Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 9 Ta 203/20
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 06.11.2020 – 6 Ca 91/20 – abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Verfügungskläger begehrt mit seinem am 29.10.2020 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten Antrag, dass die Verfügungsbeklagte eine von ihr ausgeschriebene Stelle vorläufig nicht besetzt und zunächst über die Besetzung dieser Stelle unter seiner Einbeziehung neu entscheidet.
4Die Verfügungsbeklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung und als eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung für rund 4 Mio. Menschen in über 200.000 Mitgliedsunternehmen zuständig.
5Der 53jährige Verfügungskläger ist bei ihr seit dem 15.03.2017 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02.03.2017 tätig und als Schulungswagenfahrer in der Entgeltgruppe 9a BG-AT eingruppiert.
6Unter dem 08.07.2020 schrieb die Verfügungsbeklagte zunächst intern eine Stelle „Präventionsberater m/w/d/ (geprüfter Techniker oder Meister aus Handwerk und Industrie)“ aus, für die eine Vergütung nach der der Entgeltgruppe 10 TV EntgO vorgesehen ist.
7Auf die Bewerbung des Verfügungsklägers fanden am 28.09. und 29.09.2020 Auswahlgespräche im Präventionszentrum in Berlin statt. Mit Schreiben vom 14.10.2020 teilte die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger mit, dass er bei der Besetzung der Stelle mangels Eignung nicht berücksichtigt werde.
8Mit seinem am 29.10.2020 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt der Verfügungskläger die Unterlassung der Stellenbesetzung und die Neuentscheidung über die Besetzung durch die Verfügungsbeklagte. Er ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte habe vorliegend das eigene Anforderungsprofil missachtet und falsch angewendet. Durch die fehlerhafte Durchführung des Auswahlverfahrens verletze sie den Verfügungskläger in seinem Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG.
9Mit Beschluss vom 06.11.2020 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verfahren eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO und keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 2 ArbGG zum Gegenstand habe. Denn der Verfügungskläger stütze seinen Anspruch auf Art. 33 Abs. 2 GG, der eine ausschließliche Verpflichtung des Staates und seiner Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts begründe.
10Der Beschluss ist der Verfügungsbeklagten am 09.11.2020 zugestellt worden. Ihre dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist am 19.11.2020 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.
11Die Verfügungsbeklagte hält eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für gegeben, da der Verfügungskläger in einem Arbeitsverhältnis zu ihr stehe. Allein die Tatsache, dass für die Entscheidung des Rechtsstreits auf einer Norm des öffentlichen Rechts zurückgegriffen werden müsse, führe nicht dazu, dass aus einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit werde. Es gebe eine Vielzahl von Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis, für deren Entscheidung Vorschriften mit öffentlich-rechtlicher Natur maßgeblich seien. Auch das Bundesarbeitsgericht habe in einer Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen keine Zweifel daran gelassen, dass Rechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art unter die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fielen.
12Der Verfügungskläger schließt sich der Rechtsauffassung der Verfügungsbeklagten an.
13II.
14Die sofortige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsweg an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen. Für den Eilantrag des Verfügungsklägers ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG eröffnet. Denn es handelt sich um eine bürgerliche Rechtstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und seiner Arbeitgeberin aus einem Arbeitsverhältnis.
151.) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Maßgebend für die Rechtswegbestimmung ist dabei die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 – GmS-OGB 1/85 –, BGHZ 97, 312-317, BVerwGE 74, 368-373, Rn. 10; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 04. Juni 1974 – GmS-OGB 2/73 –, BSGE 37, 292-296, Rn. 4; BAG, Beschluss vom 04. September 2018 – 9 AZB 10/18 –, Rn. 15, juris). Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt vor, wenn die Parteien über Rechtsverhältnisse oder Rechtsfolgen streiten, die dem Privatrecht angehören. Ein Rechtsverhältnis ist hingegen öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet (BAG, Beschluss vom 04. September 2018 – 9 AZB 10/18 –, Rn. 17, juris)
162.) Bei dem Antrag auf erneute Durchführung eines Auswahlverfahrens nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG handelt es sich gemessen an diesen Grundsätzen um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit (so auch BAG, Urteil vom 18. September 2007 – 9 AZR 672/06 –, BAGE 124, 80-91, Rn. 15).
17a) Denn ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst wird nicht maßgeblich durch staatliches Sonderrecht, sondern durch den zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag sowie die ergänzenden tariflichen Vorschriften beherrscht. Der Unterschied zu den Beamten besteht gerade darin, dass die Arbeitnehmer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags beschäftigt werden. Der öffentliche Arbeitgeber bedient sich insoweit der Privatautonomie mit der Folge, dass Arbeitsrecht anwendbar ist (Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) BGB § 611a, Rn. 303, 306). Der durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistete Bewerbungsverfahrensanspruch auf chancengleiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren zur Übertragung höherwertiger Aufgaben (vgl. BAG, Urteil vom 12. Dezember 2017 – 9 AZR 152/17 –, BAGE 161, 157-169, Rn. 33) stellt demgegenüber nur einen verhältnismäßig kleinen Ausschnitt im Rechte- und Pflichtengeflecht der Parteien dar, das sie mit Abschluss des Arbeitsvertrages begründet haben. Daher kann entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht maßgeblich darauf abgestellt werden, dass die Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs allein in Anwendung der öffentlich-rechtlichen Norm des Art. 33 Abs. 2 GG erreichbar sei (so aber LAG Düsseldorf, Beschluss vom 21. August 2020 – 3 Ta 202/20 –, Rn. 33, juris; OVG Bremen, Urteil vom 18. März 2020 – 2 B 50/20 –, Rn. 7, juris; ähnlich Pützer, RdA 2016, 287, 290 f.). Diese verengte Sichtweise widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, der mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG eine umfassende Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für individuelle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis begründen wollte. Ziel war es, alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, auch prozessual im Rahmen der Arbeitssachen zu erfassen (BAG, Beschluss vom 25. November 2014 – 10 AZB 52/14 –, Rn. 80 - 81, juris). Dieses gesetzgeberische Ziel würde durch die vom Arbeitsgericht vertretene Auslegung des Begriffs der bürgerlichen Streitigkeit konterkariert.
18b) Zudem hat das Arbeitsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass Art. 33 Abs. 2 GG die Verfügungsbeklagte gerade nicht in ihrer Funktion als Hoheitsträgerin oder als Dienstherrin verpflichtet, sondern als privatrechtliche Arbeitgeberin. Auch der Verfügungskläger verlangt von ihr kein hoheitliches Handeln in Form der Verleihung eines höheren Statusamtes, sondern seine Berücksichtigung im Bewerbungsverfahren, damit ihm nach privatrechtlichen Grundsätzen eine höherwertige Tätigkeit übertragen wird. Ungeachtet der Tatsache, dass die im Beamtenrecht für die Dienstpostenkonkurrenz entwickelten Rechtsgrundsätze für die Konkurrenzlage zwischen einem Angestellten und einem Beamten entsprechend gelten, findet der Bewerbungsverfahrensanspruch damit seine Grundlage in dem zwischen Verfügungskläger und dem Verfügungsbeklagten abgeschlossenen Arbeitsverhältnis, das seinerseits in den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Arbeitsvertrag iSd. § 611a BGB wurzelt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. April 2010 – 1 E 404/10 –, Rn. 19 - 21, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Dezember 1997 – 2 E 12965/97 –, Rn. 3, juris; VG Gera, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 2 K 574/15 Ge –, Rn. 8, juris; ebenso LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Oktober 2018 – 2 Ta 115/18 –, Rn. 14, juris; Schnellenbach/Bodanowitz Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 3 Einstellung, Beförderung , Rn. 7, Fn. 348; von Roetteken, jurisPR-ArbR 44/2020 Anm. 5).
19III.
20Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Zwar ist grundsätzlich über die Kosten des Rechtsmittels im Vorabverfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges gemäß § 17 a Abs. 4 GVG zu befinden. Dies gilt bei einem erfolgreichen Rechtsmittel jedoch nur, soweit eine Gegenpartei vorhanden ist, der die Kosten auferlegt werden können. Das ist hier nicht der Fall, weil keine Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 03. Juli 1997 – IX ZB 116/96 –, Rn. 20, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Oktober 2018 – 2 Ta 115/18 –, Rn. 16, juris). Damit bilden die durch die Beschwerde entstandenen Kosten einen Teil der Gesamtkosten des Rechtsstreits, welche die in der Hauptsache unterliegende Partei unabhängig von dem Ausgang des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zu tragen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 – II ZB 30/04 –, Rn. 12, juris; Zöller/Herget, 33. Aufl. 2020, § 97 ZPO, Rn. 9).
21IV.
22Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 17 Abs. 4 Satz 5 GVG, § 78 ArbGG besteht keine Veranlassung. Der bürgerliche Charakter der Konkurrentenklage eines Arbeitnehmers wurde bereits durch das Bundesarbeitsgericht bejaht. Im Übrigen erscheint es wenig überzeugend, die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde zwecks Klärung der Rechtswegzuständigkeit in einem Eilverfahren anzunehmen, obwohl Revision und Rechtsbeschwerde nach § 72 Abs. 4, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen sind (so zutreffend Schwab/Weth, 5. Aufl. 2018, § 48 ArbGG, Rn. 78; aA. noch BAG, Beschluss vom 24. Mai 2000 – 5 AZB 66/99 –, Rn. 7, juris).
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