Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 9 Ta 38/20
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts wird der seine Beiordnung aufhebende Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.02.2020 – 11 Ca 4883/19 – aufgehoben und die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die durch Beschluss vom 06.09.2019 – 11 Ca 4883/19 – erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe gebührenpflichtig zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger war seit dem 03.01.2018 bei der Beklagten als Gesundheits- und Krankenpfleger beschäftigt.
4Mit seinem am 24.07.2019 beim Arbeitsgericht Köln anhängig gemachten „Stufenklage“ hat der durch Rechtsanwalt vertretene Kläger zunächst Abrechnung für den Monat März 2019, die Auszahlung des sich aus der Abrechnung ergebenden Entgeltanspruchs, einen bezifferten Vergütungsansprüche für Februar sowie die Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses mit der Durchschnittsnote „gut“ begehrt.
5Mit Beschluss vom 06.09.2019 hat das Arbeitsgericht dem Kläger für den Antrag auf Zahlung des Februargehaltes 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt bewilligt und den Prozesskostenhilfeantrag im Übrigen mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.
6Den auf den 01.10.2019 anberaumte Gütetermin nahm der Kläger allein wahr und gab an, das Mandat seines Prozessvertreters gekündigt zu haben. Er beantragte den Erlass eines Versäumnisurteils gegen die säumige Beklagte, das antragsgemäß erlassen wurde.
7Mit E-Mail-Schreiben vom selben Tag und mit einem weiteren Schreiben vom 15.10.2019 teilte der Kläger dem Arbeitsgericht mit, dass er die Herrn Rechtsanwalt erteilte Vollmacht widerrufen habe. Zugleich bat er darum, keine Auszahlungen an Herrn im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu veranlassen, da dieser seine Rechtsanwaltsverpflichtungen nicht eingehalten habe. Rechtsanwalt bestätigte gegenüber dem Arbeitsgericht, dass der Kläger das Mandat gekündigt habe.
8In dem auf den Einspruch der Beklagten anberaumten Kammertermin vom 16.01.2020 schlossen die Parteien einen Vergleich.
9Mit Schreiben vom 04.02.2020 wandte sich das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf ein mit dem Kläger geführtes Telefonat an ihn und bat um eine schriftliche Bestätigung, dass seine E-Mail vom 01.10.2019 als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.09.2019 ausgelegt werden solle und dass der Kläger die Aufhebung der Prozesskostenhilfe mit der rechtlichen Folge begehre, dass Rechtsanwalt seine Kosten gegen ihn persönlich festsetzen lassen könne.
10Mit seinem am 13.02.2020 bei dem Arbeitsgericht Köln eingegangenen und als Beschwerde bezeichneten Schriftsatz vom 05.02.2020 legte der Kläger gegen den Beschluss vom 06.09.2019 Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe wegen angeblicher Schlechtberatung durch Rechtsanwalt .
11Das Arbeitsgericht hat die Beschwerde des Klägers als Antrag auf Aufhebung der Beiordnung ausgelegt und mit Beschluss vom 18.02.2020 ausgesprochen, dass „die Beiordnung von Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Rechte in der ersten Instanz (…) durch Beschluss vom 06.09.2019 aufgehoben“ wird. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Partei im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes das Recht zustehe, aus eigenem Recht die Aufhebung der Beiordnung eines ihr nicht genehmen Rechtsanwalts zu erreichen.
12Der Beschluss ist Rechtsanwalt am 21.02.2020 zugestellt worden. Mit seiner noch am selben Tag bei dem Arbeitsgericht eingelegten sofortigen Beschwerde wendet sich Rechtsanwalt gegen die Aufhebung der Beiordnung. Er bestreitet eine Schlechtberatung des Klägers.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe der angefochtenen Beschlüsse, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, auf die eingereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
14II.
15Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts ist zulässig und begründet. Das Arbeitsgericht hätte seine Beiordnung nicht mit dem angefochtenen Beschluss aufheben dürfen. Vielmehr ist der Antrag des Klägers auf Aufhebung der Prozesskostenhilfe als unzulässig zurückzuweisen.
161.) Die von Rechtsanwalt sowohl nach § 569 Abs. 1 ZPO als auch nach § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft. Auch wenn ein Rechtsanwalt gegen die Ablehnung seiner Beiordnung kein eigenes Beschwerderecht hat, wird er durch die Aufhebung einer bereits erfolgten Beiordnung, die er nicht selbst beantragt hatte, beschwert, weil dadurch durch die zwischen ihm und dem Staat entstandenen verfahrens- und berufsrechtlichen Beziehungen beendet werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. März 1996 – 2 WF 31/96 –, Rn. 5 - 6, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20. Januar 2003 – 15 WF 361/02 –, Rn. 1, juris; MüKoZPO/Wache, 5. Aufl. 2016, § 127 ZPO, Rn. 26).
172.) Die Beschwerde von Rechtsanwalt ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht seine Beiordnung auf Grund der sofortigen Beschwerde des Klägers aufgehoben. Denn der Kläger als Partei kann, anders als der beigeordnete Rechtsanwalt, nicht selbst die Aufhebung einer Beiordnung beantragen. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung seiner Beschwerde entspricht zudem nicht dem vom Kläger verfolgten Ziel seines Rechtsmittels.
18a) Nach zutreffender Auffassung kann eine Partei selbst nicht die Aufhebung einer Anwaltsbeiordnung verlangen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13. Juli 1998 – 5 WF 60/98 –, Rn. 8, juris; Zöller/Schultzky, 33. Aufl. 2020, § 121 ZPO, Rn. 38; offengelassen von BGH, Beschluss vom 23. September 2009 – IV ZR 259/08 –, Rn. 4, juris).
19aa) § 127 ZPO, der die Rechtsmittel bezüglich der Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe regelt, sieht ein entsprechendes Antragsrecht der Partei nicht vor. § 121 Abs. 1 und 2 ZPO bestimmt lediglich, dass der Partei ein zu ihrer Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet wird. Die Vorschrift enthält hingegen keine Regelung, wonach die Partei auch die Aufhebung einer Beiordnung verlangen kann. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass keiner Partei gegen ihren Willen ein Rechtsanwalt aufgezwungen werden dürfe (so auch BVerwG, Beschluss vom 9. August 2001 – 8 PKH 10/00 –, Rn. 1, juris; OLG Köln, Beschluss vom 13. März 1992 – 13 W 8/92 –, Rn. 7, juris ; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. Januar 2003 – 4 W 66/03 –, Rn. 7, juris), lässt sich aus § 121 ZPO nicht ableiten (OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Januar 2001 – 9 WF 232/00 –, Rn. 8 - 9, juris) und steht nicht in Einklang mit § 48 Abs. 2 BRAO, wonach nur der Rechtsanwalt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes eine Aufhebung seiner Beiordnung beantragen kann (Zöller/Schultzky, 33. Aufl. 2020, § 121 ZPO, Rn. 38). Zwar befasst sich § 48 BRAO mit der Beiordnung und ihrer Aufhebung aus der Sicht des Anwalts, so dass sich dieser auf den Rechtsanwalt zugeschnittenen Vorschrift keine zwingenden Rückschlüsse auf das Antragsrecht der Partei entnehmen lassen (insoweit zutreffend OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. Januar 2003 – 4 W 66/03 –, Rn. 11, juris). Jedoch hat sich der Gesetzgeber eben nicht veranlasst gesehen, auch ein Recht der Partei auf Aufhebung einer Beiordnung zu verankern und die Voraussetzungen dafür festzulegen.
20bb) Dazu besteht auch keine Veranlassung. Denn zum einen wäre ein solches Antragsrecht wegen der gesetzlichen Unterscheidung zwischen der öffentlich-rechtlich ausgestalteten Beiordnung und dem zivilrechtlichen Mandatsverhältnis systemfremd. Zum anderen gibt es dafür auch kein praktisches Bedürfnis.
21(1) Denn der Rechtsanwalt wird für die Partei nicht auf Grund der gerichtlichen Beiordnung, sondern allein auf der Grundlage des ihm von der Partei übertragenen Mandats tätig. Weder begründet die Beiordnung ein Mandatsverhältnis (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1973 – IV ZB 98/72 –, Rn. 7, juris; BGH, Beschluss vom 29. Mai 1951 – IV ZR 83/50 –, BGHZ 2, 227-229, Rn. 6; Zöller/Schultzky, 33. Aufl. 2020, § 121 ZPO, Rn. 13), noch führt ihre Aufhebung zur Beendigung des Anwaltsvertrages. Eine gerichtliche Beiordnung begründet für den betroffenen Einzelfall lediglich eine öffentlich-rechtliche die Pflicht des Anwalts zur Wahrnehmung der Interessen der beigeordneten Partei. Die Beiordnung gleicht damit nach Inhalt und Qualität einem Verwaltungsakt (LAG Köln, Beschluss vom 30. April 2019 – 1 Ta 17/19 –, Rn. 16, juris). Insoweit beschränkt die Beiordnung die Freiheit des Rechtsanwalts, über die Annahme eines Mandats frei zu entscheiden. Sie verpflichtet ihn öffentlich-rechtlich zum Mandatsabschluss (Weyland/Nöker, 10. Aufl. 2020, § 48 BRAO, Rn. 1a, 2). Die Beiordnung hat weiter zur Folge, dass der Rechtsanwalt gemäß §§ 45 ff. RVG Zahlungen aus der Staatskasse erhält und Vergütungsansprüche gegen die Partei gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geltend machen kann. Zum Schutz des Mandanten ist der Rechtsanwalt daher gemäß § 48 Abs. 2 BRAO nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes berechtigt, sich seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Vertretung der Partei zu entledigen.
22(2) Die Partei kann, wie der Kläger es auch getan hat, ihr Ziel einer Beendigung des Mandatsverhältnisses hingegen problemlos durch Widerruf der Prozessvollmacht und Kündigung des Anwaltsvertrags erreichen (vgl. (OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Januar 2001 – 9 WF 232/00 –, Rn. 9, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 7. Mai 2003 – 10 WF 61/03 –, FamRZ 2003, 1938), ohne dass sie dabei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterliegen würde. Die Partei ist jederzeit berechtigt, dem beigeordneten Rechtsanwalt den Auftrag und die Prozessvollmacht zu entziehen (dazu MüKoZPO/Wache, 5. Aufl. 2016, § 121 ZPO, Rn. 25). Es ist auch nicht zu befürchten, dass ein beigeordneter Anwalt, der selbst keinen Aufhebungsantrag stellt, die Partei an seiner Beiordnung festhalten könnte (so aber OLG Köln, Beschluss vom 13. März 1992 – 13 W 8/92 –, Rn. 7, juris). Denn der beigeordnete Rechtsanwalt muss für eine Fortsetzung seiner Tätigkeit durch den Mandanten (weiterhin) beauftragt sein (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, RVG § 45 Rn. 29). Ist das nicht der Fall, kann die Partei die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts beantragen und im Falle, dass dieser Antrag abgelehnt wird, gegen die Ablehnung Beschwerde einlegen (Zöller/Schultzky, 33. Aufl. 2020, § 127 ZPO, Rn. 30.6). Die Partei bedarf somit keiner Aufhebung der Beiordnung, um sich von einem Rechtsanwalt zu trennen.
23b) Die von dem Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung der Beschwerde des Klägers in einen Antrag auf Aufhebung der Beiordnung widerspricht im Übrigen dem vom Kläger mit seiner Beschwerde verfolgten Ziel, dass Rechtsanwalt keine Vergütung aus der Staatskasse erhält. Dieses Ziel kann mit der Aufhebung einer Beiordnung nicht erzielt werden. Wird die Beiordnung aufgehoben, bleiben die Ansprüche des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse davon unberührt (OLG Naumburg, Beschluss vom 14. September 2006 – 14 WF 150/06 –, Rn. 4, juris; MüKoZPO/Wache, 5. Aufl. 2016, § 121 ZPO, Rn. 25; BeckOK RVG/Sommerfeldt, 47. Ed. 1.3.2020, § 45 RVG, Rn. 27). Bereits begründete Ansprüche des zunächst beigeordneten Anwalts gegen die Staatskasse werden durch eine Aufhebungsentscheidung nicht verkürzt (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20. Januar 2003 – 15 WF 361/02 –, Rn. 4, juris). Vielmehr bleibt der Rechtsanwalt hinsichtlich der während der Beiordnung erwachsenen Gebührenansprüche iSd. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beigeordnet. Solange nicht auch die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben ist, bleibt die einkommensschwache Partei vor einer Inanspruchnahme durch den Rechtsanwalt geschützt und der Rechtsanwalt auf Ansprüche gegen die Staatskasse verwiesen. An dieser Situation ändert sich durch die Aufhebung lediglich der Beiordnung bei Fortbestand der Prozesskostenhilfebewilligung nichts (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 1 WF 4843/83 –, MDR 1984, 410; Zöller/Schultzky, 33. Aufl. 2020, § 122 ZPO, Rn. 11; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl. 2019, § 45 RVG, Rn. 73).
243.) Die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe kann der Kläger jedoch nicht erreichen. Sein entsprechender Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen. Denn der Kläger ist durch die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht beschwert. Seinem Antrag war mit den ihm günstigen Folgen des § 121Abs. 1 ZPO entsprochen worden. Demgemäß kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 127 Abs. 2 und 3 ZPO nicht durch ihn selbst als Partei, sondern lediglich durch die Staatskasse im Wege der Beschwerde angegriffen werden.
25III.
26Gegen diesen gebührenpflichtigen (KV 8614 GKG) Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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