Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (9. Kammer) - 9 Sa 1177/03
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 31.07.2003, Az.: 9 Ca 214/03 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.03.2003 hinaus unbefristet fortbesteht.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.392,47 EUR festgesetzt.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens trägt jede Partei die Hälfte.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
- 1
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der Befristung von zwei Arbeitsverträgen.
- 2
Von der wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 31.07.2003 (dort S. 2 bis 4 = Bl. 65 bis 67 d.A.) Bezug genommen.
- 3
Die Klägerin hat beantragt,
- 4
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.12.2002 unbefristet fortbesteht, hilfsweise festzustellen, dass das Beschäftigungsverhältnis über den 31.03.2003 unbefristet fortbesteht,
- 5
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 31.12.2002, hilfsweise über den 31.03.2003, zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Arbeiterin weiter zu beschäftigen.
- 6
Die Beklagte hat beantragt,
- 7
die Klage abzuweisen.
- 8
Das Arbeitsgericht Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – hat mit Urteil vom 31.07.2003 (Bl. 64 ff. d.A.) die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellungsanträge seien zulässig, ebenso die Weiterbeschäftigungsklage soweit sie sich auf die Zeit ab dem 31.03.2003 beziehe, nicht jedoch die Weiterbeschäftigungsklage für den Zeitraum vom 31.12.2002 bis 31.03.2003 wegen eines sachlichen Grundes befristet worden, der zu den Zeitpunkten der Vertragsschlüsse objektiv vorgelegen habe. Zu diesen Zeitpunkten sei die Klägerin nämlich als Vertretung eingesetzt worden, da eine andere Briefzustellerin des Zustellstützpunktes V, nämlich Frau X W während des Befristungszeitraumes arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Es handele sich hierbei um eine zulässige mittelbare Vertretung, für die ausreiche, wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters, dem dadurch hervorgerufenen Vertretungsbedarf und der befristeten Einstellung einer Vertretungskraft bestehe. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt, zumal die Klägerin wie auch die vertretene Arbeitnehmerin W in gleicher Funktion im Zustellstützpunkt V als Briefzustellerinnen beschäftigt gewesen seien. Die Beklagte habe mit den vorhandenen Arbeitskräften die in diesem Zustellstützpunkt anfallenden Briefzustelldienste verrichten müssen, so dass es nicht entscheidungserheblich darauf ankomme, in welchem Zustellbezirk letztlich die Klägerin und die Arbeitnehmerin W ihre Aufgaben wahrgenommen hätten.
- 9
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf S. 4 ff. des Urteils vom 31.07.2003 (Bl. 67 ff. d.A) verwiesen.
- 10
Die Klägerin, der das Urteil des Arbeitsgerichtes am 21.08.2003 zugestellt worden ist, hat gegen diese Entscheidung am 12.09.2003 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 21.11.2003 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 21.11.2003 verlängert worden war.
- 11
Die Klägerin macht geltend,
- 12
der schriftliche Arbeitsvertrag vom 19.09.2002 enthalte keine Befristung des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich eine befristete Änderung der Wochenarbeitszeit, wobei Beginn und Ende dieser veränderten Wochenarbeitszeit festgelegt worden seien. Die maßgebliche Passage auf S. 1 des Vertrages, die für die Änderung der Dauer des Arbeitsverhältnisses für bislang befristete Arbeitsverträge vorgesehen sei, sei im Vertrag vom 19.09.2002 gestrichen. Auch sei in der dafür vorgesehenen Passage des Vertrages auf S. 1 kein Sachgrund für eine Befristung angegeben; die Krankenvertretung für Frau W werde lediglich als Begründung für die Änderung der Wochenarbeitszeit aufgeführt. Für die beiden befristeten Arbeitsverträge fehle ein sachlicher Grund. Die Beklagte habe sich auf den Fall einer mittelbaren Vertretung berufen, ohne eine lückenlose Vertreterkette darlegen zu können. Frau W sei stets nur für den Zustellbezirk 25 eingesetzt worden und habe die Arbeiten, die die Klägerin im Bezirk 24 ausgeübt habe, mangels der erforderlichen Ausbildung nicht ausführen können. Die Klägerin sei ausschließlich in den Bezirken 24, 14 und 19 eingesetzt worden und habe mit den früheren Aufgaben von Frau W nichts zu tun gehabt.
- 13
Soweit die Beklagte zweitinstanzlich den Sachgrund der mittelbaren Stellvertretung aus den Arbeitsvolumina, die in dem Zustellstützpunkt V in der Zeit von Januar bis März 2003 angefallen seien, ableiten wolle, würden die Angaben in den entsprechenden Tabellen pauschal bestritten. Diese Angaben seien letztlich nicht einlassungsfähig, da nicht ersichtlich sei, anhand welcher konkreten Umstände bzw. Daten die Zahlen zum Personalbedarf und zum -bestand in dem mitgeteilten Zeitraum überhaupt ermittelt worden seien. Auch sei nicht erkennbar, inwieweit es hier um eine Planung der Arbeitszeitvolumina gehen solle, denn es sei nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt die mitgeteilten Zahlen ermittelt worden seien.
- 14
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 21.11.2003 (Bl. 88 ff. d.A.), 28.11.2003 (Bl. 98 d.A.) und 10.03.2004 (Bl. 125 ff. d.A.) Bezug genommen.
- 15
Die Klägerin beantragt,
- 16
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 31.07.2003 – 9 Ca 214/03 – abzuändern und
- 17
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.12.2002 hinaus unbefristet fortbesteht,
- 18
2. hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.03.2003 hinaus unbefristet fortbesteht.
- 19
Die Beklagte beantragt,
- 20
die Berufung zurückzuweisen.
- 21
Die Beklagte führt aus,
- 22
sowohl der Arbeitsvertrag vom 19.09.2002 als auch jener vom 25.11.2002 seien rechtswirksam befristet worden. Der Arbeitsvertrag vom 19.09.2002 stelle nicht nur eine Befristung geänderter Arbeitszeiten dar, sondern enthalte auch Beginn und Ende des Arbeitsvertrages; diese Daten seien ausdrücklich genannt und abweichend von dem vorherigen Arbeitsvertrag geregelt. Die beiden Arbeitsverträge vom 19.09.2002 und 25.11.2002 seien wegen eines Sachgrundes befristet worden; die Klägerin sei nämlich als Vertreterin der krankheitsbedingt ausgefallenen Frau X W eingesetzt worden. Es liege ein Fall der mittelbaren Stellvertretung vor, wobei entscheidend sei, dass sowohl die Klägerin als auch Frau W in gleicher Funktion im Zustellstützpunkt V als Briefzustellerinnen beschäftigt gewesen seien. Aus den Einsatzplänen des Zustellstützpunktes V (vgl. Bl. 63 ff. d.A.) sei die lückenlose Vertreterkette eindeutig zu erkennen. Die erkrankte Mitarbeiterin W sei in der Regel im Bezirk 25 eingesetzt worden; ebenso wie Frau U. Beide Mitarbeiterinnen hätten sich den Bezirk 25 im Rahmen eines Job-Sharings geteilt. Nach der Erkrankung von Frau W habe Frau U den Bezirk 25 wie immer beibehalten; der Mitarbeiter T habe die zweite Hälfte, also jene, die sonst Frau W bearbeitet habe, übernommen. Da Herr T aber in Vollzeit beschäftigt gewesen sei, habe er im Übrigen seine eigenen Bezirke in der Zeit, in der Frau U in ihrem Bezirk 25 tätig gewesen sei, weiter betreut. Die Klägerin sei auf eigenen Wunsch in den Bezirken 19, 24 und 14 eingesetzt worden, da sie diese Bezirke bereits gekannt habe. Anstelle eines Einsatzes im Bezirk von Frau W, also im Bezirk 25, sei die Klägerin in anderen Bezirken derselben Zustellgruppe eingesetzt worden; die Vertreterkette sei somit lückenlos.
- 23
Unabhängig hiervon ergebe sich die Kausalität zwischen der Erkrankung von Frau W und der Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auch aus der Planung und Umsetzung der Arbeitszeitvolumina. Die Gegenüberstellung von Personalbestand und Personalbedarf, einschließlich der Personalausfälle im Zustellstützpunkt V in der Zeit vom 05.01.2003 bis 31.03.2003 ergebe folgendes:
- 24
Januar
- 25
Datum
Summe, Bedarf und
AusfallPersonalbestand
Abweichung
05.01.2003
40,30
38,70
-1,60
06.01.2003
39,74
38,70
-1,04
07.01.2003
40,24
38,70
-1,53
08.01.2003
40,57
38,70
-1,87
09.01.2003
40,57
38,70
-1,87
10.01.2003
40,57
38,70
-1,87
11.01.2003
41,57
38,70
-2,87
12.01.2003
41,57
38,70
-2,87
13.01.2003
40,05
39,03
-1,02
14.01.2003
40,05
39,03
-1,02
15.01.2003
40,56
49,03
-1,53
16.01.2003
42,74
39,03
-3,71
17.01.2003
42,06
39,03
-3,03
18.01.2003
42,06
39,03
-3,03
19.01.2003
40,56
39,03
-1,53
20.01.2003
41,05
39,03
-2,02
21.01.2003
40,05
39,03
-1,02
23.01.2003
40,72
39,03
-1,69
24.01.2003
40,72
39,03
-1,69
25.01.2003
40,05
39,03
-1,02
26.01.2003
38,54
39,03
-0,49
27.01.2003
40,23
39,20
-1,03
28.01.2003
41,23
39,20
-2,03
29.01.2003
40,23
39,20
-1,03
30.01.2003
39,23
38,20
-1,03
31.01.2003
39,23
38,20
-1,03
- 26
Februar
- 27
Datum
Summe, Bedarf und
AusfallPersonalbestand
Abweichung
01.02.2003
39,23
38,20
-1,03
02.02.2003
39,23
38,20
-1,03
03.02.2003
41,62
38,20
-3,42
04.02.2003
39,95
38,20
-1,75
05.02.2003
40,95
38,46
-2,49
06.02.2003
41,95
38,46
-3,49
07.02.2003
41,27
38,46
-2,81
08.02.2003
41,27
38,46
-2,81
09.02.2003
41,27
38,46
-2,81
10.02.2003
41,78
38,46
-3,32
11.02.2003
41,95
38,46
-3,49
12.02.2003
41,95
38,46
-3,49
13.02.2003
41,72
38,46
-3,26
14.02.2003
41,72
38,46
-3,26
15.02.2003
41,72
38,46
-3,26
16.02.2003
40,05
38,46
-1,59
17.01.2003
39,72
38,46
-1,26
18.02.2003
40,05
38,46
-1,59
19.02.2003
41,05
38,46
-2,59
20.02.2003
39,56
38,20
-1,36
21.02.2003
39,39
38,20
-1,19
22.02.2003
40,57
38,20
-2,37
23.02.2003
39,57
38,29
-1,37
24.02.2003
39,39
38,20
-1,19
25.02.2003
40,79
38,20
-2,59
26.02.2003
40,45
38,20
-2,25
27.02.2003
40,45
38,20
-2,25
28.02.2003
39,05
38,20
-0,85
- 28
März
- 29
Datum
Summe, Bedarf und
AusfallPersonalbestand
Abweichung
01.03.2003
39,05
38,20
-0,85
02.03.2003
39,05
38,20
-0,85
03.03.2003
39,76
38,20
-1,56
04.03.2003
40,27
38,20
-2,07
05.03.2003
40,95
38,20
-2,75
06.03.2003
41,76
38,20
-3,56
07.03.2003
39,76
38,20
-1,56
08.03.2003
39,76
38,20
-1,56
09.03.2003
38,76
38,20
-0,56
10.03.2003
40,69
38,20
-2,49
11.03.2003
40,52
38,20
-2,32
12.03.2003
41,19
38,20
-2,99
13.03.2003
40,19
38,69
-1,50
14.03.2003
40,19
38,69
-1,50
15.03.2003
40,19
38,69
-1,50
16.03.2003
38,69
38,69
0,00
17.03.2003
39,05
38,69
-0,36
18.03.2003
39,05
38,69
-0,36
19.03.2003
40,05
38,69
-1,36
20.03.2003
40,56
38,20
-2,36
21.03.2003
41,05
38,20
-2,85
22.03.2003
40,05
38,20
-1,85
23.03.2003
40,05
38,20
-1,85
24.03.2003
40,02
38,20
-1,82
25.03.2003
39,52
38,20
-1,32
26.03.2003
40,52
38,20
-2,32
27.03.2003
40,52
38,20
-2,32
28.03.2003
40,52
38,20
-2,32
29.03.2003
40,52
38,20
-2,32
30.03.2003
40,52
38,20
-2,32
31.03.2003
43,83
40,88
-2,95
- 30
Hieraus folge, dass während der streitentscheidenden drei Monate Januar, Februar und März 2003 kein Personalüberhang im Zustellstützpunkt V bestanden habe. Die einzelnen Zahlen aus den dargestellten Tabellen seien auf der Grundlage von Tagesübersichten erstellt worden (vgl. den Ordner "Anlagen"), welche ihrerseits dem Personalbuchungssystem "Open" entnommen worden seien.
- 31
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 22.12.2003 (Bl. 102 ff. d.A.) und 12.02.2004 (Bl. 119 ff. d.A.) nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 32
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zulässig. Darüber hinaus ist die Berufung hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet (A.), jedoch hinsichtlich des Hilfsantrages begründet (B.).
A.
- 33
Die mit dem Hauptantrag verfolgte Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.12.2002 hinaus unbefristet fortbestanden hat, war nicht zu treffen.
- 34
Zwar fehlt es diesem Antrag nicht an der Zulässigkeit, insbesondere nicht an einem rechtlichen Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Das Feststellungsinteresse bedarf bei der gesetzlich vorgeschriebenen Form einer Klage nach § 17 TzBfG nämlich regelmäßig keiner weiteren Darlegung. Es folgt bereits aus der bei Versäumung der Klagefrist nach § 17 Satz 2 TzBfG in Verbindung mit § 7 KSchG eintretenden Fiktion der Wirksamkeit der Befristung (vgl. BAG, Urt. v. 26.07.2000 – 7 AZR 43/99 = AP Nr. 26 zu § 1 BeschFG 1985).
- 35
Der Feststellungsantrag ist aber unbegründet, da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrages auf ihre Wirksamkeit zu prüfen ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Parteien in einem nachfolgend befristeten Vertrag dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten haben, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung prüfen zu lassen (BAG, Urt. v. 05.06.2002 – 7 AZR 205/01 = EzA § 620 BGB Nr. 195). Durch den vorbehaltlosen Abschluss eines Folgevertrages stellen die Arbeitsvertragsparteien ihre Vertragsbeziehungen regelmäßig auf eine neue Rechtsgrundlage und heben ein etwa unbefristetes früheres Arbeitsverhältnis auf. Ein vertraglicher Verzicht, sich insbesondere auch im Rahmen der Überprüfung des letzten Vertrages auf die Unwirksamkeit des vorausgegangenen Vertrages zu berufen, liegt darin aber nicht (vgl. BAG, Urt. v. 26.07.2000 a.a.O., m.w.N.).
- 36
Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze war im vorliegenden Fall nicht isoliert zu prüfen, ob die Befristungsabrede vom 19.09.2002 rechtswirksam war. Denn die Parteien haben durch die zeitlich nachfolgende Vereinbarung eines befristeten Arbeitsvertrages vom 25.11.2002 ihre Vertragsbeziehungen auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt, ohne dass ein Vorbehalt einer Überprüfung des vorausgegangenen Arbeitsvertrages vereinbart worden wäre. Auf die Frage, ob die Klägerin darüber hinaus in jeder Beziehung auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit des vorletzten Vertrages vertraglich verzichtet hat, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
B.
- 37
Der zulässige Hilfsantrag der Klägerin ist hingegen begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat über den 31.03.2003 hinaus unbefristet fortbestanden. Der Vertrag vom 25.11.2002, mit welchem eine Befristung des Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit bis zum 31.03.2003 vereinbart wurde, ist nach § 14 TzBfG unzulässig, so dass dieser befristete Vertrag gemäß § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.
1.
- 38
Die rechtlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages ohne Sachgrund sind nicht erfüllt. Hiernach ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.
- 39
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte seit dem 28.09.2000 nahtlos aneinander anschließende befristete Arbeitsverträge abgeschlossen, so dass die streitgegenständliche Befristungsabrede vom 25.11.2002 außerhalb der gesetzlichen Zwei-Jahres-Frist liegt.
2.
- 40
Darüber hinaus ist die Befristungsvereinbarung vom 25.11.2002 auch nach § 14 Abs. 1 TzBfG unzulässig. Demnach ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt unter anderem insbesondere dann vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird (§ 14 Abs. 1 Ziffer 3 TzBfG).
- 41
Der Sachgrund der Vertretung kommt nicht nur in Fällen unmittelbarer Vertretung, sondern auch in den Fällen mittelbarer Vertretung in Betracht. Die Vertretungskraft muss nicht dieselben Aufgaben verrichten, die der ausgefallene Mitarbeiter zu verrichten gehabt hätte. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, eine Umorganisation vorzunehmen und die Aufgaben des zeitweilig ausfallenden Mitarbeiters einem oder auch mehreren anderen Mitarbeitern zu übertragen sowie dessen bzw. deren Aufgaben ganz oder teilweise wiederum von der Vertretungskraft erledigen zu lassen. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters und dem dadurch hervorgerufenen vorübergehenden Vertretungsbedarf einerseits und der befristeten Einstellung, bzw. Vertragsänderung der Vertretungskraft andererseits ein Kausalzusammenhang besteht (vgl. BAG, Urt. v. 21.03.1990 – 7 AZR 286/89 = AP Nr. 135 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Urt. v. 20.01.1999 – 7 AZR 640/97 = AP Nr. 138 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten). Bestreitet der Arbeitnehmer den Kausalzusammenhang, muss der Arbeitgeber deutlich machen, in welcher Weise die befristete Einstellung, bzw. Vertragsänderung der Befriedigung des Vertretungsbedarfs dienen sollte. Hierzu kann es erforderlich sein, die zur Zeit der Befristungsabrede vorhandene Planung sowie deren tatsächliche und rechtliche Umsetzungsmöglichkeit zu schildern (vgl. BAG, Urt. v. 24.01.2001 – 7 AZR 208/99 = EzA § 620 BGB Nr. 173).
- 42
Im gegebenen Fall hat die Beklagte vorgetragen, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Befristungsabrede, also am 25.11.2002 als Vertretung der erkrankten Postzustellerin W vorgesehen gewesen, wobei ein Fall der mittelbaren Vertretung vorgelegen habe. Die Klägerin hat demgegenüber einen kausalen Zusammenhang zwischen der Erkrankung von Frau W und ihrem befristeten Beschäftigungsverhältnis bestritten, indem sie insbesondere darauf hinwies, dass sie als Postzustellerin im Zustellstützpunkt V auch nicht mittelbar den ursprünglich von Frau W betreuten Zustellbezirk 25 bearbeitet habe; sie sei vielmehr in den Zustellbezirken 24, 14 und 19 eingesetzt gewesen. Es gebe keine Vertreterkette zwischen diesen drei Bezirken und dem Zustellbezirk 25.
- 43
Der Beklagten ist es anschließend nicht gelungen, eine Kausalkette zwischen den der Klägerin zugewiesenen drei Zustellbezirken und dem Zustellbezirk 25 schlüssig vorzutragen. Soweit das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, für eine entsprechende Kausalkette reiche bereits der Vortrag aus, dass die Klägerin und die vertretene Arbeitnehmerin W in gleicher Funktion im Zustellstützpunkt V beschäftigt gewesen seien, schließt sich die Berufungskammer dieser Auffassung nicht an. Denn Zweck des nach § 14 Abs. 1 TzBfG erforderlichen Sachgrundes ist in erster Linie, zu verhindern, dass eine für den Arbeitnehmer nachteilige Befristungsabrede grundlos und damit in missbräuchlicher Weise erfolgt. Dementsprechend kann es im Falle einer mittelbaren Stellvertretung für die Begründung einer notwendigen Kausalkette zumindest dann nicht ausreichen, dass in einem Betrieb ein Arbeitnehmer erkrankt und ein anderer Arbeitnehmer mit gleicher Funktion befristet eingestellt wird, wenn es zahlreiche Arbeitsplätze mit gleicher Funktion gibt. Wenn in einem solchen Fall nämlich die weiteren Dauerarbeitsplätze außer Betracht bleiben, könnte eine erfahrungsgemäß anfallende bestimmte Anzahl von erkrankten Arbeitnehmern als Vorwand genutzt werden, stets ein Kontingent befristeter Arbeitsverhältnisse zu betreiben, obwohl durch die stetige Krankheitsquote freie Dauerarbeitsplätze vorhanden sind. Es ist daher notwendig, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem krankheitsbedingt freien Arbeitsplatz und dem Einsatz des mittelbaren Vertreters erkennbar wird. Dementsprechend hat der Arbeitgeber entsprechend schlüssige Prognoseüberlegungen für den maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages darzutun.
- 44
Die Beklagte hat sich hier zunächst auf den vorgelegten schriftlichen Einsatzplan für die Zeit vom September 2002 bis Januar 2003 (Bl. 36 ff. d.A.) zur Begründung einer Kausalkette berufen. Hierzu ist zunächst einmal festzustellen, dass der durch diese Einsatzplanung abgedeckte Zeitraum lediglich hinsichtlich des Monats Januar 2003 mit dem Zeitraum der zeitlich letzten Befristung übereinstimmt; eine Einsatzplanung für die Monate Februar und März 2003 wurde von der Beklagten nicht beigebracht.
- 45
Darüber hinaus hat es die Beklagte versäumt, einen schlüssigen Zusammenhang zwischen dem Zustellbezirk 25 (Frau W) und dem Zustellbezirk 24, 14 und 19 (Klägerin) darzulegen. Die Personaleinteilung in der Einsatzplanung lässt lediglich erkennen, dass Herr R T zusätzlich zu den dort schon immer – neben Frau W – eingesetzten Frau S U den Zustellbezirk 25 betreut hat. Dass die Klägerin den Stammzustellbezirk von Herrn T übernommen habe, wird von der Beklagten weder behauptet noch ist dies der Einsatzplanung zu entnehmen. Auch die Zwischenschaltung weiterer vertretender Mitarbeiter wurde von der Beklagten nicht konkret vorgetragen. Hierauf wurde die Beklagte sowohl in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 21.01.2004 als auch in dem Auflagenbeschluss gleichen Datums hingewiesen, ohne dass in diesem Zusammenhang weiterer Vortrag erfolgt wäre.
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Sodann hat die Beklagte versucht, den notwendigen Kausalzusammenhang anhand der Arbeitsvolumina, die im Zustellbezirk V in der Zeit von Januar bis März 2003 bei den Postzustellern angefallen sind, darzulegen. Dies ist aber auch nicht gelungen. Zum einen lässt die Gegenüberstellung von Personalbedarf und Personalbestand (vgl. Bl. 119 ff. d.A. und den Anlagenordner) nicht erkennen, inwiefern es sich insoweit um eine Planung zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages vom 29.11.2002 gehandelt haben soll; hierzu wurde nichts vorgetragen, obwohl mit Beschluss der Berufungskammer vom 21.01.2004 der Beklagten ausdrücklich aufgegeben worden war, auch zur Planung der Arbeitszeitvolumina vorzutragen.
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Darüber hinaus ist nicht nachvollziehbar, wie die vorgetragenen Bedarfs- und Bestandsdaten ermittelt worden sind. Trotz einer entsprechenden Rüge der Klägerin im Schriftsatz vom 10.03.2004 vermochte die Beklagte auch in der letzten mündlichen Berufungsverhandlung hierzu lediglich auszuführen, dass diese Daten dem Personalbuchungssystem "Open" entnommen worden seien; darüber hinaus vermochte sie den Namen des Mitarbeiters zu nennen, der für dieses Personalbuchungssystems verantwortlich ist. Auf der Grundlage dieser Angaben lässt sich die Aussagekraft der von der Beklagten in den Raum gestellten Personaldaten aber nicht überprüfen.
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Nach alledem hat die Berufung teilweise Erfolg.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
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Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.
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Dr. Speiger
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