Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 852/02
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des ArbG Koblenz -Ausw. Kammern Neuwied- vom 18.06.2002 - 6 Ca 867/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 1.731,23 festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin für das Jahr 2001 von der Beklagten eine Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts zu beanspruchen hat. Diese Sonderzahlung wird von der Klägerin als "Weihnachtsgeld" bzw. als "Sonderzuwendung" (- insoweit ebenso die Terminologie des Arbeitsgerichts -) bezeichnet. Die Klägerin ist aufgrund des Anstellungsvertrages vom 20.05.1994 (Bl. 4 f d.A.) seit dem 15.06.1994 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Im Jahre 2001 befand sich die Klägerin im Erziehungsurlaub.
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In § 3 S. 3 des Anstellungsvertrages heißt es:
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"Vom Arbeitgeber gewährte Gratifikationen gelten nur als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, auch wenn sie wiederholt und ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Freiwilligkeit erfolgen, und begründen keinen rechtlichen Anspruch für die Zukunft".
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Zur Klagebegründung hat die Klägerin erstinstanzlich insbesondere vorgetragen, dass sie in jedem Jahr ihrer Beschäftigung von der Beklagten zum 01.12. ein "Weihnachtsgeld" in Höhe eines vollen Monatsgehaltes erhalten habe, - auch im Jahre 2001 sei an die übrigen Mitarbeiter ein "Weihnachtsgeld" in Höhe eines vollen Monatsgehaltes ausgezahlt worden.
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Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des ArbG Koblenz - Ausw. Kammern Neuwied - vom 18.06.2002 - 6 Ca 867/02 - (dort Seite 3 f = Bl. 30 f d.A.).
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
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Zur Begründung seines Urteils hat das Arbeitsgericht u.a. darauf abgestellt, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Sonderzahlung ("Sonderzuwendung") um eine reine Vergütung und nicht um eine Gratifikation mit Mischcharakter handele. Bei einer derartigen Sonderzahlung habe der Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub lediglich Anspruch auf eine der im Bezugszeitraum erbrachten Arbeitsleistung entsprechenden Teilleistung. Da die Klägerin im Jahre 2001 wegen ihres Erziehungsurlaubes unstreitig keinerlei Arbeitsleistungen erbracht habe, sei die Klage abzuweisen.
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Gegen das am 17.07.2002 zugestellte Urteil vom 18.06.2002 - 6 Ca 867/02 - hat die Klägerin am 12.08.2002 Berufung eingelegt und diese am 09.09.2002 begründet.
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Wegen aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 06.09.2002 (Bl. 48 ff d.A.) verwiesen.
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Die Klägerin entnimmt § 3 des Anstellungsvertrages, dass es sich bei dem gezahlten "Weihnachtsgeld" nicht um eine Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter handele. Die Klägerin meint, dass eine anteilige Kürzung für Fehlzeiten, in denen kein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestehe, nur dann möglich sei, wenn dies ausdrücklich vereinbart sei. Ergebe die Auslegung, dass die "Sonderzuwendung" unabhängig von der Gegenleistung "Arbeit" geschuldet werde, so bestehe auch während des Erziehungsurlaubs Anspruch auf die "Sonderzuwendung". Die Klägerin verweist darauf, dass sie die "Sonderzuwendung" insbesondere (auch) im Jahre 1999 erhalten hat, in dem sie über mehrere Monate hinweg arbeitsunfähig krank war.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des ArbG Koblenz -Ausw. Kammern Neuwied- vom 18.06.2002 - 6 Ca 867/02 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.731,23 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe ihrer Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 11.10.2002 (Bl. 69 f d.A.), auf deren Inhalt ebenso Bezug genommen wird wie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 25.09.2002 (Bl. 66 d.A.); in dem zuletzt genannten Schriftsatz weist die Beklagte darauf hin, dass sie weder im Jahre 2001 noch jemals zuvor Weihnachtsgeld oder ähnliche Sonderleistungen gegenüber Arbeitnehmern/innen erbracht hat, deren Arbeitsverhältnis geruht hat.
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Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Berufung ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis richtig entschieden.
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II. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin den eingeklagten Betrag zu zahlen.
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1. In einem Fall der vorliegenden Art ist vorrangig zu untersuchen, ob die in Betracht kommende Rechtsgrundlage (- etwa: Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag -) überhaupt eine eindeutige Aussage im Sinne einer positiven Anspruchsgrundlage trifft (vgl. Spiegelhalter/Schwab/Busemann u.a. Arbeitsrechtslexikon - Stichwort Nr. 174 Erziehungsurlaub/Elternzeit - Seite 4 f unter II. 3. d)).
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Voraussetzung für die Anwendung der von der Klägerin zitierten Rechtsgrundsätze ist, dass die Vertragsauslegung ergibt, dass die Sonderzahlung unabhängig von der Gegenleistung "Arbeit" geschuldet wird. Voraussetzung ist somit zumindest, dass die Beklagte überhaupt (- dem Grunde nach -) eine rechtliche Verpflichtung trifft, der Klägerin ohne weiteres alljährlich einen Betrag als Sonderzahlung, Gratifikation, Sonderzuwendung o.ä. zu zahlen. Eine derartige Verpflichtung der Beklagten besteht gegenüber der Klägerin aber gerade nicht.
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2. Der Arbeitsvertrag (Anstellungsvertrag vom 20.05.1994) enthält hier keine eigenständige Anspruchsgrundlage, soweit es um die Zahlung einer Gratifikation oder einer ähnlichen Leistung geht. Vielmehr wurde im Arbeitsvertrag ein Freiwilligkeitsvorbehalt normiert, der das Entstehen eines Anspruches der Klägerin für das Jahr 2001 verhindert hat. Wenn es dort heißt:
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"Vom Arbeitgeber gewährte Gratifikationen gelten nur als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, auch wenn sie wiederholt und ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Freiwilligkeit erfolgen, und begründen keinen rechtlichen Anspruch für die Zukunft" so ist diese Regelung vom Wortlaut und nach ihrem Sinn und Zweck eindeutig; sie erfasst auch den vorliegend geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines "Weihnachtsgeldes" bzw. einer "Sonderzuwendung". Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt ist nach näherer Maßgabe der Rechtsprechung des BAG zulässig; er hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruches und lässt dem Arbeitgeber die Freiheit, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob - und ggf. welchem Personenkreis - und unter welchen Voraussetzungen eine Gratifikation gezahlt werden soll. Der Freiwilligkeitsvorbehalt hat die Bedeutung, dass der Arbeitnehmer solange keinen Anspruch auf eine Gratifikation oder eine ähnliche Leistung hat, wie nicht der Arbeitgeber einen solchen durch Erklärungen oder Handlungen begründet oder dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Gleichbehandlung erwächst, - nicht aber verhält es sich so, dass ein (- nicht bestehender -) Anspruch erst durch Erklärungen des Arbeitgebers in Wegfall gebracht werden müsste.
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Ein Anspruch für ein bestimmtes Jahr entsteht insoweit erst entweder mit der vorbehaltlosen Zusage, auch in diesem Jahr eine Gratifikation zahlen zu wollen, oder mit der tatsächlichen Zahlung der Gratifikation nach Maßgabe des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (vgl. BAG, 12.01.2000, NZA 2000, 944 und BAG, 05.06.1996, NZA 1996, 1028).
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3. Die (denkbare) Anspruchsgrundlage "betriebliche Übung" stützt die Klageforderung gleichfalls nicht. Die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage lassen sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. Der im Arbeitsvertrag enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt lässt auch bei wiederholter und langjähriger Zahlung einen Anspruch aufgrund einer betrieblichen Übung nicht entstehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier jeweils - im Arbeitsvertrag nicht nur der freiwillige Charakter der Leistung betont, sondern gleichzeitig zum Ausdruck gebracht wird, dass auch aus einer wiederholten Zahlung ein Anspruch für die Zukunft nicht entsteht. Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Arbeitgeber in jedem Jahr frei, erneut darüber zu entscheiden, ob er die Leistung gewähren will oder nicht.
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4. Allerdings ist der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb freiwillige Leistungen gewährt, nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden. Insoweit ist es jedoch weiter anerkanntes Recht, dass eine Differenzierung zwischen einem aktiven Arbeitsverhältnis und einem Arbeitsverhältnis, dessen Hauptpflichten ruhen, nicht sachwidrig oder gar willkürlich ist. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs/der Elternzeit mit der Folge der Aussetzung von Arbeitspflicht und Lohnzahlungspflicht ist von solchem Gewicht, dass eine allgemeine Gleichstellung der betroffenen Arbeitnehmer mit Arbeitnehmern in einem nicht ruhenden Arbeitsverhältnis nicht gefordert werden kann. Deswegen verstößt die Entscheidung der Beklagten, an die Klägerin, die sich im Anspruchszeitraum in Erziehungsurlaub befand, keine Gratifikation zu zahlen, weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen europarechtliche Rechtsgrundsätze.
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Die Klägerin hat nicht behauptet, dass die Beklagte im Jahre 2001 die verfahrensgegenständliche Leistung ("Weihnachtsgeld"/Gratifikation o.ä.) auch solchen Arbeitnehmern gewährt hat, deren Arbeitsverhältnis - wie das der Klägerin - geruht hat. Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 25.09.2002 hat die Klägerin nicht bestritten. Soweit die Klägerin auf die im Jahre 1999 erfolgte Zahlung verweist, kommt es darauf, - da es nunmehr um den Anspruch für das Jahr 2001 geht -, nicht entscheidend an. Unabhängig davon stellt das Arbeitsverhältnis eines erkrankten Arbeitnehmers noch nicht (ohne weiteres) bereits ein ruhendes Arbeitsverhältnis dar.
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III. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin tragen. Der Streitwert wurde gem. § 25 Abs. 2 GKG festgesetzt. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.
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