Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 9 Ta 48/20
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 31.01.2020 – 2 Ca 7950/19 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Beklagte ist ein Ökostrom- und Ökogasanbieter. Der Kläger, verheiratet, drei minderjährige Kinder, war auf der Grundlage eines zum 30.11.2019 befristeten Arbeitsvertrages seit dem 01.12.2018 für die Beklagte als Standortleiter eingesetzt. Sein monatliches Bruttofestgehalt betrug 2.000,00 EUR. Ferner hatten die Parteien eine Sondervereinbarung getroffen, wonach der Kläger für von ihm und seinen Mitarbeitern vermittelte Verträge Fixprovisionen in unterschiedlicher Höhe sowie monatlich eine gesamtauftragsbezogene Sonderprämie erhält.
4Seit dem 22.10.2019 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 29.10.2019 stellte ihn die Beklagte mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge frei.
5Mit E-Mail Schreiben vom 12.11.2019 bat der Kläger im Hinblick auf das Auslaufen seines Vertrages um die zeitnahe Zusendung des sog. Vertrags-Dashboards für die Zeit ab dem 01.10.2019 sowie der dazugehörigen Tagesmeldungen. Zugleich bat er um die Vergütung seines Resturlaubs von 15 Tagen. Die Beklagte antwortete mit E-Mail-Schreiben vom 13.11.2019 und teilte dem Kläger mit, dass sein Arbeitsverhältnis ruhe und sie ihm daher weder das Dashboard noch die Tagesmeldungen zusenden werde. Die Bezüge würden bis zum 30.11.2019 vereinbarungsgemäß fortgezahlt. Die Urlaubstage würden mit der Freistellungsphase verrechnet. Resturlaub werde abgegolten.
6Am 18.11.2019 wurde dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erteilt, die eine bis zum 02.12.2019 fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigte.
7Die unter dem Datum des 22.11.2019 erstellte Abrechnung der dem Kläger für November 2019 zustehenden Vergütung enthielt die Positionen „Leistungsvergütung“, „Ausgleich Provision Krankheit“, „Ausgleich Provision Urlaub“, „Ausgleich Provision Feiertag“ sowie „Privatfahrten“ und schloss mit einem Bruttobetrag von 2.963,96 EUR ab, der zu einem Auszahlungsbetrag von 1.712,49 EUR führte.
8Mit seiner am 06.12.2019 bei dem Arbeitsrecht Köln eingereichten Klage hat der Kläger Auskunft über die im Zeitraum vom 01.10.2019 bis zum 30.11.2019 verdienten Provisionen durch Vorlage der Tagesmeldungen und des Vertrags-Dashboards, die Abrechnung und Auszahlung der sich ergebenden Provisionsansprüche, eine Urlaubsabgeltung in Höhe von vorläufig 2.000,37 EUR brutto sowie die Verzinsung des Urlaubsabgeltungsanspruchs ab Rechtshängigkeit begehrt. Zugleich hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
9Noch vor Zustellung der Klageschrift am 30.12.2019 erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem Datum des 18.12.2019 eine ergänzende Abrechnung der Novembervergütung, die einen weiteren Provisionsanspruch iHv. 150,00 EUR brutto, einen Urlaubsabgeltungsanspruch iHv. 1.956,03 EUR brutto, einen Feiertagsprovisionsausgleichsanspruch iHv. 12,42 EUR brutto und - unter Berücksichtigung einer Pfändung - einen Auszahlungsbetrag iHv. 1.005,27 EUR auswies. Dieser Betrag wurde dem Konto des Klägers am 23.12.2019 gutgeschrieben.
10Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29.01.2020 hat der Kläger dem Arbeitsgericht mitgeteilt, dass die Parteien im Anschluss an die Abrechnung eine prozessbeendigende Einigung gefunden hätten, wonach sich die Beklagte ua. verpflichte, die Lohnabrechnung Dezember 2019 dahingehend zu korrigieren, dass neben der bereits abgerechneten Urlaubsabgeltung iHv. 1.956,03 EUR brutto eine weitere Abgeltung in Höhe von 22,17 EUR brutto sowie im Hinblick auf die von seinen Mitarbeitern erzielten Vertragsabschlüsse eine weitere Provision iHv. 130 EUR brutto gezahlt werde. Ferner seien sich die Parteien darüber einig, dass ein Lohnabzug wegen einer Pfändung iHv. 213,30 EUR im Dezember 2019 wegen Unterschreitens der Pfändungsfreigrenze nicht zulässig gewesen sei.
11Nach Bestätigung durch die Beklagte hat das Arbeitsgericht am 10.02.2020 das Zustandekommen eines entsprechenden Vergleichs festgestellt, nachdem es zuvor den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mit einem Beschluss vom 31.01.2020 zurückgewiesen und dies damit begründet hatte, dass die geltend gemachten Ansprüche weit überwiegend bereits vor Rechtshängigkeit der Klage erfüllt worden seien. Bezüglich des überschießenden Betrages sei wegen eines Anspruchsübergangs nach § 115 SGB X ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg anzunehmen, weil der Kläger mit seiner Bedarfsgemeinschaft im Arbeitslosengeld-II-Bezug stehe. Im Übrigen sei die Rechtsverfolgung mutwillig, da die Anwaltskosten den ausgezahlten Differenzbetrag deutlich übersteigen würden.
12Der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss ist dem Kläger am 14.02.2020 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist am 07.03.2020 bei dem Arbeitsgericht eingegangen.
13Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 09.03.2020 nicht abgeholfen, an seiner Begründung des Beschlusses vom 31.01.2020 festgehalten und die Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags bezüglich der eingeklagten Urlaubsabgeltung ergänzend auf Mutwilligkeit gestützt. Denn der Kläger habe den Anspruch nicht außergerichtlich beziffert geltend gemacht.
14Der Kläger ist der Auffassung, die Rechtsverfolgung sei nicht mutwillig, weil die Beklagte die Zusendung des Vertrags-Dashboards zur Berechnung der Provisionsansprüche zunächst verweigert habe. Auch habe sie eine Abgeltung der Urlaubsansprüche im Hinblick auf die Verrechnung mit der Freistellungsphase abgelehnt, was im Hinblick auf seine Arbeitsunfähigkeit nicht zulässig gewesen sei. Dass die Klageschrift der Beklagten erst am 30.12.2019 zugestellt worden sei, könne ihm nicht zugerechnet werden. Ein Anspruchsübergang sei nicht eingetreten, da die ALG-II-Leistungen vom Jobcenter nur vorläufig bewilligt worden seien und die endgültigen Zahlungen nachträglich an das im Bezugszeitraum bezogene Einkommen angepasst würden. Mit der Klage habe er alle erforderlichen Unterlagen zum Prozesskostenhilfeantrag eingereicht, so dass der Antrag bewilligungsreif gewesen sei. Im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes könne es nicht darauf ankommen, wann die Klageschrift der Beklagten zugestellt werde und sie zu dem Prozesskostenhilfeantrag Stellung nehme.
15II.
16Die sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Denn die Klage war insgesamt mutwillig iSd. § 114 Abs. 2 ZPO.
171.) Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine bedürftige Partei keine Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung trotz hinreichender Aussicht auf Erfolg mutwillig erscheint. Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gemäß § 114 Abs. 2 ZPO, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Überflüssig und mutwillig ist die Rechtsverfolgung danach insbesondere, wenn eine prozessuale Durchsetzung nicht erforderlich ist. Das ist etwa der Fall, wenn der Antragsteller den Antragsgegner nicht außergerichtlich zur Erfüllung aufgefordert hatte und keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein solches Vorgehen erfolglos gewesen wäre (vgl. Zöller/Schultzky, 33. Aufl. 2020, § 114 ZPO, Rn. 45).
182.) So liegt der Fall hier. Ein verständiger Kläger, der die Kosten der Prozessführung selbst hätte tragen müssen, hätte angesichts der drohenden Gerichtskosten und der von ihm gemäß § 12a ArbGG auch im Falle des Obsiegens selbst zu tragenden Anwaltskosten nicht einen Anwalt beauftragt und eine Klage wegen Urlaubsabgeltung und Provisionsansprüchen anhängig gemacht, ohne die Beklagte zuvor, ggf. unter Einräumung einer sehr kurzen Frist, vergeblich zur Abrechnung bzw. Zahlung aufgefordert zu haben.
19a) Denn ein solches vorgerichtliches Aufforderungsschreiben nimmt der beklagten Partei die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses mit der für die klagende Partei ungünstigen Kostenfolge des § 93 ZPO. Hinzu kommt ein weiterer Kostengesichtspunkt. Leistet die Gegenseite bereits auf das vorgerichtliche Schreiben des Rechtsanwalts und endet dessen Beauftragung, bevor er Klage einreicht, ermäßigt sich die ihm zustehende 1,3 Verfahrensgebühr (VV 3100 RVG) auf 0,8 (VV 3101 RVG).
20b) Entgegen der Darstellung des Klägers hatte die Beklagte nicht zuvor zu erkennen gegeben, dass sie die Forderungen des Klägers nicht erfüllen wolle, so dass ein vorgerichtliches Aufforderungsschreiben als nicht erfolgversprechend anzusehen gewesen wäre.
21aa) Dass die Beklagte eine Übersendung des Dashboards und der Tagesmeldungen abgelehnt hatte, bedeutete nicht, dass sie einen Provisionsanspruch nicht anerkennen werde, sondern lediglich, dass sie dem Kläger diese Unterlagen wegen seiner Freistellung zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Verfügung stellen wolle. Die Beklagte hatte auch nicht die Zahlung einer Urlaubsabgeltung verweigert. Sie hatte am 13.11.2019, also zu einem Zeitpunkt, als eine Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Klägers durch die Freistellung noch überwiegend möglich gewesen wäre, lediglich darauf hingewiesen, dass die Urlaubsgewährung vorrangig in natura erfolge und dass nur der nicht genommene Urlaub des Klägers abgegolten werde. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Beklagte noch nicht wissen, dass der Kläger am 18.11.2019 erneut seinen Arzt aufsuchen würde und dass die Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses andauern werde.
22bb) Die dem Kläger zunächst erteilte Vergütungsabrechnung für November 2019 ließ ebenfalls nicht den Schluss zu, dass die Beklagte keine weiteren Provisionen zahle und die Abgeltung des Resturlaubs ablehne. Denn die Abrechnung war bereits am 22.11.2019 und mithin zu einem Zeitpunkt erstellt worden, in dem jedenfalls die von den Mitarbeitern des Klägers erzielten Abschlüsse noch nicht feststanden und in dem angesichts der einzukalkulierenden Vorlaufzeit dieser Abrechnung die letztlich offen bleibenden Urlaubsansprüche des Klägers noch nicht zwingend festgestanden haben müssen.
23c) Dass die Beklagte kurz nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und noch vor Zustellung der Klage eine Nachberechnung der Novembervergütung vorgenommen und die Forderungen des Klägers ganz überwiegend erfüllt hat, bestätigt die Mutwilligkeit der Klage. Zugleich schneidet dieser Umstand dem Kläger die Einwendung ab, dass auch ein Aufforderungsschreiben nicht zur Erfüllung der Klägerforderungen geführt hätte, sein Unterlassen also nicht ursächlich für die Notwendigkeit einer Klage war (zur Beachtlichkeit einer solchen Einwendung OLG Brandenburg, Beschluss vom 18. April 2018 – 13 WF 68/18 –, Rn. 2, juris).
243.) Schließlich kann der vom Kläger im Vergleichswege erzielte Prozesserfolg nichts an der Mutwilligkeit seiner Klage ändern. Denn zu den verhältnismäßig geringen Nachzahlungen hatte sich die Beklagte ohne vorherigen Gerichtstermin und ohne einen entsprechenden Vorschlag des Gerichts bereit erklärt. Es ist daher nicht anzunehmen, dass sie dies nicht auch auf ein vorgerichtliches Aufforderungsschreiben hin getan hätte.
25III.
26Gegen diesen kostenpflichtigen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 2 Ca 7950/19 1x (nicht zugeordnet)
- 13 WF 68/18 1x (nicht zugeordnet)