Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 13 Sa 19/01
Tenor
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten, Vergütungsansprüche des Klägers sowie über einen im Wege der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Beklagten.
3Der Kläger ist seit dem Jahre 1979 bei der Beklagten mit einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 5.000,00 DM beschäftigt. Er ist Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates. Sein Einsatzgebiet war zuletzt die K M . Er hatte unter anderem dafür zu sorgen, dass die Reinigung und Müllentsorgung der einzelnen Messestände ordnungsgemäß funktionierte. Darüber hinaus gehörte es zu seinen Aufgaben, sicherzustellen, dass die Reinigungsarbeiten an den Messeständen ordnungsgemäß abgerechnet und die vereinnahmten Beträge an die Geschäftsführung weitergereicht wurden.
4In der zweiten Jahreshälfte 1999 verlangte der Geschäftsführer B vom Kläger die Einzahlung höherer Geldbeträge als in dessen Barbestand vorhanden waren. Der Kläger spiegelte der Geschäftsführung vor, er könne derzeit nicht über die begehrten Geldbeträge verfügen, weil er das Geld bei der D Bank angelegt habe. Als Ende September 1999 wieder Geld von ihm verlangt wurde, gab er an, er habe ca. 200.000 DM bei der D B in F auf das Konto eines Herrn W eingezahlt. Er bestätigte dies gegenüber der Beklagten mit einem handschriftlich gefertigten und von ihm am 30.09.1999 unterschriebenen Vermerk (Blatt 108 d. A.). Der weitere Geschäftsführer D L vereinbarte daraufhin mit dem Kläger für den nächsten Tag, den 01.10.1999, morgens um 9:00 Uhr, ein Treffen im Büro, um dann gemeinsam nach F zu fahren und das Geld abzuholen. Der Kläger erschien zum vereinbarten Termin nicht, sondern hinterlegte in der Nacht vom 30.09. auf den 01.10.1999 eine handschriftliche Notiz an den Geschäftsführer B , die wie folgt lautet:
5Es gibt keine Steuerfahndung, es gibt keine D B , es gibt kein . Ich habe mich verzockt und die Firma 177.000,00 DM verloren. Es tut mir leid.
6Ich bringe alles wieder in Ordnung. F Achten Sie aufs Konto, das Geld werde ich wieder drauf tun. (Blatt 109 d. A.)
7Nachdem die Geschäftsführung am frühen Morgen des 01.10.1999 von dieser Notiz des Klägers Kenntnis genommen hatte, rief der Geschäftsführer B den Betriebsratsvorsitzenden - den Bruder des Klägers - in sein Büro, informierte ihn über den gesamten Sachverhalt und legte ihm insbesondere die vom Kläger gefertigten handschriftlichen Vermerke vor. Gleichzeitig teilte er mit, dass beabsichtigt sei, dem Kläger fristlos zu kündigen. Kurze Zeit später tagte der Personalausschuss des Betriebsrats und stimmte der außerordentlichen Kündigung des Klägers zu. Hierüber unterrichtete der Betriebsratsvorsitzende noch am Vormittag des 01.10.1999 die Geschäftsführung, die daraufhin gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung aussprach. Ab dem 01.10.1999 war der Kläger bis zum 31.07.2000 ohne Unterbrechung arbeitsunfähig krank.
8Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 05.10.1999 widerrief der Kläger alle von ihm zuvor abgegebenen Erklärungen und erklärte die Anfechtung dieser Willenserklärungen, da er sich nicht bewusst gewesen sei, was er getan habe (Blatt 63, 64 d. A.).
9Der Kläger hat bestritten, Geld unterschlagen zu haben. Vielmehr habe er sämtliche Einnahmen, die nicht zur Begleichung von Aushilfslöhnen verwendet worden seien, ordnungsgemäß an die Beklagte weitergegeben. Er habe die von den Mitarbeitern eingenommenen Beträge nie kontrolliert. Hiervon habe die Beklagte Kenntnis gehabt. Außerdem habe neben ihm auch der Mitarbeiter D einen Safeschlüssel gehabt.
10Der Kläger hat darüber hinaus die ordnungsgemäße Beteiligung und Zustimmung des Betriebsrats bestritten. Vor Ausspruch der Kündigung sei keine Betriebsratssitzung erfolgt.
11Schließlich hat er die Ansicht vertreten, der Beklagten stünden keine Gegenansprüche zu. Diese beruhten auf Phantasiezahlen. Außerdem seien die möglichen Ansprüche tariflich verfallen.
12Der Kläger hat, soweit für die Berufung noch von Bedeutung, beantragt,
13- festzustellen, dass das zwischen den Parteien seit dem Jahre 1979 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 01.10.1999 beendet worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, für den Monat Oktober 1999 an den Kläger 5.100,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.11.1999 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.100,00 DM brutto abzüglich von der Krankenkasse gezahlter 1.618,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.12.1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen;
16widerklagend hat er beantragt,
17den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 200.008,58 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
18Der Kläger hat beantragt,
19die Widerklage abzuweisen.
20Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sei ihr nicht zumutbar, nachdem dieser eingeräumt habe, 177.000,00 DM veruntreut bzw. unterschlagen zu haben. Vergütungsansprüche stünden ihm nicht zu.
21Den widerklagend geltend gemachten Schadensersatzanspruch hat die Beklagte unter Berücksichtigung der an die Aushilfskräfte gezahlten Löhne aus den Gesamteinnahmen des Klägers bei elf Messen im Jahr 1999 in Höhe von 320.297,19 DM errechnet. Hiervon habe der Kläger lediglich 120.288,61 DM an die Beklagte abgeführt.
22Das Arbeitsgericht hat zur Anhörung des Betriebsrats Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H P . Wegen des Beweisbeschlusses und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31.08.2000 (Blatt 237 f. d. A.) verwiesen.
23Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 28.09.2000 der Klage in vollem Umfang und der Widerklage in Höhe von 177.000,00 DM stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die außerordentliche Kündigung mangels wirksamer Betriebsratszustimmung unwirksam sei. Die Widerklage sei in Höhe des vom Kläger in einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis eingeräumten Umfangs von 177.000,00 DM begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Blatt 51 f. d. A. verwiesen.
24Der Kläger hat gegen das ihm am 12.12.2000 zugestellte Urteil am 04.01.2001 Berufung eingelegt und diese am 29.01.2001 begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 04.12.2000 zugestellte Urteil am 22.02.2001 Anschlussberufung eingelegt.
25Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, der Beklagten stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 177.000,00 DM nicht zu. Er behauptet dazu, dass allein die Beklagte die Zahl von 177.000,00 DM ins Spiel gebracht habe. Am Nachmittag des 30.09.1999 sei ihm gegenüber von der Beklagten erklärt worden, dass ein Betrag in dieser Höhe fehlen würde. In seinem handschriftlichen Vermerk habe er lediglich diese Zahl wiederholt. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass der Kläger für das Fehlen des Geldes verantwortlich sei. Im Übrigen sei der Anspruch verfallen. Der Arbeitsvertrag nehme unter Ziffer 15 Bezug auf die Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks.
26Der Kläger beantragt,
27unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 28.09.2000 - 11(18) Ca. 8.569/99 - wird die Widerklage abgewiesen.
28Die Beklagte beantragt,
29- die Berufung zurückzuweisen.
- Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.09.2000 - 11(18) Ca 8.569/99 - in den Ziffern 1., 3. und 4. abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
31die Anschlussberufung zurückzuweisen.
32Die Beklagte ist der Ansicht, die außerordentliche Kündigung sei wirksam, da der Betriebsrat der Kündigung durch seinen Personalausschuss wirksam zugestimmt habe. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil hinsichtlich der Widerklage.
33Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgetragenen Schriftsätze sowie die überreichten Anlagen Bezug genommen.
34Entscheidungsgründe
35- Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 ZPO). Die Anschlussberufung ist ebenfalls zulässig (§ 521 Abs. 1 ZPO).
- Die Rechtsmittel haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klage und der Widerklage im erkannten Umfang stattgegeben.
- Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 01.10.1999 ist wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG rechtsunwirksam. Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrates. Demnach bedurfte seine Kündigung gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats.
- Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine wirksame Zustimmung des Betriebsrats nicht vorliegt, da die Zustimmung lediglich durch den Personalausschuss und nicht durch den gesamten Betriebsrat erfolgt ist. Für die Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist aber immer ein Beschluss des Betriebsrates erforderlich und ein Beschluss eines Personalausschusses nicht ausreichend.
Entgegen der Auffassung der Beklagten, ist diese Frage höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die von ihr genannten Entscheidungen, die Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts vom 01.06.1976 (- 1 ABR 99/74 - AP Nr.1 zu § 28 BetrVG 1972) und vom 20.10.1993 ( - 7 ABR 26/93 - AP Nr.4 zu § 28 BetrVG 1972) befassen sich nicht mit der Übertragung der Zustimmungsbefugnis zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglied auf einen Betriebsratsausschuss. Vielmehr geht es in dem Beschluss vom 01.06.1976(um die grundsätzliche Befugnis des Betriebsrats, die Ausübung der Beteiligungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen einem besonderen Personalausschuss zur selbstständigen Erledigung zu übertragen. Der Beschluss vom 20.10.1993 betrifft die Übertragung von Mitbestimmungsrechten aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG auf eine paritätische Technologie-Kommission.
40Das Bundesarbeitsgericht geht dabei von dem Grundsatz aus, dass die Entscheidung des Betriebsrats, welche Aufgaben er an weitere oder gemeinsame Ausschüsse überträgt, keiner Zweckmäßigkeits-, sondern nur einer Rechtskontrolle unterliegt. Neben den ausdrücklich normierten Einschränkungen der Aufgabenübertragung hat der Betriebsrat lediglich die allgemeine Schranke des Rechtsmissbrauch zu beachten. Der Betriebsrat darf sich nicht aller wesentlichen Befugnisse dadurch entäußern, dass er seine Aufgaben weitgehend auf Ausschüsse überträgt. Er muss als Gesamtorgan in einem Kernbereich der gesetzlichen Befugnisse zuständig bleiben. Dabei ist nicht auf einen einzelnen Mitbestimmungstatbestand, sondern auf den Aufgabenbereich des Betriebsrats abzustellen (BAG 01. Juni 1976 aaO; 20.10.1993 aaO)
41Demnach war der Betriebsrat vorliegend zwar grundsätzlich berechtigt, die Ausübung seiner Beteiligungsrechte bei personellen Angelegenheiten auf einen Personalausschuss zu übertragen. Er durfte jedoch die Zustimmungsbefugnis gemäß § 103 BetrVG wegen der Bedeutung dieses Verfahrens nicht auf den Personalausschuss delegieren. Denn die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds betrifft die Zusammensetzung des Gesamtorgans und damit in den Kernbereich der Amtsführung des Betriebsrats ein. Wegen der weiteren Begründung wird auf die zutreffenden und eingehend begründeten Rechtsausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.
42- Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Zustimmungsmangel nicht deshalb unerheblich ist, weil er aus der Sphäre des Betriebsrats stammt.
Die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht für die Berücksichtigung der Mängel beim Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG entwickelt hat (Sphärentheorie), sind auf das Zustimmungsverfahren des § 103 BetrVG nicht übertragbar, da die erforderliche Zustimmung zur Kündigung einen wirksamen Beschluss voraussetzt (BAG 23.08.1984, NZA 1985, 254 f.). Daran fehlt es jedoch, wie bereits ausgeführt, vorliegend.
44Die Beklagte kann sich gegenüber dem nichtigen Zustimmungsbeschluss auch nicht auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes zu Gunsten des Arbeitgebers berufen.
45Danach darf der Arbeitgeber zwar grundsätzlich auf die Wirksamkeit eines Zustimmungsbeschlusses nach § 103 BetrVG vertrauen, wenn ihm der Betriebsratsvorsitzende oder sein Vertreter mitteilt, der Betriebsrat habe die beantragte Zustimmung erteilt. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Tatsachen kennt oder kennen muss, aus denen die Unwirksamkeit des Beschlusses folgt (BAG aaO).
46Vorliegend hat das Arbeitsgericht auf Grund der Beweisaufnahme festgestellt, dass den Geschäftsführern der Beklagten gleichzeitig mit der mündlich übermittelten Zustimmung auch das Sitzungsprotokoll des Personalausschusses übergeben worden ist. Damit wusste die Beklagte, dass nicht der Betriebsrat, sondern nur der Personalausschuss des Betriebsrats der Kündigung zugestimmt hatte. Sie hatte somit Kenntnis von den die Unwirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses begründenden Tatsachen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es demgegenüber nicht darauf an, ob die Beklagte Zweifel an der rechtlichen Wirksamkeit dieses Beschlusses gehabt hat. Denn auf Vertrauensschutz kann sich der Arbeitgeber nicht berufen, wenn ihm die Tatsachen bekannt sind oder bekannt sein müssen, aus denen sich die Unwirksamkeit des Beschlusses ergibt, er diese aber rechtlich falsch bewertet (BAG aaO).
47II. 1. Der seit dem 1.10.1999 arbeitsunfähige Kläger hat auf Grund des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses für die Monate Oktober und November 1999 Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 3 Abs. 1 EFZG iVm § 611 BGB iVm dem Arbeitsvertrag der Parteien auf 10.200,00 DM brutto Entgeltfortzahlung im Rahmen des sechswöchigen gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraums. In Abzug zu bringen ist der von der Krankenkasse für die zweite Hälfte des Monats November 1999 an den Kläger geleistete Betrag von 1618,-DM netto.
482. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die von der Beklagten erklärte Aufrechnung nicht durchgreifen lassen. Die zuerkannten Klageforderungen sind nicht durch die von der Beklagten im Prozess anfangs erklärte Aufrechnungserklärung gemäß § 389 BGB erloschen. Selbst wenn die beklagte ihre Aufrechnungserklärung noch aufrechterhalten sollte, obwohl sie die von ihr behaupteten Gegenforderungen in vollem Umfang zum Gegenstand der Widerklage gemacht hat, so ist die Aufrechnungserklärung, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, unzulässig. Denn sie ist zu unbestimmt, da sie nicht erkennen lässt, in welchem Umfang die Bruttolohnansprüche des Klägers erloschen sein sollen.
49Erfolgt die Aufrechnungserklärung mit einer Nettoforderung gegenüber einer ungleichartigen Bruttolohnforderung, so obliegt dem Aufrechnenden die genaue Spezifizierung der sich aufrechenbar gegenüberstehenden Forderungen (LAG Köln 23.8.1989 LAGE § 7 BurlG Nr.19). Der Arbeitgeber kann nur gegenüber der Nettolohnforderung aufrechnen (ErfK/Preis, 2.Aufl.,§ 611 BGB Rz 661). Die Beklagte hat aber auch in der Berufungsinstanz nicht dargelegt, in welchem Umfang sich die zuerkannten Klageforderungen und ihre Gegenforderungen aufrechenbar gegenüber gestanden haben sollen, denn sie hat nicht einmal dargelegt, welche Nettobeträge den zuerkannten Klageforderungen entsprechen.
503. Der Zinsanspruch ergibt sich unter Verzugsgesichtspunkten aus den §§ 284 ff. BGB.
51III. Das Arbeitsgericht hat der Widerklage der Beklagten zu Recht mit zutreffender Begründung in Höhe von 177.000,00 DM stattgegeben.
52- Der Kläger hat mit seiner Erklärung vom 30.09.1999 (Blatt 109 d. A.) ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben. Auf die ausführliche Begründung des Arbeitsgerichts zur Auslegung und rechtlichen Einordnung dieser Erklärung wird Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers enthält dazu kein neues Vorbringen. Soweit er vorträgt, er bestreite die Höhe des Schadens, die Zahl von 177.000,00 DM sei von der Beklagten ins Spiel gebracht worden, ändert dies nichts. Der Kläger hat wörtlich erklärt: " Ich habe mich verzockt und die Firma 177.000,00 DM verloren ... Ich bringe alles wieder in Ordnung ... Das Geld werde ich wieder drauf tun." Die Auslegung dieser Erklärung gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt bereits nach dem unmissverständlichen Wortlaut, dass der Kläger damit eine Schuld gegenüber der Beklagten in dieser Höhe anerkennen wollte. Die Einwendung des Klägers, ein Schadensersatzanspruch in dieser Höhe bestehe nicht und sei von der Beklagten nicht substantiiert dargelegt,ist damit ausgeschlossen.
54- Der Wirksamkeit dieses Schuldanerkenntnisses steht auch nicht - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat - der Widerruf bzw. die Anfechtungserklärung des Klägers vom 05.10.1999 entgegen. Für ein einseitiges Widerrufsrecht besteht keine Rechtsgrundlage. Der Anfechtung fehlt es an einem Anfechtungsgrund. Der Kläger hat insoweit lediglich vorgetragen, dass auf ihm ein massiver Druck gelastet habe und er sich nicht bewusst gewesen sei, was er getan habe. Daraus ergibt sich jedoch kein gesetzlicher Anfechtungsgrund, da weder die Voraussetzungen eines Irrtums gemäß § 119 BGB noch die einer arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Drohung im Sinne von § 123 BGB dargelegt sind.
- Die Schadensersatzforderung der Beklagten ist auch nicht verfallen.
a) Zwar finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Inbezugnahme in B Zif.15 des Arbeitsvertrages vom 03.07.1989 die Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk und damit die tariflich geregelten Ausschlussfristen Anwendung. Es kann dahinstehen, ob damit auf den Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk oder, was im Hinblick auf die Angestelltentätigkeit des Klägers naheliegender ist, auf den Rahmentarifvertrag für Angestellte im Gebäudereiniger- Handwerk in Nordrhein-Westfalen Bezug genommen wird. Denn die Ausschlussfristen beider Tarifverträge (§ 23 RTV gewerblich; § 16 RTV Angestellte) sind gleichlautend.
57b) Der Kläger kann sich jedoch, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, wegen seines Schuldanerkenntnisses nicht auf die tariflichen Verfallfristen berufen.
58Ausschlussfristen sollen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dienen. Der Schuldner soll sich darauf verlassen können, nach Ablauf der tariflichen Verfallfristen nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Umgekehrt soll der Gläubiger angehalten werden, innerhalb kurzer Fristen die Begründetheit und die Erfolgsaussichten seiner Ansprüche zu prüfen (BAG 08.08.1979 AP Nr. 67 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; 10.10.1991 - 5 AZR 382/90 - n. v.). Das Bundesarbeitsgericht hat in der genannten Entscheidung vom 10.10.1991 eine Berufung auf die Verfallfristen im Falle der Erteilung einer Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers abgelehnt. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass darin ein Anerkenntnis der Arbeitnehmerforderungen liege und die Friedensfunktion einer tariflichen Ausschlussfrist gewahrt ist, wenn der Schuldner von sich aus die Ansprüche klarstellt (aaO. Entscheidungsgründe II. 2. b).
59Erst recht kann sich vorliegend der Kläger, der seine Schuld in einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis anerkannt hat, nicht auf die tariflichen Verfallfristen berufen. Die Beklagte konnte nach dem Anerkenntnis des Klägers, das mit den Worten endet: "Ich bringe alles wieder in Ordnung ... Das Geld werde ich wieder drauf tun." , davon ausgehen, dass der Kläger den Schaden ausgleichen wollte. Andererseits musste der Kläger damit rechnen, dass die Beklagte für den Fall, dass er entgegen seiner Ankündigung im Anerkenntnis keinen Schadensausgleich vornehmen würde, ihre Ansprüche außergerichtlich und ggf. gerichtlich geltend machen würde.
60Daran ändert sich entgegen der Auffassung des Klägers auch dadurch nichts, dass der Kläger mit Schreiben vom 02.10.1999 seine Erklärungen widerrufen und angefochten hat. Denn wie bereits ausgeführt beseitigt weder der Widerruf noch die Anfechtung die Wirksamkeit des Schuldanerkenntnisses des Klägers. Wenn aber eine Forderung wie hier anerkannt worden ist, ist der Gläubiger nicht verpflichtet, diese zur Wahrung von Ausschlussfristen geltend zu machen für den Fall, dass der Schuldner diese Forderung später bestreitet (BAG 21.4.1993 AP Nr.124 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).
61- Der Zinsanspruch folgt aus Verzugsgründen gemäß §§ 288, 291 ZPO.
- Die Berufung wie die Anschlussberufung waren daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
64Rechtsmittelbelehrung
65Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger und der Beklagten Revision eingelegt werden.
66Die Revision muss innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuss-Platz 1, 99084 Erfurt eingelegt werden. Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein.
67(Dr. von Ascheraden) (Hartwig) (Fiegler)
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Referenzen
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