Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 10 Sa 534/99
Tenor
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Freizeitausgleich nicht nur für dienstplanmäßige Feiertagsarbeit, sondern auch dann zu gewähren, wenn der dienstplanmäßig freie Tag auf einen Wochenfeiertag fällt.
3Die Klägerin ist seit dem 01.09.1986 im Pflegedienst der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Sie beschäftigt ca. 135 Mitarbeiter im Tagdienst und ca. 20 Mitarbeiter im Nachtdienst. Die Klägerin arbeitet ausschließlich im Nachtdienst. Im Nachtdienst besteht die Regelung, dass die Mitarbeiter/innen in einer Woche 77 Stunden arbeiten und dafür in der Folgewoche Freizeit haben. Die im Tagdienst (Früh- und Spätdienst) Beschäftigten arbeiten dienstplanmäßig nicht nach einem festen Rhythmus. Gelegentlich arbeiten nach den betrieblichen Notwendigkeiten Mitarbeiter/innen des Nachtdienstes auch im Tagdienst und umgekehrt. Die Beklagte ist berechtigt, Beschäftigte des Nachtdienstes bis zu 10 Tage im Jahr im Tagdienst einzusetzen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung. Nach § 1 Abs. 1 der Anlage 5 AVR beträgt die regelmäßige Arbeitszeit der Mitarbeiter durchschnittlich 38,5 Stunden in der Woche. Dabei ist der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Arbeitszeit in der Regel ein Zeitraum von 13 Wochen zugrunde zu legen.
4Bis September 1997 berechnete die Beklagte bei allen ihren Mitarbeitern eine monatliche Sollarbeitsstundenzahl in der Weise, dass sie alle Arbeitstage im Monat mit 7,7 Stunden multiplizierte, um so auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu kommen. Bei der Berechnung der Anzahl der Arbeitstage zog die Beklagte die Samstage, Sonntage und Wochenfeiertage
5unabhängig davon ab, ob diese in eine Arbeitswoche oder eine Freischichtwoche der Arbeinehmer fielen. Ab Oktober 1997 änderte die Beklagte diese Berechnung für die im Nachtdienst tätigen Beschäftigten, in dem sie außer den Samstagen und Sonntagen nur noch die Wochenfeiertage abzog, die in eine Arbeitswoche der Arbeitnehmer fielen. Die in den Freizeitblock der Nachtdienstmitarbeiter/innen fallenden Wochenfeiertage berücksichtigte sie bei der Ermittlung der monatlichen Sollarbeitsstundenzahl nicht mehr als arbeitszeitmindernd. Für die im Tagdienst beschäftigten Arbeitnehmer blieb es bei der alten Regelung.
6Da die Beklagte die neue Berechnung für den Nachtdienst zunächst rückwirkend ab März 1997 eingeführt hatte, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die alte Regelung auch nach dem 01.03.1997 beizubehalten. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie sich gegen die Rückwirkung richtete. Im übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie vertritt die Auffassung, nach § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5 AVR seien auch die in die Freizeitwoche fallenden Wochenfeiertage arbeitszeitmindernd zu berücksichtigen. Im übrigen folge ihr Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
7Die Klägerin beantragt,
8festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
9auch ab Oktober 1997 Freizeitausgleich nicht nur für dienst-
10planmäßige Feiertagsarbeit, sondern auch dann zu gewäh-
11ren, wenn der dienstplanmäßig freie Tag auf einen Wochen-
12feiertag fällt.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Sie vertritt die Auffassung, ein Anspruch der Klägerin ergebe sich weder aus den AVR noch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Ungleichbehandlung zwischen den in Tagschicht und den in Nachtschicht arbeitenden Beschäftigten sei deshalb gerechtfertigt, weil die Tagschichtmitarbeiter/innen nicht wie die in der Nachtschicht in einem festen Rhythmus arbeiteten. Dadurch sei eine höhere Belastung für die Tagschichtmitarbeiter/innen gegeben, die ihre Bevorzugung rechtfertige.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die nach dem Beschwerdewert statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.
19Die nach § 256 ZPO zulässige Feststellungsklage ist begründet.
20I. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass auch für sie als Nachtschichtmitarbeiterin die in eine Freischichtwoche fallenden Wochenfeiertage bei der Berechnung der Sollarbeitszeit arbeitszeitmindernd berücksichtigt werden.
211. Dieser Anspruch ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin allerdings nicht aus den AVR. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin beträgt im Durchschnitt von 13 Wochen 38,5 Stunden wöchentlich (§ 1 Abs. 1 der Anlage 5 AVR). Die Klägerin erbringt daher die arbeitsvertraglich von ihr geschuldete Leistung, wenn sie nach den für sie bestehenden Dienstplänen bzw dem festen Rhythmus im Nachtdienst mit einer Arbeitswoche und einer darauf folgenden Freiwoche durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich arbeitet, unabhängig davon, ob ein Wochenfeiertag in diese Woche fällt oder nicht. § 1 Abs. 8 der Anlage 5 AVR macht deutlich, dass durch einen Wochenfeiertag keine Verminderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eintritt. Denn die wöchentliche Arbeitszeit
22ist nach dieser Bestimmung auf die Tage in der Woche zu verteilen, an denen in der Einrichtung regelmäßig gearbeitet wird. Eine Woche ist der Zeitraum von Montag 0.00 Uhr bis Sonntag 24.00 Uhr (§ 1 Abs. 8 S. 2 der Anlage 5 AVR). In der Einrichtung der Beklagten wird rundum in der Woche gearbeitet. § 2 Abs. 1 der Anlage 5 AVR bestimmt, dass in Einrichtungen, deren Aufgaben Nacht-, Wechselschicht-, Schicht-, Sonn- oder Feiertagsarbeit erfordern, dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich gearbeitet werden muss, wobei dienstplanmäßige Arbeit die Arbeit ist, die innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an den nach dem Dienstplan festgelegten Kalendertagen regelmäßig zu leisten ist (§ 1 Abs. 8 S. 3 der Anlage 5 AVR).
23Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg auf § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5 AVR. Diese Bestimmung regelt die Arbeit an Feiertagen und ordnet an, dass dafür ein Ersatzruhetag zu gewähren ist, der nicht auf einen anderen gesetzlichen Feiertag fallen darf. Die Klägerin macht keinen Anspruch auf Ausgleich für an einem Wochenfeiertag geleistete Arbeit geltend, sondern sie verlangt einen Ausgleich für die dienstplanmäßig an einem Wochenfeiertag gewährte Freizeit. Fällt nach dem Dienstplan der Feiertag in die Arbeitswoche, zieht die Beklagte diesen Tag nach wie vor von der Sollarbeitszeit ab, d.h. sie berücksichtigt ihn als arbeitszeitmindernd. Darum geht es im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich für Wochenfeiertage, die dienstplanmäßig in die Freiwoche fallen, ist in § 2 Abs. 3 Unterabsatz 2 der Anlage 5 AVR gerade nicht gewährt worden (vergl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung die Entscheidung des BAG im Urteil vom 04.08.1988 - 6 AZR 269/86 - nicht veröffentlicht).
242. Der Anspruch lässt sich auch nicht aus § 2 EFZG herleiten. Der Anspruch auf die Feiertagsbezahlung erwächst nur dann, wenn allein der Feiertag Ursache des Arbeitsausfalls ist. Der gesetzliche Anspruch entsteht dagegen nicht, wenn der Arbeitsausfall auf anderen Gründen beruht, etwa weil der Angestellte an diesem Tag dienstplanmäßig freigestellt ist (BAG aaO).
253. Soweit das Arbeitsgericht einen Anspruch aus betrieblicher Übung erwogen und verneint hat, ist dem zuzustimmen. Das Berufungsgericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Entscheidungsgründe der Vor-instanz Bezug, denn es kommt zu übereinstimmenden Feststellungen (§ 543 Abs. 1 ZPO). In der Berufungsinstanz hat sich die Klägerin mit diesem rechtlichen Gesichtspunkt auch nicht mehr befasst und das Urteil der Vorinstanz insoweit nicht angegriffen.
264. Der Anspruch der Klägerin folgt aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
27Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von einer allgemeinen begünstigenden Regelung willkürlich, d.h. ohne sachlichen Grund auszuklammern. Dem liegt die Wertung zugrunde, dass der Arbeitgeber an eine von ihm selbst gesetzte aus seinem tatsächlichen Verhalten erkennbare Regel in der Weise gebunden ist, dass er nur aus sachlichen Gründen von ihr abweichen darf. Liegt ein sachlicher Grund nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden.
28So liegt der Fall hier.
29Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, in die dienstplanmäßig freie Zeit fallende Wochenfeiertage arbeitszeitmindernd zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl für die Beschäftigten im Nachtdienst als auch für die im Tagdienst. Dies sieht die Beklagte heute nicht anders, selbst wenn der langjährig gewährte Freizeitausgleich an alle Beschäftigten früher auf einem Irrtum in der Rechtsanwendung beruht haben sollte. Die Beklagte hat die bis September 1997 ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen ab Oktober 1997 nur noch an die im Tagdienst Beschäftigten weiter gewährt, während sie die Mitarbeiter/innen im Nachtdienst von der Vergünstigung ausgeklammert hat. Dadurch wird eine Arbeitnehmergruppe, zu der die Klägerin gehört, in vergleichbarer Lage schlechter gestellt, ohne das es dafür anerkennenswerte sachliche Gründe gibt.
30Für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung einer Differenzierung kommt es darauf an, ob sich nach dem Zweck der Vergünstigung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe Leistungen vorzuenthalten, die der anderen eingeräumt werden. Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern ist dann mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung gerade nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist. Das ist vorliegend nicht der Fall.
31Die Beklagte hat sich ausweislich ihres Schreibens vom 29.08.1997 an die Klägerin zunächst darauf berufen, dass ihr bei der Überprüfung des Berechnungsmodus für die Sollstunden aufgefallen sei, dass die bisherige Berechnungsweise fehlerhaft ist. Bei Mitarbeitern, die in einem festen Rhythmus arbeiteten, dürften nur die Wochenfeiertage in Abzug gebracht werden, die in der Dienstwoche des Mitarbeiters lägen. Damit läßt sich die unterschiedliche Behandlung zwischen den Arbeitskräften im Tag- und Nachtdienst nicht rechtfertigen. Auch die Arbeitnehmer im Tagdienst haben keinen Anspruch darauf, dass in die dienstplanmäßig freie Zeit fallende Wochenfeiertage arbeitszeitmindernd berücksichtigt werden, wobei es auf die unterschiedlichen Freischichtmodelle zwischen Tag- und Nachtschicht nicht ankommt.
32Die Beklagte hat sich weiter als Rechtfertigung für die Differenzierung zwischen den beiden Mitarbeitergruppen darauf berufen, dass der feste Rhythmus im Nachtdienst den dort Beschäftigten eine bessere Vorhersehbarkeit ihres Einsatzes erlaube als den Mitarbeitern im Tagdienst, die unregelmäßig eingesetzt würden. Soweit die Mitarbeiter im Tagdienst Früh- und Spätdienst leisten, also im Schichtdienst tätig sind, erhalten sie für ihre Erschwernisse die vertraglich vorgesehene Schichtzulage. Im übrigen müssen auch die Mitarbeiter/innen des Nachtdienstes damit rechnen, gelegentlich im Tagdienst eingesetzt zu werden. Da nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin für den Tagdienst im Grundsatz Monatsdienstpläne erstellt werden, besteht auch für die Mitarbeiter/innen des Tagdienstes eine gewisse Vorhersehbarkeit ihres Einsatzes.
33Eine Differenzierung, die an die dienstplanmäßige Freizeit anknüpft und diese unterschiedlich danach bewertet, ob der Mitarbeiter im Tag- oder Nachtdienst tätig ist, ist nach Auffassung der Berufungskammer sachlich nicht gerechtfertigt. In beiden Diensten ist nach der Erörterung in der Berufungsverhandlung die dienstplanmäßige Freistellung feiertagsunabhängig. Fällt ein Wochenfeiertag in die Freizeit, so soll dies beim Tagdienst zu einer Arbeitszeitminderung führen, nicht aber beim Nachtdienst. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von der Differenzierung zwischen Verwaltungsmitarbeitern in der 5-Tage-Woche auf der einen Seite und Arbeitnehmern in Freischichtmodellen auf der anderen Seite. Bei Verwaltungsangestellten in der 5-Tage-Woche ist der Feiertag ohnehin frei, es besteht keine Arbeitspflicht. Diese Gruppe von Arbeitnehmern ist nicht vergleichbar mit den Arbeitnehmern, die nach einem Freischichtsystem arbeiten. Im Freischichtsystem ergibt erst der Dienstplan, ob Feiertage frei sind. Innerhalb eines solchen Systems ist ein Sachgrund für eine Differenzierung bei der Behandlung von Wochenfeiertagen in der dienstplanmäßigen Freizeit nicht ersichtlich.
34II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
35Rechtsmittelbelehrung
36Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlicher Grund.
37Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird verwiesen.
38(Schroeder) (Hanel) (Brinkmann)
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Referenzen
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