Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 10 Ta 383/04
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers hin wird der Beschluss
des Arbeitsgerichts Köln vom 21.09.2004 in Sachen 8 (5) Ga
168/04 abgeändert:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller für
die Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Haupt-
sache eine Nebentätigkeitsgenehmigung zu erteilen mit dem
Inhalt, dass der Antragsteller außerhalb der für ihn bei der
Antragsgegnerin maßgeblichen Arbeitszeit wöchentlich drei
Stunden mit wechselnden Tätigkeitszeiten einer Nebentätig-
keit als Finanzdienstleistungsmakler nachgehen kann.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Antragsgegnerin
auferlegt.
1
G r ü n d e
2Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingereichte Beschwerde gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss vom 21.09.2004 ist begründet.
3Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem in der Beschwerdeinstanz gemäß Schriftsatz vom 20.10.2004 beantragten Inhalt zu.
41. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedenfalls mit dem in der Beschwerdeinstanz begehrten Inhalt zulässig. Ihm fehlt nicht etwa deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragsgegnerin den ursprünglichen Antrag auf Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung noch nicht endgültig abgelehnt hätte, sondern sich bis zum Erhalt der Informationen, die sie vom Antragsteller über die genaue zeitliche Lage seiner Nebentätigkeit begehrt hat, selbst noch in der Entscheidungsfindungsphase befände. Spätestens seit der Antragsteller in seinem Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 20.10.2004 ausdrücklich klargestellt hat, dass er nicht daran denkt, seine geplante Nebentätigkeit während der Dienstzeit zu versehen, in der er arbeitsvertraglich für die Antragsgegnerin tätig werden muss Gegenteiliges war allerdings auch dem früheren Vorbringen des Antragstellers nicht zu entnehmen ! -, bestand für die Antragsgegnerin kein Anlass mehr, die Entscheidung über den Nebentätigkeitsantrag weiter zu verzögern. Die gleichwohl erfolgte weitere Verzögerung und insbesondere der Antrag der Antragsgegnerin vom 25.11.2004, die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen, stehen einer Ablehnung des Antrags auf Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung unter den gegebenen Umständen gleich.
52. Der Antragsteller hat auch einen Verfügungsanspruch. Dieser folgt unmittelbar aus Art. 12 Abs.1 GG und Art.2 Abs.1 GG. Während seiner Freizeit, das heißt während der Zeit, in der er auf Grund seiner arbeitsvertraglichen Verbundenheit mit der Antragsgegnerin nicht verpflichtet ist, für diese tätig zu werden, kann der Antragsteller grundsätzlich tun und lassen, was er will. Dazu gehört grundsätzlich auch die nach Art. 12 GG geschützte Freiheit, noch einer anderen Tätigkeit zum Gelderwerb nachzugehen. Das anerkannte Recht eines Arbeitgebers, die Aufnahme einer sog. Nebentätigkeit von seiner Zustimmung abhängig zu machen, dient ausschließlich dazu, ihm die Möglichkeit zu geben zu überprüfen, ob ausnahmsweise vorrangige berechtigte Interessen des Arbeitgebers der Aufnahme der beabsichtigten Nebentätigkeit entgegenstehen können. Keineswegs steht die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung im Ermessen des Arbeitgebers (BAG EzA § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 5). Sind vielmehr keine vorrangigen arbeitgeberseitigen Interessen festzustellen, besteht der Anspruch auf Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung ohne weiteres.
63. Im vorliegenden Fall sind vorrangige arbeitgeberseitige Interessen der Antragsgegnerin, die es rechtfertigen könnten, die vom Antragsteller begehrte Nebentätigkeitsgenehmigung zu versagen, auch jetzt nicht ersichtlich geworden, nachdem das Beschwerdegericht der Antragsgegnerin die Möglichkeit eingeräumt hat, schriftsätzlich zur Sache Stellung zu nehmen.
7a. Die beantragte Genehmigung bezieht sich unstreitig nicht auf eine Art von Tätigkeit, die im weitesten Sinne in Konkurrenz zu der wirtschaftlichen Betätigung der Arbeitgeberin steht.
8b. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die beantragte Nebentätigkeit ihrer Art oder ihres geringen Umfanges nach geeignet wäre, den Antragsteller daran zu hindern, seine gegenüber der Antragsgegnerin (noch) bestehenden arbeitsvertraglichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Insbesondere hat der Antragsteller klargestellt, dass er seine Nebentätigkeit von nur drei Stunden pro Woche nur außerhalb der ihm arbeitsvertraglich obliegenden Arbeitszeiten zu verrichten gedenkt. Diesen Punkt hat das Beschwerdegericht ausschließlich zur Klarstellung in die Formulierung des Beschlusstenors mit aufgenommen. Solange und soweit die Antragsgegnerin den Antragsteller den zwischen den Parteien getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprechend zur Arbeitsleistung heranzieht, hat die arbeitsvertragliche Arbeitszeit Vorrang.
9c. Damit ist zugleich ausgeschlossen, dass die beantragte Nebentätigkeit das Arbeitsverhältnis in arbeitszeitrechtlicher Hinsicht beeinträchtigen könnte. Dementsprechend besteht auch keine Grundlage dafür, die Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung davon abhängig zu machen, dass der Antragsteller im Vorhinein genau angibt, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten er gedenkt, seine Nebentätigkeit zu verrichten.
10d. Andere arbeitgeberseitige Interessen, die der beantragten Nebentätigkeitsgenehmigung entgegenstehen könnten, hat die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung selbst nicht vorgebracht.
114. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts fehlt es schließlich auch nicht an einem Verfügungsgrund.
12a. Es ist nur vordergründig zutreffend, wenn das Arbeitsgericht darauf hinweist, dass bei Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung der Antragsteller bereits eine umfassende Befriedigung seines Anspruches in der Sache erreichen würde. Abgesehen davon, dass die Wirkung der einstweiligen Verfügung ohnehin nur auf die Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu begrenzen wäre, ist auf der anderen Seite nämlich auch zu bedenken, dass der Antragsteller, gesetzt den Fall, dass er später in der Hauptsache obsiegt, für die Zeit bis zum Erlass der Entscheidung in der Hauptsache endgültig und unwiederbringlich daran gehindert würde, sein Recht, einer bestimmten Nebentätigkeit nachzugehen, auszuüben.
13b. In solchen Fällen hat eine Interessenabwägung stattzufinden, bei der die Nachteile, die dem Antragsteller erwachsen, wenn der von ihm geltend gemachte Anspruch objektiv zu Unrecht zurückgewiesen würde, denjenigen Nachteilen gegenüberzustellen sind, welche die Antragsgegnerin zu gewärtigen hätte, wenn sie den geltend gemachten Anspruch auf Grund einer stattgebenden Gerichtsentscheidung im einstweiligen Rechtsschutz eine gewisse zeitlang objektiv zu Unrecht erfüllen müsste (LAG Köln vom 12.05.2004 7 Sa 242/04 -).
14c. Diese notwendige Interessenabwägung fällt vorliegend eindeutig zu Gunsten des Antragstellers aus.
15aa. Dem Verfügungsanspruch des Antragstellers kommt bereits im Ausgangspunkt ein hoher Stellenwert zu, da es sich um eine unmittelbar nach Art. 12 Abs. 1 GG, aber auch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition handelt. Berechtigte entgegenstehende Interessen der Antragsgegnerin sind demgegenüber schlechthin nicht ersichtlich, was auch dafür spricht, dass der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren wahrscheinlich obsiegen wird.
16bb. Im vorliegenden Fall kommt schließlich noch die besondere Situation hinzu, in der sich das Arbeitsverhältnis der Parteien befindet. Während die Antragsgegnerin mit der von ihr ausgesprochenen Kündigung des beiderseitigen Arbeitsverhältnisses nachhaltig zum Ausdruck gebracht hat, dass sie auf die Arbeitskraft des Antragstellers auf Dauer keinen Wert mehr legt, ist der Antragsteller gerade aus diesem selben Grunde gehalten, auch wenn er die Kündigung der Gegenseite für unberechtigt halten mag, sich beizeiten im Erwerbsleben anderweitig zu orientieren, um für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist seinen Lebensunterhalt sicherstellen zu können und nicht der Versichertengemeinschaft zur Last fallen zu müssen. Gerade dies liegt letztlich in Anbetracht des zwischen den Parteien anhängigen Kündigungsschutzprozesses auch im ureigenen Interesse der Antragsgegnerin, hat diese den Antragsteller doch in ihrem Kündigungsschreiben vom 09.08.2004 selbst darauf hingewiesen, dass er "verpflichtet sei, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen". Kommt der Antragsteller dem nach, vermindert er zugleich auch ein denkbares, aus dem Kündigungsschutzprozess resultierendes Annahmeverzugsrisiko der Antragsgegnerin.
17Dies alles bedenkend, kann ein Verfügungsgrund vorliegend nicht zweifelhaft sein.
185. Die Kosten des Verfahrens hat nach § 91 ZPO die unterliegende Antragsgegnerin zu tragen.
19Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht statthaft.
20(Dr. Czinczoll)
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