Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 7 Sa 438/13
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.02.2013 in Sachen6 Ca 2487/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darüber, ob die laufende Betriebsrente des Klägers zu den Stichtagen 01.04.2007 und 01.04.2010 nach § 16 BetrAVG hätte angepasst werden müssen, so dass dem Kläger nunmehr eine höhere Betriebsrente zustünde als ihm durch die Beklagte tatsächlich ausgezahlt wird.
3Der am 01.06.1938 geborene Kläger trat im Januar 1963 als Arbeitnehmer in den G Konzern ein. In der Folgezeit erhielt der Kläger ein Versorgungsversprechen, dass ihm mit Schreiben der G -K R V -G AG vom 15.06.1976 (Bl. 18 f. d. A.) bestätigt wurde.
4Zum 01.06.1998 beendete der Kläger sein aktives Arbeitsverhältnis. Seit diesem Zeitpunkt bezog er eine vorgezogene Altersrente und eine monatliche Betriebsrente, deren Höhe im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage 1.044,89 € betrug. Unmittelbare letzte Arbeitgeberin des Klägers im Zeitpunkt von dessen Eintritt in die Rente war die ehemalige Konzernobergesellschaft G K V -B -AG (G ). Die G firmierte im Mai 2006 in W V AG um (W ). Ende 2007 wurde die W V AG in die W V GmbH umgewandelt.
5Zum Stichtag 01.04.2001 erfolgte eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers auf der Grundlage des § 16 BetrAVG.
6Zum Anpassungsstichtag 01.04.2004 wurde keine Anpassung der Betriebsrente des Klägers nach § 16 BetrAVG vorgenommen, ohne dass der Kläger dieser Entscheidung widersprochen hätte.
7Unter dem 16.05.2006 erhielt u. a. der Kläger unter dem Betreff „Information zu ihrer Rente“ ein Schreiben der G B GmbH
8(GB ), welches auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
9„Sehr geehrter Herr P ,
10nachdem die G -K V -B AG (G ) ihren Geschäftsbetrieb und alle Tochtergesellschaften des Erstversicherungskonzerns nunmehr auf die G -B -GmbH (GB ) übergeleitet hat, hat die GB von der G mit Wirkung zum 30.04.2006 sämtliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ihnen gewährten Versorgungszusage übernommen.
11Von der Übernahme sind Versorgungsansprüche gegenüber den d Gesellschaften der GB -Gruppe und gegenüber der G erfasst. (...)
12Die T AG hat in diesem Zusammenhang eine selbstschuldnerische Bürgschaft für die Zahlungen der GB im Hinblick auf ihre von der GB übernommenen Versorgungsansprüche übernommen. Aufgrund der Übernahme werden dementsprechend sämtliche Zahlungen auf Ihre Versorgungsansprüche ab dem 01.05.2006 von der GB geleistet.
13An der Verwaltung ihrer Versorgungsansprüche hat sich dadurch nichts geändert. Sofern Sie nichts Gegenteiliges von uns hören, bleiben Ihre bisherigen Ansprechpartner weiterhin für Sie tätig.“ (Bl. 21 d. A.)
14Bei der GB handelt es sich nach einer zwischenzeitlich erfolgten Umfirmierung um die hiesige Beklagte.
15Mit Schreiben vom 16.10.2008 teilte die H -G -P AG dem Kläger u. a. mit:
16„Sehr geehrter Herr P ,
17aufgrund eines von der ehemaligen Arbeitgebergesellschaft erteilten Versorgungsversprechens beziehen Sie eine Betriebsrente. Diese Betriebsrente ist gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG alle drei Jahre auf eine mögliche Anpassung hin zu überprüfen. (...)
18Im Auftrag der verpflichteten Arbeitgebergesellschaft müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass die Anpassung der Betriebsrente angesichts der derzeitigen schlechten wirtschaftlichen Lage der ehemaligen Arbeitgebergesellschaft eine übermäßige Belastung für diese bedeuten würde. Unter Berücksichtigung dieser Sachlage und der rechtlichen Rahmenbedingung hat die turnusmäßig, d. h. alle drei Jahre zum 1. April durchgeführte Anpassungsprüfung ergeben, dass zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes der Gesellschaft eine Anpassung der Betriebsrente zum 1. April 2007 nicht erfolgen kann. Damit Sie die Entscheidung nachvollziehen können, haben wir anliegend eine Darstellung der maßgeblichen Kriterien zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens beigefügt.
19Mit der anliegenden schriftlichen Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens gilt die Anpassung nach § 16 Abs. 4 BetrAVG als zu Recht unterblieben, wenn Sie nicht binnen drei Monaten nach Zugang dieser Mitteilung schriftlich dieser Anpassungsentscheidung widersprechen. (...)“ (Bl. 22 f. d. A.)
20Dem Schreiben war eine „Anlage zur Mitteilung über das Ergebnis der Anpassungsprüfung zum 01.04.2007 (Versorgungszusagen, aus denen die W V -GmbH W , vormals G K V AG, als ehemalige Arbeitgeber bzw. dessen Rechtsnachfolger verpflichtet ist)“. Die Anlage beginnt mit dem Hinweis:
21„Die W hat die Betriebsrenten gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG alle drei Jahre auf eine mögliche Anpassung zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden.“
22Nach Darstellung der wirtschaftlichen Lage der W wird ausgeführt:
23„Angesichts der wirtschaftlichen Lage der W sieht sich diese außer Stande, Ihnen einer der Inflation entsprechende oder auch geringere Rentenanpassung zu gewähren.“
24Im weiteren Text der Anlage wird noch ausgeführt:
25„Die wirtschaftliche Lage der G B GmbH (GB ) ist unseres Erachtens für die Anpassungsentscheidung nicht relevant. Selbst bei hilfsweiser Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der GB kommt eine Anpassung der Betriebsrenten nicht in Betracht.“
26Auf den vollständigen Text der Anlage zum Schreiben vom 16.10.2008 (Bl. 24 f. d. A.) wird Bezug genommen.
27Der Kläger erhob unter dem 29.12.2008 fristgerecht Widerspruch gegen die Ablehnung einer Rentenanpassung zum 01.04.2007.
28Mit Schreiben vom 18.11.2010 teilte die H -G -P AG dem Kläger „im Auftrag der W V -GmbH“ mit, dass aufgrund der wirtschaftlichen Lage der W auch eine Betriebsrentenanpassung zum 01.04.2010 nicht erfolgen könne. In der beigefügten Anlage wurde wiederum die wirtschaftliche Lage der W in der Zeit von 2007 bis 2009 dargestellt mit dem Ergebnis:
29„Angesichts der wirtschaftlichen Lage der W sieht sich diese außer Stande, Ihnen eine der Inflation entsprechende oder auch geringere Rentenanpassung zu gewähren.“
30Im weiteren Text heißt es wiederum:
31„Die wirtschaftliche Lage der GB ist für die Anpassungsentscheidung nicht relevant. Selbst bei hilfsweiser Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der GB kommt eine Anpassung der Betriebsrenten nicht in Betracht.“
32Auch gegen die Ablehnung der Betriebsrentenanpassung zum 01.04.2010 erhob der Kläger mit Schreiben vom 09.12.2010 rechtzeitig Widerspruch (vgl. die Korrespondenz zur unterbliebenen Betriebsrentenanpassung 2010: Bl. 27 bis 31 d. A.).
33Am 31.03.2011 erhob der Kläger die vorliegende Klage. Damit begehrt er die Anpassung seiner Betriebsrente zum Stichtag 01.04.2007 um 5,2 % oder 54,33 € brutto monatlich. Unter Einschluss dieses Anpassungsbetrages für 2007 begehrt er ab dem 1.4.2010 eine Erhöhung der Rente um insgesamt 106,68 € brutto monatlich. Auf dieser Basis hat der Kläger die seit Januar 2008 bis einschließlich März 2011 aufgelaufenen Differenzbeträge errechnet und zum Gegenstand seiner Zahlungsanträge gemacht.
34Der Kläger hat die Auffassung vertreten, aus dem Schreiben der Beklagten vom 16.05.2006 folge, dass die Beklagte im Außenverhältnis sämtliche Verpflichtungen aus der Versorgungszusage übernommen habe und somit auch zur Vornahme der Anpassungsprüfungen nach § 16 Abs. 1 BetrAVG nach Maßgabe ihrer eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichtet sei. Die wirtschaftliche Situation der Beklagten habe zu beiden Anpassungsstichtagen eine Anpassung der Renten ohne Weiteres ermöglicht. Zudem sei auch auf die wirtschaftliche Situation der seinerzeitigen hundertprozentigen Anteilseignerin, der T AG, abzustellen.
35Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.466,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 54,33 € brutto seit dem 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2008, 01.01., 01.02., 01.03. 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2009, 01.01., 01.02., 01.03. und 01.04.2010 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.280,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 106,68 € brutto seit dem 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2010, 01.01., 01.02., 01.03. und 01.04.2011 zu zahlen;
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3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit ab April 2011 eine um monatlich 106,68 € brutto erhöhte Betriebsrente in Höhe von insgesamt 1.151,57 € brutto jeweils monatlich nachschüssig zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44Die Beklagte hat behauptet, sie habe sich der letzten Arbeitgeberin des Klägers und eigentlichen Versorgungsschuldnerin gegenüber lediglich im Innenverhältnis verpflichtet, diese von den Versorgungsverpflichtungen freizustellen und den Rentnern gegenüber quasi als Zahlstelle zu fungieren. Es handele sich um eine bloße Erfüllungsübernahme im Sinne von § 329 BGB. Nichts anderes ergebe sich auch aus dem Schreiben an den Kläger vom 16.5.2006. Für die Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG sei allein die Versorgungsschuldnerin, also die G /W zuständig geblieben. Demnach komme es allein auf deren wirtschaftliche Verhältnisse an, keineswegs jedoch auf ihre eigenen und schon gar nicht auf diejenigen der T AG als aktueller Konzernobergesellschaft.
45Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 28.02.2013 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht jeweils unter Bezugnahme auf die Entscheidungen anderer Kammern des Arbeitsgerichts ausgeführt, dass der Kläger einen etwaigen Anspruch darauf, auf einer ggf. zu Unrecht unterbliebenen Anpassung zum 01.04.2007 heute noch Rechte herzuleiten, durch verspätete Klageerhebung verwirkt habe und dass im Übrigen die Beklagte für die Forderungen des Klägers nicht passivlegitimiert sei, da hinsichtlich der Versorgungsansprüche des Klägers weder von einer befreienden Schuldübernahme noch von einem Schuldbeitritt ausgegangen werden könne, sondern lediglich von einer Erfüllungsübernahme im Sinne von
46 47Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 31.05.2013 zugestellt. Er hat hiergegen am 10.06.2013 Berufung eingelegt und diese am 30.07.2013 begründen lassen.
48Der Kläger und Berufungskläger wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Rechtsausführungen und behauptet unter Darlegung zahlreicher Einzelheiten, dass die wirtschaftliche Lage der GKB/Winsor, der Beklagten und der Konzernobergesellschaft T AG eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 01.04.2007 und 01.04.2010 ohne Weiteres erlaubt hätten.
49Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
50das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.02.2013, zugestellt am 31.05.2013, Aktenzeichen 6 Ca 2487/11, abzuändern und entsprechend den erstinstanzlich gestellten Leistungsanträgen zu erkennen.
51Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
52die Berufung zurückzuweisen.
53Auch die Berufungsbeklagte wiederholt und vertieft ihre Rechtsausführungen und ihre Tatsachenbehauptungen dazu, dass die wirtschaftliche Lage der G /W , auf die allein es ankomme, aber auch ihre eigene wirtschaftliche Lage die begehrte Betriebsrentenanpassung nicht zuließen.
54E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
55I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.02.2013 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen rechtzeitig eingelegt und begründet.
56II. Die Berufung des Klägers konnte jedoch keinen Erfolg haben. Die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat den Rechtsstreit im Ergebnis richtig entschieden. Der Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils kann allerdings nur teilweise gefolgt werden.
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1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts trifft es nicht zu, dass der Kläger sein Recht verwirkt hätte, Ansprüche aus dem möglichen Umstand herzuleiten, dass die Anpassung seiner Betriebsrente nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zum 01.04.2007 zu Unrecht unterblieben sein könnte.
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a. Zwar zitiert das Arbeitsgericht zutreffend die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach das Klagerecht des Versorgungsempfängers verwirkt, wenn er die Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG zwar rechtzeitig gerügt, jedoch versäumt hat, bis zum Ablauf des nächsten auf die Rügefrist folgenden Anpassungszeitraums Klage zu erheben (BAG vom 25.04.2006, 3 AZR 372/05, NZA-RR 2007, 374 ff.).
- 62
b. Das Arbeitsgericht hat die Grundsätze dieser Entscheidung jedoch fehlerhaft auf den vorliegenden Fall angewandt. Die Anpassungsentscheidung zum Stichtag 01.04.2007 wurde dem Kläger durch das Schreiben der H -G P AG vom 16.10.2008 mitgeteilt. Der Kläger hat dagegen – unstreitig – rechtzeitig mit Schreiben vom 29.12.2008 Widerspruch eingelegt. Bei dem „auf die Rügefrist folgenden Anpassungszeitraum“ im Sinne der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2006 handelt es sich somit um den Zeitraum, der vom nächsten Anpassungszeitpunkt (01.04.2010) bis zum übernächsten Anpassungszeitraum reicht. Dies lässt sich anhand der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2006 leicht nachvollziehen. Dort ging es nämlich um eine streitige Anpassungsentscheidung zum 01.01.1994. Das Bundesarbeitsgericht führt wörtlich aus: „Das Recht des Klägers, gegen die Anpassungsentscheidung zum 01.01.1994 zu klagen, ist verwirkt. Ihm kommt zwar die vom VDF Anfang 1994 erhobene Rüge zugute. Er hätte dann aber vor dem 01.01.2000 Klage erheben müssen. Mit dem 31.12.1999 ist sein Klagerecht verwirkt.“ (BAG a. a. O., Rdnr. 14 bei juris). Übertragen auf den vorliegenden Fall wäre das Recht des Klägers, die zum 01.04.2007 unterbliebene Anpassung seiner Betriebsrente im Klagewege zu rügen, am 31.03.2013 verwirkt. Die Klageerhebung erfolgte jedoch bereits am 30.03.2011.
- 64
2. Gleichwohl kann der Kläger mit seiner Berufung keinen Erfolg haben, weil er, wie auch das Arbeitsgericht im zweiten Teil seiner Entscheidungsgründe zutreffend erkannt hat, mit der Beklagten die falsche Partei in Anspruch nimmt. Das Berufungsgericht folgt dabei im Ergebnis, weitgehend aber auch in der Begründung, einer Entscheidung der 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14.10.2013, 2 Sa 817/12, welche eine vergleichbare Sachverhaltskonstellation betrifft.
a. Wie die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln in der vorgenannten Entscheidung zutreffend ausführt, handelt es sich bei einer Klage auf Zahlung einer nach § 16 BetrAVG erhöhten Betriebsrente der Klageart nach um eine Gestaltungsklage in der Form einer Zahlungsklage. Der Kläger macht geltend, dass bei der Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG das der Versorgungsschuldnerin zustehende Ermessen im Sinne des § 315 BGB fehlerhaft ausgeübt worden sei. Damit macht der Kläger geltend, dass die Leistungsbestimmung nunmehr nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB das Gericht durch Urteil treffen soll (LAG Köln vom 14.10.2013, 2 Sa 817/12).
66- 67
c. Der Prozess, durch dessen Entscheidung das Gericht die unbillige Bestimmung des Bestimmungsberechtigten durch sein Urteil ersetzt, ist zwischen den Vertragsparteien zu führen, in deren unmittelbaren Verhältnis das Leistungsbestimmungsrecht begründet ist (LAG Köln a. a. O.). Im Falle der Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG zu einer unmittelbaren Versorgungszusage ist dies das Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer als Betriebsrentner und Versorgungsgläubiger zu seinem Arbeitgeber als dem Schuldner der Versorgungszusage. Dabei handelt es sich regelmäßig um dasjenige Unternehmen, welches die Versorgungszusage erteilt hat, oder dessen Rechtsnachfolger in der Stellung des Arbeitgebers, grundsätzlich also dasjenige Arbeitgeberunternehmen, bei welchem der Betriebsrentner zum Zeitpunkt des Renteneintritts beschäftigt war.
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d. Originäre Versorgungsschuldnerin des Klägers war somit die frühere Konzernobergesellschaft G /W , bei der der Kläger im Zeitpunkt seines Renteneintritts beschäftigt war. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Die G /W existierte im Zeitpunkt des Anpassungsstichtages 01.04.2007 noch als werbendes Unternehmen und existiert auch weiterhin, wenn auch zurzeit möglicherweise nur noch als sog. Rentnergesellschaft.
3. Es trifft zwar zu, dass es die Beklagte war, die seit dem Jahr 2006 die Auszahlung der laufenden Betriebsrenten an den Kläger veranlasst hat. Dieser Umstand für sich allein stellt jedoch noch keinen Beleg dafür dar, dass die Beklagte nunmehr im Verhältnis zum Kläger als alleinige Versorgungsschuldnerin an die Stelle der G /W getreten wäre. Hierzu hätte es einer sog. befreienden Schuldübernahme im Sinne der §§ 414, 415 BGB bedurft. Zu einer solchen ist es jedoch nicht gekommen.
71a. Gemäß § 414 BGB kommt eine befreiende Schuldübernahme durch einen Vertrag zwischen einem Dritten (hier: die Beklagte) und dem Gläubiger (hier: der Kläger) zustande. Für den Abschluss eines solchen Vertrages zwischen den Parteien ist nichts ersichtlich. Der Kläger begründet seine Annahme der rechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für seine mit der vorliegenden Klage erhobenen Ansprüche insbesondere mit dem Schreiben der Beklagten vom 16.05.2006. Dieses Schreiben kann aber keinesfalls als Angebot zum Abschluss eines Schuldübernahmevertrages im Sinne von § 414 BGB interpretiert werden. Es besitzt schon nicht den Charakter einer gestaltenden Willenserklärung wie es einem Angebot zum Abschluss eines Schuldübernahmevertrages entspräche. In keiner Weise ist das Schreiben darauf angelegt, eine Reaktion des Klägers – im Sinne einer Vertragsannahmeerklärung – hervorzurufen. Das Schreiben vom 16.05.2006 charakterisiert sich vielmehr schon in seinem Betreff selbst als reine „Information“ und berichtet inhaltlich von Vorgängen aus der Vergangenheit(„... hat die GB ... sämtliche Verpflichtungen... übernommen“).
72b. Gemäß § 415 BGB kann eine befreiende Schuldübernahme auch durch einen Vertrag zwischen dem Übernehmer und dem bisherigen Schuldner zustande kommen. Die Wirksamkeit eines solchen Vertrages hängt jedoch gemäß § 415 Abs. 1 S. 1 BGB von der Genehmigung durch den Gläubiger, hier also den Kläger, ab, welche grundsätzlich auch konkludent erfolgen kann.
73aa. Zum Rechtscharakter der Vereinbarung, die die Beklagte ausweislich ihres Schreibens vom 16.05.2006 mit der G /W getroffen hat, kann der Kläger nur Mutmaßungen anstellen, die auf dem Inhalt dieses Schreibens beruhen. Der Informationsgehalt des Schreibens vom 16.05.2006 lässt sich jedoch eher mit der Darstellung der Beklagten vereinbaren, wonach sie sich intern gegenüber der G /W als originärer Versorgungsschuldnerin des Klägers lediglich zu einer Freistellung von den Versorgungsverbindlichkeiten ohne Außenwirkung im Sinne einer Erfüllungsübernahme gemäß § 329 BGB verpflichtet hat, als mit der Annahme der Vereinbarung einer befreienden Schuldübernahme, zu der die Genehmigung des Klägers erforderlich gewesen wäre; denn wie bereits ausgeführt ist das Schreiben vom 16.05.2006 in keiner Weise darauf angelegt, eine Antwort des Klägers zu erhalten, nicht nur nicht im Sinne einer Vertragsannahme, sondern auch nicht im Sinne einer Vertragsgenehmigung. In Anbetracht der Bedeutung der Angelegenheit wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte den Kläger gemäß § 415 Abs. 2 S. 2 BGB unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung über die Genehmigung aufgefordert hätte. Dies war aber gerade nicht der Fall, sondern die Beklagte hat im Gegenteil das Schreiben vom 16.05.2006 ausdrücklich nur zur „Information“ abgesandt.
74bb. Selbst wenn man jedoch in dem Schreiben der Beklagten vom 16.05.2006 die Mitteilung einer mit der G /W vereinbarten, durch den Kläger aber aufgrund § 415 Abs. 1 BGB genehmigungsbedürftigen befreienden Schuldübernahme sähe, so hat der Kläger die notwendige Genehmigung jedenfalls nicht erteilt.
75aaa. Der Kläger hat auf das Schreiben vom 16.05.2006 unstreitig nicht reagiert.
76bbb. Er will darauf hinaus, dass in der Erhebung der Klage vom 30.03.2011 zum vorliegenden Rechtsstreit eine konkludente Genehmigung der befreienden Schuldübernahme durch die Beklagte zu sehen sei. Zwar bedarf die nach § 415 Abs. 1 BGB notwendige Genehmigung keiner besonderen Form und kann grundsätzlich auch konkludent erklärt werden. Zwischen dem Schreiben der Beklagten vom 16.05.2006 und der Klageerhebung am 30.03.2011 sind jedoch nahezu fünf Jahre vergangen. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war die in entsprechender Anwendung des § 147 Abs. 2 BGB anzusetzende Genehmigungsfrist längst abgelaufen.
77ccc. Vor allem aber hatte die Beklagte zwischenzeitlich, nämlich durch ihre Schreiben vom 16.10.2008 und 18.11.2010, betreffend die Anpassungsentscheidungen zum 01.04.2007 und 01.04.2010, längst klargestellt, dass sie in der Angelegenheit der Betriebsrente des Klägers lediglich im Auftrag der G /W handelte.
78cc. Hinzukommt, dass eine befreiende Übernahme der Versorgungsverpflichtungen der G /W gegenüber dem Kläger durch die Beklagte im Zweifel nur unter den Voraussetzungen des § 4 BetrAVG möglich gewesen wäre (ebenso LAG Köln vom 14.10.2013, 2 Sa 817/12 ). Dafür, dass diese Voraussetzungen des § 4 BetrAVG vorgelegen hätten, ist nichts ersichtlich.
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4. Scheidet somit eine befreiende Übernahme der Versorgungsverbindlichkeiten der G /W gegenüber dem Kläger durch die Beklagte aus, so kann dahingestellt bleiben, ob dem Informationsschreiben der Beklagten vom 16.05.2006 ggf. ein sog. Schuldbeitritt zugrunde lag.
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a. Ein Schuldbeitritt unterscheidet sich von der Erfüllungsübernahme im Sinne von § 329 BGB dadurch, dass der neu hinzutretende Schuldner sich neben dem bisherigen Schuldner, also zusätzlich zu diesem, verpflichtet, für die bestehenden Verbindlichkeiten auch im Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger gerade zu stehen.
b. Zum Einen spricht der Inhalt des Schreibens vom 16.05.2006 nicht mehr für einen Schuldbeitritt als für die von der Beklagten angegebene bloße Erfüllungsübernahme. Als Hintergrund des Schreibens vom 16.05.2006 ist zu berücksichtigen, dass im damaligen Zeitraum in der Öffentlichkeit die wirtschaftliche Zukunft des G -Konzerns als fragwürdig dargestellt wurde. Das Informationsschreiben vom 16.05.2006 diente daher auch dazu, den Betriebsrentnern zu vermitteln, dass ihre Betriebsrenten durch weitere, potentiell finanzkräftigere Unternehmen wie die Beklagte und die – aufgrund der selbstschuldnerischen Bürgschaft – dahinterstehende T AG gesichert seien. Dieses Ziel konnte aber durch eine Erfüllungsübernahme ebenso gut erreicht werden wie durch einen Schuldbeitritt.
84c. Zudem wäre ein Schuldbeitritt im Zweifel auch auf den Inhalt beschränkt, dass die Beklagte sich verpflichtet, für die originären Zahlungsverpflichtungen der GKB/W – auch im Außenverhältnis – einzustehen, ohne damit gleichzeitig in vollem Umfang in die Position des Versorgungsschuldners einzutreten, der die Ermessungsentscheidung nach § 16 BetrAVG zu treffen hat (ebenso LAG Köln vom 14.10.2013, 2 Sa 817/12 ).
85- 86
e. Die vorliegende, allein gegen die Beklagte gerichtete Gestaltungsklage könnte aber selbst dann keinen Erfolg haben, wenn man davon ausginge, dass die Beklagte uneingeschränkt und in vollem Umfang neben die G /W als Versorgungsschuldnerin des Klägers getreten wäre; in diesem Falle hätten nämlich die Beklagte und die G /W die Leistungsbestimmung, ob zu den Stichtagen 01.04.2007 und 01.04.2010 eine Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zu erfolgen hätte, nur gemeinsam treffen können. Dementsprechend hätte auch die die Leistungsbestimmung ersetzende Gerichtsentscheidung nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB nur gegenüber allen Bestimmungsberechtigten einheitlich und gleichmäßig ergehen dürfen. Die beiden Leistungsbestimmungsverpflichteten hätten in diesem Fall als notwendige Streitgenossen gemeinsam verklagt werden müssen (ebenso LAG Köln vom 14.10.2013, 2 Sa 817/12), was aber nicht geschehen ist.
5. Die Berufung des Klägers konnte somit keinen Erfolg haben, da er für sein Klagebegehren nicht die Beklagte, jedenfalls aber nicht die Beklagte allein in Anspruch nehmen kann. Auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 16 BetrAVG der G /W als originärer Versorgungsschulderin des Klägers, der Beklagten oder auch eines anderen Unternehmens kommt es damit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.
88III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
89Gemäß § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG war nach Auffassung des Berufungsgerichts die Revision zuzulassen.
90R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
91Gegen dieses Urteil kann vonder klagenden Partei
92R E V I S I O N
93eingelegt werden.
94Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
95Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
96Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt,
97Fax: 0361-2636 2000
98eingelegt werden.
99Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
100Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
101- 102
1. Rechtsanwälte,
- 103
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 104
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
106Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
107Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
108* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Referenzen
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- BetrAVG § 4 Übertragung 2x
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- BGB § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei 3x
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- 3 AZR 372/05 1x (nicht zugeordnet)
- 6 Ca 2487/11 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 329 Auslegungsregel bei Erfüllungsübernahme 4x
- BGB § 414 Vertrag zwischen Gläubiger und Übernehmer 3x
- 2 Sa 817/12 5x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x