Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 2 Sa 179/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.01.2014, Az.: 20 Ca 3920/13, wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Zahlung eines Lohnzuschlags nach dem anzuwendenden Lohntarifvertrag.
3Die Klägerin ist bei der Beklagten am K Flughafen als Flugsicherheitskraft angestellt und übt in diesem Rahmen Tätigkeiten als Flugsicherheitsassistentin (nach § 5 LuftSiG) aus. Über eine Ausbildung nach § 8 LuftSiG verfügt sie nicht.
4Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen vom 05.04.2013 (LTV) Anwendung. Dieser ist auf der Basis einer Schlichtungsempfehlung vom 05.04.2013 (Anlage zum SS. d. Beklagten vom 27.03.2014, Bl. 141 ff. der Gerichtsakte) zustande gekommen und regelt mit Wirkung ab dem 01.01.2013 unter Ziff. 2 B unter anderem in Lohngruppe 17b) für „Tätigkeiten nach §§ 8 oder 9 LuftSiG an Verkehrsflughäfen“ (nach der Probezeit) einen Stunden-Grundlohn von 9,00 EUR (ab dem 01.01.2013) bzw. 9,75 EUR (ab dem 01.05.2013) und in Lohngruppe 18b) für „Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG an Verkehrsflughäfen“ (nach der Probezeit) einen Stunden-Grundlohn von 12,36 EUR (ab dem 01.01.2013) bzw. 13,60 EUR (ab dem 01.05.2013). Ab dem 01.01.2014 sind Tätigkeiten nach §§ 8 oder 9 LuftSiG an Verkehrsflughäfen (nach der Probezeit) in Lohngruppe 16b) (Stunden-Grundlohn 10,55 EUR) und Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG an Verkehrsflughäfen (nach der Probezeit) in Lohngruppe 17b) (Stunden-Grundlohn 14,70 EUR) aufgeführt. Darüber hinaus enthält der Tarifvertrag in Ziff. 2.1 nachfolgende Bestimmungen:
5Der Lohnzuschlag
6für den Sicherheitsmitarbeiter in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen gemäß EU-Verordnung 185/2010 oder einer diese Verordnung ersetzenden Verordnung (Mitarbeiter, der in o. g. Bereich eingesetzt wird und über die der Verordnung entsprechende Ausbildung verfügt) beträgt
7ab dem 01.01.2013
8im 8-Stunden-Schicht-Dienst (bei Anforderung des Kunden) pro Stunde 1,50 €.
9im 12-Stunden-Schicht-Dienst
10pro Stunde 0,80 €.
11ab dem 01.05.2013
12pro Stunde • 1,50 €.
13Die Parteien haben die Stellungnahmen der tarifschließenden Parteien zu einer im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln zum Az. 12 Ca 1673/13 eingeholten Tarifauskunft zu der Regelung in Ziff. 2.1 LTV zur Akte gereicht.
14Die Klägerin ist in der Fluggastkontrolle eingesetzt. Am Flughafen existieren darüber hinaus sogenannte Mischkontrollen, an denen von den Mitarbeitern der Beklagten nicht nur Fluggäste und ihr Gepäck, sondern auch am Flughafen beschäftigtes Personal und Fahrzeuge kontrolliert werden. Die hier von der Beklagten eingesetzten Mitarbeiter sind nach § 5 und nach § 8 LuftSiG geschult.
15Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass zu ihren Aufgaben schwerpunktmäßig gehöre, Personen und Waren auf dem K Flughafen zu kontrollieren. Die ihr zustehenden Zuschläge seit 01.05.2013 habe sie erfolglos gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
16Sie hat die Auffassung vertreten, dass ihr aufgrund ihrer Tätigkeit der Zuschlag nach Ziff. 2.1 LTV zustehe und sie für die Monate Mai – Oktober 2013 auf der Basis der jeweils erbrachten Monatsstunden Nachzahlung von 1,50 EUR pro Arbeitsstunde verlangen könne. Für die Zukunft begehrt sie eine entsprechende gerichtliche Feststellung ihrer Ansprüche nach Ziff. 2.1 LTV.
17Die Klägerin hat beantragt,
18- 19
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.002,08 EUR netto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 15.12.2013 zu bezahlen (Lohnzuschlag vom 01.05.2013 nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen NRW vom 05.04.2013).
- 21
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr neben dem Stundengrundlohn nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen an Verkehrsflughäfen in Nordrhein-Westfalen vom 05.04.2013 von aktuell 13,60 EUR einen Zuschlag im Umfang von 1,50 EUR je Arbeitsstunde zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie hat die Auffassung vertreten, dass der sogenannte Personal- und Warenkontrollzuschlag (PWK-Zuschlag) nach Ziff. 2.1 LTV nur geschuldet sei, wenn Grundlohn nach Ziffer 17 LTV (in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung) geschuldet sei, also für Tätigkeiten nach § 8 LuftSiG. Denn in diese Lohngruppe seien auch Mitarbeiter mit einfachen Tätigkeiten, wie etwa Streifengängen ohne Kontakt zu Personal oder Passagieren, eingruppiert. Der PWK-Zuschlag sei für diejenigen Mitarbeiter dieser Vergütungsgruppe vorgesehen, welche die anspruchsvolleren Tätigkeiten der Personal- und Warenkontrolle ausüben. Im LTV sei nur versehentlich von „Personen“- statt von „Personalkontrolle“ die Rede, wie der Vergleich mit anderen Flächentarifverträgen zeige.
25Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.01.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Klägerin bei der Gepäckkontrolle keine Warenkontrolle im Tarifsinne vornehme. Hierzu verfüge sie auch nicht über die notwendige Ausbildung. Aus dem systematischen Zusammenhang der Tarifregelung und ihrer Entstehungsgeschichte ergebe sich zudem, dass der Zuschlag nur für Mitarbeiter gelte, die nach § 8 LuftSiG tätig werden. Warenkontrollen würden nur auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Nr. 5 LuftSiG durchgeführt. Richtigerweise müsse es in Nr. 2.1 LTV nicht „Personen- und Warenkontrolle“ sondern „Personal- und Warenkontrolle“ heißen. Auch Sinn und Zweck des Zuschlags sprächen dafür, nur Mitarbeiter nach § 8 LuftSiG als anspruchsberechtigt anzusehen. Bei Ausbildung für Personal- und Warenkontrollen hätten die Luftsicherheitskontrollkräfte unter den Kräften nach § 8 LuftSiG die längste Ausbildung. Der Zuschlag diene dazu, den Abstand in der Vergütung zu den Kräften nach § 5 LuftSiG abzumildern, welche vergleichbare Tätigkeiten ausübten. Eine Anspruchsberechtigung auch der Kräfte nach § 5 LuftSiG widerspräche schließlich dem Sinn eines Zuschlags, weil die mit dem Zuschlag abzugeltende Mehrleistung bzw. der damit verbundene Aufwand bereits durch die höhere Eingruppierung abgegolten sei.
26Gegen das ihr am 07.02.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz am 24.02.2014 Berufung einlegen lassen und diese gleichzeitig begründet.
27Entgegen dem Arbeitsgericht ist sie der Auffassung, dass sie Waren im Sinne des Lohntarifvertrags kontrolliere und die Zuschlagsregelung in Ziff. 2.1 LTV nicht an bestimmte Lohngruppen anknüpfe. Gepäckstücke enthielten teilweise auch Waren. Den Mitarbeitern mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG stehe der Zuschlag schon deshalb nicht zu, weil sie keine Personen im Sinne der Vorschrift kontrollierten.
28Die Klägerin beantragt:
29- 30
1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 22.01.2014 - 20 Ca 3920/14 – wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.002,08 EUR zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15.01.2014 zu bezahlen (Lohnzuschlag für Sicherheitsmitarbeiter an Verkehrsflughäfen vom 01.05.2013 bis 31.12.2013 nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in NRW vom 05.04.2013).
- 32
2. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 22.01.2014 - 20 Ca 3920/14 – wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin neben dem Stundengrundlohn nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen an Verkehrsflughäfen in Nordrhein-Westfalen von aktuell 14,70 EUR (ab 01.01.2014) einen Zuschlag im Umfang von 1,50 EUR je Arbeitsstunde zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und behauptet, dass es dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprochen habe, nur den Lohngruppen nach Ziffer 17a) und b) LTV (in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung) den Zuschlag zu gewähren.
36Sie meint, dass der PWK-Zuschlag an Luftsicherheitsassistenten in Lohngruppe Ziffer 18 LTV (in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung) nicht zu zahlen sei. Der Zuschlag sei nur den Mitarbeitern mit Tätigkeiten nach § 8 LuftSiG in der Personal- und Warenkontrolle zu zahlen, weil diese gegenüber anderen Mitarbeitern der betroffenen Lohngruppe anspruchsvollere Tätigkeiten ausübten.
37Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
39I. Die nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete (§§ 66 Abs. 1 Satz 1-2, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 130 ZPO) Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
401) Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht das für den Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse (§ 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 256 Abs. 1 ZPO). Eine Feststellungsklage kann sich zulässigerweise auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr. – vgl. nur BAG, Urteil vom 25. September 2013– 4 AZR 173/12 -, juris, Rz. 76, sog. Elementenfeststellungsklage). Auf Feststellungsklagen, welche zukünftige Ansprüche zum Gegenstand haben, ist auch der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage nicht anwendbar (BAG, Urteil vom 12. Oktober 2010 – 9 AZR 554/09 -, NZA-RR 2011, 216, Rz. 30; Urteil vom 12. August 2009 – 7 AZR 218/08 -, NZA 2009, 1284, Rz. 10).
412) Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf einen Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV hat. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschlags liegen nicht vor.
42Die Tarifvorschrift des § 2.1 LTV sieht einen Lohnzuschlag i.H.v. 1,50 EUR vor für „Sicherheitsmitarbeiter in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen gemäß EU-Verordnung 185/2010“. Der Kreis der anspruchsberechtigten Personen ist durch einen Klammerzusatz näher bestimmt. Hiernach sind anspruchsberechtigt Mitarbeiter, die in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen eingesetzt sind und über die der Verordnung entsprechende Ausbildung verfügen. Damit wird die Zulage gewährt für einen Einsatz des Mitarbeiters, der zu einer gegenüber der Grundtätigkeit qualifizierten Tätigkeit führt. Dies ist bei einem Einsatz von Luftsicherheitsassistenten mit Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG in der Personen- bzw. Personal- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen nicht der Fall. Die Auslegung von Ziff. 2.1 LTV ergibt, dass diese nicht als Sicherheitsmitarbeiter im Sinne der Norm in Betracht kommen und daher nicht anspruchsberechtigt sind. Im Einzelnen:
43a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 18. Februar 2014 – 3 AZR 808/11 -, juris, Rz. 29 mwN).
44b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt die Auslegung von Ziff. 2.1 LTV, das Luftsicherheitsassistenten nicht anspruchsberechtigt im Sinne dieser Regelung sind.
45aa) Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift unmittelbar weder eine positive Bestimmung noch eine Einschränkung des für die beschriebene Tätigkeit in Betracht kommenden Personenkreises. Auch enthält der Wortlaut selbst keine Hinweise darauf, welche Mitarbeiter nach dem Willen der Tarifvertragsparteien bei einer Tätigkeit in der „Personen- und Warenkontrolle“ im Sinne von Ziff. 2.1 LTV anspruchsberechtigt sein sollen.
46bb) Nach Auffassung der Kammer liegen jedoch ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass nach dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien Mitarbeiter, welche Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG ausüben, keinen Zuschlag nach Ziff. 2.1 LTV beanspruchen können.
47(1) Hierauf deuten zunächst die im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln (Az. 12 Ca 1673/13) eingeholten Tarifauskünfte. Nach Auskunft der Arbeitgeberseite bezieht sich die Zulagenregelung ausdrücklich nur auf die Entgeltgruppen für Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG. Die „PWK-Zulage“ habe der Annäherung der Vergütung der Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG zu derjenigen der Beschäftigten mit Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG dienen sollen. Diese Zweckrichtung eines teilweisen Ausgleichs der Entgeltspanne zwischen Arbeitnehmern mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG und solchen mit Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG legt auch die Stellungnahme der auf Arbeitnehmerseite am Tarifschluss beteiligten Gewerkschaft nahe. Denn nach deren Auskunft hatte sie in den Tarifverhandlungen im Frühjahr 2013 gar eine insgesamt gleiche Bezahlung für die Tätigkeiten nach den §§ 8, 9 LuftSiG einerseits und § 5 LuftSiG andererseits gefordert. Eine entsprechende Annäherung des Vergütungsniveaus beider Mitarbeitergruppen kann aber nur erreicht werden, wenn der Zuschlag ausschließlich der niedriger vergüteten Gruppe zuteil wird.
48(2) Entscheidend für die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien die Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG (Luftsicherheitsassistenten) nicht in den Kreis der nach Ziff. 2.1 LTV Anspruchsberechtigten aufnehmen wollten, sprechen der tarifliche Zusammenhang, in dem sich die Regelung findet, und tarifsystematische Erwägungen:
49Entgeltzuschläge dienen regelmäßig dazu, über die mit der Grundvergütung abgegoltene Arbeit hinaus besondere Leistungen des Arbeitnehmers zu vergüten, besondere Erschwernisse der Arbeitsleistung auszugleichen oder damit verbundene soziale Belastungen zu mildern (vgl. allg. Staudinger/Fischinger/Richardi, 2011, § 611 BGB Rz. 824; MüKo/Müller-Glöge, 6. Aufl., § 611 BGB Rz. 788 und zur Kasuistik: BAG, Urteil vom 16. November 2011 – 10 AZR 210/10 -, ZTR 2012, 100, Rz. 18 [Erschwerniszulage]; Urteil vom 24. September 2008 – 10 AZR 106/08 -, NZA 2008, 1424, Rz. 14 [Schichtzulage]; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. September 2010– 3 Sa 489/09 -, juris-Rz. 39 [Funktionszulage]).
50Auch der Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV wird den Sicherheitsmitarbeitern in der Personen- und Warenkontrolle zusätzlich zum Grundentgelt gezahlt. Er soll die Arbeit in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen deshalb über den Grundlohn hinaus vergüten, weil der Einsatz in diesem Bereich eine besondere Qualifizierung erfordert. Diesen Qualifikationsanforderungen unterliegen die Mitarbeiter im Bereich der Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG aber ohnehin, weshalb ihr Grundlohn auch zu Beginn der Laufzeit des LTV (ab 01.01.2013) um 3,36 EUR (ab 01.01.2014: 4,15 EUR) höher lag als derjenige der Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG. Die Zuschlagsregelung des Ziff. 2.1 LTV würde mithin den Zweck eines Lohnzuschlags verfehlen, wenn sie auch denjenigen Mitarbeiter einen Zuschlag zum Grundlohn verschaffen würde, welche die Anspruchsvoraussetzungen hierfür schon aufgrund ihrer mit dem Grundlohn vergüteten Tätigkeiten erfüllen. Anders verhält es sich bei den Mitarbeitern mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG. Im Einzelnen:
51(a) Der streitgegenständliche Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV soll eine besondere Vergütung dafür bieten, dass ein Einsatz in der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen gemäß der EU-Verordnung 185/2010 bzw. den sie ersetzenden Verordnungen erfolgt. Anspruchsberechtigt sollen Mitarbeiter sein, die in dem genannten Bereich eingesetzt sind und über die der Verordnung entsprechende Ausbildung verfügen.
52Die EU-Verordnung 185/2010 trifft Vorgaben hinsichtlich der zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen im zivilen Luftverkehr. Sie unterscheidet dabei Kontrollmaßnahmen bezüglich Personen einerseits und bezüglich der Gebäude und des Geländes des Flughafens (vgl. etwa Ziff. 1.5.) sowie der eingebrachten Gegenstände wie (Luft-) Fahrzeuge (Ziff. 1.4., 3.1.), Fluggastgepäck (Ziff. 4.1.2.-4.1.3., 5.1.-5.4.), Fracht, Post und Material von Luftfahrtunternehmen (Ziff. 6.-7.), Bordvorräte und Flughafenlieferungen (Ziff. 8. und 9.) andererseits. Bei der Personenkontrolle unterscheidet die Verordnung zwar danach, ob es sich um Fluggäste (Ziff. 4.) oder andere Personen (Ziff. 1.3.) handelt. Für beide gelten allerdings inhaltlich die gleichen Kontrollbestimmungen (vgl. Ziff. 1.3.1.2.). Schließlich trifft die Verordnung Vorgaben zu den erforderlichen Schulungen, welche das für die jeweiligen Kontrollen eingesetzte Personal zu absolvieren hat (Ziff. 11.2.).
53Das Luftsicherheitsgesetz räumt der Luftsicherheitsbehörde umfangreiche Kontrollbefugnisse hinsichtlich sämtlicher Personen und Gegenstände ein, welche die nicht allgemein zugänglichen Bereiche eines Flugplatzes betreten (§ 5 Abs. 2 LuftSiG) bzw. hierein verbracht werden (§ 5 Abs. 3 LuftSiG). Mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben kann sie nach § 5 Abs. 5 LuftSiG private Personen beleihen. Die solcherart Beliehenen führen die im LTV genannten Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG aus. Sie werden „Luftsicherheitsassistenten“ genannt (vgl. Ziff. 6. der Anlage zu § 1 Luftsicherheitsgebührenverordnung und § 7 Abs. 1 LuftSiSchulV). Für die Sicherstellung einer ausreichenden Eignung etwa durch Schulung bzw. Ausbildung ist insoweit die Luftsicherheitsbehörde als beleihende Stelle zuständig.
54Die Unternehmer von Verkehrsflughäfen sowie die Luftfahrtunternehmen sind nach §§ 8 und 9 LuftSiG ihrerseits zu Sicherungsmaßnahmen verpflichtet. Das Gesetz sieht in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LuftSiG insoweit ausdrücklich eine Pflicht zur Schulung des hierfür eingesetzten Personals vor, welche in der Luftsicherheits-Schulungs-Verordnung (LuftSiSchulV) näher geregelt ist. Die Luftsicherheits-Schulungs-Verordnung sieht zusätzlich zu der Grundschulung für Sicherheitspersonal und sogenannte Luftsicherheitskontrollkräfte (§ 3 LuftSiSchulV) in §§ 4 – 7 LuftSiSchulV Zusatzschulungen vor. Insbesondere kann nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiSchulV Personal, das bereits ein Befähigungszeugnis als Luftsicherheitskontrollkraft für Personalkontrollen besitzt, für die Tätigkeit als Luftsicherheitskontrollkraft für „Personal- und Warenkontrollen“ qualifiziert werden, indem in mindestens 60 Unterrichtsstunden die Grundlagen für Kontrollabläufe im Hinblick auf den Einsatz von Röntgen- und Sprengstoffspürgeräten, die Durchführung von Kontrollen mitgeführter Gegenstände und die Auswertung von Röntgenbildern mitgeführter Gegenstände geschult werden sowie eine praktische Einweisung an einer Kontrollstelle vorgenommen wird.
55Nach Auffassung der Kammer ist davon auszugehen, dass die besondere Qualifikation, welche Luftsicherheitskontrollkräfte durch die Zusatzschulung in Hinblick auch auf die „Warenkontrolle“ nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiSchulV erhalten, und die gegenüber der Grundtätigkeit höhere Wertigkeit einer entsprechenden Tätigkeit auch in der Warenkontrolle Voraussetzung und Grund dafür sind, dass der Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV zusätzlich zum Grundlohn gewährt werden soll. Dies lässt sich daraus ableiten, dass die Regelung in Ziff. 2.1 LTV ausdrücklich Bezug nimmt auf die EU-Verordnung 185/2010 und sich auf die für die Ausübung der Tätigkeit notwendige und im nationalen Recht in der Luftsicherheits-Schulungs-Verordnung geregelte Ausbildung bezieht. Jedenfalls in Bezug auf die Warenkontrolle benennt sie die zuschlagspflichtige Tätigkeit auch entsprechend der in der Luftsicherheits-Schulungs-Verordnung verwandten Begrifflichkeit. Es kann dahinstehen, ob die Benennung der für den Zuschlag relevanten Tätigkeit als Einsatz in der „Personen- und Warenkontrolle“ auf einem Versehen beruht und die Tarifvertragsparteien eigentlich von einem Einsatz in der „Personal- und Warenkontrolle“ entsprechend § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiSchulV ausgingen. Entgegen der Argumentation der Klägerin fallen die Luftsicherheitskontrollkräfte in der Personal- und Warenkontrolle auch nicht deshalb aus dem Anwendungsbereich von Ziff. 2.1 LTV heraus, weil sie keine „Personen“ in diesem Sinne kontrollieren. Denn unter den Begriff „Personen“ im Tarifsinne lässt sich durchaus auch das Personal fassen. Insbesondere differenziert der LTV insoweit nicht zu den Fluggästen.
56(b) Die besonders zu schulenden Mitarbeiter in der Personen-/Personal- und Warenkontrolle heben sich durch eine besondere Ausbildung kumulativ im Bereich der Personal- und Warenkontrolle und einen entsprechend höheren Wert ihrer Arbeit aus dem Kreis des übrigen nicht beliehenen Sicherheitspersonals und der übrigen Luftsicherheitskontrollkräfte heraus. Dies rechtfertigt nach dem üblichen Zweck eines tariflichen Zuschlags ihre Besserstellung durch die Zubilligung des zusätzlichen Entgelts nach Ziff. 2.1 LTV.
57(c) Anders als beim Sicherheitspersonal nach §§ 8, 9 LuftSiG erfährt die Tätigkeit der Luftsicherheitsassistenten (Mitarbeiter nach § 5 LuftSiG) durch den Einsatz in der Personen-/Personal- und Warenkontrolle keine Heraushebung aus den mit dem Grundlohn vergüteten Tätigkeiten. Denn zu ihren Aufgaben gehört es regelmäßig ohnehin, einerseits Personen einer Sicherheitskontrolle zu unterziehen – insoweit gelten nach Ziff. 1.3.1.2. EU-Verordnung 185/2010 die gleichen Regeln für Fluggäste und sonstige Personen – als auch Fracht, Gepäck, Postsendungen und sonstige Gegenstände zu kontrollieren (vgl. § 5 Abs. 3 LuftSiG). Weder die Personenkontrolle noch die Warenkontrolle im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiSchulV führen daher zu einer Heraushebung aus der im Sinne von § 5 LuftSiG regelmäßig ausgeübten Tätigkeit.
58(d) Der eingangs beschriebene Zweck der Gewährung eines Zuschlags, ein zusätzliches Entgelt für besondere Leistungen, Erschwernisse oder soziale Belastungen zu bieten, würde mithin verfehlt, wenn man den Luftsicherheitsassistenten wegen der besonderen Anforderungen der Personen- und Warenkontrolle an Verkehrsflughäfen den Zuschlag nach Ziff. 2.1 LTV zusprechen würde, obwohl schon nach dem für den Grundlohn geltenden Anforderungsprofil ihre Ausbildung und tariflich vorgesehene Tätigkeit eben diese Anforderungen bereits erfassen. Ob die Beklagte darüber hinaus auch solchen Mitarbeitern die Vergütung nach Lohngruppe 18 (ab 01.01.2014 Lohngruppe 17) LTV gewährt, welche nur die Ausbildung und Beleihung nach § 5 LuftSiG erfahren haben, aber nicht mit entsprechenden Tätigkeiten betraut sind, ist für die Tarifauslegung ohne Belang. Auch eine fehlerhafte Eingruppierung einzelner Mitarbeiter würde nicht zum Anspruch der Klägerin führen.
59(e) Auch regelungssystematisch würde es keinen rechten Sinn ergeben, wenn der Zuschlag nach Ziff. 2.1 LTV den Luftsicherheitsassistenten automatisch zusätzlich zu ihrem Grundlohn zustünde. Wäre durch die Tarifvertragsparteien eine Begünstigung auch der Luftsicherheitsassistenten beabsichtigt gewesen, hätte es nahe gelegen, deren Grundlohn unmittelbar zu erhöhen und nicht einen Teil der bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Grundlohngruppe stets anfallenden Vergütung als Zuschlag auszuweisen.
60(4) Schließlich spricht auch die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags für das hier vertretene Auslegungsergebnis. Aus der Stellungnahme der auf Arbeitnehmerseite am Tarifschluss beteiligten Gewerkschaft ergibt sich, dass der Lohnzuschlag nach Ziff. 2.1 LTV ursprünglich auf Forderung der Gewerkschaft gerade für den Personenkreis der Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach § 8 LuftSiG eingeführt worden sei. Der Kreis der Berechtigten sei später auf den Personenkreis nach § 9 LuftSiG ausgeweitet worden. In der aktuellen Tarifrunde sei dann nicht mehr über den anspruchsberechtigten Personenkreis verhandelt worden.
61Der hiernach beabsichtigten Beschränkung des Kreises der Zuschlagsberechtigten entspricht es, wenn die als Grundlage des aktuellen Tarifabschlusses dienende Schlichtungsempfehlung vom 05.04.2013 die PWK-Zulage in Höhe von 1,50 EUR nur für die Lohngruppen der Mitarbeiter mit Tätigkeiten nach §§ 8, 9 LuftSiG aufführt.
62cc) Die hier vertretene Auslegung von Ziff. 2.1 LTV, wonach der Zuschlag nur den Mitarbeitern der Lohngruppe 17 (ab 01.01.2014 Lohngruppe 16) zusteht, führt auch zu einer sachgerechten, dem Zweck eines Entgeltzuschlags entsprechenden Ergebnis. Die Wertigkeiten der Tätigkeiten nach § 5 LuftSiG und derjenigen nach §§ 8, 9 LuftSiG bei einer Tätigkeit in der Personen-/Personal- und Warenkontrolle sind zumindest sehr ähnlich (so schon LAG Hamburg, Beschluss vom 26. Mai 2008 – 5 TaBV 8/07, juris-Rz. 73 ff.), so dass die Minderung der Entgeltdifferenz beim Grundlohn durch einen – allein den Mitarbeitern nach §§ 8, 9 LuftSiG zugutekommenden - Zuschlag der Herstellung der Entgeltgleichheit dient.
63c) Nach alledem kann dahinstehen, ob dem geltend gemachten Zuschlagsanspruch schon entgegensteht, dass die Beklagte der Klägerin die Funktion einer Tätigkeit in der Personen- und Warenkontrolle nicht schriftlich bestätigt hat. Nach § 13 Ziff. 1 des Entgeltrahmentarifvertrags für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen, welcher nach der Protokollnotiz zum Lohntarifvertrag bezüglich der Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 05.04.2013 Anwendung findet, wird für die Wahrnehmung von Zusatzfunktionen eine Funktionszulage nur gezahlt, wenn die Funktion und die Zahlung der Zulage schriftlich bestätigt wurden.
64d) Ebenso kann dahinstehen, ob ein Zuschlagsanspruch deswegen ausscheidet, weil die Klägerin keine Schulung für eine Tätigkeit als Luftsicherheitskontrollkraft für „Personal- und Warenkontrollen“ nach der Luftsicherheits-Schulungsverordnung aufweisen kann.
65e) Auch braucht nicht entschieden zu werden, ob der Feststellungsantrag generell zu weitgehend formuliert ist, da er auch Schulungsstunden um fasst, die Arbeitsstunden darstellen, in denen keine Kontrolltätigkeit anfällt.
66II. Die Klägerin hat nach § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen.
67III. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen. Die Frage der zutreffenden Auslegung von Ziff. 2.1 LTV und des anspruchsberechtigten Personenkreises dürfte sich – nicht nur im Bereich des K Flughafens – bundesweit in einer Vielzahl von Fällen stellen.
68R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
69Gegen dieses Urteil kann vonder klagenden Partei
70R E V I S I O N
71eingelegt werden.
72Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
73Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
74Bundesarbeitsgericht
75Hugo-Preuß-Platz 1
7699084 Erfurt
77Fax: 0361-2636 2000
78eingelegt werden.
79Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
80Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
81- 82
1. Rechtsanwälte,
- 83
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 84
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
86Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
87Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
88* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.