Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln - 11 Sa 264/15
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.12.2014 – 15 Ca 10395/15 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Entgelt für Tätigkeiten beanspruchen kann, die er während der Dauer seiner praktischen Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten (PiA) erbracht hat.
3Der Kläger, Diplompsychologe, hat mit dem Beklagten unter dem 02.11.2010 eine Vereinbarung geschlossen, wonach er für den Zeitraum eines Jahres (01.11.2010 bis 31.10.2011) die Möglichkeit erhält, die nach der Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Psychologischen Psychotherapeuten (PP) geforderte praktische Tätigkeit in der L -Klinik K unentgeltlich zu erbringen. Einbezogen war eine praktische Tätigkeit von mindestens 1.200 Stunden (PT1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 PSychTh-APrV). Als Ausbildungsanleiter wurde Herr Dr. Dr. S benannt. Die Teilnahme an den Therapien sollte nach vorheriger Absprache mit dem Ausbildungsanleiter geschehen. Auf Antrag des Klägers wurde die Ausbildungszeit um 600 Stunden (PT2, § 2 Abs. 2 Nr. 2 PSychTh-APrV) bis zum 30.04.2012 verlängert. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung vom 02.11.2010 nebst Verlängerungsmitteilung des Beklagten vom 11.11.2011 wird auf Bl. 17 bis 19 d.A. verwiesen.
4Der Kläger war während seines Praktikums auf einer sozialpsychiatrischen Station in Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation von psychotherapeutischen Behandlungen eingebunden. Er nahm regelmäßig an Visiten teil, hat Gruppen- und Einzelgespräche geführt und den Verlauf der Gespräche dokumentiert. Einzeltherapien wurden ihm von dem Ausbildungsanleiter oder den Oberärzten zugewiesen. Er erhielt von dem Ausbildungsanleiter und den Oberärzten Hinweise und Anregungen. Der Kläger hatte Gelegenheit zur Teilnahme an der wöchentlichen Einzelsupervision, der wöchentlichen Gruppensupervision und der alle sechs Wochen stattfindenden Teamsupervision. In der Einzel- und Gruppenvision werden u.a. therapeutische Techniken demonstriert und einzelne Therapien vor- und nachbesprochen.
5Mit Schreiben vom 25.11.2013 (Bl. 20 f. d.A.) hat der Kläger von dem Beklagten erfolglos die Vergütung seiner praktischen Tätigkeit auf der Grundlage der Entgeltgruppe 13 verlangt.
6Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.12.2014 (Bl. 69 ff. d.A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht den Beweis erbracht, dass er nicht überwiegend und vorrangig zu Ausbildungszwecken eingesetzt worden sei. Der Kläger habe wöchentlich eine Supervision von zwei Stunden erhalten, die von ihm geführten Einzelgespräche seien mit dem Ausbildungsanleiter im Vorfeld besprochen worden. Er habe keine Fallverantwortung getragen und sei zudem von weiteren Mitarbeitern der Klinik betreut worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
7Gegen das ihm am 16.01.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.01.2015 Berufung eingelegt und diese am 02.02.2015 begründet.
8Der Kläger trägt unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen vor, er habe während seiner Ausbildung Tätigkeiten verrichtet, die durch einen festangestellten Psychotherapeuten hätten verrichtet werden müssen, hätte er sie nicht erbracht. Die fachliche Begleitung durch das Supervisionsangebot sei mangelhaft gewesen. Die fehlende Vergütungsabrede verstoße gegen die guten Sitten, so dass der Beklagte sich auch nicht auf die Ausschlussfrist des Tarifvertrages berufen könne.
9Der Kläger beantragt,
10unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 11.12.2014, 15 Ca 10395/13, den Beklagten zu verurteilen an den Kläger 27.274,59 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2012 zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11. Dezember 2014 (Az.: 15 Ca 10395/13) zurückzuweisen.
13Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger habe im Rahmen der praktischen Ausbildung keine wirtschaftlich verwertbaren Leistungen erbracht. Es habe eine hinreichende Supervisionsdichte bestanden. Der Kläger sei umfassend im Rahmen der Ausbildung angeleitet und betreut worden. Selbst wenn dem Grunde nach ein Anspruch des Klägers auf Vergütung bestünde, sei dieser jedenfalls nach § 37 Abs. 1 TVöD verfallen. Zudem sei die Geltendmachung des Entgeltanspruchs verwirkt. Die Höhe der begehrten Vergütung entbehre der Begründung.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 28.01.2015 und 07.04.2015, die Sitzungsniederschrift vom 09.09.2015 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
17II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend einen Vergütungsanspruch des Klägers verneint.
181. Der Kläger hat keinen Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung nach den §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 26 BBiG, denn die Anwendung des BBiG, einschließlich der dort vorgesehenen Vergütungsregelung, ist nach § 7 PsychThG ausgeschlossen.
192 Es besteht auch kein Vergütungsanspruch des Klägers in entsprechender Anwendung des § 612 Abs. 1 BGB. Die Praktikumstätigkeit diente und erschöpfte sich in der Ausbildung zum PP, wobei sie unter fachkundiger Anleitung und Aufsicht des Klägers im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 PSychTh-APrV erfolgte. Die vereinbarte Unentgeltlichkeit der praktischen Tätigkeit als PiA erweist sich nicht als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB.
20a) Auch dann, wenn ein unentgeltliches Praktikum vereinbart ist, kann eine Vergütungspflicht entsprechend § 612 Abs. 1 BGB bestehen, wenn der Praktikant höherwertige Dienste verrichtet (BAG, Urt. v. 07.07.1993 – 5 AZR 488/92 –; BAG, Urt. v. 10.02.2015 – 9 AZR 289/13 – m.w.N.). Unter höherwertige Dienste sind solche Dienste zu verstehen, die erheblich über das hinausgehen, was der Praktikant im Rahmen der vorgeschriebenen Ausbildungsordnung an Tätigkeiten zum Zwecke der Ausbildung zu erbringen hat.
21b) Die auf Grundlage des § 8 PsychThG erlassene Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PSychTh-APrV) regelt in § 2 Abs. 1 Satz 1 PSychTh-APrV, dass die praktische Tätigkeit dem Erwerb praktischer Erfahrungen in der Behandlung von Störungen mit Krankheitswert im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG sowie von Kenntnissen anderer Störungen, bei denen Psychotherapie nicht indiziert ist, dient. Sie hat nach § 2 Abs. 1 Satz 2 PSychTh-APrV unter fachkundiger Anleitung und Aufsicht zu stehen. Die praktische Tätigkeit beträgt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 PSychTh-APrV mindestens 1.800 Stunden, wovon auf die erste Phase PT1 1.200 Stunden, auf den zweiten Abschnitt PT2 600 Stunden entfallen. Die praktische Tätigkeit ist Bestandteil einer Ausbildung, die insgesamt 4.200 Stunden umfasst und neben der praktischen Tätigkeit eine theoretische Ausbildung, eine praktische Ausbildung mit Krankheitsbehandlungen unter Supervision sowie eine Selbsterfahrung beinhaltet. Die Ausbildung zum PP schließt mit einer staatlichen Prüfung ab(§ 1 Abs. 3 PSychTh-APrV). Während der praktischen Tätigkeit in der psychiatrischen Klinik ist der Ausbildungsteilnehmer über einen längeren Zeitraum an einer in der PSychTh-APrV näher bezeichneten Mindestzahl von Diagnostik und Behandlung von Patienten zu beteiligen und bei einem Teil dieser Patienten sind Familie oder andere Sozialpartner in das Behandlungskonzept einzubeziehen, § 2 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 PSychTh-APrV. Dabei hat der Ausbildungsteilnehmer gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 PSychTh-APrV Kenntnisse und Erfahrungen über akute, abklingende und chronifizierte Symptomatik unterschiedlicher psychiatrischer Erkrankungen zu erwerben sowie die Patientenbehandlungen fallbezogen unter Angabe von Umfang und Dauer zu dokumentieren. Mit der Annahme einer Praktikumstätigkeit ist es grundsätzlich nicht zu vereinbaren, wenn die Tätigkeiten ohne Aufsicht, ohne Kontrolle und ohne gemeinsame nachfolgende Analyse zu verrichten sind (vgl.: BAG, Urt. v. 10.02.2015 – 9 AZR 289/13 – m.w.N.).
22c) Im Streitfall lässt sich nicht feststellen, dass und in welchem Umfang der Kläger höherwertige Dienste, die erheblich von der in der Ausbildungsordnung vorgeschriebenen Art und Weise abweichen, geleistet hat.
23Der Kläger hat bereits keine genauen Angaben zum zeitlichen Anteil und dem jeweiligen Inhalt der im Einzelnen von ihm verrichteten Tätigkeiten vorgetragen. Es lässt sich schon aus diesem Grunde nicht klar bestimmen, in welchem Umfang seine Dienste – unterstellt sie wären (teilweise) als höherwertig anzuerkennen – vergütungspflichtig sind. Auch wenn man seinen erstinstanzlichen Vortrag mit Schriftsatz vom 05.11.2014 zugrunde legt, in dem laut Kläger eine "typische Arbeitswoche" (Bl. 42 d. A.) beschrieben wurde, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Hiernach entfielen pro Woche vier Stunden auf Arbeiten im Büro. In diesen Stunden hat er E-Mails, allgemeine Mitteilungen der Klinikleitung, Kollegenpost und die aktuelle Lage auf der Station durch Einsichtnahme in ein Krankenhausinformationssystem gecheckt. Es handelt sich dabei sämtlich um Tätigkeiten im Zusammenhang mit seinem Ausbildungseinsatz. Warum die dreistündige Teilnahme an den Visiten, die zweistündige Gruppenvorbereitung und die Gruppenteilnahme höherwertig, weil über den Ausbildungszweck hinausgehend, sein soll, erschließt sich nicht. Es verbleiben nach Auflistung des Klägers sechs Stunden die für Einzelgespräche und sieben Stunden die für die anschließenden Dokumentationen aufgewandt worden sind. Die Durchführung von Einzelgesprächen als auch deren Dokumentation gehört an sich zu den Ausbildungsinhalten praktischer Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 PSychTh-APrV. Der Kläger hat die Einzelgespräche ohne eigene Fallverantwortung in einem Netz diverser ausbildungsgeeigneter Begleitmaßnahmen geführt. Er hat die Einzeltherapien nicht frei von Aufsicht oder Kontrolle bzw. ohne gemeinsame nachfolgende Analyse durchgeführt. Die Zuweisung von Einzelgesprächen durch die Oberärzte erfolgte im Rahmen einer Erörterung des Krankheitsbildes und der Therapiemöglichkeiten. Der Kläger hat auch keine Fälle konkret benannt, in dem er in Kenntnis des Beklagten ohne vorherige Rücksprache in eigener Verantwortung ohne vorherige Rücksprache und Anleitung Einzeltherapien durchgeführt hat. Er hat auch nicht dargetan, dass die Gesprächsführung und deren Dokumentation nicht seinem Ausbildungsstand entsprochen hat. Neben dem Ausbildungsanleiter standen die Oberärzte für Erörterungen und Hilfestellungen als auch zur Vor- und Nachbesprechung zur Verfügung. Ferner spricht auch die Einrichtung der Supervision für eine fachkundige Anleitung und Aufsicht des Klägers während seiner praktischen Tätigkeit. Der Kläger räumt selbst ein, dass in den Sitzungen der Supervision die problematischen Behandlungsfälle thematisiert wurden, es Hinweise auf einschlägige Fachliteratur gab und Nachfragen zur medikamentösen Behandlung erfolgten. Seine Kritik am Supervisionsangebot des Beklagten überzeugt in der von ihm vorgetragenen Allgemeinheit nicht. Es erschließt sich für die Kammer aufgrund der Zielrichtung einer Supervision nicht, weshalb es notwendig sein soll, alle – auch die "problemlosen" – Einzeltherapien zu besprechen, warum eine mangelnde Fallverantwortlichkeit des Supervisors dem Supervisionszweck ebenso entgegen steht und wie das Fehlen der Dokumentation des Supervisionsinhaltes. Mit einer Supervision soll regelmäßig das eigene Handeln überprüft und verbessert werden. Auch ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die Supervisionshäufigkeit mangelhaft gewesen sein soll. Hinsichtlich der Befähigung des Supervisors ist zu bemerken, dass eine Supervision im Rahmen der praktischen Tätigkeit nach § 2 PSychTh-APrV – anders als im Rahmen der praktischen Ausbildung gemäß §§ 1 Abs. 3 Satz 1, 4 PSychTh-APrV – nicht zwingend vorgesehen ist und daher die Person des Supervisors nicht die nach § 4 Abs. 3 PSychTh-APrV erforderlichen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen muss. Die fachliche Qualifikation des Supervisors Dr. Dr. S bzw. des Diplom-Psychologen Sü ist von dem Beklagten dargelegt und wurde vom Kläger nicht bestritten. Selbst wenn das Supervisionsangebot des Beklagten mängelbehaftet und damit verbesserungswürdig gewesen sein sollte, folgt daraus noch nicht, dass es ein ungeeignetes Ausbildungsinstrument im Rahmen der fachlichen Anleitung und Aufsicht war. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass hinreichende Tatsachen für die Annahme höherwertiger Dienste nicht gegeben sind.
24III Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
25IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.
26R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
27Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
28Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf§ 72a ArbGG verwiesen.
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Referenzen
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