Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Kammer) - 3 Sa 154/18
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 30.05.2018 – 4 Ca 2042/17 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten im Rahmen einer Zahlungsklage um die richtige Berechnung der Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit. Beide Zuschläge sind als prozentuale Aufschläge auf einen Basiswert geschuldet und der Streit dreht sich um die Frage, welcher Basiswert der Berechnung zu Grunde gelegt werden muss.
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Das monatliche Entgelt setzt sich zusammen aus dem „Monatsentgelt“, aus einer Prämie mit der Bezeichnung „Prämie-Prozent“, einer Prämie mit der Bezeichnung „PQZFTN“ und einer Prämie mit der Bezeichnung „Anwesenheitsprämie“. Für Sonntagsarbeit gibt es zusätzlich einen Zuschlag in Höhe von 50 % je Arbeitsstunde und für Nachtarbeit einen Zuschlag in Höhe von 15 % je Arbeitsstunde. Die Beklagte bestimmt dabei die Höhe des prozentualen Zuschlags für Nacht- und Sonntagsarbeit als Zuschlag auf den Stundenlohn. Dieser Stundenlohn wird ermittelt aus dem „Monatsentgelt“ und der Prämie mit der Bezeichnung „Prämie-Prozent“. Der Kläger ist diesbezüglich der Auffassung, dass die Prämie „PQZFTN“ sowie die „Abwesenheitsprämie“ bei der Berechnung für Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit ebenfalls berücksichtigt werden müsse.
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Im Jahre 2016 haben Kollegen des Klägers vor dem Arbeitsgericht geklagt, um einen prozentual höheren Nachtzuschlag zu erstreiten. Dabei ist es zu Vergleichen gekommen, nach denen sich die Beklagte verpflichtet hat, für Nachtarbeit während der gesetzlichen Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr morgens rückwirkend ab Januar 2013 einen Nachtzuschlag in Höhe von 25 % zu zahlen. Die Beklagte hat diese Regelung auf alle Arbeitnehmer und damit auch auf den Kläger angewendet und im Jahr 2017 entsprechende Nachzahlungen geleistet. Auch bei den Nachberechnungen wurde der für den neuen Zuschlag maßgebliche Stundenlohn so berechnet wie bisher üblich, also ohne Berücksichtigung der Prämie mit der Bezeichnung „PQZFTN“ und ohne Berücksichtigung der „Anwesenheitsprämie“.
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In diesem Zusammenhang haben die Parteien am 11.07.2017 folgende Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 26.04.2012 geschlossen:
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„Die Arbeitsvertragsparteien schließen die nachfolgende Vereinbarung:
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1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Arbeitszeit in der Nachtschicht von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr mit 25 % Aufschlag vergütet wird.
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2. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass die bisherige betriebliche Regelung hinsichtlich der Vergütung der Mehr-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie Nachtarbeit im Übrigen weiterhin bestehen soll.
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3. Die Arbeitgeberin wird unter Berücksichtigung der vorstehenden Ziffern 1.) und 2.) das Arbeitsverhältnis für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.04.2017 entsprechend nachberechnen und den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag auszahlen.
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4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die unter den vorstehenden Ziffern getroffene Regelung über den 30.04.2017 hinaus weiter gilt, solange, bis diese Regelung durch tarifvertragliche Regelungen ersetzt wird.
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5. Mit dieser Vereinbarung sind alle rechtlichen Ansprüche der vorstehenden Ziffern 1.) bis 4.) aus der Vergangenheit abgegolten.“
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Mit seiner am 29.12.2017 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines weiteren Zuschlagbetrages für geleistete Nacht- und Sonntagsarbeit in Höhe von 127,01 € brutto gegen die Beklagte.
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Mit Urteil vom 30.05.2018 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung ausdrücklich zugelassen.
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Gegen diese am 10.08.2018 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 03.09.2018 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Klägers nebst der am – nach entsprechender gerichtlicher Fristverlängerung – 09.11.2018 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründung.
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Der Kläger ist der Rechtsauffassung, die am 11.07.2017 geschlossene Zusatzvereinbarung tangiere die in diesem Verfahren streitigen Ansprüche nicht.
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Der Kläger beantragt:
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1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 30.05.2018, Az.: 4 Ca 2042/17, wird abgeändert.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 127,01 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verhandlungsprotokolle vom 20.02.2019 und vom 07.08.2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I.
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Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von zusätzlich 127,01 € brutto wegen geleisteter Nacht- und Sonntagsarbeit weder auf eine vertragliche noch auf eine gesetzliche Anspruchsgrundlage stützen. Dabei kann es offen bleiben, ob – woran angesichts der zutreffenden Erwägungen der erstinstanzlichen Entscheidung ohnehin erhebliche rechtliche Bedenken bestehen – dem Grunde nach bei der Berechnung der Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit die Prämien „PQZFTN“ und „Abwesenheitsprämie“ ursprünglich zu berücksichtigen gewesen wären. Denn jedenfalls haben sich die Parteien mit der Zusatzvereinbarung vom 11.07.2017 rückwirkend zum 01.01.2013 und mithin auch für das hier maßgebliche Jahr 2014 im Zuge der Anhebung des Nachtarbeitszuschlages von 15 % auf 25 % in Ziffer 2.) der Zusatzvereinbarung auf eine Berechnung „hinsichtlich der Vergütung der Mehr-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie Nachtarbeit“ nach der „bisherigen betrieblichen Regelung“ verständigt.
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Daraus folgt nach Ansicht der Kammer bei Anwendung der einschlägigen Auslegungsgrundsätze, dass die Prämien „PQZFTN“ und „Abwesenheitsprämie“ bei der Berechnung der Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit nach dem Willen der vertragschließenden Parteien keine Berücksichtigung finden sollen.
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Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der Zusatzvereinbarung vom 11.07.2017 um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, deren Auslegung sich nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn richtet, so wie er von rechtskundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden kann, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrundezulegen sind, oder um eine Individualvereinbarung, bei der es maßgeblich darauf ankommt, wie der Kläger als Empfänger des Angebots der Beklagten deren Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (grundsätzlich BAG vom 25.04.2018 – 5 AZR 84/17 – juris Rd.-Nr. 22).
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Der Wortlaut in Ziffer 2.) der Zusatzvereinbarung lässt keine Zweifel daran, dass es den Parteien ganz offensichtlich nicht nur darum gegangen ist, die zwischen ihnen streitige Höhe des Zuschlages für Nachtarbeit für die Vergangenheit und die Zukunft bis zur Erreichung einer tariflichen Regelung zu klären, sondern auch die Berechnungsgrundlage der Zuschläge u. a. für Nacht- und Sonntagsarbeit geregelt werden sollte. In diesem Zusammenhang haben die Parteien sich darauf verständig, dass die bisherige betriebliche Regelung beibehalten werden soll. Diesbezüglich ist zwischen den Parteien zudem unstreitig, dass die Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit im Zeitpunkt des Abschlusses der Zusatzvereinbarung nach der bis dahin gelebten Praxis ohne Berücksichtigung der Prämien „PQZFTN“ und „Abwesenheitsprämie“ berechnet worden sind. Wenn die Parteien nunmehr in Ziffer 2.) der Zusatzvereinbarung u. a. festgelegt haben, dass die bisherige Regelung hinsichtlich der Vergütung für Nacht- und Sonntagsarbeit weiterhin bestehen soll, so wird damit zur Überzeugung der Kammer gemessen am Maßstab eines verständigen Erklärungsempfängers unmissverständlich deutlich, dass damit die Berechnung der Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit nach der bis dahin gelebten Praxis und mithin ohne Berücksichtigung der Prämien „PQZFTN“ und „Abwesenheitsprämie“ erfolgen soll. Im Ergebnis haben sich die Parteien in Ziffer 2.) der Zusatzvereinbarung vom 11.07.2017 bereits vor Klageerhebung auf die Beibehaltung der Zuschlagsberechnung für Nacht- und Sonntagsarbeitszeiten ohne Berücksichtigung der Prämien „PQZFTN“ und „Anwesenheitsprämie“ verständigt, sodass der von dem Kläger zusätzlich geltend gemachte Betrag in Höhe von 127,01 € unbegründet ist.
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Hinzukommt, dass sich der Kläger auch vor dem Hintergrund von Ziffer 5.) der Zusatzvereinbarung vom 11.07.2017 nicht mit Erfolg auf die von ihm begehrte zusätzliche Vergütung für geleistete Nacht- und Sonntagsarbeit berufen kann. Denn dort haben die Parteien ausdrücklich und unmissverständlich festgelegt, dass mit Abschluss der Zusatzvereinbarung vom 11.07.2017 alle Ansprüche aus der Vergangenheit, soweit sie die Ziffern 1.) bis 3.) der Vereinbarung betreffen abgegolten sind. Da – wie oben ausgeführt – in Ziffer 2.) der Zusatzvereinbarung u. a. die Berechnung der Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit auf der Grundlage der bisherigen betrieblichen Praxis festgelegt worden ist, unterfällt der hier von dem Kläger zusätzlich geltend gemachte Betrag für geleistete Nacht- und Sonntagsarbeit für das Jahr 2014 der Klausel in Ziffer 5.) der Zusatzvereinbarung vom 11.07.2017.
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Der Vollständigkeit halber ist – auch wenn sich der Kläger darauf nicht beruft – noch darauf hinzuweisen, dass nach dem gegebenen Sach- und Streitstand keine Anhaltspunkte für eine Rechtsunwirksamkeit der Ziffern 2.) und 5.) der Zusatzvereinbarung vom 11.07.2017 nach den Grundsätzen zur Überprüfung allgemeiner Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB ersichtlich sind.
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Nach alledem ist wie erkannt zu entscheiden.
II.
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Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
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Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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Referenzen
- §§ 305 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- 4 Ca 2042/17 2x (nicht zugeordnet)
- 5 AZR 84/17 1x (nicht zugeordnet)