Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 8 Sa 187/01
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2000 9 Ca 5996/00 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2(abgekürzt gemäß § 543 ZPO)
3Die Parteien streiten um einen vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Abfindung als Nachteilsausgleich im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Beklagten von K nach M .
4Der am 06.11.1962 geborene Kläger stand seit dem 13.08.1987 als Versandmitarbeiter in einem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten und ist im Zusammenhang mit der anstehenden Verlegung des Betriebssitzes nachdem der Kläger zum 01.06.2000 eine neue Beschäftigung gefunden hat mit dem 31.05.2000 bei der Beklagten ausgeschieden.
5Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger die ihm nach Sozialplan vom 22.03.2000 zustehende Sozialplanabfindung in Höhe von 3.537,69 DM erhalten.
6Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe Maßnahmen der Betriebsänderung bereits durchgeführt, ohne abschließend über einen Interessenausgleich verhandelt zu haben, so dass gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG die Zahlung einer Abfindung als Nachteilsausgleich geschuldet sei. Die Beklagte habe den Mietvertrag die Betriebsräumlichkeiten in K betreffend vor abschließender Durchführung der Verhandlungen über einen Interessenausgleich aufgelöst und sei ohnehin bereits vor Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich zur Sitzverlegung entschlossen gewesen. Damit habe über Maßnahmen eines Interessenausgleichs das Ob und Wie der Betriebsänderung betreffend in der Sache nicht mehr verhandelt werden können.
7Mit Schreiben vom 18.01.2000 teilte die Beklagte dem Betriebsrat u. a. folgendes mit:
8"....
9Wie Ihnen bereits in einigen Gesprächen mitgeteilt, verhandeln wir mit unseren Vermietern nunmehr seit zwei Jahren mit dem Ziel, den Mietvertrag aufzulösen.
10Diese Auflösung ist uns nun gelungen...."
11Vermieterin der Betriebsräumlichkeiten war die Firma GbR G B , Mieter der frühere Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten Herr W. S , der seinerseits die Betriebsräumlichkeiten an die Beklagte untervermietet hat.
12Eine Vereinbarung die Aufhebung des Mietvertrages betreffend (Blatt 46 und 47 d. A.) unterzeichnete zunächst der Mieter
13Sodann reichte sie der Vermieter gegengezeichnet mit Begleitschreiben vom 11.01.2000 zurück, in welchem es u.a. heißt:
14"...
15An dieser Stelle erlauben wir uns den Hinweis, dass die von uns unterzeichnete Vereinbarung insbesondere im Hinblick auf Punkt 4. Nur dann greift, wenn vor dem 30.06.2000 keine Anschlussvermietung der übrigen von ihnen genutzten Flächen erfolgen kann. Sollten weitere Flächen vorher vermietet werden können, sind sich die Parteien darüber einig, dass nach einer angemessenen Frist das Objekt zu räumen ist, damit eine Nachvermietung nicht scheitert (Schadensminderung).
16...
17Der guten Ordnung halber reichen sie uns bitte die Zweitschrift dieses Briefes mit der Unterschrift von Herrn S versehen wieder zurück."
18Eine weitere Vereinbarung zwischen dem früheren Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten Herrn W. S und der Beklagten betreffend die Vermietung der Betriebsräumlichkeiten datiert vom 02.02.2000 und ist von Herrn W. S sowie für die Beklagte unterzeichnet.
19Nachdem Verhandlungen zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplan scheiterten wurde eine Einigungsstelle einberufen die sodann unter dem 16.02.2000, 08.03.2000 und 22.03.2000 verhandelte.
20In der Verhandlung vom 22.03.2000 wurde über den Akt eines Sozialplans verhandelt und ein Vermittlungsvorschlag des Vorsitzenden der Einigungsstelle angenommen.
21In der Einigungsstellensitzung vom 16.02.2000 wurden diverse Lösungsmöglichkeiten das Unternehmen an einem anderen Standort als dem bisher vorgesehenen Standort M fortzuführen diskutiert. Das Sitzungsprotokoll stellt sodann fest, dass eine Einigung jedenfalls derzeit nicht möglich sei.
22In der Einigungsstellensitzung vom 08.03.2000 stellte der Vorsitzende der Einigungsstelle fest, dass Vermittlungsbemühungen zur Regelungsfrage "Sitzverlegung" aussichtslos seien und nach dem bisherigen Ergebnis der Gespräche zwischen den Parteien auch eine Angleichung nicht zu erwarten sei.
23Sodann enthält das Sitzungsprotokoll den Hinweis:
24"Der Vorsitzende erklärt damit die Verhandlungen zum Interessenausgleich für gescheitert".
25Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
26Im Streitfall habe die Beklagte den Interessenausgleich versucht, in dem sie mit dem Betriebsrat nach Unterrichtung über die geplante Verlegungsmaßnahme beraten habe. Nachdem nach Erfolglosigkeit die Beklagte die Einigungsstelle auch im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlung eingeschaltet habe, dort beide Parteien mit dem Vorsitzenden der Einigungsstelle ebenfalls die Möglichkeit zum Interessenausgleich erörtert und diskutiert hätten und schließlich auch nicht in einem weiteren Termin vor der Einigungsstelle eine Einigung zum Interessenausgleich erzielt hätten, habe der Vorsitzende ausweislich des Protokolls vom 08.03.2000 das Scheitern eines Interessenausgleichs rechtsverbindlich festgestellt.
27Die Kündigung des Mietvertrages allein sei noch nicht die Planung einer Betriebsänderung. So weise die Beklagte zu Recht darauf hin, dass zu diesem Zeitpunkt positive Verhandlungen über eine geringere Miete zu einer Beibehaltung des Standorts K hätten führen können, ebenso wie denkbar gewesen wäre, eine Veränderung der örtlichen Lage des Betriebes, die nur mit ganz unerheblichen Erschwerungen für die Belegschaft verbunden gewesen wäre, etwa ein Umzug in die Nähe der bisherigen Örtlichkeit.
28Wegen des sonstigen Sach- und Streitstands wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 18.10.2000 Blatt 51 bis 58 d. A. Bezug genommen.
29Gegen dieses dem Kläger am 16.01.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.02.2001 Berufung eingelegt und seine Berufung am 16.03.2001 begründet.
30Die Berufung macht geltend, das Urteil des Arbeitsgerichts würdige nicht die Tatsache, dass die Beklagte ohne vorherige Unterrichtung und Beratung mit dem Betriebsrat die Entscheidung getroffen habe den Mietvertrag das Betriebsgelände betreffend aufzulösen, wodurch die Betriebsänderung in Form der Verlegung des gesamten Betriebes unabweislich erforderlich geworden sei.
31Die nach § 111 Satz 1 BetrVG gebotene Unterrichtung diene dem Zweck, dem Betriebsrat die Kenntnisse über die Betriebsänderung zu verschaffen, die es ihm ermöglichten festzustellen, ob wesentliche Nachteile für die Belegschaft damit verbunden sind.
32Die Beratungen über das "Ob" und das "Wie" der Betriebsänderung dienten der Abwägung der Interessen des Unternehmens einerseits und der Interessen der Arbeitnehmer andererseits.
33Rechtzeitig sei eine Unterrichtung in diesem Zusammenhang nur dann, wenn der soziale Schutzzweck der Vorschrift noch verwirklicht werden könne und insbesondere Ausführungshandlungen nicht schon vorgenommen worden seien.
34Ausführungshandlung der Betriebsänderung sei allerdings die vertragliche Vereinbarung der Auflösung des Mietvertrages deren letzter Schritt sich am 02.02.2000 durch die Vereinbarung zwischen der Beklagten und Herrn W. S vollzogen habe.
35Selbst wenn mit dem Arbeitsgericht davon ausgegangen werden könne, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Durchführung des Einigungsstellenverfahrens aber noch keine Maßnahmen im Sinne einer Betriebsänderung ergriffen hätte, sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts in der Einigungsstelle keine Einigung über das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen erzielt worden. Es fehle nämlich an einer Feststellung durch Beschluss der Einigungsstelle. Hierzu reiche die Feststellung durch den Vorsitzenden der Einigungsstelle zu Protokoll der Einigungsstellensitzung nicht aus.
36Der Kläger beantragt,
37das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2000 9 Ca 5996/00 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde.
38Die Beklagte beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Die Beklagte verteidigt das Urteil erster Instanz, welches zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Beklagte in der gebotenen Art und Weise bis in die Einigungsstelle hinein über einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat verhandelt habe und dass der Vorsitzende der Einigungsstelle das Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich abschließend und verbindlich festgestellt habe.
41In der Aufhebung des Mietvertrages liege auch entgegen der Annahme der Klage und Berufung nicht bereits eine erste Teilmaßnahme der Betriebsänderung. Die Betriebsänderung habe in der Verlegung des Betriebs bestanden. Die Aufhebung eines Mietverhältnisses ändere aber nichts an der örtlichen Lage des Betriebes. Die Durchführung der Verlegung des Betriebes bestehe in der Beendigung der betrieblichen Aktivitäten am Ausgangsort und der Aufnahme der betrieblichen Aktivitäten am Zielort einschließlich des zu diesem Zweck durchzuführenden Umzugs der sächlichen Betriebsmittel sowie der Verlagerung der Tätigkeitsorte der Arbeitnehmer durch Direktionsrecht oder Änderungskündigung. Demgegenüber sei die Beendigung eines Mietverhältnisses kein Betriebsänderungstatbestand im Sinne des § 111 BetrVG.
42Im übrigen habe die Beklagte auch tatsächlich nicht bereits rechtsverbindlich vor Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich das Mietverhältnis aufgelöst. Ende des Jahres 1999 habe die S A Interesse an einem Teil der Räumlichkeiten gezeigt, die von der Beklagten bis dato als Betriebsgelände benutzt wurden. Dies habe Bewegung in die Verhandlungen zur Aufhebung des Mietvertrages und bezüglich der ablehnenden bisherigen Haltung des Vermieters gegenüber den Wünschen der Beklagten, die Miete abzusenken oder das Mietverhältnis aufzuheben, gebracht. Daher sei die Geschäftsführung der Beklagten zu dem sicheren Eindruck gelangt, dass nur aufgrund des Interesses seitens der S A und nur solange eine solche Interessentin vorhanden sei, über eine Aufhebung mit Erfolg werde weiter verhandelt werden können.
43Die Vermieterin habe sodann mit Schreiben vom 11.01.2000 ihr letztendliches Angebot zur Aufhebung des Mietverhältnisses übersandt. Die Verhandlungen vor der Einigungsstelle hätten am 16.11.2000, 08.03.2000 und 22.03.2000 stattgefunden.
44Erst am 23.03.2000 nach vollständigem Abschluss des Einigungsstellenverfahrens habe die Beklagte das unter dem 02.02.2000 von dem Hauptmieter und ihr gegengezeichnete Angebot des Vermieters an diesen zurückgereicht. Erst mit Zugang dieser Erklärung beim Vermieter nach Abschluss des Einigungsstellenverfahrens sei das Mietverhältnis daher aufgehoben gewesen.
45Auch unter Berücksichtigung dieser tatsächlichen Umstände zum Zustandekommen der Aufhebung des Mietverhältnisses scheide ein Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs an den Kläger aus.
46Die Kammer hat zur Behauptung der Beklagten die Zuleitung rechtsverbindlicher Erklärung zur Vereinbarung über die Aufhebung des Mietverhältnisses zur GbR G B Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B .
47Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.11.2001 Blatt 197 199 d. A. Bezug genommen.
48Wegen des sonstigen Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Akten und die gewechselten Schriftsätze die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren verwiesen.
49E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
50I. Die Berufung ist zulässig.
51Der Kläger hat gegen das ihm am 16.01.2001 zugestellte Urteil erster Instanz binnen Monatsfrist am 16.02.2001 Berufung eingelegt und die Berufung ordnungsgemäß binnen eines weiteren Monats mit Eingang der Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht am 16.03.2001 begründet.
52Die Berufung setzt sich im Einzelnen mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts zur Frage der ordnungsgemäßen Durchführung einer Verhandlung zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat und zur Frage der rechtsverbindlichen Feststellung des Scheiterns dieser Verhandlungen auseinander.
53Die Berufung erweist sich damit gemäß § 519 ZPO als zulässig.
54II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
55Als Anschlussgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Abfindung als Nachteilsausgleich aus Anlass der Sitzungsvorlegung der Beklagten und den damit im Zusammenhang stehenden Arbeitsplatzverlust des Klägers kommt allein § 113 Abs. 3 BetrVG in Betracht.
56Danach ist ein Unternehmer zur Zahlung einer Abfindung als Nachteilsausgleich verpflichtet, wenn er eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und in Folge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden.
571. Der Kläger weist in diesem Zusammenhang zunächst zutreffend daraufhin, dass sich ein Unternehmer gegenüber seinen Arbeitnehmern Ansprüchen auf Zahlung einer Abfindung als Nachteilsausgleich aussetzt, wenn er das Verfahren betreffend eine Einigung zum Abschluss eines Interessenausgleichs nicht einschließlich des Verfahrens vor der Einigungsstelle voll ausschöpft (BAG, Urteil vom 18.12.1984, AP-Nr. 11 zu § 113 BetrVG 1972).
58Ebenso weisen Klage und Berufung zutreffend daraufhin, dass im Zusammenhang mit den Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei Betriebsänderungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans eine Unterrichtung durch den Unternehmer rechtzeitig zu erfolgen hat, und dass der Begriff der "rechtzeitigen" Unterrichtung sich vom Ziel der Beteiligungsrechte her definiert.
59Bezüglich des Anspruchs auf Verhandlungen über einen Interessenausgleich ist dabei zu verlangen, dass zum Zeitpunkt der Unterrichtung noch über einen Interessenausgleich, d.h. das Ob und das Wie der Betriebsänderung, noch verhandelt werden kann.
60Mit anderen Worten ist eine Unterrichtung immer dann verspätet, wenn der Unternehmer schon mit der Durchführung der Maßnahmen begonnen hat oder wenn die Maßnahme schon von allen maßgeblichen Organen des Unternehmens beschlossen wurde (vgl. BAG Urteil vom 14.09.1976 AP-Nr. 2 zu § 113 BetrVG 1972).
612. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze teilt die Kammer die Auffassung des Klägers, dass eine rechtsverbindliche Vereinbarung zur Auflösung des Mietvertrages betreffend die Betriebsräumlichkeiten nach Maßgabe der Vereinbarungen vom 06./11.01.2000 bzw. 02.02.2000 bereits endgültige Fakten schafft, die als Maßnahme im Sinne des Beginns der Durchführung der Betriebsänderung anzusehen sind. Im Falle der Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarungen vom 06.01./11.01. und 02.02.2000 wäre es nämlich der Beklagten unmöglich aufgrund eigener Entscheidung und dies ist zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Betriebsrat der Beklagten zu verlangen eine Sitzverlegung des Betriebs zu verhindern, da die Beklagte dazu eine von den Vereinbarungen 06.01./11.01. und 02.02. abweichende Vereinbarung mit dem Vermieter, der GbR G B benötigen würde. Damit aber hätte sich die Beklagte soweit diese Vereinbarungen sich bereits als rechtsverbindlich darstellten der Möglichkeit begeben, frei mit ihrem Betriebsrat über das Ob und Wie der Betriebsänderung zu verhandeln.
623. Die Vereinbarungen vom 06.01./11.01.2000 und 02.02.2000 sind allerdings entgegen der Annahme des Klägers nicht vor Abschluss der Verhandlungen einen Interessenausgleich und Sozialplan in der Einigungsstelle aus Anlass der Sitzungen vom 16.02., 08.03. und 22.03.2000 rechtsverbindlich geworden.
63Damit liegt in den Verhandlungen der Beklagten mit dem Vermieter über die Auflösung des Mietverhältnisses auch noch keine Maßnahme vor, die als erste Maßnahme der Durchführung der Betriebsänderung angesehen werden könnte.
64Die Begründung von Klage und Berufung übersehen zunächst, dass es auf die Daten und geleisteten Unterschriften der Vereinbarungen vom 06.01./11.01. bzw. 02.02.2000 zur Beantwortung der Frage der rechtsverbindlichen Vereinbarung zur Aufhebung des Mietvertrages nicht entscheidend ankommt.
65Die Vereinbarung vom 02.02.2000 betrifft ohnehin nur das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten als Untermieterin und Herrn W. S als Mieter. Diese Vereinbarung weist in Ziffer 7 ausdrücklich daraufhin, dass sie nur im Zusammenhang mit dem Schreiben der GbR B vom 11.01.2000 gilt.
66Denselben Hinweis enthält die Vereinbarung zwischen der Vermieterin, der GbR G B und dem Mieter Herrn W. S , wie Ziffer 8 der Vereinbarung vom 06.01./11.01.2000 ausweist.
67Damit ist allein von Bedeutung, ob die zusätzlich verlangten Regelungen des Anschreibens der GbR G B zum Ausdruck gebracht im Anschreiben vom 11.01.2000 (Blatt 48 d. A.), vor Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich rechtsverbindlich geworden sind.
68Dazu bedurfte es der Gegenzeichnung dieses Schreibens durch den Mieter Herrn W. S sowie der Zuleitung der diesbezüglichen rechtsverbindlichen Unterschrift des Mieters an die Vermieterin.
694. Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme kann hiervon nicht ausgegangen werden.
70Vielmehr ist die Kammer nach den Bekundungen des Zeugen B davon überzeugt, dass das Schreiben vom 11.01.2000 der Vermieterin tatsächlich erst nach Abschluss der Verhandlungen vor der Einigungsstelle mit der Einigungsstellensitzung vom 22.03.2000 an die Vermieterin zurückgereicht worden ist.
71Der Zeuge B war bis Februar 2001 Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten und konnte deshalb aus eigenem Kenntnisstand zur Sitzverlegung der Beklagten und den damit zusammenhängenden Fragen betreffend die Aufhebung des zuvor bestandenen Mietverhältnisses Angaben machen.
72Der Zeuge hat auch in sich geschlossen und widerspruchsfrei bekundet, dass das für das Zustandekommen des Schreibens verbindliche gegengezeichnete Schreiben der Vermieterin vom 11.01.2000 dieser nicht vor Abschluss der Verhandlungen vor der Einigungsstelle zurückgereicht worden ist.
73Der Zeuge hat hierzu eine einleuchtende und nachvollziehbare Erklärung abgegeben, dass nämlich zuvor die Entscheidung getroffen worden sei, das Schreiben zurückzuhalten, weil auch weitere wirtschaftlich nicht unerhebliche Risiken für die Beklagte deutlich geworden seien durch das Schreiben vom 11.01.2000 nämlich die hierin festgelegte Verpflichtung der Beklagten in angemessener Frist das Objekt räumen zu müssen, wenn eine Nachvermietung möglich gewesen sein sollte.
74Damit hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass es tatsächlich wie von der Beklagten behauptet nicht zeitnah nach Eingang des Schreibens der Vermieterin vom 11.01.2000 zur Zurückreichung dieses von dem Mieter W. S gegengezeichneten Schreibens an die Vermieterin gekommen ist.
75Dafür spricht insbesondere auch der ungefragt vom Zeugen gemachte Hinweis, dass das Schreiben von der Vermieterin Ende Februar 2000 abgemahnt worden sei. Wenn sodann der Zeuge bekundet hat, nach Abschluss der Einigungsstellenverhandlung mit dem seinerzeitigen Mitgeschäftsführer, dem heutigen Geschäftsführer F vereinbart zu haben nunmehr nach Abschluss der Verhandlungen der Einigungsstelle das Schreiben der Vermieterin zuzuleiten, so ist hierdurch für die Kammer der Nachweis geführt, dass dies tatsächlich wie bekundet geschehen ist.
76Ist aber davon auszugehen, dass das Schreiben vom 11.01.2000 gegengezeichnet durch den Mieter W. S erst nach Abschluss der Verhandlungen vor der Einigungsstelle am 22.03.2000 der Vermieterin zurückgereicht worden ist, so sind die Vereinbarungen vom 06./11.01. bzw. 02.02.2000 erst mit Eingang dieses Schreibens bei der Vermieterin rechtsverbindlich geworden. Dieser Zeitpunkt liegt nun nach Abschluss der Verhandlungen vor der Einigungsstelle.
77Aus den dargestellten Gründen war die Beklagte im Zeitpunkt der Verhandlungen vor der Einigungsstelle noch tatsächlich und rechtlich in der Lage uneingeschränkt über das Ob und Wie der Maßnahme der Betriebsänderung und Sitzverlegung der Beklagten mit dem Betriebsrat zu verhandeln.
785. Über diese Fragen des Ob und Wie, die Fragen eines sog. Interessenausgleichs ist ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 16.02.2000 in der Einigungsstelle im Einzelnen verhandelt worden. Dabei sind wie das Sitzungsprotokoll zum Ausdruck bringt auch in getrennten Sitzungen der jeweiligen Seite Fragen des Standorts und hierzu diverse Lösungsmöglichkeiten diskutiert worden.
79Damit genügt bereits die Verhandlung vom 16.02.2000 dem Erfordernis der Verpflichtung der Beklagten über Fragen des Abschlusses eines Interessenausgleichs bis in die Einigungsstelle hinein mit der dem Betriebsrat zu verhandeln und nach einer Lösung der diesbezüglichen Streitfragen zu suchen.
80Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich sind sodann in der Verhandlung vor der Einigungsstelle vom 08.03.2000 gescheitert. Dies hat der Vorsitzende der Einigungsstelle rechtsverbindlich und wirksam durch Erklärung zu Protokoll der Sitzung festgestellt, nach dem zuvor vom Vorsitzenden der Einigungsstelle ermittelt werden konnte, dass eine Lösungsmöglichkeit zur Beilegung dieses Streits der Betriebspartner durch die Einigungsstelle nicht würde erzielt werden können.
816. Hierzu bedurfte es entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht eines Beschlusses der Einigungsstelle.
82§ 76 Abs. 3, der die Beschlussfassung in der Einigungsstelle durch die Einigungsstelle betrifft ist auf die Feststellung des Scheiterns der Einigungsstelle zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs nicht anwendbar, da anders als zum Zustandekommen eines Sozialplans für den Interessenausgleich der Einigungsstelle eine Entscheidungskompetenz in der Sache nicht zukommt.
83Demzufolge führt die Feststellung des Vorsitzenden der Einigungsstelle zu Protokoll der Sitzung der Einigungsstelle zur rechtsverbindlichen Beendigung des Verfahrens zum Zustandekommen eines Interessenausgleichs (vgl. Fitting/Kaiser/Heiter/Engels Betriebsverfassungsgesetz, §§ 112, 112 a Rn. 45).
84Im Ergebnis bedeutet dies, dass nach dem 22.03.2000 die Beklagte als Unternehmerin nunmehr berechtigt war die geplante Maßnahme durchzuführen. Deshalb ist der erste Schritt in der Durchführung der Maßnahme nämlich nunmehr den Mietvertrag rechtsverbindlich durch Zuleitung des Schreibens vom 11.01.2000 an die Vermieterin aufzulösen nicht zu beanstanden.
857. Da aus den dargestellten Gründen in diesem Zeitpunkt die Verhandlung über ein Interessenausgleich rechtsverbindlich als gescheitert festgestellt und das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist liegen die Voraussetzungen zur Zahlung einer Abfindung als Nachteilsausgleich zu Gunsten des Klägers nach § 113 Abs. 3 BetrVG nicht vor.
86Das Arbeitsgericht ist daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, die Klage abzuweisen.
87Der Berufung war aus diesem Grund der Erfolg zu versagen.
88III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
89IV. Die Entscheidung des Rechtsstreits beruht auf den Umständen des Einzelfalles; der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, so dass die Revision nicht zuzulassen war.
90Rechtsmittelbelehrung
91Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, da das Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung hat. Auf den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
92(Jüngst) (Dumm) (Wittig)
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.