Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 167/15

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 24.06.2015 - 2 Ca 142/13 - abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2013 Vergütung nach der Entgeltgruppe 7, Erfahrungsstufe 2, der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Vergütung für die Monate Januar 2013 bis Januar 2015 in Höhe von € 11.827,33 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des ab Januar 2013 zu zahlenden Gehalts, insbesondere darüber, ob die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR DW EKD) - 2014 umbenannt in Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie in Deutschland (AVR DD) - in ihrer jeweils geltenden Fassung, also dynamisch, oder aber nur noch statisch auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

2

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 01.09.1986 im Krankenhaus A-Stadt beschäftigt. Sie bezieht Kindergeld für ein im Jahr 2000 geborenes Kind. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 30 Stunden.

3

Die Klägerin schloss am 20.04.1993 mit der L.-Hospital gGmbH, der damaligen Betreiberin des Krankenhauses A-Stadt, einen Änderungsvertrag, in dem es heißt:

4

"…

5

D i e n s t v e r t r a g

zwischen …

-Dienstgeber-                        

und Frau …

-Mitarbeiter-                        

Diakonie ist Wesens- und Lebensäußerung der Evangelischen Kirche. Die Evangelische Kirche nimmt ihre diakonischen Aufgaben durch das Diakonische Werk wahr. Die oben genannte Einrichtung ist dem Diakonischen Werk angeschlossen. Sie dient der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe. Alle Mitarbeiter dieser Einrichtung leisten deshalb ihren Dienst in Anerkennung dieser Zielsetzung und bilden ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit und Stellung eine Dienstgemeinschaft.

Auf dieser Grundlage wird der nachstehende Vertrag geschlossen:

§ 1     

Frau … tritt … als Krankenschwester in den Dienst des … mit 100 % der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters.

       

§ 2     

Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. Sie sind als Anlage beigefügt.

…"    

6

Die L.-Hospital gGmbH gründete zusammen mit der C.-Diakoniewerk gGmbH, die das Krankenhaus im rund 30 km von A-Stadt entfernten B-Stadt betrieb, die beklagte Gesellschaft, seinerzeit firmierend unter "Kliniken A-Stadt-B-Stadt gGmbH". Die Beklagte trat dem "Diakonisches Werk - Landesverband - in der Pommerschen Evangelischen Kirche e. V." bei. Sie übernahm zum 01.04.2003 die beiden Krankenhäuser im Wege eines Betriebsübergangs. Aus diesem Anlass schloss sie zusammen mit den übertragenden Gesellschaften und den dort gebildeten Mitarbeitervertretungen den folgenden

7

"Personalüberleitungsvertrag         

       

Präambel

Die sich verändernden Rahmenbedingungen im Sozial- und Gesundheitswesen machen Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Daher werden die bestehenden Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses B-Stadt der C. Diakoniewerk B-Stadt g.GmbH und der L. Hospital A-Stadt g.GmbH in die Gesellschaft übergeleitet. Grundlage der Überleitung ist der § 613a BGB. Darüber hinaus gelten die Bestimmungen dieses Vertrages ergänzend.

       

§ 2
Eintritt in die Dienst- und Arbeitsverträge sowie sonstige Regelungen

       

7. Die Gesellschaft ist kein Tendenzbetrieb im Sinne des § 118 BetrVG. Ab dem Stichtag findet in der Gesellschaft das BetrVG in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

8. Die bestehende Mitarbeitervertretung übt das Übergangsmandat nach § 7 MVG-EKD aus, längstens jedoch bis 6 Monate nach dem Stichtag. Innerhalb dieser Zeit sind in der Gesellschaft Betriebsratswahlen nach dem BetrVG vorzubereiten und durchzuführen. Dazu wird die Mitarbeitervertretung der C. Diakoniewerk g.GmbH einen Wahlvorstand berufen, der die Wahl vorbereitet und durchführt.

9. Die Gesellschaft nimmt unverzüglich Tarifverhandlungen mit der zuständigen Gewerkschaft VERDI auf, mit dem Ziel, den AVR EKD durch einen Tarifvertrag abzulösen.

       

§ 4
Stichtag

Stichtag im Sinne dieses Vertrages ist der 01.04.2003.

…"    

8

Anlässlich des Betriebsübergangs setzte die Beklagte das Betriebsverfassungsrecht an die Stelle des Mitarbeitervertretungsrechts, blieb aber weiterhin Mitglied im Diakonischen Werk. Zugleich wandte sie die Arbeitsvertragsrichtlinien in der seinerzeit geltenden Fassung nur noch statisch an.

9

Am 15.10.2006 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat die folgende

10

"Betriebsvereinbarung zur Regelung der Vergütungsstruktur im
A. Diakonie-Klinikum         

       

§ 1
AUSGANGSSITUATION

Das A. Diakonie-Klinikum ist nicht tarifgebunden. Mit den Mitarbeitenden bestehen Dienstverträge, die überwiegend auf die Allgemeinen Vertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werkes verweisen. Auf die AVR verweisen im Wesentlichen die Dienstverträge, die vor dem 01.04.2003 abgeschlossen wurden. Seit dem 01.04.2003 gelten die AVR statisch, d. h. in der Fassung vom 01.01.2002. Anstellungen ab dem 01.04.2003 enthalten im Regelfall keinen Verweis auf die AVR.

Aufgrund betrieblicher Notwendigkeiten zur Sicherung der Einrichtung und der Arbeitsplätze hat sich die überwiegende Anzahl Mitarbeitenden im September 2004 damit einverstanden erklärt, für das Jahr 2004 auf die Gewährung einer Zuwendung nach Anlage 14 AVR und im Jahr 2005 auf das Urlaubsgeld und die Gewährung einer Zuwendung nach Anlage 14 AVR zu verzichten. Im Gegenzug wurde von der Unternehmensseite der Verzicht auf betriebsbedingte Beendigungskündigungen bis 31.12.2005 für diese Mitarbeitenden erklärt.

§ 2
GELTUNGSBEREICH

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeitenden des A. Diakonie-Klinikum. Den Betriebsparteien ist bewusst, dass es zur Umsetzung dieser Betriebsvereinbarung der Mitwirkung der Mitarbeitenden bedarf.

       

§ 4
GEGENSTAND DER BETRIEBSVEREINBARUNG

       

Jährliche Einmalzahlungen werden dahingehend angepasst, dass an alle Mitarbeitenden mit AVR-Verträgen im Dezember 2006 einmalig 400,00 Euro brutto zu leisten ist. … Vereinbarungen hinsichtlich der Gewährung einer Zuwendung nach Anlage 14 AVR und der Zahlung von Urlaubsgeld werden durch Nebenabrede mit dem Mitarbeitenden für die Laufzeit dieser Betriebsvereinbarung ausgesetzt.

Mitarbeiter mit AVR-Verträgen, die diese Nebenabrede unterschreiben, erhalten ab 01.01.2007 zusätzlich zur monatlichen Vergütung 75,00 Euro brutto pro Monat. …

Mitarbeitende mit AVR-Verträgen erhalten ab 01.01.2008 eine 1 % Erhöhung und ab 01.01.2009 eine weitere 1 % Erhöhung der monatlichen Grundvergütung und des OZ-Grundbetrages. …

       

§ 5
GELTUNGSDAUER

Diese Betriebsvereinbarung tritt in Kraft, wenn 85 % der Mitarbeitenden mit AVR-Verträgen eine entsprechende Nebenabrede (dieser Betriebsvereinbarung als Anlage 1 beigefügt - Muster) bis zum 17.11.2006 unterschrieben haben, dann allerdings mit Wirkung zum 01.11.2006 ggf. rückwirkend auf diesen Zeitpunkt. Die Betriebsvereinbarung ist gültig bis zum 31.12.2009 und entfaltet keine Nachwirkung.

…“    

11

Unter Bezugnahme auf diese Betriebsvereinbarung unterzeichnete die Klägerin die auf den 31.12.2009 befristete Nebenabrede mit den entsprechenden Gehaltserhöhungen, der Einmalzahlung, Aussetzung der Jahressonderzahlung und dem Kündigungsschutz. Diese Nebenabrede schlossen insgesamt mehr als 85 % der Mitarbeitenden mit AVR-Verträgen ab.

12

Kurz vor Ablauf der o. g. Betriebsvereinbarung und der Nebenabreden schloss die Beklagte am 04.12.2009 mit dem Betriebsrat die nachstehende

13

Vereinbarung zur Regelung der Vergütung
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der
Kliniken A-Stadt-B-Stadt g.GmbH         

       

§ 1
AUSGANGSSITUATION

Die Kliniken A-Stadt-B-Stadt g.GmbH ist nicht tarifgebunden. Mit Betriebsvereinbarung vom 15.10.2006 wurden u. a. Vergütungsfragen geregelt.

§ 2
GELTUNGSBEREICH

Der Inhalt dieser Vereinbarung wird von der Geschäftsführung durch eine Nebenabrede zu den bestehenden Dienstverträgen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgesetzt. Die Regelung gilt ausdrücklich für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kliniken A-Stadt-B-Stadt g.GmbH, die die bisherige Regelung gemäß der Betriebsvereinbarung vom 15.10.2006 akzeptiert haben (ausdrücklich oder stillschweigend). Der Betriebsrat wird die Geschäftsführung bei der Umsetzung unterstützen. Diese Regelungsabrede soll ab dem 01.01.2010 gelten.

§ 3
GEGENSTAND DER VEREINBARUNG

Um den Bestand der Einrichtung und der Arbeitsplätze zu sichern, sollen die nachfolgenden zukünftigen Arbeitsbedingungen gelten.

Im Zusammenhang mit der Vereinbarung wird die Geschäftsführung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Nebenabrede (Anlage 1) zum bestehenden Dienstvertrag anbieten, um die Umsetzung dieser Vereinbarung zu gewährleisten.

Mit In-Kraft-Treten dieser Regelungsabrede wird für den Zeitraum bis zum 31.12.2012 den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit AVR-Verträgen zugesichert, dass deren Arbeitsverhältnisse nicht durch betriebsbedingte Beendigungskündigungen vor dem 31.12.2012 gekündigt werden.

Die Betriebsparteien kommen überein, dass hinsichtlich der Vergütung die Regelungsabrede vom 15.10.2006 auch weiterhin geltend soll, d. h., die monatliche Vergütung - Stand Dezember 2009 - soll fortgelten und ist Ausgangsbasis für die nachfolgenden Erhöhungen. Zuwendung nach Anlage 14 AVR und Urlaubsgeld sind für die Geltungsdauer dieser Vereinbarung, einschließlich einer eventuellen Nachwirkung, aufgehoben.

Die Betriebsparteien haben sich auf folgende Steigerungsraten für alle Mitarbeiter auf die derzeitige monatliche Grundvergütung, den Ortszuschlag und die Allgemeine Zulage sowie die vereinbarten, bisherigen Steigerungsraten gemäß der Betriebsvereinbarung vom 15.10.2006 bzw. den Festbetrag (jeweils Stand Dezember 2009) verständigt:

ab 01.01.2010 um EURO 50,-- monatlich sowie ab 01.07.2010 um weitere EURO 50,-- …
zusätzlich zum 01.01.2011 und zum 01.01.2012 um jeweils 1 %

       

§ 4
GELTUNGSDAUER

Diese Vereinbarung tritt in Kraft, wenn mindestens 80 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit "AVR-Verträgen" der Kliniken A-Stadt-B-Stadt g.GmbH diese Vereinbarung akzeptieren. Mit Erreichen dieser Quote gilt diese Vereinbarung dann allerdings für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß Geltungsbereich und ist dann gültig bis zum 31.12.2012 und entfaltet danach Nachwirkung, ausgenommen von der Nachwirkung ist die Regelung zum Kündigungsschutz.

…“    

14

Im Anschluss daran unterzeichnete die Klägerin am 04.12./16.12.2009 die folgende

15

"NEBENABREDE
ZUM BESTEHENDEN DIENSTVERTRAG         

       

Der mit dem Mitarbeiter abgeschlossene Dienstvertrag wird wie folgt mit Wirkung vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2012 ergänzt:

• Die dem Mitarbeiter gemäß der Regelungsabrede vom 15.10.2006 zustehende monatliche fixe Vergütung (Grundvergütung, Ortszuschlag und allgemeine Zulagen sowie die bisherigen Steigerungen gemäß der Betriebsvereinbarung vom 15.10.2006) - Stand Dezember 2009 - wird dauerhaft statisch vereinbart. Zuwendung nach Anlage 14 AVR und Urlaubsgeld sind für die Geltungsdauer dieser Nebenabrede aufgehoben.
Zusätzlich werden folgende Steigerungsraten vereinbart:

       

Diese Nebenabrede ist bis zum 31.12.2012 gültig. Im Falle der Nachwirkung verlängert sich diese Nebenabrede um die Nachwirkungszeit der zwischen den Betriebsparteien vereinbarten Regelung zur Vergütung vom 04.12.2009.

Die Vereinbarung wird wirksam, wenn mindestens 80 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit „AVR-Verträgen“ der Kliniken A-Stadt-B-Stadt g.GmbH diese Vereinbarung akzeptieren.           

…“    

16

Insgesamt nahmen mehr als 80 % der Mitarbeiter mit AVR-Verträgen das Angebot der Beklagten an.

17

Am 25.06.2010 vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat einen Rücktritt des Betriebsrats außerhalb der Wahlperiode, um zum 01.01.2011 die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrats mit zwei weiteren Unternehmen, nämlich der C.-Diakoniewerk g.GmbH (CDW) und der Diakonische Dienstleistungsgesellschaft mbH B-Stadt (DDG) zu ermöglichen. Die C.-Diakoniewerk g.GmbH führt das Klinikum für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in B-Stadt. Die Diakonische Dienstleistungsgesellschaft mbH B-Stadt bietet Dienstleistungen für Krankenhäuser an und betreibt u. a. eine Küche.

18

Im Jahr 2010 trat die Beklagte aus dem Diakonischen Werk aus.

19

Nachdem Ende 2012 die Verhandlungen zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat über eine neue Regelungsabrede für den Zeitraum ab dem Jahr 2013 an den unterschiedlichen Vorstellungen zu den Entgeltsteigerungen gescheitert waren, bot die Beklagte der Klägerin unter dem 19.12.2012 einen Änderungsvertrag an über eine gestaffelte Gehaltserhöhung von Januar 2013 bis Juli 2015 über insgesamt 5 %. Das Angebot beinhaltete u. a. eine dauerhafte statische Fortgeltung der Arbeitsvertragsrichtlinien unter Ausschluss der Jahressonderzahlung und des Urlaubsgeldes. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an. Daraufhin zahlte die Beklagte die in der Nebenabrede für 2010 bis 2012 vereinbarten Gehaltserhöhungen vorerst nicht mehr an die Klägerin aus.

20

Die Klägerin hat sich aufgrund dessen mit Schriftsatz vom 18.03.2013 an das Arbeitsgericht Stralsund gewandt und eine Vergütung auf Grundlage der jeweils gültigen AVR DW EKD bzw. AVR DD geltend gemacht.

21

Im September 2013 verhandelte die Beklagte erneut mit dem Betriebsrat über ein Anschlussangebot zu den ausgelaufenen Nebenabreden. Im Anschluss daran unterrichtete der Betriebsrat die Belegschaft mit dem folgenden Informationsschreiben:

22

"…    

Liebe Kolleginnen,
Liebe Kollegen,

wie Ihnen/Euch sicherlich bekannt ist, hat der Betriebsrat gemeinsam mit der Geschäftsführung nochmalig versucht, ein gemeinsames Anschlussangebot zu den ausgelaufenen Nebenabreden zu erarbeiten.

Im Vorfeld einer geplanten Mitarbeiterversammlung am 30.10.2013 haben wir nach Rücksprache mit der Geschäftsführung abgesprochen, Ihnen/Euch auf diesem Wege Vorinformationen zu geben. Dieses wurde von den beteiligten Seiten als wichtig erachtet, um jedem Kollegen die Möglichkeit einzuräumen, eventuell auftretende Fragen mit in die Mitarbeiterversammlung zu nehmen.

Im Einzelnen wurde folgendes abgestimmt:

Für AVR-Verträge:           

1. Für Mitarbeiter, deren Gehalt zum 01.01.2013 abgesenkt wurde, erfolgt eine Nachzahlung in Höhe der abgesenkten Beträge ab 01.01.2013. Das gezahlte Grundgehalt Dezember 2012 bildet die Grundlage der weiteren Erhöhungen.

2. Die bis zum 31.12.2012 erarbeiteten Besitzstände gelten weiter, wie z. B. Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsansprüche etc.

3. Die künftige Entwicklung der Gehälter orientiert sich an der Entwicklung der Grundlohnsumme (für 2013 + 2,03 %, für 2014 + 2,81 %).

4. Die Regelungen in den AVR zu Jahressonderzahlungen finden dauerhaft keine Anwendung mehr.

5. Mitarbeiter, die das Angebot vom Dezember 2012 unterschrieben haben, erhalten ebenfalls ein entsprechendes Änderungsangebot und werden - bei Akzeptanz - auf dieser Grundlage gleichbehandelt.

       

Die Geschäftsführung wird jetzt in einem weiteren Schritt jedem Mitarbeiter eine entsprechende Änderungsvereinbarung zum individuellen Arbeitsvertrag mit der Bitte um Gegenzeichnung vorlegen.

Die Geschäftsführung erwartet eine Akzeptanz von 90 % der Belegschaftsangehörigen mit AVR-Verträgen; andernfalls besteht insbesondere vor dem Hintergrund der laufenden Gerichtsverfahren aus Sicht der Geschäftsführung kein Spielraum, Lohnerhöhungen umzusetzen.

…“    

23

Auf der Mitarbeiterversammlung am 30.10.2013 stellte die Beklagte das Ergebnis der Erörterungen mit den Arbeitnehmervertretern bezüglich der künftigen Entgeltentwicklung und zur Sicherung der bis zum 31.12.2012 erworbenen Besitzstände der Mitarbeiter mit AVR-Verträgen dar. Mit Schreiben vom 11.11.2013 bot die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf dieses in der Mitarbeiterversammlung dargestellte Ergebnis einen entsprechenden Änderungsvertrag zur Gehaltsregelung ab Januar 2013 an. Das Vertragsangebot enthält eine aufschiebende Bedingung. Danach soll die Änderungsvereinbarung nur wirksam werden, wenn mindestens 90 % der Mitarbeiter mit ungekündigten AVR-Verträgen bis zum 30.11.2013 der Vertragsänderung zustimmen. Die Klägerin unterzeichnete den angebotenen Änderungsvertrag nicht.

24

Im Oktober 2014 rechnete die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin rückwirkend zum Januar 2013 auf der Basis des am 31.12.2012 maßgeblichen Gehalts neu ab und zahlte die aufgelaufenen Vergütungsdifferenzen nach.

25

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, ihre Vergütung richte sich ab Januar 2013 nach den jeweils aktuellen Tabellenwerten der Arbeitsvertragsrichtlinien. Nachdem die zeitlich befristeten Nebenabreden ausgelaufen seien, lebe die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel wieder auf. Ein dauerhafter Verzicht auf eine dynamische Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien lasse sich den Nebenabreden nicht entnehmen. Ebenso wenig habe sich die Berechnungsbasis für die Dynamisierung geändert.

26

Die Nebenabrede 2010 - 2012 wirke nicht nach. Die entsprechende Klausel halte einer Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht stand. Sie benachteilige die Klägerin unangemessen. Die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot. Die in Bezug genommene Regelungsabrede sei der Klägerin nicht zur Kenntnis gegeben worden. Sie habe zudem nicht überblicken können, ob und wie lange die Regelung nachwirke. Abgesehen davon habe die Beklagte im Oktober 2013 mit dem Betriebsrat eine neue Absprache getroffen und damit die vorangegangene Regelungsabrede abgelöst. Dass diese Regelungen nicht schriftlich fixiert worden seien, ändere nichts an ihrer Wirksamkeit.

27

Die von der Beklagten herangezogene Entscheidung des EuGH vom 18. Juli 2013 - C-426/11 - [Alemo-Herron] stehe einer dynamischen Fortgeltung nicht entgegen, da die Beklagte aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Diakonischen Werk sowohl zurzeit des Betriebsübergangs als auch Jahre später noch Mitglied im Diakonischen Werk gewesen sei und deshalb weiterhin auf die Arbeitsvertragsrichtlinien habe Einfluss nehmen können.

28

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

29

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2013 Vergütung nach der Entgeltgruppe 7, Erfahrungsstufe 2, zuzüglich Kinderzuschlag gemäß § 19a sowie Jahressonderzahlung gemäß Anlage 14 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen,

30

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin rückständige Vergütung für die Monate Januar 2013 bis Januar 2015 einschließlich der Jahressonderzahlungen in Höhe von insgesamt € 11.827,33 brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

31

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die jeweiligen Entgelte der Arbeitsvertragsrichtlinien. Die AVR DW EKD seien nach dem Betriebsübergang im Jahr 2003 nur noch statisch anwendbar. Einer dynamischen Fortgeltung der Arbeitsvertragsrichtlinien stehe die Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-426/11 - [Alemo-Herron] entgegen. Eine Verweisungsklausel auf Kollektivvereinbarungen verliere mit einem Betriebsübergang ihre Dynamik. Die Beklagte habe die Satzungsbedingungen des Diakonischen Werkes nicht erfüllt und keine Möglichkeit gehabt, die Entwicklung der Arbeitsvertragsrichtlinien zu beeinflussen, schon weil es keine Mitarbeitervertretung, sondern einen Betriebsrat gegeben habe.

32

Jedenfalls sei mit der Nebenabrede vom 04.12./16.12.2009 eine dauerhafte statische Geltung vereinbart worden. Unabhängig davon gelte die Nebenabrede vom 04.12./16.12.2009 im Wege der Nachwirkung weiter und schließe somit eine dynamische Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien aus. Die Nachwirkung sei seinerzeit auf Wunsch des Betriebsrats vereinbart worden, weil dieser befürchtet habe, dass die Arbeitnehmer nach dem Auslaufen der Nebenabrede am 31.12.2012 wieder auf das Entgeltniveau vor Inkrafttreten der ersten Nebenabrede zurückfallen könnten. Die Klausel sei nicht intransparent. Es sei der Klägerin jederzeit möglich gewesen, die zugrundeliegenden Vereinbarungen zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat einzusehen. Eine neue Regelungsabrede mit dem Betriebsrat sei nicht mehr zustande gekommen. Das Informationsschreiben des Betriebsrats aus Oktober 2013 stelle offensichtlich keine ersetzende Abmachung dar, zumal es nur Eckpunkte enthalte.

33

Selbst wenn die Arbeitsvertragsrichtlinien dynamisch gelten sollten, seien evtl. Gehaltssteigerungen allenfalls auf Basis der bis zum 31.12.2012 maßgeblichen Vergütung zu berechnen. Nur dieses Gehalt sei ggf. anzupassen. Das ergebe sich aus der Entscheidung des BAG, Urteil vom 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 -. Entgelterhöhungen im Zeitraum der Nebenabreden seien nicht nachzuholen. Ein Rückgriff auf die Tabellenwerte verbiete sich.

34

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht nach den Arbeitsvertragsrichtlinien, sondern ausschließlich nach der Nebenabrede vom 04.12./16.12.2009 richte. Diese Nebenabrede ändere den ursprünglichen Dienstvertrag ab. Sie gelte über den 31.12.2012 hinaus fort, da die Nachwirkung greife. Es sei durchaus zulässig, eine Nachwirkung zu vereinbaren. Der Begriff der Nachwirkung sei nicht intransparent, sondern klar und verständlich. Auch der Gesetzgeber verwende diesen Begriff.

35

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Nachwirkung der Nebenabrede ausgegangen. Zum einen komme es nur dann zu einer Nachwirkung, wenn ein Quorum von 80 % der Belegschaft mit AVR-Verträgen nicht nur die Nebenabrede, sondern auch die zugrundeliegende Regelungsabrede akzeptiert habe. Auf die Anzahl der abgeschlossenen Nebenabreden komme es nicht an. Zum anderen sei die Beklagte selbst davon ausgegangen, dass keine Nachwirkung eingetreten sei, da sie das dort festgelegte Gehalt nicht weitergezahlt habe.

36

Die Klägerin beantragt,

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 24.06.2015 - 2 Ca 142/13 - abzuändern und

38

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.01.2013 Vergütung nach der Entgeltgruppe 7, Erfahrungsstufe 2, der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen,

39

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin rückständige Vergütung für die Monate Januar 2013 bis Januar 2015 einschließlich der Jahressonderzahlungen in Höhe von insgesamt € 11.827,33 brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

40

Die Beklagte beantragt,

41

die Berufung zurückzuweisen.

42

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Das Arbeitsgericht sei zu Recht von einer Nachwirkung der Nebenabrede ausgegangen. Die Klausel sei klar und verständlich. Auch beziehe sich das geforderte Zustimmungsquorum nicht auf die Regelungsabrede, sondern allein auf die Nebenabrede.

43

Die Regelungsabrede vom 04.09.2009 sei nicht durch eine andere Abmachung abgelöst worden. Es fehle schon an einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Betriebsrat, die nach den Konzernrichtlinien notwendig sei. Abgesehen davon habe der Betriebsrat im Oktober 2013 keine rechtswirksamen Erklärungen abgeben können. Die Betriebsvereinbarung vom 25.06.2010 über die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrats verstoße gegen § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, da für die Errichtung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen eine Betriebsvereinbarung nicht ausreiche, sondern ein Tarifvertrag notwendig sei. Die darauf aufbauende Betriebsratswahl sei dementsprechend nichtig, weshalb die Beklagte den Betriebsrat in der Vergangenheit nur noch vorsorglich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht beteiligt habe. Dieser Mangel sei erst mit der Betriebsratsneuwahl im Jahr 2014 behoben worden.

44

Jedenfalls habe eine evtl. dynamische Geltung der Arbeitsvertragsrichtlinien mit dem Austritt der Beklagten aus dem Diakonischen Werk geendet. Das ergebe sich bereits aus der Präambel des Dienstvertrages der Klägerin, in der auf die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk verwiesen werde.

45

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

46

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

47

Die Klägerin hat aus § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf die Vergütung der Entgeltgruppe 7 AVR DW EKD für den Zeitraum ab 01.01.2013 und auf Nachzahlung der Vergütungsdifferenzen nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit (§ 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

48

Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Welche Vergütung die Parteien vereinbart haben, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, der wiederum auf die AVR DW EKD in ihrer jeweils gültigen Fassung verweist.

49

I. Dynamische Anwendbarkeit der Arbeitsvertragsrichtlinien

50

Die Parteien haben den ursprünglichen Dienstvertrag zwar mehrfach geändert, jedoch stets nur für einen befristeten Zeitraum. Ab dem 01.01.2013 sind die AVR DW EKD wieder in ihrer jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Der Betriebsübergang im Jahr 2003 und der Austritt aus dem Diakonischen Werk im Jahr 2010 haben daran nichts geändert.

51

1. Betriebsübergang zum 01.04.2003

52

Der Betriebsübergang der Klinik auf die Beklagte zum 01.04.2003 hat nicht dazu geführt, dass die AVR DW EKD seitdem nur noch in der seinerzeit geltenden Fassung, also statisch, Anwendung finden.

53

Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB). Zu diesen Rechten und Pflichten gehört auch die Bezugnahmeklausel auf die AVR DW EKD in ihrer jeweils gültigen Fassung.

a)

54

Die Auslegungsgrundsätze für Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge können nicht auf kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien übertragen werden (LAG Hamm, Urteil vom 23. Juli 2015 - 8 Sa 1756/14 - Rn. 40, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2012 - 6 Sa 1943/11 - Rn. 17, juris = KirchE 59, 159).

55

Eine Bezugnahmeklausel auf die einschlägigen, jeweils gültigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag war nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts typischerweise als Gleichstellungsabrede zu verstehen (BAG, Urteil vom 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 29, juris = NZA 2016, 557; BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 20, juris = NZA-RR 2016, 6). Verweist ein tarifgebundener Arbeitgeber im Arbeitsvertrag auf die für ihn maßgeblichen Tarifverträge, verfolgt er damit regelmäßig das Ziel, die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer denjenigen gleichzustellen, die Mitglied der zuständigen Gewerkschaft und deshalb nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend an den Tarifvertrag gebunden sind. Die Gleichstellungsabrede ersetzt auf der Seite des Arbeitnehmers die ggf. fehlende Tarifgebundenheit. Der selbst tarifgebundene Arbeitgeber will die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie tarifgebunden sind oder nicht, so stellen, als wären sie an dieses Tarifwerk gebunden. Darin erschöpft sich aber zugleich auch der Zweck einer dynamischen Bezugnahmeklausel. Ihr Ziel ist es nicht, eine Anwendbarkeit von Tarifverträgen zu begründen, die weiter reicht als im Falle einer normativen Geltung bei beiderseitiger Tarifgebundenheit. Der Arbeitgeber hat erkennbar nicht den Willen, die Arbeitnehmer auch dann dauerhaft an der Tarifentwicklung teilhaben zu lassen, wenn er selbst, z. B. nach einem Verbandsaustritt, nicht mehr an den Tarifvertrag gebunden ist (BAG, Urteil vom 26. September 2001 - 4 AZR 544/00 - Rn. 29 f., juris = NZA 2002, 634).

56

Auch im Falle eines Betriebsübergangs auf einen tarifungebundenen Erwerber wirkt die Bezugnahmeklausel nur noch statisch (BAG, Urteil vom 12. September 2013 - 6 AZR 512/12 - Rn. 27, juris = NZA-RR 2014, 154; BAG, Urteil vom 17. November 2010 - 4 AZR 127/09 - Rn. 35, juris = NJW 2011, 1531; BAG, Urteil vom 14. November 2007 - 4 AZR 861/06 - Rn. 44, juris = NZA-RR 2008, 362).

57

Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht bei Bezugnahmeklauseln, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Das Bundesarbeitsgericht wendet jedoch die oben dargestellten Auslegungsregeln aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 vereinbart worden sind (BAG, Urteil vom 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 30, juris = NZA 2016, 557; BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 20, juris = NZA-RR 2016, 6; BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 32, juris = NZA 2015, 946).

58

Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen sind keine Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes (BAG, Urteil vom 29. Juni 2011 - 5 AZR 855/09 - Rn. 20, juris = AP Nr. 49 zu § 1 TVG Tarifverträge: Arzt; BAG, Urteil vom 08. Juni 2005 - 4 AZR 412/04 - Rn. 35, juris = NZA 2006, 611). Eine Verweisungsklausel auf Arbeitsvertragsrichtlinien kann nicht das Ziel haben, den Mitarbeiter einem aus anderen Gründen an diese Richtlinien gebundenen Arbeitnehmer gleichzustellen. Für die Geltung der Arbeitsvertragsrichtlinien gibt es keine andere Rechtsgrundlage als eine arbeitsvertragliche Verweisung (BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 - 4 AZR 24/10 - Rn. 18, juris = ZTR 2012, 438; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2012 - 6 Sa 1943/11 - Rn. 17, juris = KirchE 59, 159). Eine Gleichstellung mit einer anderen Form der rechtlichen Bindung scheidet damit aus.

b)

59

Der in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnete Eintritt des Erwerbers in die bestehenden Rechte und Pflichten ist nicht im Lichte des Europarechts einschränkend dahingehend auszulegen, dass die AVR DW EKD für das Arbeitsverhältnis der Klägerin nur noch statisch fortgelten.

60

Da die nationale Regelung der Umsetzung der Richtlinie 2001/23/EG bzw. der Vorgänger-Richtlinie 77/187/EWG dient, ist sie richtlinienkonform auszulegen und entsprechend anzuwenden. Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen bestimmt in

61

Artikel 3

62

1. Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

63

64

3. Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.

65

Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen.

66

67

Artikel 8

68

Diese Richtlinie schränkt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten nicht ein, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder für die Arbeitnehmer günstigere Kollektivverträge und andere zwischen den Sozialpartnern abgeschlossene Vereinbarungen, die für die Arbeitnehmer günstiger sind, zu fördern oder zuzulassen.

69

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt sei vorzusehen, dass die Klauseln, die dynamisch auf nach dem Zeitpunkt des Übergangs verhandelte und abgeschlossene Kollektivverträge verwiesen, gegenüber dem Erwerber durchsetzbar seien, wenn dieser nicht die Möglichkeit habe, an den Verhandlungen über diese nach dem Übergang abgeschlossenen Kollektivverträge teilzunehmen (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-426/11 - [Alemo-Herron] Rn. 37, juris = NZA 2013, 835). Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG sei im Einklang mit Art. 16 EU-GRCharta (Unternehmerische Freiheit) auszulegen. Dem Betriebserwerber müsse es möglich sein, im Rahmen eines zum Kollektivvertragsabschluss führenden Verfahrens, an dem er beteiligt sei, seine Interessen wirksam geltend zu machen und die die Entwicklung der Arbeitsbedingungen seiner Arbeitnehmer bestimmenden Faktoren mit Blick auf seine künftige wirtschaftliche Tätigkeit auszuhandeln. Sei es ihm jedoch von vorherein verwehrt, in dem betreffenden Tarifverhandlungsorgan mitzuwirken, könne das die Vertragsfreiheit des Betriebserwerbers in einem Ausmaß reduzieren, das den Wesensgehalt seines Grundrechts auf unternehmerische Freiheit berühre (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-426/11 - [Alemo-Herron] Rn. 31 ff., juris = NZA 2013, 835).

70

Der Beklagten war es - anders als in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Rechtsstreit - nicht verwehrt, in einem Organ mitzuwirken, das auf die Entwicklung der Arbeitsvertragsrichtlinien Einfluss nehmen kann. Die Beklagte hatte nicht nur die Möglichkeit, dem entsprechenden Verband beizutreten. Sie hat diese Möglichkeit auch aktiv genutzt und sich dem Diakonischen Werk angeschlossen. Diese Mitgliedschaft im Diakonischen Werk hat sie erst sieben Jahre nach dem Betriebsübergang beendet. Ob sich die Beklagte in dieser Zeit tatsächlich in irgendeiner Weise an der Weiterentwicklung von Arbeitsvertragsrichtlinien beteiligt hat, ist unerheblich. Die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk gab ihr jedenfalls die Möglichkeit hierzu. Soweit die Beklagte einwendet, ihre Mitgliedschaft sei nicht satzungsgemäß gewesen, ändert das nichts an dem Umstand, dass sie dem Diakonischen Werk tatsächlich angehört hat.

71

Damit ist es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht von Bedeutung, wie der Europäische Gerichtshof die EuGH-Vorlage des BAG vom 17. Juni 2015 (- 4 AZR 61/14 (A) - juris = NZA 2016, 373) beantwortet.

72

2. Nebenabrede 2006 - 2009

73

Die für den Zeitraum 01.11.2006 bis zum 31.12.2009 geschlossene Nebenabrede hat die Vergütungsansprüche, wie sie sich aus dem Dienstvertrag mit der dynamischen Verweisung auf die AVR DW EKD ergeben, nur vorübergehend abgeändert.

74

Der Änderungsvertrag ist befristet und galt ausschließlich für den Zeitraum 01.11.2006 bis 31.12.2009. Die Nebenabrede wirkt nicht über den 31.12.2009 hinaus. Die Parteien haben mit der Nebenabrede auch nicht die Grundlage für zukünftige Gehaltserhöhungen nach den AVR DW EKD neu bestimmt.

75

Ist für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts ein Endtermin bestimmt, tritt mit diesem Zeitpunkt der frühere Rechtszustand wieder ein (§§ 163, 158 Abs. 2 BGB). Der frühere Rechtszustand ergibt sich dem Dienstvertrag der Klägerin mit der Bezugnahmeklausel auf die AVR DW EKD.

76

Aus der Nebenabrede lässt sich keine Abänderung der Bezugnahmeklausel im Sinne eines dauerhaften Verzichts der Klägerin auf die Gehaltssteigerungen in den AVR DW EKD herleiten. Die Nebenabrede schließt es zwar aus, für den Zeitraum November 2006 bis Dezember 2009 das höhere Gehalt nach den Arbeitsvertragsrichtlinien ein- oder nachzufordern. Die Klägerin hat damit jedoch nicht eine geringere Berechnungsbasis für spätere Gehaltserhöhungen anerkannt. Hier fehlt es schon an entsprechenden Hinweisen im Vertragstext, die einen Bezug zu den jeweiligen Gehaltserhöhungen nach den AVR DW EKD herstellen. Beide Parteien sind seinerzeit davon ausgegangen, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien ohnehin nur statisch fortgelten. In der Betriebsvereinbarung vom 15.10.2006, auf die der Änderungsvertrag Bezug nimmt, wird diese Ausgangslage nochmals ausdrücklich erwähnt (§ 1 Abs. 1 Satz 4). Damit erübrigte sich eine Regelung zu einer evtl. späteren Dynamik der Arbeitsvertragsrichtlinien. Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - (juris = ZTR 2011, 150), auf die sich die Beklagte beruft, lag insoweit ein anderer Sachverhalt zugrunde, als dass der Arbeitnehmer dort ausdrücklich auf eine bestimmte Gehaltserhöhung aus dem Tarifvertrag verzichtet hatte. Die Klägerin hat hingegen nicht auf eine Gehaltserhöhung aus den Arbeitsvertragsrichtlinien verzichtet, sondern - anders herum - ausgehend von einer statischen Fortgeltung der AVR DW EKD eine Gehaltserhöhung (befristet) vereinbart.

77

3. Nebenabrede 2010 - 2012

78

Die Nebenabrede vom 04.12./16.12.2009 regelt nur die Lohnansprüche für den Zeitraum 01.01.2010 bis zum 31.12.2012. Sie enthält keine Bestimmungen, die unabhängig von ihrer Befristung über den 31.12.2012 hinaus weitergelten. Zudem ist keine Nachwirkung eingetreten.

a)

79

Die Parteien haben mit der Nebenabrede keine dauerhafte statische Anwendbarkeit der AVR DW EKD vereinbart.

80

Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie sie die Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zunächst von dem Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände bei der Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 8 AZR 757/14 - Rn. 19, juris = NZA 2016, 1459; BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21, juris = NZA 2015, 483). Vorformulierte Arbeitsvertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BAG, Urteil vom 13. Februar 2013 - 5 AZR 2/12 - Rn. 15, juris = NZA 2013, 1024; BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 - 4 AZR 24/10 - Rn. 16, juris = ZTR 2012, 438).

81

Im ersten Unterpunkt der Nebenabrede 2010 - 2012 ist zwar festgelegt, dass die dem Mitarbeiter gemäß Regelungsabrede vom 15.10.2006 zustehende monatliche fixe Vergütung (Grundvergütung, Ortszuschlag und Allgemeine Zulagen sowie die bisherigen Steigerungen gemäß der Betriebsvereinbarung vom 15.10.2006) - Stand Dezember 2009 - dauerhaft statisch vereinbart wird. Dieser Satz kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Diesem Unterpunkt vorangestellt ist der für alle Regelungen maßgebliche Einleitungssatz, nach dem der Dienstvertrag mit Wirkung vom 01.01.2010 bis zum 31.12.2012 in den dann folgenden Punkten ergänzt wird. Somit kann sich die zeitliche Reichweite des Begriffs "dauerhaft" nur auf die Laufzeit der Nebenabrede erstrecken; sie reicht nicht weiter als deren Geltungsdauer. Sinn und Zweck des ersten Unterpunkts ist es, die Berechnungsbasis für die danach folgenden prozentualen Gehaltserhöhungen festzulegen. Dementsprechend enthält der zweite Unterpunkt sodann die jeweiligen Steigerungsraten. Die Berechnungsbasis ist statisch und ändert sich nicht während der Laufzeit dieser Nebenabrede. In diesem Sinne wird sie "dauerhaft statisch vereinbart". Diese Regelung gilt aber ebenso wie alle anderen Regelungen der Nebenabrede nur für deren Laufzeit, wie sich aus dem vorangestellten Einleitungssatz ergibt. Die Parteien haben die statische Geltung der bisherigen monatlichen Vergütung Stand Dezember 2009 nicht von der Befristung des Änderungsvertrages getrennt und vor die Klammer gezogen, sondern sie systematisch als Unterpunkt hierzu ausgestaltet. Die Regelung kann nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Arbeitnehmers nur für die im Einleitungssatz vorangestellte Laufzeit gelten.

82

Diese Auslegung entspricht im Übrigen der Regelungsabrede zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat vom 04.12.2009, auf der die Nebenabrede fußt. In der Regelungsabrede ist unter § 3 Abs. 4 Satz 1 festgehalten, dass hinsichtlich der Vergütung die frühere Vereinbarung vom 15.10.2006 und damit der Stand Dezember 2009 weiterhin geltend soll und diese monatliche Vergütung die Ausgangsbasis für die nachfolgenden Erhöhungen darstellt. In der Regelungsabrede finden sich hingegen keine Hinweise auf eine dauerhafte statische Fortgeltung der Dezembervergütung 2009, unabhängig von der Laufzeit dieser Regelungsabrede bzw. der Nebenabrede.

b)

83

Die Rechte und Pflichten aus dieser Nebenabrede endeten mit dem 31.12.2012. Zu einer Nachwirkung über dieses Datum hinaus ist es nicht gekommen.

84

Die Nebenabrede ist gemäß dem letzten Unterpunkt bis zum 31.12.2012 gültig. Sie verlängert sich um die Nachwirkungszeit der Regelungsabrede zwischen den Betriebsparteien vom 04.09.2009. Die Nachwirkung endet mit einer neuen Abmachung, welche Form auch immer diese hat.

85

Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat im September/Oktober 2010 rückwirkend zum Januar 2013 eine neue Gehaltsvereinbarung getroffen, die wiederum Gehaltssteigerungen und einen Wegfall der Jahressonderzuwendung beinhaltet. Beide Betriebspartner haben die Neuregelung den Beschäftigten bekannt gegeben, der Betriebsrat durch das Informationsschreiben aus Oktober 2010 ("wurde folgendes abgestimmt"), die Beklagte in der Mitarbeiterversammlung am 30.10.2013, spätestens aber mit dem Anschreiben zur Nebenabrede vom 11.11.2013 ("Ergebnis der Erörterungen mit den Arbeitnehmervertretern").

86

Die Betriebspartner haben das Ergebnis ihrer Abstimmung zwar nicht mehr in einer gemeinsamen Urkunde schriftlich niedergelegt. Das war allerdings auch nicht erforderlich. Die Regelungsabrede vom 04.12.2009 enthält kein Schriftformerfordernis. Die Formvorschrift für Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 2 BetrVG) ist ebenso wenig anwendbar. Konzernrichtlinien binden die Beklagte grundsätzlich nur im Innenverhältnis, nicht jedoch gegenüber dem Betriebsrat oder den Mitarbeitern.

87

Auf die Wirksamkeit der Vereinbarungen zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat kommt es nicht an. Den Betriebsparteien war bewusst, dass weder die Betriebsvereinbarung vom 15.10.2006 noch die Regelungsabrede vom 04.12.2009 eine Außenwirkung auf die Arbeitnehmer haben. In beiden Regelungswerken ist deshalb vorgesehen, die Absprachen in Form von einzelvertraglichen Nebenabreden umzusetzen (z. B. § 3 Abs. 2 der Regelungsabrede vom 04.12.2009). Erst die Nebenabrede führte zu einer Begründung von Rechten (z. B. Gehaltserhöhungen) bzw. zur Aufhebung von Rechten (z. B. Jahressonderzuwendung).

88

Da es auf die Wirksamkeit der Vereinbarung mit dem Betriebsrat nicht ankam, kann es dahingestellt sein, ob die Wahl des damaligen Betriebsrats an einem so schweren Mangel litt, dass sie sogar nichtig war. Abgesehen davon fehlt es aber an ausreichenden Anhaltspunkten für eine Nichtigkeit. Seinerzeit wurde ein gemeinsamer Betriebsrat für die Beklagte und zwei weitere Unternehmen aufgrund einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Unternehmen und Betriebsräten gebildet. Das ist durchaus zulässig, wenn mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb unterhalten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

89

4. Austritt aus dem Diakonischen Werk

90

Der Austritt aus dem Diakonischen Werk steht einer dynamischen Anwendbarkeit der Arbeitsvertragsrichtlinien nicht entgegen.

91

Einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahmen auf ein anderes Regelungswerk sind solange entsprechend ihres Wortlautes als konstitutive Verweisungsklausel zu verstehen, wie nichts anderes in hinreichend erkennbarer Form zum Ausdruck kommt (BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 - 4 AZR 24/10 - Rn. 17, juris = ZTR 2012, 438). Die Bezugnahme auf die jeweils gültige Fassung der Arbeitsvertragsrichtlinien ist nicht an die Mitgliedschaft in der entsprechenden Organisation gebunden (vgl. LAG Sachsen, Urteil vom 20. September 2016 - 1 Sa 485/15 - Rn. 26, juris, Revision eingelegt; a. A. LAG Sachsen, Urteil vom 26. Februar 2016 - 2 Sa 499/15 - Rn. 52, juris, Revision eingelegt; LAG Sachsen, Urteil vom 16. August 2016 - 3 Sa 606/15 - Rn. 105, juris, Revision eingelegt).

92

Die Verweisungsklausel im Dienstvertrag der Klägerin ist nicht dahingehend auszulegen, dass die AVR DW EKD nur noch statisch fortgelten sollen, wenn die Einrichtung nicht mehr dem Diakonischen Werk angeschlossen ist. Zwar erwähnt die Präambel des Dienstvertrages die diakonische Ausrichtung des Krankenhauses im Sinne einer Verwirklichung des gemeinsamen Werkes der christlichen Nächstenliebe. Die Mitgliedschaft im Diakonischen Werk ist jedoch keine Bedingung, von der die Dynamik der Arbeitsvertragsrichtlinien abhängt.

93

Die Präambel beschreibt lediglich den Ist-Zustand, wie er seinerzeit bestand. Die Einrichtung war damals - und übrigens auch noch Jahre danach - dem Diakonischen Werk angeschlossen. Die Präambel enthält keine konkreten Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien, sondern stellt das Leitbild für die tägliche Arbeit und den Umgang miteinander dar. Die Rechte und Pflichten sind erst danach in den einzelnen Paragraphen festgelegt. Diese systematische Trennung spricht dagegen, einen Bezug zwischen der Verweisungsklausel einerseits und dem Hinweis auf die Mitgliedschaft der Einrichtung im Diakonischen Werk andererseits herzustellen.

94

Der Sinn und Zweck der Verweisungsklausel gebietet es nicht, mit dem Austritt des Arbeitgebers nur noch die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Fassung statisch anzuwenden. Eine dynamische Verweisung auf Arbeitsvertragsrichtlinien verfolgt das Ziel, die im Laufe der Zeit notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen, insbesondere der Gehälter, in dem entsprechenden Dienstleistungsbereich und der jeweiligen Region einheitlich nachzuvollziehen. Das erhöht die Akzeptanz der Beschäftigten im Hinblick auf die Lohngerechtigkeit und vermeidet eine Vielzahl von einzelvertraglichen Lohnverhandlungen. Eine gleichförmige Vergütungshöhe beugt der Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften vor.

95

Der Austritt aus dem Diakonischen Werk ändert an dieser Zielsetzung nichts. Allerdings verliert der Arbeitgeber die Möglichkeit, auf die weitere Entwicklung der Arbeitsvertragsrichtlinien Einfluss zu nehmen. Daraus ergibt sich aber nicht zwingend ein erkennbares Interesse des Arbeitgebers, fortan nur noch eine statische Geltung der Richtlinien zu wollen. Es ist in der arbeitsvertraglichen Praxis durchaus gängig, auf andere Regelungswerke einschließlich späterer Änderungen zu verweisen, obwohl der Arbeitgeber nicht an die Tarifverträge oder sonstigen Regelungswerke kraft Mitgliedschaft gebunden ist und auf deren Entwicklung auch keinen Einfluss nehmen kann. Eine Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge hat nicht nur dann einen Sinn, wenn ihr zugleich eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers kraft Mitgliedschaft (§ 3 Abs. 1 TVG) zugrunde liegt. Gleiches gilt für kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien.

96

Die Anwendbarkeit der Arbeitsvertragsrichtlinien ist nicht an eine bestimmte religiöse oder weltanschauliche Ausrichtung des Arbeitgebers gebunden. Eine Bezugnahme auf die Arbeitsvertragsrichtlinien verliert ihren Sinn und Zweck nicht automatisch mit dem Wechsel von einer kirchlichen in eine weltliche Trägerschaft oder einer Beteiligung eines weltlichen Trägers an einem kirchlichen, z. B. durch Erwerb von Gesellschaftsanteilen, bzw. einer Zusammenarbeit von kirchlichen Trägern verschiedener Konfessionen. Eine derartige Neuausrichtung ändert weder etwas an einer statischen noch an einer dynamischen Fortgeltung der in Bezug genommenen Regelungswerke. Die Arbeitsvertragsrichtlinien stellen das notwendige Regelungsgerüst für das Arbeitsverhältnis bereit. Sie stehen einer religiösen oder weltanschaulichen Neuausrichtung des Arbeitgebers nicht im Wege. Sofern sie jedoch der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers im Wege stehen sollten, ist ggf. eine Vertragsanpassung, sei es einvernehmlich oder durch Änderungskündigung, vorzunehmen.

97

II. Eingruppierung

98

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Vergütung der Entgeltgruppe 7 AVR DW EKD bzw. AVR DD.

99

Die einschlägigen Regelungen der Arbeitsvertragsrichtlinien lauten in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung wie folgt:

100

"…

101

§ 12 Eingruppierung

102

(1) Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ist nach den Merkmalen der übertragenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen gemäß der Anlage 1 eingruppiert. … Die Tätigkeiten müssen ausdrücklich übertragen sein (z. B. im Rahmen von Aufgaben- oder Stellenbeschreibungen). Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in die sie bzw. er eingruppiert ist. …

103

(2) Die Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters erfolgt in die Entgeltgruppe, deren Tätigkeitsmerkmale sie bzw. er erfüllt und die der Tätigkeit das Gepräge geben. Gepräge bedeutet, dass die entsprechende Tätigkeit unverzichtbarer Bestandteil des Arbeitsauftrages ist.

104

(3) Für die Eingruppierung ist nicht die berufliche Ausbildung, sondern allein die Tätigkeit der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters maßgebend. Entscheidend ist die für die Ausübung der beschriebenen Tätigkeit in der Regel erforderliche Qualifikation, nicht die formale Qualifikation der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters.

105

(4) Die Eingruppierung der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters richtet sich nach den Obersätzen der Entgeltgruppe, die für die Tätigkeitsbereiche in den Untersätzen näher beschrieben werden. Den Sätzen sind Richtbeispiele zugeordnet, die häufig anfallende Tätigkeiten in dieser Eingruppierung benennen.

106

107

Anlage 1

108

EINGRUPPIERUNGSKATALOG

109

110

Entgeltgruppe 7 (…)

111

A. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Tätigkeiten, die Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten voraussetzen

112

Hierzu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

113

1. mit eigenständiger Wahrnehmung von Aufgaben (…) in den Tätigkeitsbereichen

114

a. Pflege/Betreuung/Erziehung,

115

116

Richtbeispiele:

117

Alten-, Gesundheits- und Krankenpflegerin,

118

119

…"

120

Die Beklagte hat der Klägerin ausdrücklich Tätigkeiten übertragen, die Fachwissen und entsprechende Fähigkeiten im Sinne der Entgeltgruppe 7 voraussetzen. Die Klägerin ist als Krankenschwester eingesetzt. Die Tätigkeiten fallen unter das Richtbeispiel "Krankenpflegerin". Die Zuordnung der Klägerin zur Entgeltgruppe 7 ist zwischen den Parteien nicht mehr im Streit.

121

III. Vergütungsdifferenzen

122

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Vergütungsdifferenzen zu der Entgeltgruppe 7 AVR DW EKD nebst Kinderzuschlag und Jahressonderzahlung.

123

Die einschlägigen Regelungen der Arbeitsvertragsrichtlinien lauten in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung wie folgt:

124

"…

125

§ 14 Die Bestandteile des Entgeltes

126

(1) Das Entgelt der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters besteht aus dem Grundentgelt … und dem Kinderzuschlag (§ 19a).

127

(2) …

128

(3) Sonstige Zuwendungen werden nach den Anlagen 12 und 14 der AVR in der jeweils gültigen Fassung gezahlt.

129

130

§ 19a Kinderzuschlag

131

(1) Kindergeldberechtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten auf Nachweis eines entsprechenden Bezuges für jedes Kind einen Kinderzuschlag in Höhe von 90,57 €.

132

133

Anlage 14

134

JAHRESSONDERZAHLUNG

135

(1) Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter, die oder der sich am 01. November eines Jahres in einem Beschäftigungsverhältnis befindet, das mindestens bis zum 31. Dezember des Jahres besteht, erhält eine Jahressonderzahlung.

136

(2) Die Höhe der Jahressonderzahlung errechnet sich aus der Summe der Bezüge gemäß Unterabsatz 3 der Monate Januar bis einschließlich Oktober des Jahres, dividiert durch zehn. …

137

138

Zu den Bezügen zählt das monatliche Tabellenentgelt, die Kinderzulage, ggf. die Besitzstandszulage, die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen sowie die Zeitzuschläge gemäß § 20a AVR.

139

(3) Die Jahressonderzahlung wird zur Hälfte im November des laufenden Jahres, die zweite Hälfte im Juni des Folgejahres gezahlt. …

140

…"

141

Die Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum Januar 2013 bis einschließlich Januar 2015 belaufen sich ausgehend vom Grundentgelt und dem Kinderzuschlag auf insgesamt € 7.293,24 brutto. Weitere Entgeltbestandteile hat die Klägerin aus Gründen der Vereinfachung zuletzt nicht mehr geltend gemacht. Die im Oktober 2014 nachgezahlten Differenzbeträge zum Vergütungsniveau am 31.12.2012 sind bereits verrechnet. Hinzu kommen die in diesem Zeitraum fälligen Jahressonderzahlungen, berechnet auf Basis des Grundentgelts und des Kinderzuschlags, in Höhe von insgesamt € 4.534,09 brutto.

142

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Revision wird im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zugelassen.

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