Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 11 Sa 190/03
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 12.12.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln
- 11 Ca 1243/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
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T a t b e s t a n d :
2Die Parteien - nämlich die beklagte KG, die ein Zeitarbeitsunternehmen betreibt und der am 26.12.1945 geborene Kläger, den sie ab 1987 zuletzt als Vertriebsdisponenten beschäftigt - streiten um die Überlassung eines Dienstfahrzeugs. Dem Kläger war ein Dienstfahrzeug mit Rücksicht auf die Tatsache zur Verfügung gestellt worden, dass er im Rahmen seiner Aufgaben u. a. Kunden der Beklagten zu besuchen hatte, bei denen diese Mitarbeiter eingesetzt hatte. Der Überlassung lag der Nutzungsvertrag vom 07.08.2000 (Bl. 15 ff.) zugrunde. Nach ihm war dem Kläger auch die private Nutzung gestattet. Der hierin liegende geldwerte Vorteil wurde versteuert. Nach dem Vertrag sollte die Überlassung u. a. dann enden, "wenn (...) eine Freistellung von der Dienstpflicht keine Tätigkeit mit dienstlicher Fahrzeugnutzung mehr vorsieht" (Ziff. 9 Abs. 2). Weiter heißt es: "In allen Fällen der Beendigung der Gebrauchsüberlassung hat der Mitarbeiter keinen Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit" (Ziff. 9 Abs. 4 S. 1). Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrats. Weil er aufgrund einer Vereinbarung mit der Beklagten gem. § 37 Abs. 2 BetrVG befristet freigestellt wurde, forderte die Beklagte mit Schreiben vom 28.01.2002 das Dienstfahrzeug zurück. Dem kam der Kläger unter Vorbehalt nach, fordert aber vorliegend Entschädigung für die entgangene Nutzung ab Februar 2002 in Form von Erstattung der Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie die Verurteilung der Beklagten zur (erneuten) Überlassung eines Dienstfahrzeugs.
3Der Kläger hat beantragt
4- die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn folgende Beträge zu zahlen: 194,50 EUR, 171,65 EUR, 285,20 EUR und 644,30 EUR - jeweils nebst Zinsen wie Bl. 117.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich auf den Nutzungsvertrag berufen.
6Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter und erweitert den Zahlungsantrag um weitere, für die Monate Januar bis April 2003 angefallene Entschädigungsbeträge. Er meint, das Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 37 Abs. 4 i.V.m. § 78 S.2 BetrVG und sei vom Nutzungsvertrag nicht gedeckt: Die dortige "Freistellung" meine nur die einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber, nicht die auf Vereinbarung oder Gesetz (hier § 37 Abs. 2 BetrVG) beruhende.
7Der Kläger beantragt,
8- unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu erkennen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn folgende weitere Beträge zu zahlen: 122,40 EUR, 158,00 EUR, 204,80 EUR und 224,20 EUR - jeweils nebst Zinsen wie Bl. 198, 199.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen.
11Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
13Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überlassung eines "Dienstwagens" zur privaten Nutzung.
14Auf den Nutzungsvertrag kann der Kläger den geltend gemachten Überlassungsanspruch nicht stützen. Denn dieser schließt eine Fahrzeugüberlassung gerade für den Fall aus, dass "eine Freistellung von der Dienstpflicht keine Tätigkeit mit dienstlicher Fahrzeugnutzung mehr vorsieht". Die "Auslegung" des Klägers, die "Freistellung" meine nur die einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber, nicht die auf Vereinbarung oder Gesetz beruhende, ist nicht vertretbar. Für eine Auslegung ist überhaupt kein Raum, weil es an einer Auslegungsbedürftigkeit des Textes fehlt: Er ist weder dunkel noch mehrdeutig (Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 133 Rn. 6). Auch der Zweck der Regelung erfordert keine textkorrigierende "Auslegung". Zweck der Überlassung eines Dienstfahrzeugs ist sein dienstlicher Einsatz. Mit dem Wegfall der Möglichkeit, das Fahrzeug dienstlich einzusetzen, entfällt die Geschäftsgrundlage.
15Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf §§ 37 Abs. 4, 78 S.2 BetrVG. Es entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur, dass ein freigestelltes Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf die weitere Überlassung eines Dienstfahrzeugs hat, sofern diese allein dienstlichen Zwecken diente (FKHES, 21. Aufl., § 37 Rn. 66; GK-BetrVG/Wiese, 6. Aufl., § 37 Rn. 62; a.A. DKK-Wedde, 7. Aufl., § 37 Rn. 51). Nichts anderen kann im vorliegenden Fall gelten. Denn die §§ 37 Abs. 4, 78 S.2 BetrVG wollen nicht nur eine Benachteiligung, sondern auch eine Begünstigung der Betriebsratsmitglieder verhindern. Zu einer Begünstigung aber würde das klägerische Verlangen führen. Denn anders als vor seiner Freistellung besäße der Kläger das Dienstfahrzeug nicht nur zur begleitenden, sondern zur ausschließlichen privaten Nutzung. Richtig ist zwar, dass die begleitende private Nutzung ein Einkommensbestandteil ist, wie sich an ihrer Steuerpflichtigkeit zeigt und demzufolge möglicherweise am Schutz der §§ 37 Abs. 4, 78 S.2 BetrVG teilnimmt. Das hilft aber dem Klagebegehren nicht, weil der Kläger nicht den steuerlich angesetzten geldwerten Vorteil (119,64 EUR lt. Abrechnung 2/02: Bl. 41) fordert, sondern - neben der Fahrzeugüberlassung - Erstattung der für den Erwerb von Bahntickets aufgewandten Kosten. Insofern handelt es sich um einen anderen Streitgegenstand, den der Kläger - nach dem Ergebnis der heutigen Verhandlung - offensichtlich auch nicht hilfsweise anhängig machen will. Demgegenüber repräsentiert nur der steuerlich angesetzte geldwerte Vorteil den Einkommensbestandteil, der dem freigestellten Betriebsratsmitglied möglicherweise zu belassen ist. Die Fahrzeugüberlassung selbst hingegen beinhaltet einen Überschuss, der die Begünstigung kenntlich macht.
16Auch auf § 40 Abs. 2 BetrVG kann der Kläger die streitigen Ansprüche nicht stützen. Diese sind im Beschlussverfahren geltend zu machen. Inhaber des Anspruchs auf Überlassung von Sachmitteln ist zudem der Betriebsrat. Der Kläger fordert das Fahrzeug auch nicht für seine Betriebsratsarbeit, auch wenn er im heutigen Termin auf den Einsatz des Fahrzeugs für Betriebsratstätigkeit hingewiesen hat, sondern ausdrücklich zur privaten Nutzung. Die geltend gemachten Kosten sind nicht für Betriebsratsarbeit entstanden, sondern für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
18(Schunck) (Wiedermann) (Beißel)
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