-
50fangreiche eingehende Fallanamnese und Problemanalyse
51zu erstellen sei, aufgrund derer überlegt und ggf.
52durch den Kläger zu entscheiden sei, welche Hilfe not-
53wendig, angebracht und gerechtfertigt sei. Hieran
54schließe sich eine Vielzahl weiterer Arbeitsschritte
55an, die sich nach Art und Reihenfolge jeweils indivi-
56duell ergeben könnten. Es seien zu gewährleisten er-
57zieherische, wirtschaftliche, familiäre, persönliche
58oder gesundheitliche Hilfen.
59Im Rahmen der Eingriffsverwaltung wie bei-
60spielsweise bei Verwahrlosung von Kindern sei über
61Hilfsangebote oder zwangsweise Hilfsmaßnahmen zu ent-
62scheiden. Dabei sei abzuwägen, ob im Rahmen der Kri-
63senintervention Beratung, Hausbesuche, ggf. Kontrolle
64z.B. durch den Kinderarzt oder die Einschaltung ande-
65rer beratender Institutionen wie beispielsweise Erzie-
66hungsberatungsstelle, Kinderschutzbund ausreichten
67oder ob sich die Krisensituation so zugespitzt habe,
68daß eine vorübergehende Fremdunterbringung angeboten
69werden müsse wie beispielsweise Unterbringung in einer
70Kinderwohngruppe des Kinderschutzbundes oder sogar die
71Voraussetzungen dafür vorliegen, das Vormundschaftsge-
72richt einzuschalten.
73Zur Durchführung der Aufgaben seien Kenntnisse
74aller Formen von Hilfeleistungen notwendig, genaueste
75Kenntnis der sozialen Struktur des Bezirks sei gebo-
76ten, um alle dort tätigen Institutionen und Gruppen in
77den Hilfeprozeß einbeziehen zu können. Hinzukomme um-
78fangreiche Gesetzeskenntnis und die Kenntnis des Ge-
79samtorganisationsgefüges der sozialen Dienste, um
80schwierige Kompetenzstreitigkeiten zu vermeiden und
81für den zu betreuenden Personenkreis sofort die rich-
82tige Entscheidungsebene zu finden. Die Multiproblemla-
83gen und unterschiedlichsten Entscheidungssituationen
84ergäben sich daraus, daß zum Kreis der Hilfebedürfti-
85gen sowohl Minderjährige wie ebenso Alte, Aidsinfi-
86zierte, Überschuldete, Menschen mit persönlichen oder
87familiären Problemen, akut psychisch Erkrankte, son-
88stige Kranke und Rekonvaleszente gehörten. In diesen
89unterschiedlichen Problemsituationen seien Entschei-
90dungen zu treffen; insbesondere dann, wenn sie vom
91Hilfebedürftigen nicht als notwendig erachtet und mehr
92oder weniger abgelehnt würden. Zwar treffe der Kläger
93als Mitarbeiter des ASD die anstehenden Entscheidungen
94nicht endgültig alleine, ihm obliege aber die Ent-
95scheidung des Erkennens und Veranlassens von Hand-
96lungsbedarf in Entscheidungssituationen, die über rei-
97ne Hilfestellung hinausgingen.
98Auf konkrete Fallbeispiele könne und wolle der
99Kläger nicht eingehen, da die Fälle bei den einzelnen
100Sozialarbeitern in wechselnder Form und Häufigkeit
101eingingen, jede(r) Sozialarbeiter(in) vergleichbare
102Kompetenzen und Fähigkeiten aufzubringen habe und
103durch die Darstellung und Begrenzung der Darstellung
104auf die schwierigen Fälle eine Konkurrenzsituation
105zwischen den einzelnen Sozialarbeitern herbeigeführt
106werden könnte, daß einzelne ausschließlich "als
107schwierig" zu bezeichnende Konstellationen an sich zö-
108gen. Gerade auch der Kläger erbringe in seinem allge-
109meinen Tätigkeitsfeld des ASD schwierige Tätigkeiten,
110die die Eingruppierung in Vergütungsgruppe IV b Fall-
111gruppe 16 bedingten.
112Der Kläger hat beantragt
113festzustellen, daß die Beklagte
114verpflichtet ist, dem Kläger ab
11501.01.1991 unter Anrechnung der
116tatsächlich gewährten Vergütung
117den Vergütungsgruppenzuschlag in
118Höhe von 6 % der Anfangsvergütung
119der Vergütungsgruppe IV b BAT ein-
120schließlich anteiliger Zuwendung
121nebst 4 % auf die jeweils anfallen-
122den Nettobeträge ab Rechtshängigkeit
123zu zahlen.
124Die Beklagte hat beantragt,
125die Klage abzuweisen.
126Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klage er-
127weise sich als nicht schlüssig. Der Kläger habe nicht
128in ausreichender Form zu einzelnen Arbeitsvorgängen
129vorgetragen. Die von dem Kläger allgemein geschilder-
130ten Tätigkeiten gehörten zum normalen Aufgabenbereich
131eines Sozialarbeiters entsprechend des Berufsbilds für
132einen Sozialarbeiter. Aufgaben in diesem Bereich seien
133grundsätzlich vielfältig und mehrschichtig und auf
134Hilfeleistung in sozialen Problemfällen ausgerichtet.
135In vielen Fällen erfordere die Tätigkeit Einfühlungs-
136vermögen. Dazu sei schon die Ausbildung angelegt. Auch
137die Kenntnis der Gesetzeslage sei eine in der Ausbil-
138dung vermittelte Kenntnis.
139Soweit der Kläger als besondere Schwierigkeit
140seiner Tätigkeit die Allgemeinzuständigkeit des ASD,
141die Multiproblemlagen und die Breite des Fachwissens
142darstelle, reiche dieses für die Anerkennung schwieri-
143ger Tätigkeiten i.S.d. Vergütungsgruppe IV b Fallgrup-
144pe 16 BAT nicht aus.
145Hilfen, die Geld kosteten, würden von dem Klä-
146ger im übrigen nicht alleine entschieden; Gruppenlei-
147ter bzw. Fachbereichsleiter müßten zustimmen. Das Ein-
148beziehen der Vorgesetzten gelte gerade auch im Rahmen
149von Tätigkeiten der Eingriffsverwaltung.
150Das Beraten zu Problem- und Konfliktlösungen,
151zu Fragen der persönlichen Lebensführung, der Erlan-
152gung von Unterstützungen, der Bewältigung gesundheit-
153licher und wirtschaftlicher Schwierigkeiten ein-
154schließlich der damit einhergehenden Information und
155Aufklärung, das Vermitteln von Hilfsangeboten mate-
156rieller und persönlicher Art, Anregungen an den be-
157troffenen Personenkreis, um diese zu animieren, zu ak-
158tivieren und zu motivieren, dies alles werde bereits
159mit der Eingruppierung in Vergütungsgruppe IV b Fall-
160gruppe 17 BAT abgedeckt.
161In diesem Zusammenhang sei insbesondere zu be-
162rücksichtigen, daß die Beklagte eine Vielzahl von Spe-
163zialdiensten vorhalte, an die sich der ASD bei schwie-
164rigen Fällen zu wenden habe. Die auch von dem Kläger
165zitierte "Allzuständigkeit" des ASD besage nämlich
166nur, daß der ASD erste Anlaufstation für Hilfesuchende
167sei. Die besonderen sozialen Dienste entschieden - so-
168fern eingeschaltet - eigenständig.
169Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom
17017.08.1994 festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet
171sei, dem Kläger ab 01.01.1993 unter Anrechnung der
172tatsächlich gewährten Vergütung den Vergütungsgruppen-
173zuschlag in Höhe von 6 % der Anfangsvergütung der Ver-
174gütungsgruppe IV b BAT einschließlich anteiliger Zu-
175wendungen nebst 4 % auf die jeweiligen Nettodifferenz-
176beträge ab 29.06.1993 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
177Das Arbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, daß
178entgegen der Auffassung der Beklagten die Tätigkeiten
179eines Sozialarbeiters im ASD einen einheitlichen Ar-
180beitsvorgang darstellten. Der Arbeitsvorgang sei die
181konkrete Beratung einzelner Hilfesuchender. In einem
182jeden solchen Einzelfall müsse ohne weiteres anhand
183des ersten Beratungsgesprächs festgestellt werden, ob
184und in welchem Umfang weitere Beratung erforderlich
185und Hilfe veranlaßt werden müsse.
186Für die geltend gemachte Vergütungsgruppenzula-
187ge komme es nicht darauf an, in welchem Umfang Tätig-
188keiten des Klägers als schwierige Tätigkeiten zu be-
189werten seien.
190Der von dem Kläger zuletzt geltend gemachte An-
191spruch finde zwar seine Stütze nicht in den tarifli-
192chen Bestimmungen des BAT für den Bereich der kommuna-
193len Arbeitgeber (VKA). Ein Vergleich zu den Regelungen
194des BAT für den Bereich des Bundes und den Bereich der
195Tarifgemeinschaften Deutscher Länder (B/L) erweise al-
196lerdings, daß dort der geltend gemachte Vergütungs-
197gruppenzuschlag gewährt werde. Im Hinblick darauf kön-
198ne der Kläger gestützt auf den Gleichbehandlungsgrund-
199satz den ihm günstigeren Zuschlag verlangen.
200Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des
201erstinstanzlichen Urteils Bl. 87 - 93 d.A. Bezug ge-
202nommen.
203Gegen dieses der Beklagten am 26.01.1995 zuge-
204stellte Urteil hat die Beklagte am 23.02.1995 Berufung
205eingelegt und die Berufung am 17.03.1995 begründet.
206Die Beklagte rügt zunächst, daß das erstin-
207stanzliche Urteil den Anspruch des Klägers zuerkenne,
208obwohl im für den Kläger anzuwendenden Tarifvertrag
209hierfür sich keine Anspruchsgrundlage finde.
210Ein "Vergütungsgruppenzuschlag" sei dem für das
211Arbeitsverhältnis der Streitparteien anzuwendenen Ta-
212rifvertrag unbekannt. Auf das Arbeitsverhältnis der
213Parteien seien kraft beiderseitiger Organisationszuge-
214hörigkeit die Bestimmungen des BAT (VKA) anzuwenden.
215Das Arbeitsverhältnis des Klägers gestalte sich nach
216dem Tarifvertrag für die Angestellten im Sozial- und
217Erziehungsdienst (TV SED) in der Fassung vom 24.04.91.
218Diese tarifvertraglichen Bestimmungen sähen eine sog.
219Vergütungsgruppenzulage (nicht Zuschlag) bei einer
220Eingruppierung in Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16
221BAT vor.
222Der Kläger sei allerdings nicht nach Vergü-
223tungsgruppe IV b Fallgruppe 16 BAT einzugruppieren, da
224er schwierige Tätigkeiten nicht ausübe. Die Beklagte
225macht nach wie vor geltend, daß die Klage sich hierzu
226als nicht schlüssig erweise.
227Der vom Arbeitsgericht dem Kläger zuerkannte
228Vergütungsgruppenzuschlag lasse sich insbesondere
229nicht unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung
230rechtfertigen. Die Tarifvertragsparteien hätten auf-
231grund ihrer Tarifautonomie (Art. 9 GG) unterschiedlich
232ausgestaltete Fußnotenzulagen vereinbart. Es könne da-
233her nicht in Betracht kommen, im Wege der Gleichbe-
234handlung Regelungen des BAT (B/L) auf den Tarifbereich
235des BAT (VKA) zu übertragen.
236Darüber hinaus bestehe aber überhaupt keine Un-
237gleichbehandlung.
238Der Umstand, daß im Bereich B/L prozentual
239höhere Vergütungsgruppenzulagen gewährt werden, als im
240Bereich der VKA - 7,5 % statt 6 % bei der Vergütungs-
241gruppe IV b Fallgruppe 16 und 6 % statt 5 % bei der
242Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 17 - habe seine Ursa-
243che ganz schlicht in dem Umstand, daß an unterschied-
244liche Bezugsgrößen angeknüpft werde. Im Bereich B/L
245sei Bezugsgröße die (niedrigere) Anfangsvergütung, im
246Bereich VKA die (höhere) Grundvergütung der Stufe 4.
247Im Ergebnis liefen daher die unterschiedlichen Rege-
248lungen B/L im Verhältnis VKA annähernd auf gleich hohe
249Vergütungsgruppenzulagen hinaus.
250Unter Berücksichtigung der letztgenannten Ge-
251sichtspunkte hat der Kläger zu Protokoll der Kammer-
252sitzung vor dem Landesarbeitsgericht am 20.06.1995
253sein Klagebegehren dahin klargestellt, daß mit der
254Klage beantragt werde festzustellen, daß die Beklagte
255verpflichtet ist, rückwirkend ab dem 01.01.1993 an den
256Kläger eine monatliche Vergütungsgruppenzulage in Höhe
257von 6 % der Grundvergütung der Stufe 4 der Vergütungs-
258gruppe IV b zu zahlen entsprechend der Fußnote I der
259Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 der Anlage 1 - An-
260gestellte im Sozial- und Erziehungsdienst - zum BAT
261VKA und nachzuzahlende Beträge ab dem 05.10.1993 mit
2624 % zu verzinsen.
263Die Beklagte beantragt,
264das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
265vom 17.08.1994 - 3 Ca 5703/93 -
266abzuändern und die Klage abzuweisen.
267Der Kläger beantragt,
268die Berufung zurückzuweisen.
269Der Kläger geht nach wie vor davon aus, daß die
270Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger rückwirkend die
271geltend gemachte Vergütungsgruppenzulage zu zahlen.
272Aus den im einzelnen dargestellten Multipro-
273blemlagen des ASD ergebe sich gleichzeitig, daß es
274sich hierbei um Aufgaben eines Sozialarbeiters in
275schwierigen Tätigkeiten handele. Danach sei die Ein-
276gruppierung in Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 BAT
277geboten; dies führe zur Zahlungsverpflichtung der Ver-
278gütungsgruppe nach Fußnote I zu Vergütungsgruppe IV b
279Fallgruppe 16 BAT VKA.
280Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens
281der Parteien wird auf die in beiden Instanzen gewech-
282selten Schriftsätze verwiesen.
283E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
284I. Die Berufung der Beklagten ist nach dem Wert
285des Beschwerdegegenstandes statthaft (§ 64 Abs. 1 u. 2
286ArbGG) und zulässig; die Berufung wurde form- und
287fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m.
288§§ 518, 519 ZPO).
289II. Die Berufung hatte auch in der Sache Erfolg.
2901. Die Klage ist zulässig.
291Die zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
29220.06.1995 gemachten Angaben stellen das Klagebegehren
293eindeutig klar im Hinblick auf die Konkretisierung der
294geltend gemachten Vergütungsgruppenzulage nach den
295einschlägigen Bestimmungen zum BAT VKA. Die Zulässig-
296keit dieses Antrags folgt aus § 256 ZPO. Es entspricht
297ständiger Rechtsprechung des BAG, Feststellungsklagen
298betreffend wiederkehrende Zahlungsverpflichtungen des
299Arbeitgebers öffentlicher Hand zuzulassen, da erwartet
300werden kann, daß einer rechtskräftig werdenden fest-
301stellenden Verurteilung Folge geleistet wird. Die
302Feststellungsklagen erweisen sich damit als zulässig
303und zur Vermeidung wiederholender Zahlungsklagen pro-
304zeßökonomisch.
3052. Der geltend gemachte Anspruch steht dem
306Kläger in der Sache nicht zu.
307Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet
308kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der
309Streitparteien der BAT Anwendung.
310Für das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Be-
311klagten ergibt sich damit die Anwendbarkeit der tarif-
312vertraglichen Bestimmungen des BAT für den Bereich der
313kommunalen Arbeitgeber (VKA).
3143. Die streitbefangene Vergütungsgruppenzulage be-
315stimmt sich demnach nach dem Tarifvertrag für die An-
316gestellten im Sozial- und Erziehungsdienst (TV SED
317VKA) in der Fassung vom 24.04.1991.
318Damit kommt es für die Eingruppierung und die
319aus einer Eingruppierung resultierende Verpflichtung
320zur Zahlung einer Zulage zunächst auf die Bewertung
321der ausgeübten Tätigkeit an. Die Eingruppierung rich-
322tet sich dabei nach § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 S. 1
323BAT. Danach bestimmt sich die Eingruppierung nach der
324Tätigkeit, die der Arbeitnehmer zeitlich mindestens
325zur Hälfte anfallender Arbeitsvorgänge verrichtet.
326Diese Arbeitsvorgänge müssen die Anforderungen eines
327Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale
328der in Anspruch genommenen Vergütungsgruppe erfüllen.
329a) Die Kammer schließt sich zunächst der Auffas-
330sung des Klägers an, daß die von dem Kläger wahrgenom-
331menen Tätigkeiten im sog. ASD als einheitlicher Ar-
332beitsvorgang anzusehen sind.
333Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bun-
334desarbeitsgerichts ist unter einem Arbeitsvorgang eine
335unter Hinzuziehung von Zusammenhangstätigkeiten und
336bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen
337Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten
338abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende
339Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis
340führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen
341(BAG, Urt. v. 19.06.1993 - 4 AZR 642/84 - AP Nr. 116
342zu § 22, 23 BAT).
343Dabei ist eine tarifwidrige "Atomisierung" zu
344vermeiden; jedoch dürfen tariflich verschieden zu be-
345wertende Aufgaben nicht zu einem Arbeitsvorgang zusam-
346mengefaßt werden.
347Für die Darlegungs- und Beweislast eines Klä-
348gers gelten dabei auch in sog. Eingruppierungsklagen
349die allgemeinen Grundsätze des materiellen und des
350Verfahrensrechts: Danach hat ein Kläger einer solchen
351Klage die Einzelheiten seiner Tätigkeit sowie sämtli-
352che Tatsachen vorzutragen, die das Gericht zur recht-
353lichen Bestimmung der "Arbeitsvorgänge" kennen muß.
354Jedoch hat der Kläger nicht die Pflicht, seine Tätig-
355keit bereits nach "Arbeitsvorgängen" vorgegliedert den
356Tatsachengerichten zu schildern (BAG, Urt. v.
35728.02.1979 - 4 AZR 427/77 - EzA § 22 - 23 BAT Nr. 22).
358Die von dem Kläger dargestellten "Multiproblem-
359lagen", die jeweilige Aufgabenstellung des ASD Lö-
360sungsansätze für die vielfältigen Problemlagen der zu
361betreuenden Personen zu finden, rechtfertigen es, mit
362dem Kläger die anfallenden Aufgaben im ASD als einen
363nicht zu atomisierenden gemeinsamen großen Arbeitsvor-
364gang zu bewerten.
365b) Die Eingruppierung des Klägers bestimmt sich
366sodann gem. §§ 22, 23 BAT danach, ob in diesem Ar-
367beitsvorgang, der die gesamte Tätigkeit des Klägers
368umfaßt und somit mindestens die Hälfte der dem Kläger
369übertragenen Aufgaben ausmacht, die Anforderungen der
370Tätigkeitsmerkmale der in Anspruch genommenen Vergü-
371tungsgruppe erfüllt sind.
372Für die Eingruppierung des Klägers sind nach-
373folgende Vergütungsgruppen und Tarifvorschriften zu
374berücksichtigen:
375Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 10 BAT (VKA):
376Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit
377staatlicher Anerkennung und ent-
378sprechender Tätigkeit sowie sonstige
379Angestellte, die aufgrund gleich-
380wertiger Fähigkeiten und ihrer Er-
381fahrung entsprechende Tätigkeiten
382ausüben.
383Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 BAT (VKA):
384Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit
385staatlicher Anerkennung und ent-
386sprechender Tätigkeit sowie sonstige
387Angestellte, die aufgrund gleich-
388wertiger Fähigkeiten und ihrer Er-
389fahrung entsprechende Tätigkeiten
390ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten
391(hierzu Protokollerklärung Nr. 1 und
39212).
393Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 17 BAT (VKA):
394Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit
395staatlicher Anerkennung und ent-
396sprechender Tätigkeit sowie sonstige
397Angestellte, die aufgrund gleich-
398wertiger Fähigkeiten und ihrer Er-
399fahrung entsprechende Tätigkeiten
400ausüben, nach zweijähriger Bewährung
401in Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 10
402(hierzu Protokollerklärung Nr. 1).
403Die Protokollerklärung 12 lautet:
404Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die,
405a) Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
406b) Beratung von HIV-Infizierten oder an
407AIDS erkrankten Personen,
408c) begleitende Fürsorge für Heimbewohner
409und nachgehende Fürsorge für ehemalige
410Heimbewohner,
411d) begleitende Fürsorge für Strafgefangene
412und nachgehende Fürsorge für ehemalige
413Strafgefangene,
414e) Koordinierung der Arbeit mehrerer
415Angestellter mindestens der Vergütungs-
416gruppe V b.
417Die Protokollnotiz 1 ist für die vorstehend an-
418stehenden Klärungsfragen ohne Bedeutung.
419Für Arbeitnehmer, die in Vergütungsgruppe IV b
420Fallgruppe 16 BAT (VKA) eingruppiert sind, gilt nach
421Fußnote I u.a. folgendes:
422Diese Angestellten erhalten nach
423vierjähriger Bewährung in dieser
424Fallgruppe eine monatliche Vergü-
425tungsgruppenzulage in Höhe von
4266 v.H. der Grundvergütung der
427Stufe 4 der Vergütungsgruppe IV b.
428...
429c) Für den geltend gemachten Anspruch ist daher zu
430prüfen, ob unter Berücksichtigung der von dem Kläger
431ausgeübten Tätigkeit eine Eingruppierung nach Vergü-
432tungsgruppe IV b Fallgruppe 16 vorzunehmen ist; hier-
433aus würde sodann nach vierjähriger Bewährung in der
434vorgenannten Vergütungs- und Fallgruppe die geltend
435gemachte Vergütungsgruppenzulage herleiten.
436Die vorgenannten Vergütungsgruppen bauen auf-
437einander auf.
438Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist daher
439zunächst zu prüfen, ob die Merkmale der Ausgangsfall-
440gruppen erfüllt sind, um anschließend der Reihe nach
441das Vorliegen der weiteren qualifizierenden Tätig-
442keitsmerkmale zu untersuchen (BAG, Urt. v. 20.03.1991
443- 4 AZR 471/90 - AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT).
444Der Kläger ist Sozialarbeiter mit staatlicher
445Anerkennung. Dem Kläger ist eine Tätigkeit als Sozial-
446arbeiter übertragen, da er in der Betreuung von Perso-
447nen in kritischen und Notsituationen beschäftigt ist
448und im sog. ASD der Beklagten arbeitet.
449Damit sind die Tarifmerkmale für eine Eingrup-
450pierung nach Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 10 BAT
451erfüllt.
452Der Kläger ist in Tätigkeiten des ASD bei der
453Beklagten seit dem 01.10.1978 eingesetzt.
454Der Kläger erfüllt damit jedenfalls die Vor-
455aussetzungen nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 17
456BAT.
457Die Höhergruppierung aus Vergütungsgruppe V b
458Fallgruppe 10 in Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 17
459BAT setzt nämlich keine Qualifizierung in den ausgeüb-
460ten Tätigkeiten voraus, sondern verlangt lediglich ei-
461ne zweijährige Bewährung in Vergütungsgruppe V b Fall-
462gruppe 10. Bewährung bestreitet die Beklagte dem Klä-
463ger nicht. Der Kläger ist zudem unstreitig in Vergü-
464tungsgruppe IV b Fallgruppe 17 BAT eingruppiert und
465wird nach dieser Vergütungsgruppe entlohnt.
466Die Tätigkeit des Klägers entspricht allerdings
467nicht Tätigkeiten der Vergütungsgruppe IV b Fallgrup-
468pe 16 BAT.
469Hervorhebungsmoment für eine Eingruppierung
470nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 im Verhältnis
471zur Eingruppierung der Vergütungsgruppe V b Fallgrup-
472pe 10 BAT ist, daß ein Einsatz in schwierigen Tätig-
473keiten erfolgt.
474Die Protokollerklärung Nr. 12 zu den einschlä-
475gigen Tarifnormen für Sozialarbeiter legt beispielhaft
476fest, unter welchen Voraussetzungen das Hervorhebungs-
477moment schwierige Tätigkeiten als erfüllt anzusehen
478ist.
479Mit dem Kläger kann zunächst davon ausgegangen
480werden, daß es sich bei der Aufzählung zu a) - e) der
481Protokollerklärung nicht um eine abschließende Aufzäh-
482lung der Aufgabenbereiche handelt, die eine entspre-
483chende Höhergruppierung bedingen. Vielmehr sind die
484angeführten Beispiele zu a) - e) auf vergleichbare Tä-
485tigkeiten zu übertragen.
486Durch die Protokollerklärung wird allerdings
487verdeutlicht, daß die schwierige Tätigkeit eine Her-
488vorhebung in der Aufgabenstellung verlangt.
489Diese Hervorhebung definiert e) in der Übertra-
490gung von Koordinierungsaufgaben für mehrere Angestell-
491te mindestens der Vergütungsgruppe V b. Derartige Tä-
492tigkeiten übt der Kläger unstreitig nicht aus. Die
493Beispielsfälle zu a) - d) verdeutlichen das Hervorhe-
494bungsmoment der schwierigen Tätigkeit durch die Fach-
495beratung bzw. begleitende Fürsorge für konkret ange-
496sprochene Personengruppen, wobei in allen Beispiels-
497fällen a) - d) es um in der Sozialarbeit bekannte be-
498sondere Problemgruppen von Personen geht. Daß der Klä-
499ger unstreitig gerade auch mit den dort aufgeführten
500Problemgruppen zu tun hat und im Rahmen des Allgemei-
501nen Sozialen Dienstes sich die entsprechenden Aufgaben
502dem Kläger stellen, führt demgegenüber nicht dazu, be-
503reits das Hervorhebungsmoment schwierige Tätigkeiten
504annehmen zu können.
505Das Hervorhebungsmoment begleitende Fürsorge
506und/oder Beratung stellt den eigentlichen Gesichts-
507punkt für die Bewertung der übertragenen Tätigkeit als
508schwierige Tätigkeit dar.
509Hierzu erweist sich allerdings der gesamte
510Sachvortrag des Klägers in beiden Instanzen als nicht
511schlüssig. Darauf weist die Beklagte zutreffend hin.
512Weder die von dem Kläger angesprochene Allzu-
513ständigkeit des ASD noch die angeführten Multiproblem-
514lagen und das erforderliche breite Fachwissen vermögen
515für sich gesehen bereits die Hervorhebung als schwie-
516rige Tätigkeit zu rechtfertigen. Die Beklagte weist
517hierzu zutreffend darauf hin, daß es sich insgesamt um
518Tätigkeiten handelt, die zum typischen Aufgabenbereich
519der Tätigkeiten eines ausgebildeten Sozialarbeiters
520gehören. Wäre die Argumentation des Klägers insoweit
521zutreffend, so gäbe es kaum eine Eingruppierung von
522Arbeitnehmern, die noch der Vergütungsgruppe V b Fall-
523gruppe 10 BAT zugeordnet werden könnte.
524Dabei ist davon auszugehen, daß aufgrund be-
525reits der Ausbildung als Sozialarbeiter die Tätigkei-
526ten der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 10 BAT schwie-
527rige Fachaufgaben verlangen.
528Zur dem üblichen Berufsbild zuzuordnenden nor-
529malen Schwierigkeit muß für die Zuordnung nach Vergü-
530tungsgruppe IV b Fallgruppe 16 BAT gerade eine Hervor-
531hebung aus der üblichen Schwierigkeit von Aufgaben ei-
532nes Sozialarbeiters feststellbar sein.
533Daran fehlt es allerdings deshalb, weil die Be-
534klagte zutreffend darauf hinweist, daß für die eigent-
535liche Bewältigung einzelfallbezogener Beratung und be-
536gleitender Fürsorge Spezialdienste vorgehalten werden.
537Dann aber vermag eine Tätigkeit im sog. ASD nicht be-
538reits der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 BAT zu-
539geordnet zu werden.
540Tätigkeiten im ASD sind demnach typische Nor-
541mal- und Grundtätigkeit eines Sozialarbeiters. Zu die-
542ser Basisarbeit gehört es gerade, daß der Mitarbeiter
543mit Menschen unterschiedlichster Problemgruppen zu tun
544hat, die auf verschiedenste Art geschädigt sind. Ihnen
545hat er Basishilfe zu leisten. Diese Hilfe stellt aber
546die typischen Anforderungen dar, die an die Tätigkeit
547eines Sozialarbeiters nach Ziel und Ausbildung zu
548stellen sind. Die hier zu leistenden Anforderungen ge-
549hen über die üblichen Anforderungen des Berufsbildes
550nicht hinaus. Das Hervorhebungsmoment durch schwierige
551Tätigkeit kann nicht als erfüllt angesehen werden.
552Damit ist mit der Beklagten davon auszugehen,
553daß die tatsächlich erfolgte Eingruppierung und Ent-
554lohnung des Klägers nach Vergütunsgruppe IV b Fall-
555gruppe 17 BAT zutreffend ist und demzufolge die Zah-
556lung einer Vergütungsgruppenzulage nach Fußnote I zu
557Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 BAT ausscheidet.
558Im Hinblick auf die Klarstellung des Klagebe-
559gehrens zu Protokoll der Kammersitzung vom 20.06.1995
560war ein näheres Eingehen auf den erstinstanzlich her-
561angezogenen Gesichtspunkt "Gleichbehandlung" zu den
562tariflichen Vorschriften des Bereichs B/L entbehrlich.
563Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die
564Berufungsbegründung hierzu zutreffend darauf hingewie-
565sen hat, daß die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer
566Tarifautonomie berechtigt waren, unterschiedlich aus-
567gestaltete Fußnotenzulagen zu vereinbaren, die für die
568zutreffende Entscheidung wie vereinbart heranzuziehen
569sind. Auch die im eigentlichen gar nicht feststellbare
570Ungleichbehandlung wegen der unterschiedlichen Bezugs-
571größen für die vereinbarten Zulagen des Bereichs B/L
572einerseits und VKA andererseits stehen den Überlegun-
573gen des erstinstanzlichen Urteils entgegen.
574Nach alledem war auf die Berufung das Urteil
575des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuwei-
576sen.
577III. Da der Kläger den Prozeß verloren hat, muß
578er nach §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 91 ZPO die Kosten des
579Rechtsstreits tragen.
580R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
581Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die
582Voraussetzungen hierfür (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nach Auf-
583fassung der Kammer nicht vorliegen. Auf die Möglich-
584keit der Nichtzulassungsbeschwerde nach §§ 72, 72 a
585ArbGG als Rechtsbehelf wird hingewiesen.
586(Jüngst) (von Taboritzki) (Tressat)
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