Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 2 Sa 159/98
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen die am 16.09.1997
verkündeten Urteile des Arbeitsgerichts Köln - 17 Ca
934/97 -, - 17 Ca 937/97 - und 17 Ca 939/97 - werden
zurückgewiesen.
Von den Kosten der Nebenintervenientin tragen die
Kläger je 1/6. Im übrigen trägt die Nebenintervenientin
ihre Kosten selbst. Von den übrigen Kosten des Rechts-
streits tragen die Kläger je 1/3.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz darüber, ob der Beklagte den Zeitwertfaktor der Betriebsrenten der Kläger im Verhältnis der Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur Dauer der möglichen Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres berechnen darf, oder ob er das 60. Lebensjahr als feste Altersgrenze und damit als Ende der möglichen Betriebszugehörigkeit der Kläger zugrunde legen muß. Ferner streiten sie über die Frage, ob der Beklagte die Betriebsrenten der Kläger anpassen muß, wenn sich die Gruppenbeträge nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes ändern.
3Der am 27. Mai 1935 geborene Kläger zu 1), Herr N , war ab 01.04.1968 bei der Firma R in V beschäftigt, die später als S firmierte. Von ihr erhielt der Kläger zu 1) eine Versorgungszusage nach Maßgabe der Leistungsordnung des Essener Verbandes. Mit Datum vom 26.10.19987 vereinbarte der Kläger zu 1) mit seiner Arbeitgeberin die Aufhebung des Arbeitsvertrages zum 31.03.1988. Bezüglich der betrieblichen Altersversorgung heißt es im Aufhebungsvertrag, daß der Kläger zu 1) bezüglich der Essener Verbands-Regelung nach Beendigung des Dienstverhältnisses ein gesondertes Schreiben erhalten solle. Dieses in der Überschrift als "Vereinbarung" bezeichnete Schreiben erhielt der Kläger zu 1) mit Datum vom 10.10.1990. Er erklärte sich unterschriftlich mit dem Inhalt des Schreibens einverstanden. Auszugsweise war darin folgendes geregelt:
4"Ab 1. Juni 1995 erhält Herr N Ruhegeld aus dem Essener
5Verband wie folgt:
6100 % der Gruppe H 1 = derzeit 2.950,00 DM brutto monatlich
7Hierauf werden die Rente aus der Angestelltenversicherung und
8die Pensionen anderer Versorgungseinrichtungen gemäß den
9jeweiligen geltenden Bestimmungen der Leistungsordnung des
10Essener Verbandes angerechnet.
11Voraussetzung für die Gewährung des Ruhegeldes aus dem
12Essener Verband ist gemäß Leistungsordnung des Essener
13Verbandes die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersruhegeld
14aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Herr N verpflichtet
15sich, seinen Anspruch gegenüber den Sozialversicherungsträgern
16zum 1. Juni 1995 rechtzeitig geltend zu machen.
17Sollte die vorzeitige Zahlung von Rente aus Gründen, die Herr
18N zu vertreten hat, zum oben genannten Zeitpunkt abgelehnt
19werden, entfällt der Anspruch auf vorzeitige Zahlung des Ruhegeldes
20aus dem Essener Verband. S ist in diesem Fall zu keinerlei
21Zahlung verpflichtet; erst mit Beginn der Zahlung des vorgezogenen
22Altersruhegeldes aus der Rentenversicherung setzt auch die Zahlung
23des Ruhegeldes aus dem Essener Verband gemäß Leistungsordnung
24ein."
25...
26Der am 8. Mai 1935 geborene Kläger zu 2), Herr S , war ab 01.01.1970 bei der Firma R in V , später S beschäftigt. Er schloß am 08.05.1987 einen Aufhebungsvertrag mit seiner Arbeitgeberin. Danach schied er am 31.05.1987 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Im Aufhebungsvertrag heißt es bezüglich der auch dem Kläger zu 2) nach Maßgabe der Leistungsordnung des Essener Verbandes erteilten Versorgungszusage, daß der Kläger zu 2) ab 1. Juni 1995 Ruhegeld nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes erhalten solle, und zwar 100 % der Gruppe "L 1" = derzeit 3.575,00 DM brutto monatlich. Die anschließenden Regelungen entsprechen denen im Schreiben der S vom 10.10.1990 an den Kläger zu 1).
27Der am 15.07.1935 geborene Kläger zu 3), Herr S , war ab 01.08.1962 bei der Firma R in V , später S beschäftigt. Er schloß am 28.03.1990 einen Aufhebungsvertrag mit seiner Arbeitgeberin und schied am 30.09.1990 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Mit Rücksicht auf die ihm mit Datum vom 21.12.1995 erteilte Ruhegeldzusage enthielt der Aufhebungsvertrag die Regelung, daß Herr S ab 01.08.1995 Ruhegeld nach Maßgabe der Leistungsordnung des Essener Verbandes erhalten solle, und zwar 100 % der Gruppe "G" = derzeit 2.700,00 DM brutto monatlich. Auch im Falle des Herrn S entsprechen die weiteren Regelungen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Ruhegeld inhaltlich der Vereinbarung der S mit den Klägern zu 1) und 2).
28Mit Datum vom 27.12.1993 schloß die D (D ) als Gesamtrechtsnachfolgerin der Firma S mit dem Beklagten eine Vereinbarung, nach der als Tag des Eintritts des Sicherungsfalles mit der Folge entsprechender Leistungsverpflichtungen des Beklagten der 01.08.1993 galt. In der Präambel heißt es, der P stimme nach Maßgabe der allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung unter den nachfolgenden Bedingungen einem außergerichtlichen Quotenvergleich zu. Sodann heißt es auszugsweise wie folgt:
292. "Der P übernimmt nach Maßgabe des BetrAVG die
30nachfolgend unter Ziffern 2. 1 - 2.5 beschriebenen Ver-
31sorgungsverpflichtungen der D , sofern die D hierfür
32als Arbeitgeber Versorgungsschuldner ist und soweit sich
33nicht aus Ziffer 3. etwas anderes ergibt. Der P ist damit
34ab dem 01.08.1993 zur Erfüllung gegenüber den Versorgungs-
35berechtigten der D verpflichtet.
362.1. Der P übernimmt auf Dauer die Erfüllung der per
3701.08.1993 laufenden Betriebsrente der D aufgrund von
38unmittelbaren Versorgungszusagen der D oder deren
39Rechtsvorgängerinnen nach Maßgabe von Ziffer 3.3.
402.2. Der P sichert auf Dauer die bei der D per
4101.08.1993 bestehenden unverfallbaren Versorgungs-
42anwartschaften aufgrund von unmittelbaren Versorgungs-
43zusagen."
44...
452.4. Ferner sichert der P etwaige vertragliche Ansprüche
46der Versorgungsberechtigten gemäß Ziffer 2.1, 2.2 auf
47Anpassung und Erhöhung ihrer Betriebsrenten.
48Wegen der Einzelheiten des Vergleichs wird auf Bl. 215 ff. d. A. 2 Sa 159/98 verwiesen.
49Bezüglich der Ziffer 2.4 der Vereinbarung ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht unstreitig geworden, daß seinerzeit Zweifel bei den Beteiligten daran bestanden, ob die Leistungsordnung des Essener Verbandes eine Dynamisierungsverpflichtung für den Arbeitgeber normierte, die für den P bindend war, oder ob das nicht der Fall war. Hingegen war die Problematik, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.11.1994 - 3 AZR 767/93 -, EzA BetrAVG § 7 Nr. 50 war, zu keiner Zeit Gegenstand der Verhandlungen des Beklagten mit der D . Die Problematik der Veränderungssperre für Arbeitnehmer, die mit unverfallbarer Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, hatte keiner der Beteiligten gesehen.
50Mit Leistungsbescheid vom 16.10.1995 berechnete der Beklagte die Betriebsrente für den Kläger zu 1), Herr N , mit 1.864,20 DM (Bl. 18 ff. d. A. 2 Sa 159/98). Der Kläger zu 2), Herr S , erhielt einen Leistungsbescheid des Beklagten mit Datum vom 03.08.1995. Danach sollte die Betriebsrente 2.709,89 DM betragen (Bl. 17 ff. d. A. 2/12 Sa 267/98). Für den Kläger zu 3), Herrn S , errechnete der Beklagte gemäß Leistungsbescheid vom 03.08.1995 ein betriebliches Ruhegeld von 1.444,18 DM (Bl. 12 ff. d. A. 2/12/4 Sa 283/98). Der Beklagte legte bei allen Klägern das 65. Lebensjahr als feste Altersgrenze nach der maßgeblichen Ruhegeldregelung zugrunde und ging davon aus, daß ihre mögliche Betriebszugehörigkeit jeweils mit Vollendung des 65. Lebensjahres endete. Außerdem weigert er sich, die Betriebsrenten anzupassen, wenn der Essener Verband die Gruppenbeträge anhebt, was durch Beschlüsse vom 01.07.1995, 01.07.1996 und vom 01.07.1997 geschehen ist. Auch in Zukunft will der Beklagte bei Änderungen der Gruppenbeträge des Essener Verbandes keine Anpassungen vornehmen.
51Die Kläger haben die Ansicht vertreten, für sie sei durch Vereinbarung mit ihrer damaligen Arbeitgeberin, der S , das 60. Lebensjahr als feste Altersgrenze für die Zahlung des betrieblichen Altersruhegeldes vereinbart worden. Der Kläger zu 1) leitet dieses aus dem von ihm gegengezeichnete Schreiben der S vom 10.10.1990 her, die Kläger zu 2) und 3) stützen sich für ihre Rechtsansicht auf die mit der S geschlossenen Aufhebungsvereinbarungen. Sie meinen deshalb, daß der Beklagte bei der Berechnung der anteiligen Betriebsrenten einen für die Kläger günstigeren Kürzungsfaktor zugrunde legen müsse. Außerdem haben die Kläger die Ansicht vertreten, daß der Beklagte verpflichtet sei, die Betriebsrenten jeweils anzupassen, wenn sich die Gruppenbeträge der Leistungsordnung des Essener Verbandes ändern.
52Außerdem haben sie sich gegen den Ansatz des sogenannten Pensionskassenwertes gewendet.
53Der Kläger zu 1), Herr N , hat beantragt,
54festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die monatliche
55Betriebsrente des Klägers beginnend mit dem 01.06.1995 gemäß
56der Ausscheidungsvereinbarung des Klägers mit der S vom
5726.10.1987 im Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit
58bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers und unter
59Wegfall der Anrechnung von Pensionskassenleistungen neu zu
60berechnen und die auf dieser Grundlage ermittelte Betriebsrente
61anzupassen und unter Berücksichtigung der laufenden Teilbeträge,
62zu zahlen.
63Der Kläger zu 2), Herr S , hat beantragt,
64festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die monatliche
65Betriebsrente des Klägers beginnend mit dem 01.06.1995 gemäß
66der Ausscheidungsvereinbarung des Klägers mit der S vom
6708.05.1987 im Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit bis
68zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers und unter Weg-
69fall der Anrechnung von Pensionskassenleistungen neu zu berechnen
70und die auf dieser Grundlage ermittelte Betriebsrente anzupassen und
71unter Berücksichtigung der laufenden Teilbeträge, zu zahlen.
72Der Kläger zu 3), Herr S , hat beantragt,
73festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die monatliche
74Betriebsrente des Klägers beginnend mit dem 01.06.1995 gemäß
75der Ausscheidungsvereinbarung des Klägers mit der S vom
7628.03.1990 im Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit bis
77zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers und unter Weg-
78fall der Anrechnung von Pensionskassenleistungen neu zu berechnen
79und die auf dieser Grundlage ermittelte Betriebsrente anzupassen und
80unter Berücksichtigung der laufenden Teilbeträge, zu zahlen.
81Der Beklagte hat beantragt,
82die Klagen abzuweisen.
83Diesem Antrag hat sich die D , der die Kläger den Streit verkündet hatten und die dem Rechtsstreit auf seiten des Beklagten beigetreten war, angeschlossen.
84Der Beklagte hat darauf verwiesen, daß die Leistungsordnung des Essener Verbandes das 65. Lebensjahr als feste Altersgrenze normiere. Er hat die Ansicht vertreten, daß die Vereinbarungen der S mit den Klägern daran nichts geändert habe. Im übrigen hat der Beklagte ausgeführt, er sei nicht verpflichtet, die Betriebsrenten der Kläger zu dynamisieren. Das ergebe sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22.11.1994.
85Das Arbeitsgericht hat durch Urteile vom 16.09.1997 festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrenten der Kläger unter Wegfall der Anrechnung von Pensionskassenleistungen neu zu berechnen. Die weitergehenden Klagen der Kläger wurden zurückgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 70 ff. d. A. 2 Sa 159/98 und Bl. 70 ff. d. A. 2/12 Sa 267/98 sowie Bl. 65 ff. d. A. 2/12/4 Sa 283/98) wird verwiesen.
86Gegen diese Urteile haben alle drei Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch form- und fristgemäß begründet. In der Berufungsinstanz wurden die drei Verfahren miteinander verbunden.
87Die Kläger halten an ihrer Ansicht fest, die Vollendung ihres 60. Lebensjahres sei als feste Altersgrenze für den Bezug betrieblichen Altersruhegeldes zugrunde zulegen. Deshalb müsse der Beklagte bei der Berechnung der an die Kläger zu zahlenden Betriebsrenten die Zeitwertfaktoren ändern. Außerdem machen sie geltend, der Beklagte habe sich in Ziffer 2.4 der Vereinbarung mit der D verpflichtet, auch die Pensionsanwartschaften zu dynamisieren. Bei dieser Vereinbarung handele es sich um einen Vertrag zu Gunsten Dritter, aus dem die Kläger folglich unmittelbare Rechte herleiten könnten.
88Der Kläger zu 1) beantragt nunmehr,
89das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, daß
90der Beklagte verpflichtet ist, die monatliche Betriebsrente des
91Klägers beginnend mit dem 01.06.1995 gemäß Ausscheidungs-
92vereinbarung des Klägers mit der S vom 10.10.1990
93im Verhältnis der Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit
94vom 01.04.1968 bis zum 31.07.1993 zur Dauer der möglichen
95Betriebszugehörigkeit vom 01.04.1968 bis zum 30.05.1995 neu
96zu berechnen und die auf dieser Grundlage ermittelte Betriebs-
97rente gemäß den Beschlüssen vom 01.07.1995, vom 01.07.1996
98und vom 01.07.1997 und künftiger Beschlüsse des Essener Ver-
99bandes anzupassen und unter Berücksichtigung der laufenden
100Teilbeträge zu zahlen.
101Der Kläger zu 2) beantragt,
102unter Aufhebung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß
103der Beklagte verpflichtet ist, die monatliche Betriebsrente des
104Klägers beginnend mit dem 01.06.1995 im Verhältnis der tat-
105sächlichen Betriebszugehörigkeit des Klägers vom 01.01.1970
106bis zum 31.07.1990 zur Dauer seiner möglichen Betriebszuge-
107hörigkeit vom 01.01.1970 bis zum 08.05.1995 neu zu berechnen
108und die auf dieser Grundlage ermittelte Betriebsrente des Klägers
109gemäß den Beschlüssen des Essener Verbandes vom 01.07.1995,
11001.07.1996 und 01.07.1997 zu dynamisieren und auch in Zukunft
111anzupassen und unter Berücksichtigung der laufenden Teilbeträge
112an den Kläger zu zahlen.
113Der Kläger zu 3) beantragt,
114unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß
115der Beklagte verpflichtet ist, die monatliche Betriebsrente des
116Klägers beginnend mit dem 01.08.1995 gemäß Ausscheidungs-
117vereinbarung des Klägers mit der S vom 28.03.1990
118im Verhältnis der Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit
119vom 01.08.1962 bis zum 31.07.1993 zur Dauer der möglichen
120Betriebszugehörigkeit vom 01.08.1962 bis 15.07.1995 neu zu
121berechnen und die auf dieser Grundlage ermittelte Betriebsrente
122gemäß den Beschlüssen vom 01.07.1996 und 01.07.1997 und
123künftiger Beschlüsse des Essener Verbandes anzupassen und
124unter Berücksichtigung der laufenden Teilbeträge zu zahlen.
125Der Beklagte beantragt,
126die Berufungen zurückzuweisen.
127Er ist weiterhin der Meinung, die in der Leistungsordnung des Essener Verbandes mit dem 65. Lebensjahr normierte feste Altersgrenze sei zu keiner Zeit zu Gunsten der Kläger vorgezogen worden. Auch meint er weiterhin, nicht zur Dynamisierung der Betriebsrenten verpflichtet zu sein. Er trägt vor, der außergerichtliche Vergleich vom 27./28.12.1993/11.01.1994, bei dem es sich nicht um einen Vertrag zu Gunsten Dritter handele, begründe keine Ansprüche, die das Gesetz nicht vorsehe. Weder die D noch die Kläger hätten darauf vertrauen können, daß die Versorgungsanwartschaften dynamisiert würden, wenn der Beklagte gesetzlich dazu nicht verpflichtet sei. Daß der Beklagte keine weitergehende Verpflichtungen habe eingehen wollen, ergebe sich aus der Bezugnahme auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Insolvenzsicherung und im übrigen aus dem Gesamtzusammenhang der Vereinbarungen.
128Die Streitverkündete ist im Berufungsverfahren bezüglich der Frage der festen Altersgrenze dem Rechtsstreit auf seiten des Beklagten beigetreten. Bezüglich der Frage der Dynamisierung unterstützt sie die Kläger. Sie beantragt demzufolge,
129die Berufungen der Kläger betreffend die Abänderung des
130Unverfallbarkeitsfaktors zurückzuweisen und auf die Berufung
131der Kläger den Beklagten zu verurteilen, die Betriebsrenten
132aufgrund der Beschlüsse des Essener Verbandes anzupassen
133und entsprechende Leistungen an die Kläger zu erbringen.
134Wegen aller weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vortrages wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze verwiesen. Auf die zu den Akten gereichten Urkunden wird ergänzend Bezug genommen.
135E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
136Die zulässigen Berufungen der Kläger sind nicht begründet.
1371. Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, daß der Beklagte ihre Betriebsrente so berechnet, als sei nach der zugrunde liegenden Versorgungsregelung das 60. Lebensjahr die feste Altersgrenze. Der Beklagte hat vielmehr den sogenannten Unverfallbarkeitsfaktor richtig berechnet.
138Allen Klägern war betriebliches Ruhegeld nach Maßgabe der Leistungsordnung des Essener Verbandes zugesagt. Diese enthält, wovon auch die Kläger ausgehen, keine vom 65. Lebensjahr abweichende "feste Altersgrenze". Das ergibt sich, worauf auch die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln im Urteil vom 27.03.1998 - 4 Sa 1101/97 - hingewiesen hat, bereits daraus, daß die Leistungsordnung des Essener Verbandes Kürzungen der Altersversorgung für den Fall vorsieht, daß der Angestellte eine Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht und damit vor Vollendung des 65. Lebensjahres betriebliches Ruhegeld in Anspruch nimmt (vgl. auch BAG, Urteil vom 29.07.1997 - 3 AZR 134/96 -, EzA BetrAVG § 6 Nr. 20 zur festen Altersgrenze des 65. Lebensjahres nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes).
139Durch die im Zusammenhang mit der Aufhebung der Arbeitsverhältnisse getroffenen Vereinbarungen wurde die feste Altersgrenze nicht in Abweichung von der Leistungsordnung des Essener Verbandes auf das 60. Lebensjahr der Kläger vorgezogen. Die Ruhegeldzahlung war bei allen drei Klägern an die Voraussetzung der vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung geknüpft. Erkennbar war damit das vorgezogene Altersruhegeld gemeint. Schon das Arbeitsgericht hat im Anschluß an die Literatur darauf hingewiesen, daß mit der festen Altersgrenze im Gegensatz zur flexiblen Altersgrenze das Alter des Arbeitnehmers gemeint ist, zu dem er die reguläre Altersleistung in Anspruch nehmen kann, ohne zusätzlich Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen zu müssen (Höfer/Reiners/Wüst, Kommentar zum BetrAVG, Band I, Stand 30.09.1995, Rdnr. 1661). Angesichts der Verknüpfung der ab Vollendung des 60. Lebensjahres in Aussicht gestellten Betriebsrente mit dem vorgezogenen Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung konnten auch die Kläger als Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben gemäß §§ 133, 157 BGB die Erklärungen ihrer Arbeitgeberin nicht dahin verstehen, daß die feste Altersgrenze vorgezogen werden sollte. Eine solche Vereinbarung wäre im Zweifel auch klarer gefaßt worden, etwa in der Weise, daß an die Stelle der festen Altersgrenze des 65. Lebensjahres nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes das 60. Lebensjahr treten solle, wie es in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.07.1997 - 3 AZR 134/96 -, a. a. O., zugrundeliegenden Fall geschehen ist.
140Danach können die Kläger nicht verlangen, daß der Beklagte bei der Berechnung der Betriebsrenten den Unverfallbarkeitsfaktor ändert.
141Bei der gegebenen Sachlage brauchte nicht erörtert zu werden, ob der Beklagte an eine etwaige einzelvertragliche Vorverlegung der festen Altersgrenze im Rahmen des gesetzlichen Insolvenzschutzes gebunden wäre.
1422. Die Berufungen der Kläger waren auch zurückzuweisen, soweit sie von dem Beklagten die regelmäßige Anpassung der Betriebsrenten bei Änderungen der Gruppenbeträge der Leistungsordnung des Essener Verbandes verlangen.
143a) Aus dem Gesetz läßt sich der Anspruch auf Dynamisierung der Betriebsrenten nicht herleiten.
144Die Kläger waren bei Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse noch nicht Betriebsrentner. Sie schieden vielmehr mit unverfallbaren Versorgungsanwartschaften aus dem Betrieb ihrer Arbeitgeberin aus. Entgegen der erstinstanzlich von den Klägern vertretenen Auffassung wurde in den Aufhebungsverträgen auch nicht der Fortbestand der Arbeitsverhältnisse bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres fingiert. Vielmehr war klar vereinbart, daß die Arbeitsverhältnisse durch die Aufhebungsverträge enden sollten.
145Der Umfang des gesetzlichen Insolvenzschutzes für Inhaber unverfallbarer Versorgungsanwartschaften richtet sich nach § 7 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1, Abs. 2 u. Abs. 5 BetrAVG. Danach sind Veränderungen der Bemessungsgrundlagen für die Berechnung des Betriebsrentenanspruchs, die nach dem Insolvenzfall eintreten, für die Berechnung des Anspruchs gegen die Träger der Insolvenzsicherung unerheblich. Eine vertragliche Anpassung der Rentenanwartschaft nach variablen Bezugsgrößen ist damit nicht insolvenzgesichert. Die Veränderungssperre des § 2 Abs. 5 BetrAVG wirkt im Rahmen des Insolvenzschutzes nach § 7 Abs. 2 BetrAVG nicht nur bis zum Eintritt des Versorgungsfalls. Auch Veränderungen der Bemessungsgrundlagen nach Eintritt des Versorgungsfalles sind für die Berechnung des Teilanspruchs gegenüber dem Träger der Insolvenzversicherung unbeachtlich (BAG, Urteil vom 22.11.1994
146- 3 AZR 767/93 - EzA, BetrAVG § 7 Nr. 50). Die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegende Versorgungszusage richtete sich nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes. Das Bundesarbeitsgericht hat damit seine frühere Rechtsprechung (Urteil vom 03.08.1978, EzA, § 7 BetrAVG Nr. 1) aufgegeben. Das Berufungsgericht schließt sich der neueren Rechtsprechung an.
147b) Die Kläger können ihre Ansprüche auf Dynamisierung der Betriebsrenten auch nicht auf die Vereinbarung über die Zustimmung zu einem außergerichtlichen Vergleich vom 27.12.1993 zwischen dem Beklagten und der D stützen. Dabei soll zu Gunsten der Kläger angenommen werden, daß es sich bei der Vereinbarung, insbesondere bei der Ziffer 2, um einen Vergleich zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB handelt und daß den Versorgungs- und Anwartschaftsberechtigten unmittelbare Rechte aus dem Vergleich eingeräumt werden sollten. Für diese Annahme spricht, daß nach Eintritt des Sicherungsfalles stets der Träger der Insolvenzsicherung Kontrahent des Versorgungs- oder Anwartschaftsberechtigten ist. Außerdem ließe sich auf den Rechtsgedanken des § 330 S. 1 BGB verweisen.
148Letztlich brauchte die Frage nicht abschließend entschieden zu werden. Denn die von den Klägern gewünschte Rechtsfolge läßt sich aus Ziffer 2.4 des Vergleichs nicht herleiten.
149Allerdings heißt es in Ziffer 2.4, daß der P etwaige vertragliche Ansprüche der Versorgungsberechtigten gemäß Ziffern 2.1 und 2.2 auf Anpassung und Erhöhung ihrer Betriebsrenten sichert. Zu den Versorgungsberechtigten im Sinne der Vereinbarung gehörten gemäß Ziffer 2.2 auch die Inhaber bestehender unverfallbarer Anwartschaften. Die reine Wortinterpretation könnte dafür sprechen, daß der Beklagte damit auch die Sicherung der von der Arbeitgeberin der Kläger versprochenen späteren Anpassungen zugesagt hat, obwohl er nach dem Gesetz für eine solche Zusage nicht einzustehen hätte (so ausdrücklich BAG, Urteil vom 22.11.1994, a. a. O. unter II 1 der Gründe).
150Die Auslegung der Vereinbarung vom 27.12.1993 ergibt jedoch, daß der Beklagte keine über das Gesetz hinausgehende Zusage gegeben hat. Die Auslegung richtet sich nach den § 133, 157 BGB. Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Besteht ein übereinstimmender Wille der Parteien, so ist dieser rechtlich auch dann maßgebend, wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 53. Aufl., § 133 Anm. 4 b m. w. N.). Im übrigen kommt es bei der Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen maßgeblich darauf an, wie der Erklärungsgegner nach Treu und Glauben die abgegebene Willenserklärung verstehen durfte. Dabei kommt es auch bei einem Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB auf Willen und Empfängerhorizont der Vertragspartner und nicht der durch den Vertrag Begünstigten an. Der Vertrag zu Gunsten Dritter schafft keine Normen, wie etwa ein Tarifvertrag, für deren Auslegung möglicherweise andere Gesichtspunkte maßgeblich wären.
151Bei Anwendung obiger Grundsätze muß angenommen werden, daß die Vertragspartner, nämlich der Beklagte und die Streitverkündete, übereinstimmend den Willen hatten, durch Aufnahme der Ziffer 2.4 in die Vereinbarung nur die damals streitige Frage zu regeln, ob die Leistungsordnung des Essener Verbandes eine über § 16 des Betriebsrentengesetzes hinausgehende Anpassungsverpflichtung für die dem Essener Verband angehörenden Arbeitgeber begründete. Allein diese Frage war damals, wie die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ergeben hat, unklar und Gegenstand der dem Vergleich vorausgegangenen Verhandlungen. An die hier streitige Frage der fortdauernden Veränderungssperre hat damals keiner der Beteiligten gedacht. Eine Regelung der unbekannten Problematik war danach auch nicht gewollt.
152Selbst wenn nicht von einem übereinstimmenden, eine einschränkende Auslegung gebietenden Parteiwillen ausgegangen würde, änderte das am Ergebnis nichts. Denn die Streitverkündete konnte als Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben die Erklärung des Beklagten nicht dahin deuten, er wolle vertragliche Anpassungszusagen des Arbeitgebers auch dann gegen Insolvenz schützen, wenn er nach dem Gesetz nicht dazu verpflichtet wäre. Auch der Streitverkündeten war klar, daß sich der Umfang der Insolvenzsicherung nach dem Gesetz richtet und der Beklagte grundsätzlich keine Leistungen erbringt, zu denen er gesetzlich nicht verpflichtet ist. Für diese Sichtweise spricht überdies, daß durch die Vereinbarung vom 27.12.1993 in erster Linie der Sicherungsfall des § 7 Abs. 1 Ziff. 3 BetrAVG herbeigeführt werden sollte, der der Eröffnung des Konkursverfahrens gleichgestellt ist. Die von den Vertragspartnern gewollte Folge war, daß an Stelle der Arbeitgeberin der P für die Versorgungslasten einstehen sollte, so wie es das Gesetz vorsah, nicht jedoch in einem darüber hinausgehenden Umfang. Auch aus dem Hinweis auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen mußte die Streitverkündete entnehmen, daß der P nicht Leistungen übernehmen wollte, zu denen er nicht kraft Satzung oder Gesetzes verpflichtet war. Für den P gilt ähnlich wie für den Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes die Vermutung, daß er sich im Zweifel an Satzung und Gesetz orientieren und keine zusätzlichen Leistungen übernehmen will.
153Danach ist der Ziffer 2.4 der Vereinbarung die von den Klägern gewünschte Anpassungsverpflichtung des P nicht zu entnehmen.
154Selbst wenn obiger Auslegung nicht gefolgt und angenommen würde, nach dem objektiven Erklärungswert habe der Beklagte auch die vertraglich zugesagte Dynamisierung der Betriebsrenten derjenigen Versorgungsberechtigten zugesichert, die mit unverfallbarer Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, könnte den Klagen nicht stattgegeben werden. Denn dann wäre durch die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung unter Ziffer 2.4 entfallen. Der P und die Streitverkündete gingen nämlich im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 03.08.1978 - 3 AZR 19/77 -, EzA BetrAVG § 7 Nr. 1 unausgesprochen davon aus, daß der Beklagte die Verpflichtung habe, die von ihm gesicherten Betriebsrenten anzupassen, wenn der Arbeitgeber ein Ruhegeld nach Maßgabe der Leistungsordnung des Essener Verbandes versprochen hatte. Die dahingehende Verpflichtung des Beklagten hatte das Bundesarbeitsgericht noch in der Entscheidung vom 15.02.1994
155- 3 AZR 705/93 -, EzA, § 7 BetrAVG Nr. 48 bekräftigt, ohne darauf hinzuweisen, daß dieses nur gelte, wenn der begünstigte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Eintritts des Sicherungsfalles bereits Betriebsrentner gewesen ist.
156Die übereinstimmende Vorstellung der Vertragsparteien vom Fortbestand dieser Rechtsprechung kann als Geschäftsgrundlage für die Abmachung angesehen werden. Unter Geschäftsgrundlage ist die bei Abschluß des Vertrages zu Tage getretene, dem anderen Teil erkennbar gewordene und von ihm nicht beanstandete Vorstellung der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände zu verstehen, wenn der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BAG, Urteil vom 13.05.1997 mit Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung). Auch die gemeinsame Vorstellung von der Fortgeltung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kann als Geschäftsgrundlage gewertet werden. Diese Grundlage ist mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.11.1994, mit der keine der Parteien gerechnet hat, entfallen. Der Fortfall der Geschäftsgrundlage macht eine Anpassung der nunmehr unvollständigen Regelung erforderlich, die nur dahin gehen kann, daß der Beklagte für die Versorgungsanwartschaft im gesetzlichen Umfang einstandspflichtig ist. Das wiederum bedeutet, daß er zu einer Anpassung bei Änderung der Gruppenbeträge des Essener Verbandes nicht mehr verpflichtet ist.
157Das Arbeitsgericht hat die Klagen danach im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Die Berufungen der Kläger waren zurückzuweisen.
158Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97, 91 ZPO.
159Da die im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen Rechtsfragen wegen der großen Zahl gleich betroffener Arbeitnehmer von grundsätzlicher Bedeutung sind, wurde die Revision zugelassen.
160R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
161Gegen dieses Urteil kann von den Klägern Revision eingelegt werden. Die Revision muß innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 3, 34119 Kassel, eingelegt werden. Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
162(Dr. Hüttemann) (Erhard) (Schlemmer)
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